Einpresstechnik mit flexiblen Zone

Von der Theorie zur Praxis

Seit Jahrzehnten bewährt, ermöglicht die Einpresstechnik zuverlässige, lötfreie Verbindungen in Anwendungen von Automotive bis Luft- und Raumfahrt. Der Beitrag zeigt, welche Faktoren – von der Wahl der Einpresszone über Material und Oberflächen bis hin zu Prüfmethoden nach IPC-9797 – entscheidend für Qualität und Zuverlässigkeit sind.

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Bild 1: Typische Beispiele für den Einsatz von Einpresstechnik in elektrischen Steuergeräten: a) Hochpoliger Stecker, b) Board-to-Board-Verbinder, c) Single-Pin-Insertion, d) kunststoffum-spritztes Einlegeteil, e) Kombination Einpresstechnik mit Schneidklemmverbindung

Die Einpresstechnik mit flexiblen Einpresszonen in Leiterplatten ist seit den 1960er-Jahren als zuverlässige Verbindungstechnologie etabliert – unter anderem in Telekommunikation, Automobilelektronik, Luft- und Raumfahrt sowie im militärischen Bereich. Sie zeichnet sich durch eine einfache Prozessführung, den Verzicht auf Temperaturprozesse sowie ihre Eignung für Miniaturisierung und Hochstromanwendungen aus. Beim Einsatz von Einpresstechnik muss die Konstruktion der elektronischen Baugruppe sowie die gesamte Prozesskette aufeinander abgestimmt werden. Der Einpressprozess kann sowohl manuell als auch vollautomatsch erfolgen. Für die Prozessüberwachung werden üblicherweise Einpresskraft, Kraftverlauf und Einpresstiefe als Kriterien herangezogen.

Geometrien der Einpresszonen

Es gibt eine große Variation von diversen flexiblen Einpresszonen-Designs. Diese Varianten können in drei Gruppen gegliedert werden, die sich durch die Herstellung, die Federhärte und den plastischen Anteil während des Einpressvorgangs unterscheiden:

1. Die „Eye of the Needle“-Geometrien (EoN) ähneln einem Nadelöhr, bei der die beiden Schenkel durch Ausstanzen eines Loches und der seitlichen Anprägungen gebildet werden (Bild 2 links).

2. Bei den „Spring Shape“-Geometrien (SpS) sind die beiden Schenkel durch geprägte federnde Formelemente verbunden (Bild 2 Mitte).

3. Bei der „Cracking Zone“-Geometrie (CrZ) sind die verbindenden Elemente als mögliche Sollbruchstellen ausgebildet (Bild 2 rechts).

Materialien und Oberflächen

Es haben sich verschiedene Materialdicken für die Einpresszonen etabliert, wie in Tabelle 1 aufgeführt.

Tabelle 1: Übliche Materialdicken von Einpresszonen und zugehörige Endloch-Durchmesser (PPTH) in der Leiterplatte

Bei der Auswahl der Basismaterialien für die Einpresszonen-Pins müssen z.B. die Umformbarkeit, die Stromtragfähigkeit und Robustheit gegenüber thermischer und mechanischer Relaxation berücksichtigt werden. Reinkupfer ist durch seine eingeschränkten Federeigenschaften nicht geeignet. Es stehen aber geeignete Cu-Legierungen in verschiedenen Materialgruppen zur Verfügung. Neben Phosphor Bronzen (CuSn) sind auch Hochleistungs-Kupferlegierungen bei hohen Temperaturen oder hohen Strombelastungen seit vielen Jahren im Einsatz. Zwischenzeitlich kommen sogar Einpresszonen aus Edelstählen zur Anwendung. Die Materialauswahl muss also individuell abgestimmt werden. Eine Übersicht zu den gängigen Basismaterialien ist im Handbuch IPC-HDBK-9798 zu finden.
Auch die Spezifikation der Oberflächenbeschichtung der Einpresszone muss auf den Anwendungsfall abgestimmt sein. Die Oberfläche wirkt während des Einpressens als Schmierung und reduziert damit die Einpresskraft und die Verformung des PPTH. Außerdem schützt sie das Basismaterial vor Oxidation oder Korrosion. Ein weiterer Punkt ist der Einfluss der Oberfläche auf die Verbindung zwischen Einpresszone und PPTH und damit auf die Haltekraft z.B. durch Ausbildung einer Kaltverschweißung.
Die Oberflächen werden galvanisch aufgebracht, wobei unabhängig von der finalen Oberfläche eine Unternickelung zum Einsatz kommt. Als finale Oberfläche wird häufig eine Zinn-Schicht mit einer typischen Dicke von 0,3 µm bis 0,8µm verwendet.

