Trendbarometer 2026: Energiearchitekturen für KI und Elektrifizierung

Rechenzentren und Power: KI treibt Energie- und HW-Standards

KI erhöht den Druck auf Rechenzentren und Energiearchitekturen weltweit. Neue Standards wie 48 V und 800 V, WBG-Technologien, modulare Hardware und Elektrifizierung verändern ganze Branchen – von Automotive bis Medizintechnik. Unsere Umfrage zeigt die Trends für 2026.

3 min
Die zunehmende Bedeutung von KI, Elektrifizierung und erneuerbaren Energien zwingt die Industrie zu neuen Energiearchitekturen.
Die zunehmende Bedeutung von KI, Elektrifizierung und erneuerbaren Energien zwingt die Industrie zu neuen Energiearchitekturen.

Die Trends der Elektoindustrie 2026

Wir haben uns in den vergangenen Monaten intensiv mit Trends in verschiedenen Bereichen der Elektrotechnik beschäftigt und diese journalistisch eingeordnet. Dazu haben wir bei zahlreichen Unternehmen nachgefragt, um aktuelle Einschätzungen und technische Entwicklungen direkt aus der Praxis zu erhalten. Die folgenden Beiträge geben einen Überblick über die bisher erschienenen Artikel – weitere folgen in den kommenden Wochen.

KI-Lasten steigen rasant und verschärfen Engpässe in Rechenzentren

Die weltweite Zunahme von KI-Workloads führt zu einem tiefgreifenden Umbau der Energie- und Rechenzentrumsinfrastruktur. Molex beschreibt diese Entwicklung sehr deutlich:

„Molex … geht davon aus, dass Künstliche Intelligenz (KI) über die nächsten 12 bis 18 Monate weiter alle wichtigen Branchen verändern und zu einer exponentiellen Nachfrage nach Rechenressourcen führen wird. Dies wird für erhebliche Engpässe bei der Rechenleistung als auch der Datenanbindung sorgen.“

Die Folgen spüren zahlreiche Anwendungen: Automotive, Luft- und Raumfahrt, Verteidigungstechnik, Medizintechnik, Industrieautomation und Consumer Electronics benötigen gleichzeitig mehr Rechenleistung und stoßen zunehmend auf Grenzen bei Kühlung, Energieversorgung und Hochgeschwindigkeitsverbindungen. Die Rechenzentrumsarchitektur wird dadurch zu einem der entscheidenden Innovationsfelder der kommenden Jahre.

Modulare Systeme und offene Standards gewinnen an Bedeutung

Um den steigenden Leistungsanforderungen zu begegnen, rücken modulare Hardwareansätze und offene Standards in den Mittelpunkt. Molex sieht diesen Trend klar:

„In den meisten Branchen wächst der Bedarf an modularen Lösungen und offenen Standards.“

Als aktives Mitglied des Open Compute Project (OCP) arbeitet Molex an neuen Kühlmethoden und modularen Spezifikationen, um Effizienz und Skalierbarkeit von Hyperscale-Systemen zu verbessern. Parallel entsteht Druck auf Luft- und Raumfahrt wie auch Verteidigungstechnik, Größe, Gewicht, Stromverbrauch und Kosten (SWaP-C) weiter zu reduzieren. Dieses Ziel ist nur mit modularer, standardisierter Hardware erreichbar.

48-V-Architektur setzt sich durch – in Rechenzentren und Fahrzeugen

Mit wachsender Leistungsdichte geraten klassische 12-V-Systeme an ihre Grenzen. Molex verweist darauf, dass:

„Die 48V-Architektur … sich bei KI-gesteuerten Rechenzentren und Fahrzeugen nächster Generation rasch zum universellen Standard für mehr Effizienz entwickelt.“

48 V erleichtern die Reduktion von Leitungsverlusten, verringern Kabelgewichte und unterstützen die Anforderungen an thermische Dichte. In Rechenzentren erfolgt dies im Einklang mit dem OCP-Standard Open Rack v3 (ORV3), der speziell für KI-bedingte Lastspitzen ausgelegt ist. Damit wird 48 V zur gemeinsamen Plattform für sowohl automotive als auch datenzentrische Zukunftssysteme.

800-V-Ökosysteme und GaN bestimmen die nächste Rechenzentrumsgeneration

Auch Power Integrations sieht eine deutliche Verschiebung hin zu Hochspannungssystemen. Das Unternehmen beschreibt einen klaren Trend: Nvidia hat ein 800-V-Gleichstrom-Ökosystem geschaffen, das speziell für die Anforderungen energieintensiver KI-Rechenzentren ausgelegt ist. Hochvolt-GaN eignet sich optimal für solche Anwendungen, insbesondere in Halbbrücken-Konfigurationen für hocheffiziente Intermediate-Bus-Converter.

Benötigt werden 1200-V- und 1700-V-GaN-ICs (wie z. B. die POWIGaN-ICs von Power Integrations). Die Schaltkreise müssen eine sehr hohe Spannungsfestigkeit bieten, um einen 800-V-Bus zuverlässig zu unterstützen. Aber nicht nur der Halbleiter selbst, sondern Substratstruktur, Cascode-Aufbau, thermisches Design und Packaging tragen zu hoher Robustheit der Bauelemente bei. Gerade bei Wide-Bandgap-Halbleitern wie GaN sind auch durch das Aufkommen vertikaler Strukturen noch viele technologische Fortschritte zu erwarten.

Gleichzeitig betont Power Integrations, dass erfolgreiche Hochleistungsarchitekturen einen ganzheitlichen Ansatz benötigen: Wide-Bandgap-Schalter, Gehäuse, Verbindungstechnik und Thermomanagement müssen miteinander abgestimmt werden, statt isoliert betrachtet zu werden.

