Volles Haus im Bonner Maritim Hotel: 160 Teilnehmer hatten sich versammelt, um über die Situation, Herausforderungen und Lösungen der EMS- und PCB-Industrie zu diskutieren.(Bild: Andreas Jahn)
160 Köpfe, ein Forum – und ein Scheinwerferlicht auf die angespannte Situation der EMS- und PCB-Industrie. Das EMS & PCB-Forum 2025 hat erneut seine zentrale Rolle als Austauschplattform für die Elektronikfertigung bestätigt. Ein Rückblick.
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Schon allein der Blick auf die steigende Teilnehmerzahl zeigt es: Das EMS & PCB-Forum von Dieter Weiss und Dr. Mareike Haaß von in4ma ist und bleibt eine Pflichtveranstaltung der Branche. Im dritten Jahr nach dem „Neustart“ 2023 lockten die Vorträge und die einmalige Netzwerkgelegenheit 160 Teilnehmer an und damit noch einmal deutlich mehr als in den Vorjahren. Um seinem Ruf als Plattform für tiefgreifende Analysen und strategischen Austausch gerecht zu werden, wurde die Veranstaltung zudem erstmals vor Ort simultan übersetzt, wovon die vermehrt anwesenden internationalen Gäste profitierten.
Das Motto des erneut von der productronic-Chefredakteurin, Petra Gottwald, moderierten Forums war klar: „Messerscharfe Analysen“. Aufgeteilt war das Programm dabei in vier Themengebiete:
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Derzeitige Lage (Konjunktur in der Elektro- und Digitalindustrie, EMS-Industrie in D-A-CH und Europa)
Leiterplatte – Status & Zukunft (PCB-Industrie in Europa, EMS & PCB Fertigung, PCB-Industrie in Fernost)
Chancen & Risiken (Strategien zur Fachkräftegewinnung, Nachhaltigkeit in der EMS-Industrie, Zukunft der Marktsegmentierung)
Düstere Wolken liegen über der EMS-Branche im D-A-CH-Raum. Das wurde nach dem Vortrag von Anastasia Ederer, Global Electronics Association, auch dem Letzten klar.(Bild: Andreas Jahn)
Europa unter Druck – und mittendrin die EMS-Branche
Die erste Session widmete sich der aktuellen Marktlage der EMS-Industrie. Anastasia Ederer, Global Electronics Association (ehemals IPC), legte aktuelle Zahlen für den D-A-CH-Raum vor – mit ernüchterndem Ergebnis: 78 % der Unternehmen meldeten 2024 rückläufige Umsätze, nämlich ein durchschnittliches Minus von 17 % in Deutschland. Die Zahl der Betriebsschließungen stieg ebenfalls. Das wohl prominenteste Beispiel ist die Plexus-Niederlassung in Darmstadt.
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Trotz dieser Einbrüche war kein signifikanter Personalabbau zu beobachten. Vielmehr hielten größere EMS-Betriebe an ihren Belegschaften fest oder stockten diese sogar auf. Dies ist zwar ein Zeichen für langfristiges Denken, das jedoch auch den Pro-Kopf-Umsatz stark belastet.
Wenig verwunderlich legte der Bereich Luft-, Raumfahrt- und Verteidigung um beachtliche 29 % zu, während fast alle anderen Marktsegmente schrumpften – eine Entwicklung, die angesichts globaler Unsicherheiten strategische Relevanz besitzt. Befeuert wird diese Entwicklung unter anderem durch die Investitionen der Bundesregierung, zur Stärkung der Verteidigungsfähigkeit Deutschlands.
