Leistungshalbleiter: Technologien und Anwendungen erklärt

Leistungshalbleiter stehen im Zentrum der Energietechnik

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Die Aufnahme zeigt einen Halbleiter‑Wafer mit hunderten fein strukturierten Chips. Auf solchen Scheiben entstehen die Leistungshalbleiter aus Silizium, Siliziumkarbid und Galliumnitrid, die in Ladegeräten, Wechselrichtern, Motorsteuerungen und vielen anderen Anwendungen elektrische Energie schalten und wandeln.
Die Aufnahme zeigt einen Halbleiter‑Wafer mit hunderten fein strukturierten Chips. Auf solchen Scheiben entstehen die Leistungshalbleiter aus Silizium, Siliziumkarbid und Galliumnitrid, die in Ladegeräten, Wechselrichtern, Motorsteuerungen und vielen anderen Anwendungen elektrische Energie schalten und wandeln.

Leistungshalbleiter entscheiden über Effizienz, Bauraum und Lebensdauer moderner Energie- und Antriebssysteme. Neue Materialien wie SiC und GaN verschieben die Grenzen – und verändern die Anforderungen an Entwicklung und Systemdesign grundlegend.

Leistungshalbleiter bilden das Rückgrat der Industrie- und Automobiltechnik. Sie sorgen dafür, dass elektrische Energie effizient geschaltet, geregelt und umgewandelt wird – in Antrieben, Ladegeräten, Wechselrichtern oder industriellen Steuerungen. Der Druck auf höhere Wirkungsgrade, kompaktere Designs und schnellere Schaltvorgänge bringt konventionelle Siliziumtechnologien zunehmend an ihre Grenzen. Gleichzeitig gewinnen Wide-Bandgap-Materialien wie Siliziumkarbid (SiC) und Galliumnitrid (GaN) rapide an Bedeutung. Doch ohne passende Peripherie – Gate-Treiber, Gehäusetechnik, Kühlung und EMV-Design – bleibt ihr Potenzial ungenutzt. Dieser Artikel beleuchtet die technologischen Grundlagen, die wichtigsten Bauteile und zeigt, worauf Entwickler heute achten müssen.

Silizium: Bewährte Basis mit absehbaren Limits

Silizium-MOSFETs und IGBTs sind millionenfach bewährte Bausteine in der Leistungselektronik. Sie decken einen breiten Spannungsbereich ab, sind kosteneffizient und weltweit in unzähligen Designs integriert. Während MOSFETs typischerweise bis 600 V eingesetzt werden, dominieren IGBTs im Bereich darüber – etwa bei Industrieantrieben, Bahntechnik oder großen PV-Wechselrichtern.

Doch diese Technologie stößt physikalisch an ihre Grenzen. Höhere Schaltfrequenzen führen zu überproportional hohen Verlusten, thermische Belastungen steigen, und das Packaging wird zum limitierenden Faktor. Zwar bleibt Silizium für viele Standardanwendungen aufgrund seiner Reife und Verfügbarkeit attraktiv – in der Hochleistungs- und Mobilitätsanwendung setzt sich jedoch eine technologische Wachablösung durch.

Siliziumkarbid (SiC): Der neue Standard für Hochleistung

Siliziumkarbid, auch Siliziumcarbid, bietet im Vergleich zu Silizium eine etwa dreimal größere Bandlücke, was sich direkt auf die Leistungsfähigkeit auswirkt. Die Vorteile: höhere Sperrspannungen, geringere Schaltverluste, bessere thermische Eigenschaften und kompaktere Bauformen. SiC-MOSFETs arbeiten zuverlässig bei Temperaturen über 175 °C, erlauben höhere Schaltfrequenzen und verringern den Kühlbedarf.

Besonders in der Elektromobilität – etwa bei Onboard-Ladegeräten, Traktionswechselrichtern oder DC/DC-Wandlern – zeigt SiC sein Potenzial. Auch in industriellen Anwendungen wie Umrichtern, Schnellladeinfrastruktur oder PV-Systemen ist die Technologie auf dem Vormarsch. Gleichzeitig stellt sie Entwickler vor neue Herausforderungen: Die Gate-Ansteuerung benötigt negative Spannungen, das EMV-Verhalten ist komplexer, und die Bauelemente reagieren empfindlicher auf Layoutfehler. Dennoch investieren Unternehmen wie Infineon, Rohm und STMicroelectronics massiv in den Ausbau ihrer SiC-Fertigung – mit gutem Grund.

Galliumnitrid (GaN): High-Speed bei niedrigen Spannungen

Galliumnitrid eignet sich vor allem für Anwendungen unterhalb von 650 V, bei denen extrem schnelles Schalten und hohe Effizienz gefragt sind. Servernetzteile, kompakte Ladegeräte, DC/DC-Wandler oder Leistungselektronik in Kommunikationsinfrastrukturen sind typische Einsatzfelder. GaN-FETs bieten besonders niedrige Gate- und Ausgangsladungen, minimieren Schaltverluste und ermöglichen hohe Frequenzen weit über 1 MHz.