Rechenzentren wachsen in Leistungsniveau und Energiebedarf

Andreas Thamm, Marketing Director Industrial and Automotive bei Rohm Semiconductor
Andreas Thamm, Marketing Director Industrial and Automotive bei Rohm Semiconductor

Auch Rohm Semiconductor bestätigt eine deutliche Steigerung der Energienachfrage. Andreas Thamm, Marketing Director Industrial and Automotive, berichtet:

„Wir beobachten weiterhin ein globales Wachstum der Stromnachfrage, insbesondere durch den steigenden Energieverbrauch in Rechenzentren. Getrieben wird dieser Trend vom Einsatz von KI, der Entwicklung hin zu Megawatt-großen Racks und dem – von Nvidia initiierten – Wechsel zur 800-V-HVDC-Verteilung.“

Die zunehmende Integration von SiC- und GaN-Technologien ermöglicht die benötigte Effizienz- und Leistungssteigerung. Ohne Wide-Bandgap-Halbleiter (WBG) wie Siliziumkarbid (SiC) und Galliumnitrid (GaN) wäre die Konstruktion energieeffizienter Megawatt-Systeme kaum möglich.

Hintergrund zur 800-VDC-Strominfrastruktur von Nvidia

NVIDIA ist führend beim Übergang zu einer 800-VDC-Strominfrastruktur für Rechenzentren, die ab 2027 IT-Racks mit einer Leistung von 1 MW und mehr unterstützen soll, und arbeitet dabei mit wichtigen Partnern aus der Branche zusammen.

Die 800-VDC-Architektur beseitigt die Einschränkungen der herkömmlichen 54-VDC-Stromverteilung, darunter Platzmangel, Überlastung der Kupferkabel und ineffiziente Umwandlungen, indem sie Energieverluste minimiert und die Anzahl der erforderlichen Stromversorgungsgeräte reduziert.

Die neue Architektur soll die End-to-End-Effizienz um bis zu 5 % verbessern, die Wartungskosten um bis zu 70 % senken und die Kühlungskosten reduzieren, wodurch ein nachhaltiges Wachstum ermöglicht und die Gesamtbetriebskosten um bis zu 30 % gesenkt werden.

Wie die Energiewende den Bedarf an leistungsfähiger Leistungselektronik erhöht

Neben Rechenzentren verändert die globale Energiewende den Strommarkt grundlegend. Rohm Semiconductor beschreibt dies: „Ab 2026 werden erneuerbare Energien Kohle als weltweit größte Stromquelle ablösen.“

Mit dem massiven Ausbau von Energiespeichern steigt gleichzeitig die Nachfrage nach Systemen mit 1500-V-Zwischenkreisspannungen. Das führt zu einer deutlichen Zunahme von Anwendungen für 2-kV-SiC-MOSFETs und darüber hinaus, insbesondere in Solar- und Speicheranlagen, die hohe Spannungen mit maximaler Effizienz kombinieren müssen.

Mit dem massiven Ausbau von Energiespeichern steigt gleichzeitig die Nachfrage nach Systemen mit 1500-V-Zwischenkreisspannungen.
Mit dem massiven Ausbau von Energiespeichern steigt gleichzeitig die Nachfrage nach Systemen mit 1500-V-Zwischenkreisspannungen.

Elektrifizierung treibt neue Anforderungen an Daten- und Stromverbindungen

Elektrifizierung zieht sich inzwischen durch nahezu alle Mobilitäts- und Industriebereiche. Molex hebt hervor:

„Elektrifizierung findet sich in immer mehr Bereichen und befeuert die Nachfrage nach Datenanbindung mit hoher Geschwindigkeit und Leistungsfähigkeit.“

Besonders militärische Landsysteme und eVTOL-Luftfahrzeuge benötigen leichte, miniaturisierte und robuste Steckverbinder nach MIL-SPEC-Standards. Molex setzt als Befürworter zonenbasierter Fahrzeugarchitekturen auf Hybridsteckverbinder, die Strom- und Hochgeschwindigkeitssignale gleichzeitig zuverlässig führen. Das wird entscheidend, wenn Sensorik, Radar, Kameras und LiDAR im Fahrzeugnetzwerk zusammengeführt werden.

800-V-Systeme und V2G verändern das Fahrzeugdesign in der E-Mobilität

Die Elektrifizierung im Automotive-Sektor gewinnt weiter an Fahrt. Andreas Thamm von Rohm Semiconductor beschreibt die Lage: „Das Wachstum von batterieelektrischen Fahrzeugen (BEVs) setzt sich dynamisch fort: 800-V-Systeme werden zum Standard …“

Die Konsequenzen sind klar: Die Nachfrage nach SiC-MOSFETs steigt weiter, da sie höhere Effizienz und größere Reichweiten ermöglichen. Parallel gewinnt bidirektionales Laden (V2G) an Bedeutung, und damit GaN-Technologien für kompakte, hochfrequente Onboard-Ladegeräte und Niederspannungs-DC/DC-Wandler.

Damit wachsen Automobil- und Rechenzentrumsarchitekturen technologisch enger zusammen: 48 V und 800 V werden gemeinsame Standards in zwei bislang getrennten Welten.

Modulare Standards und ganzheitliche Ansätze

Die zunehmende Bedeutung von KI, Elektrifizierung und erneuerbaren Energien zwingt die Industrie zu neuen Energiearchitekturen. WBG-Technologien, modulare Standards wie OCP, 48-V- und 800-V-Plattformen sowie ganzheitliche Ansätze in Packaging und Verbindungstechnik sichern die Leistungsfähigkeit zukünftiger Systeme – vom Hyperscale-Rechenzentrum bis zum elektrifizierten Fahrzeug.