Die Zeit in den Pausen nutzten die Teilnehmer für intensives Netzwerken.(Bild: Andreas Jahn)
Dabei wurde auch mehr als nur eine Visitenkarte ausgetauscht.(Bild: Andreas Jahn)
Per Simultanübersetzung konnten auch internationale Gäste dem Programm folgen.(Bild: Andreas Jahn)
Jeder Vortragende bekam das Buch "Machtrausch" von Rainer Koppitz, CEO von Katek, geschenkt. Gerüchten zufolge soll der ehemalige Siemens-Manager auch biografische Elemente in den Wirtschaftskrimi eingebracht haben.(Bild: Andreas Jahn)
Die Vorträgen boten viel Stoff für Diskussionen.(Bild: Andreas Jahn)
Petra Gottwald führte gewohnt souverän und mit einer Prise Humor durchs Programm.(Bild: Andreas Jahn)
Auch wenn viele ernste Themen auf der Tagesordnung standen, gab es doch die ein oder andere Möglichkeit zum Schmunzeln.(Bild: Andreas Jahn)
Tolle Kulisse in Bonn(Bild: Andreas Jahn)
Auch in Europa ist die Situation nicht viel besser. Das belegt Christoph Solka, Global Electronics Association, anhand von entsprechenden Zahlen.(Bild: Andreas Jahn)
Zyklisch mit Nebengeräuschen: Der europäische Vergleich
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Christoph Solka, Global Electronics Association, weitete die Analyse auf den europäischen Markt aus. Auch hier gibt es schlechte Nachrichten: Zwei Drittel der 427 befragten EMS-Unternehmen erlitten Umsatzrückgänge. Die Personalkapazitäten blieben jedoch überdurchschnittlich konstant. Ein Muster, das die Produktivität belastete, aber auch die Bedeutung von Know-how und Beschäftigungsstabilität unterstreicht.
Solka ordnete die Einbrüche als zyklisch ein: einem künstlich erzeugten Boom (2021–2023) folgte der vorhersehbare Einbruch 2024. Immerhin: Die übervollen Lager aus der Chipkrise wurden deutlich abgebaut, was ein notwendiger Schritt zur Normalisierung ist.
Sicherheitsfragen aus der Praxis – und mit Nachschärfung
Eine wichtige Einordnung folgte durch Prof. Christoph Budelmann von der Hanza Group, der erklärte, dass die Beispiele aus der PANDA-Studie zu Demonstrationszwecken erzeugt wurden – nicht als reale Funde. Einig waren sich aber beide, dass die Bedrohungen durch gezielte Manipulationen – etwa bei Pager-Technik oder PV-Wechselrichtern – nicht von der Hand zu weisen sind und ernst genommen müssen.
Ganz in seinem Element: Dieter Weiss legt den Finger in die Wunde.(Bild: Andreas Jahn)
Forderung nach Gesetzgebung für Verteidigungselektronik
Weiss nutzte die Gelegenheit, um ein zentrales Anliegen gewohnt emotional zu platzieren: Eine gesetzlich verankerte Pflicht zur Fertigung von Elektronik für die Verteidigung ausschließlich in Europa – ab 2026! Unterstützt wurde er dabei von Thomas Michels, ILFA, der betonte, dass ausreichend Produktionskapazität vorhanden sei – es fehle nur an politischer Klarheit und einem regulatorischen Rahmen. Allgemein kamen die Politiker in der Diskussion rund um das Thema nicht gut weg, da die Mühlen viel zu langsam mahlen und bis man es einer Gruppe endlich erklärt hätte, diese schon wieder durch eine neue Gruppe ersetzt würde und man wieder von vorne anfängt. In der Tat eine sehr unbefriedigende Situation.
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PCB-Fertigung: Ein Rückzug, der Sorgen macht
Nach der Pause gab es einen Blick auf die europäische Leiterplattenindustrie. Im Rahmen seiner vom verstorbenen Michael Gasch übernommenen Rolle für Data4PCB zeigte Weiss, wie dramatisch Europas Marktanteil geschrumpft ist: von respektablen 20 % im Jahr 1980 auf lediglich 2,6 % in 2024. Im selben Zeitraum stieg Chinas Anteil dagegen von 2 % auf fast 60 %! Die Zahl der Hersteller in Europa schrumpft(e) drastisch, mit Folgen für die Versorgungssicherheit.