Im Vergleich zu SiC ist GaN allerdings empfindlicher im Design. Die Schaltflanken sind extrem steil, was hohe Anforderungen an EMV und Layout stellt. Auch die Integration schreitet schnell voran: Viele Anbieter koppeln die Leistungshalbleiter bereits mit Treibern und Logikfunktionen auf einem Chip, um Platz zu sparen und Störungen zu minimieren. GaN-on-Si bleibt trotz thermischer Nachteile derzeit der bevorzugte Herstellungsweg, weil er kostengünstiger ist. Für thermisch anspruchsvollere Anwendungen ist GaN-on-SiC eine Alternative – allerdings zu höheren Kosten.

Wichtige Bauteile und ihre Funktionsweise in der Leistungselektronik

Herzstück jedes leistungselektronischen Systems ist der Leistungshalbleiter selbst – ein schaltendes Bauelement, das elektrische Energie gezielt durchleitet oder sperrt. Klassische Vertreter sind MOSFETs und IGBTs. Der MOSFET (Metal-Oxide-Semiconductor Field-Effect Transistor) funktioniert als spannungsgesteuerter Schalter mit einem isolierten Gate. Durch Anlegen einer Spannung wird ein leitfähiger Kanal freigeschaltet – ideal für schnelles, verlustarmes Schalten bei niedrigeren Spannungen. In SiC- oder GaN-Ausführung arbeitet dieser Mechanismus mit deutlich höheren Durchbruchspannungen und geringeren Verlusten.

Der IGBT (Insulated Gate Bipolar Transistor) kombiniert die hohe Eingangsimpedanz eines MOSFETs mit der Stromtragfähigkeit eines bipolaren Transistors. Er eignet sich für hohe Spannungen und Leistungen – etwa bei Traktionsantrieben oder großen Umrichtern. Die Schaltzeiten sind langsamer als bei MOSFETs, dafür ist der Sättigungsverlust im leitenden Zustand geringer.

Neben diesen Transistoren spielen Leistungsdioden eine wichtige Rolle, etwa zur Freilaufstromführung in Brückenschaltungen. Während klassische Dioden auf Siliziumbasis Rückstromträger speichern und dadurch längere Sperrverzugszeiten haben, verzichten SiC-Schottky-Dioden auf diesen Effekt. Sie ermöglichen ultraschnelles Sperren – entscheidend für hochfrequente Anwendungen.

Um die Leistungshalbleiter korrekt anzusteuern, braucht es Gate-Treiber-ICs. Sie erzeugen aus einem digitalen Steuersignal (z. B. 3,3 V) die für das jeweilige Bauelement passende Spannung – typischerweise 10–20 V bei Silizium, bipolar (z. B. +18 V/–5 V) bei SiC oder niedrigspannig bei GaN. Neben dem Schaltbefehl übernehmen Gate-Treiber Schutzfunktionen wie Desaturation Detection, Miller-Clamping oder aktive Entladung des Gates. Ohne diese Funktionen riskieren Entwickler thermische Überlast, Durchbrüche oder unerwünschte Rückkopplungen.

Unverzichtbar sind auch Schutzelemente gegen Störgrößen: TVS-Dioden (Transient Voltage Suppressor) begrenzen plötzliche Spannungsspitzen; Varistoren puffern Einschaltvorgänge;thermische Schutzwiderstände (NTC/PTC) reagieren auf Überhitzung. Sensoren für Strom, Spannung und Temperatur – ob Shunt-basiert oder via Halleffekt – liefern die Datenbasis für das thermische und elektrische Management.

Das alles wäre wirkungslos ohne gezieltes thermisches Management. Leistungshalbleiter erzeugen Wärme, die effizient abgeführt werden muss. Dazu kommen Wärmeleitmaterialien (TIMs), Heat-Spreader, aktive oder passive Kühler, und – in leistungsstarken Modulen – auch Flüssigkeitskühlung. Hochstromfähige Substrate wie DBC (Direct Bonded Copper) oder AMB (Active Metal Brazed) sorgen für geringen thermischen Widerstand und mechanische Stabilität.

Nicht zuletzt setzen aktuelle Designs auf Systemintegration. Statt diskreter Komponenten kommen intelligente Leistungsmodule (IPM) zum Einsatz, die Gate-Treiber, Schutzlogik und teilweise auch Sensorik enthalten. In sogenannten Power Integrated Modules (PIM) sind komplette Halb- oder Vollbrücken integriert, oft mit thermisch optimierten Gehäusen. System-in-Package-Lösungen (SiP) kombinieren Leistungselektronik mit Regelung, Kommunikation und Überwachung auf kleinstem Raum – ideal für kompakte Systeme mit standardisierten Schnittstellen.

Gate-Treiber: Das Nadelöhr zwischen Logik und Leistung

Ob Silizium, SiC oder GaN – ohne passende Gate-Treiber bleiben die Vorteile von Leistungshalbleiter ungenutzt. Gate-Treiber übernehmen nicht nur das Öffnen und Schließen der Transistoren, sondern steuern Spannungsverläufe, schützen vor Überströmen, kompensieren parasitäre Effekte und stabilisieren das Systemverhalten.