Bild 2: Drei Gruppen für flexible Einpresszonen und deren Querschnitte: Eye of the Needle (li), Spring Shape (Mitte), Cracking Zone (re).

Aufgrund des Risikos von Zinn-Whiskern werden aber vermehrt alternative Oberflächen eingesetzt, wie:

  • Silberzinn (z.B. AgSn = 80/20) über Nickel
  • Indium reflow über Nickel
  • E-Pol. Nickel sandwich (matt Nickel/ glanz Nickel = (70/30) mit Thiol)
  • Wismut über Nickel flash

Weitere Informationen zur Oberflächenbeschichtung finden sich ebenfalls im IPC-HDBK-9798.

Anforderungen an Leiterplatten

Flexible Einpresszonen lassen sich in verschiedensten Leiterplattentechnologien einsetzen. Dabei bestimmt die Funktion der Elektronik und deren Einsatzbedingungen im Wesentlichen die Auslegung der Leiterplatte.
Die Einflussfaktoren sind neben dem Lochdurchmesser u.a. der Leiterplatten-Herstellungsprozess, das Basismaterial, der Lagenaufbau und die verwendete Oberflächenbeschichtung. Für die diversen Basismaterialdicken der Einpress-Pins sind am Markt jeweils entsprechende Endlochdurchmesser in der Leiterplatte (PPTH), wie sie in Tabelle 1 aufgeführt sind, üblich. Tabelle 2 zeigt die üblichen Leiterplattenoberflächen für Einpresstechnik mit deren typischen Dicken. Weitere Informationen zu den Anforderungen an die Leiterplatte gibt es im Press-Fit Standard IPC-9797 und dem Handbuch IPC-HDBK-9798. Bild 3 zeigt den schematischen Aufbau einer metallisierten Durchkontaktierung für die Einpresstechnik (PPTH).

Qualitätsbewertung nach IPC-9797

Tabelle 2: Übliche Oberflächenvarianten von Leiterplatten

Das Kapitel „Defects and Acceptance Criteria“ der Norm IPC-9797 Press-Fit Standard for Automotive Requirements and Other High-Reliability Applications legt die Bewertungsmaßstäbe für die Beurteilung von Press-Fit-Verbindungen fest. Es definiert vier zentrale Klassifizierungen, anhand derer die Qualität einzelner Verbindungen systematisch beurteilt werden kann:

  • Target: Beschreibt den optimalen Zustand einer Press-Fit-Verbindung, der den höchsten Qualitätsanforderungen entspricht und als Referenz für die Fertigung dient.
  • Acceptable: Kennzeichnet einen Zustand, der zwar vom Target abweicht, jedoch funktional und zuverlässig ist und die Anforderungen an die Anwendung erfüllt.
  • Defect: Bezieht sich auf Merkmale oder Zustände welche die Funktion, Sicherheit oder Zuverlässigkeit der Verbindung beeinträchtigen können.
  • Process Indicator: Weist auf Abweichungen hin, die keinen unmittelbaren Einfluss auf die Funktion haben, jedoch Hinweise auf mögliche Prozessinstabilitäten oder Optimierungspotenzial geben.
Bild 3: Schematischer Aufbau einer metallisierten Durchkontaktierung für die Einpresstechnik (PPTH)

Diese Differenzierung ermöglicht eine objektive und reproduzierbare Bewertung der Einpressverbindungen und trägt wesentlich zur Sicherstellung der Produktqualität und zur Vermeidung von Ausfällen in hochzuverlässigen Anwendungen bei.

Autoren

Heike Woldt, Diehl Metal Applications GmbH

Corina Stocker, Continental Automotive Technologies GmbH

Werner Moritz, iwis-smart connect GmbH

Dr. Philippe Jaeckle, Robert Bosch GmbH

Hermann Eicher, ept GmbH

Frank Uibel, Uibel Consulting