Ein besonderer Fokus lag erneut auf der Verteidigung: Hier konnte Europa zwar den Umsatzanteil zuletzt verdoppeln, nicht zuletzt durch Importverbote aus China. Doch ohne den bereits angesprochenen politischen Rückhalt sei dieser Trend nicht dauerhaft zu halten, warnte Weiss eindringlich.
Dirk Stans von Eurocircuits zeigte eindrucksvoll, wie wichtig der richtige Umgang mit Daten in der Elektronikfertigung ist.(Bild: Andreas Jahn)
Diskussion zur Produktionsverlagerung: (K)ein osteuropäischer Ausweg?
Die Frage, warum PCB-Produktion nicht wie EMS nach Osteuropa verlagert wurde, wurde intensiv im Publikum diskutiert. Markus Hoffmann, Werap Group, und erneut Thomas Michels machten deutlich: Leiterplattenfertigung sei um ein Vielfaches komplexer als die reine Bestückung – sowohl in den Prozessen als auch bei den Investitionen. Kunden zeigten sich zudem wenig bereit, langfristige Zusagen für europäische Standorte zu machen.
„Data First“: Eurocircuits zeigt neue Wege auf
Um ein anderes Thema ging es bei Dirk Stans, Eurocircuits, der die datengetriebene Strategie des Unternehmens vorstellte. Sie arbeiten beispielsweise mit digitalen Zwillingen, KI-gestützter AOI und stark automatisierten Datenprozessen. Der Fokus: kleine Serien und Prototypen. Das Konzept sieht sich nicht als Konkurrenz zur Großfertigung, sondern als deren Ergänzung. Die saubere Trennung zwischen Maschinenbedienung und Datenverantwortung sowie eine klare Datenlogik sind für Stans entscheidende Erfolgsfaktoren und ein Fingerzeig für die gesamte Branche.
Er betonte, dass die frühzeitige Datenvalidierung nicht nur Fehler vermeide, sondern auch die Kommunikation zwischen Entwicklung und Fertigung erheblich verbessere. Durch den Einsatz eigens entwickelter Tools wie dem PCB Visualizer könne Eurocircuits nicht nur schneller produzieren, sondern auch wertvolle Rückmeldungen an Kunden liefern, bevor auch nur eine Leiterplatte bewegt wird. Zudem hob er hervor, dass sich durch die konsequente Integration der Datenprozesse nicht nur Qualität und Effizienz steigern ließen – auch die Resilienz gegenüber kurzfristigen Marktveränderungen sei damit deutlich erhöht.
Daniel Jacob lebt seit vielen Jahren in China und berichtet von Erlebnissen vor Ort, etwa, dass es "besser" sei, die "richtige" Partei in China zu unterstützen.(Bild: Andreas Jahn)
Einblicke in Chinas Leiterplattenindustrie aus erster Hand
Daniel Jacob, Starteam Global, gewährte praxisnahe Einblicke in die chinesische Elektronikfertigung. Bereits jahrelang vor Ort aktiv, schilderte er den Wandel von kundenorientierten Familienbetrieben hin zu börsennotierten Konzernen mit Fokus auf Shareholder Value. Die hohe staatliche Unterstützung führe zu Überkapazitäten und aggressiver Preisbildung, oft zulasten von Qualität und Flexibilität.
Jacob zeigte auf, wie politische Eingriffe, etwa steuerliche Anpassungen, unmittelbar die Materialkosten beeinflussen und Produktionsstrategien verändern. Gleichzeitig betonte er die enorme Arbeitsintensität: Viele Beschäftigte arbeiten freiwillig über (!) 26 Tage im Monat. Diese wirtschaftliche Dynamik gehe jedoch mit wachsenden sozialen und politischen Spannungen einher.
Besonders eindrücklich: In Thailand seien zuletzt chinesische Arbeiter unter ungeklärten Umständen zu Tode gekommen. Ein Indiz für die komplexen Konflikte, die mit dem Einfluss chinesischer Industrie und lokaler Machtverhältnisse verbunden sind. Sein Fazit: Europa muss eigene Stärken nutzen, resilientere Lieferketten aufbauen und sich klar vom reinen Preiswettbewerb differenzieren.