Dabei variieren die Anforderungen deutlich je nach Halbleitertyp. Si-MOSFETs benötigen meist einfache Gate-Spannungen von 10–15 V. IGBTs arbeiten mit Spannungen bis 20 V und verlangen Desaturation Detection sowie Soft-Turn-Off. SiC-MOSFETs hingegen benötigen bipolare Ansteuerung (+18 V/–5 V) und sind empfindlich gegenüber Überspannung und Miller-Effekten. GaN-Bauelemente wiederum arbeiten mit niedrigen Gate-Spannungen um 5 V und sehr kurzen Ansteuerimpulsen – hier ist eine möglichst direkte Integration sinnvoll.

Wichtig ist ein durchgängig niederimpedanter Signalweg mit minimaler Latenz. Viele Entwickler unterschätzen die Bedeutung dieses Bindeglieds. Dabei entscheiden sich hier EMV-Verhalten, Schaltgeschwindigkeit und Schutzfunktionalität.

Packaging, Kühlung und EMV: Mehr als Beiwerk

Die thermischen Eigenschaften von Halbleitern erfordern eine entsprechend angepasste Gehäuse- und Kühltechnik. Neue Packaging-Konzepte wie Direct-Cooling, Baseplate-less Designs oder metallisierte Keramiksubstrate (z. B. AlN, AMB, DBC) sind heute Stand der Technik – besonders bei SiC-Modulen mit hohen Leistungsdichten.

Thermische Übergangswiderstände müssen minimiert, Heat-Spreader optimal platziert und TIMs (Thermal Interface Materials) intelligent ausgewählt werden. In Kombination mit digitalem Temperatur-Monitoring und geregelter Lüftung lassen sich Systemzuverlässigkeit und Lebensdauer erheblich verbessern.

Parallel dazu gewinnt das Thema EMV an Relevanz: Je steiler die Schaltflanken, desto größer die Störanfälligkeit. Entwickler müssen frühzeitig mit parasitären Induktivitäten, Rückstrompfaden und Gleichtaktstörungen rechnen. Ein durchdachtes PCB-Layout mit minimalen Schleifenflächen, kurzen Leitungen und sauberen Massekonzepten ist essenziell – insbesondere bei GaN-Schaltungen.

Systemintegration: Intelligente Module statt Einzelbauteile

Der Trend geht klar in Richtung Integration: Statt diskreter Bauelemente setzen immer mehr Hersteller auf intelligente Leistungsmodule. Diese enthalten neben dem Leistungshalbleiter auch Gate-Treiber, Strom- und Temperatursensoren sowie Schutzlogik. Der Vorteil: weniger Platzbedarf, kürzere Entwicklungszeiten und verbesserte EMV.

Typische Beispiele sind „Intelligent Power Modules“ (IPMs), SiC-basierte Halbbrücken mit Onboard-Regelung oder integrierte DC/DC-Converter mit GaN-Fronends. Besonders bei platzkritischen oder standardisierten Anwendungen wie Ladeinfrastruktur oder EV-Systemen zahlen sich solche Lösungen aus.

Roadmaps und Markttrends: SiC und GaN auf Wachstumskurs

Der Markt für Leistungshalbleiter entwickelt sich rasant. Laut Yole Intelligence wird der SiC-Markt bis 2030 auf über 10 Milliarden US-Dollar anwachsen – getrieben durch E-Mobilität, Ladeinfrastruktur und erneuerbare Energien. GaN wächst in anderen Segmenten: Netzteile, Rechenzentren, Telekommunikation und Industrieautomation.

Unternehmen wie Infineon, STMicroelectronics, Rohm, onsemi und Navitas positionieren sich strategisch mit neuen Fab-Investitionen, Partnerschaften und Roadmaps. Gleichzeitig steigen die Anforderungen an Entwickler: Es reicht nicht mehr, einfach einen leistungsstarken Transistor auszuwählen – das Gesamtsystem entscheidet über Effizienz, EMV-Verhalten und Lebensdauer.

Der Autor: Martin Probst

Martin Probst

Zunächst mit einer Ausbildung zum Bankkaufmann in eine ganz andere Richtung gestartet, fand Martin Probst aber doch noch zum Fachjournalismus. Aus dem Motto „Irgendwas mit Medien“ entwickelte sich nach ein wenig Praxiserfahrungen während des Medienmanagement-Studiums schnell das Ziel in den Journalismus einzusteigen. Gepaart mit einer Affinität zu Internet und Internetkultur sowie einem Faible für Technik und Elektronik war der Schritt in den Fachjournalismus – sowohl Online als auch Print – ein leichter. Neben der Elektronik auch an Wirtschafts- und Finanzthemen sowie dem Zusammenspiel derer interessiert – manche Sachen wird man glücklicherweise nicht so einfach los. Ansonsten ist an ihn noch ein kleiner Geek verloren gegangen, denn alles was irgendwie mit Gaming, PCs, eSports, Comics, (Science)-Fiction etc. zu tun hat, ist bei ihm gut aufgehoben.

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