Die eigentlich vor der Pause angesetzt Diskussionsrunde wurde gestrichen, da sich vor allem um die Themen Verteidigung und Verlagerung der Produktion – erfreulicherweise muss man sagen – so viele Diskussionen entzündet hatten.
Markus Hoffmann, Werap Group, rief dazu auf, Geopolitik stärker in strategische Entscheidungen einzubeziehen und zwar frühzeitig.(Bild: Andreas Jahn)
Von geopolitischen Risiken und regulatorischen Anforderungen
Den Blick auf das große Ganze richtete Markus Hoffmann von der Werap Group. In seinem Vortrag nach der Mittagspause appellierte er eindringlich an die Unternehmen, geopolitische Entwicklungen nicht länger als Randthema zu behandeln, sondern als festen Bestandteil strategischer Unternehmensführung zu begreifen. Derzeit führten nur rund 28 % der europäischen Firmen systematische Risikoanalysen in Bezug auf politische und wirtschaftliche Spannungen durch; eine alarmierend niedrige Zahl angesichts zunehmender Handelskonflikte, Sanktionen, Zollmaßnahmen und gezielter Desinformation über digitale Kanäle.
Hoffmann plädierte dafür, den Begriff „De-Risking“ in den Mittelpunkt zu rücken, also ein aktives Risikomanagement über Lieferketten, Standorte und Technologieabhängigkeiten hinweg – statt sich ideologisch aufgeladenen Forderungen nach einem vollständigen „Decoupling“ hinzugeben. Unternehmen sollten sich politisch vernetzen, geopolitische Frühwarnsysteme einführen und stärker mit unabhängigen Außenwirtschaftskammern und Verbänden zusammenarbeiten. Ziel müsse sein, geopolitische Komplexität frühzeitig zu erkennen und strategisch darauf zu reagieren – nicht erst, wenn Lieferketten reißen.
IPC mit neuem Namen – ein strategischer Schritt
(Bild: Andreas Jahn)
Bereits im Vorfeld des Forums wurde die Umbenennung der IPC in Global Electronics Association offiziell bekannt gegeben. Philippe Léonard, Europe Director der Organisation, nutzte das Forum, um die Hintergründe und Ziele dieser Neuausrichtung näher zu erläutern. Der frühere Name sei gegenüber politischen Akteuren nicht mehr ausreichend erklärend gewesen, das Kürzel „IPC“ decke zudem nicht mehr das gesamte Spektrum der Elektronikindustrie ab.
Die neue Dachmarke konzentriert sich künftig auf vier Kernbereiche: Fachkräfteentwicklung, Nachhaltigkeit, technologische Fertigungsintegration und die internationale Interessenvertretung der Branche. Die Marke IPC bleibt dabei für Standards, Zertifizierungen und Ausbildung weiterhin bestehen.
Dr. Andreas Gontermann, ZVEI, lies wenig gute Worte an der Zoll-"Taktik" von Donald Trump.(Bild: Andreas Jahn)
Dr. Andreas Gontermann vom ZVEI thematisierte die wirtschaftlichen Folgen protektionistischer US-Zölle und einer unausgeglichenen globalen Handelsstruktur. Für die deutsche Elektro- und Digitalindustrie stellte er einen Produktionsrückgang von 2 % für das Jahr 2024 in Aussicht. Gleichzeitig bleibt die Beschäftigung zwar stabil, doch rund ein Viertel der Belegschaft ist über 55 Jahre alt. Dieses demografische Ungleichgewicht entwickelt sich zunehmend zu einem strukturellen Problem, das langfristig die Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit der Branche gefährden könnte.
Benjamin Klingenberg, NCAB Group, gab einen Einblick in den regulatorischen Dschungel rund um die Herstellung von elektronischer Wehrtechnik.(Bild: Andreas Jahn)
Verteidigungselektronik unter hoher regulatorischer Spannung
Vor Beginn seines Vortrags stapelte Benjamin Klingenberg, NCAB Group, noch sehr tief. Er werde selbst müde, wenn er an das Thema seines Vortrags denke und forderte die Zuhörer auf, ab und an mal den Ellenbogen auszufahren, um den womöglich eingenickten Nachbarn aufzuwecken. Doch weit gefehlt. Er schilderte eindrucksvoll, welche Compliance-Hürden es in der Verteidigungselektronik gibt. Bereits die Weitergabe von Konstruktionsdaten ins Ausland – auch rein digital – kann einen Exportverstoß und damit einen Tatbestand bedeuten. NCAB begegnet diesem Risiko mit interner Freigabe, isolierten Serverstrukturen und strengen Mitarbeiterschulungen. Klingenberg wies explizit auf die persönliche Haftung der Geschäftsführung hin – eine Botschaft, die im Publikum merklich nachhallte. Petra Gottwald verglich den Vortrag gar mit einem spannenden Krimi.
Nadja Eder, SchuhEder Consulting, zeigte auf, dass rund 13.400 Stellen in der deutschen Elektroindustrie offen sind – ein Drittel davon bleibt mangels Bewerbern unbesetzt.(Bild: Andreas Jahn)
Fachkräfte und Nachhaltigkeit als Wettbewerbsfaktoren für die Elektronikindustrie
Nadja Eder von der auf Elektronik spezialisierten Personalberatung SchuhEder Consulting stellte in ihrem Vortrag die aktuelle Lage auf dem Fachkräftemarkt dar – und zeichnete ein durchaus besorgniserregendes Bild. So seien derzeit rund 13.400 Stellen in der deutschen Elektroindustrie offen, wobei etwa ein Drittel davon mangels qualifizierter Bewerber nicht besetzt werden könne. Hinzu kommt eine alarmierende Zahl aus dem Gallup-Engagement-Index: Nur etwa ein Fünftel der Beschäftigten fühlt sich dem eigenen Arbeitgeber emotional verbunden – ein deutliches Warnsignal für die Bindungskraft der Unternehmen.
Eder betonte, dass Arbeitgeber unter diesen Bedingungen mehr denn je gefordert seien, sich mit einem klaren Profil zu positionieren. Neben wettbewerbsfähiger Vergütung gewinne vor allem die Unternehmenskultur an Bedeutung: Aspekte wie Arbeitsplatzsicherheit, Entwicklungsmöglichkeiten und die Kommunikation von Sinn und Stabilität spielten eine zentrale Rolle bei der Mitarbeiterbindung. Nicht zuletzt verwies sie auf das ab 2026 geltende Entgelttransparenzgesetz, das größere Unternehmen zur Offenlegung ihrer Vergütungsstrukturen verpflichten wird – ein weiterer Grund, die eigene „Arbeitgeber-DNA“ frühzeitig zu definieren und aktiv nach außen zu tragen.
Dr. Mareike Haaß legte dar, dass Nachhaltigkeit im Unternehmen kein Luxus mehr sein darf. Gerade wer auf der Suche nach jüngeren Bewerbern ist, sollte das Thema auch seiner Homepage spielen und nicht nur in Umfragen ein Kreuzchen setzen.(Bild: Andreas Jahn)
Wie nachhaltig ist die EMS-Branche (wirklich)?
Dieser Frage widmete sich Dr. Mareike Haaß von in4ma in ihrem Vortrag. Dafür verglich sie unter anderem die Angaben zur Nachhaltigkeit aus der in4ma-Umfrage und den Angaben auf der Homepage der Unternehmen. Dabei stellte sie einige Ungereimtheiten fest. Beispielsweise gaben 43,5 % der EMS-Betriebe zwar an, sich aktiv mit Nachhaltigkeit zu beschäftigen – doch bei vielen bleibt das nach außen unsichtbar. Insbesondere bei einem Viertel der Unternehmen, die sich selbst als „fortschrittlich“ einstuften, fanden sich auf den Homepages keinerlei konkrete Informationen oder Maßnahmen.
Diese Diskrepanz zwischen internem Anspruch und externer Kommunikation sei problematisch, so Haaß, insbesondere vor dem Hintergrund steigender regulatorischer Anforderungen und wachsender Erwartungen von Kunden, Banken und Bewerbern. Dabei sind konkrete Maßnahmen wie der Einsatz von PV-Anlagen, Abfalltrennung, Mehrwegverpackungen oder die gezielte Designoptimierung nicht nur ökologisch sinnvoll, sondern oft auch wirtschaftlich vorteilhaft. Gerade jüngere Bewerber – insbesondere in der Altersgruppe der 20- bis 29-Jährigen – legten zunehmend Wert auf die Nachhaltigkeitsstrategie ihres potenziellen Arbeitgebers.
Das Erfolgstrio des EMS- und PCB-Forums (v.l.): Petra Gottwald, Dieter Weiss und Dr. Mareike Haaß(Bild: Andreas Jahn)
Segmentverschiebungen und strategische Optionen
Dieter Weiss schloss die 2025-Ausgabe des EMS & PCB-Forums mit einem Blick auf künftige Marktbewegungen. Der EMS-Markt verändert sich strukturell, etwa durch Foxconns „3+3“-Strategie mit neuen Segmenten wie Elektrofahrzeuge, Digital Health und Robotik. Die Strategie wurde unter dem neuen Vorstandsvorsitz initiiert, nachdem Gründer Terry Gou sich aus dem operativen Geschäft zurückgezogen hatte. Ziel ist es, die bislang margenschwachen Bereiche (Consumer, Communication, Computer) durch wachstums- und margenstärkere Branchen zu ergänzen. Erste konkrete Schritte sind in Europa sichtbar: Foxconn baut gezielt Bestückungskapazitäten in Medizintechnik und Industrieelektronik auf.
Doch auch jenseits der Foxconn-Initiativen ergeben sich für europäische EMS-Unternehmen neue Perspektiven – insbesondere in sicherheitsrelevanten Sektoren. Als besonders wachstumsstark gilt der Bereich Verteidigung und Luftfahrt: Hier werden europaweit Investitionen von rund 800 Milliarden Euro über die nächsten zehn Jahre erwartet, was ein zusätzliches jährliches Volumen von bis zu acht Milliarden Euro für die EMS-Branche bedeuten könnte. Dieses Marktpotenzial macht das Segment zu einem strategisch entscheidenden Zukunftsfeld.
Und, wie sollte es anders sein, bleibt auch China weiterhin aktiv: Durch Übernahmen und Neubauten in Europa verändert sich das Spielfeld. Weiss forderte insbesondere kleinere EMS-Firmen auf, in Automatisierung zu investieren, auch im Bereich elektrischer Testsysteme.
Strategien sind gefragt – jetzt
Die Veranstaltung hat eindeutig gezeigt, dass der Bedarf an faktenbasiertem Austausch und strategischer Orientierung nicht abnimmt – im Gegenteil. Auch 2026 wird es Formate wie dieses Forum brauchen, denn die weltweiten Rahmenbedingungen werden nicht einfacher, sondern zunehmend komplexer. Diskurs, Daten und Dialog bleiben essenziell, um fundierte Entscheidungen treffen zu können.
Der Autor: Dr. Martin Large
(Bild: Hüthig)
Aus dem Schoß einer Lehrerfamilie entsprungen (Vater, Großvater, Bruder und Onkel), war es Martin Large schon immer ein Anliegen, Wissen an andere aufzubereiten und zu vermitteln. Ob in der Schule oder im (Biologie)-Studium, er versuchte immer, seine Mitmenschen mitzunehmen und ihr Leben angenehmer zu gestalten. Diese Leidenschaft kann er nun als Redakteur ausleben. Zudem kümmert er sich um die Themen SEO und alles was dazu gehört bei all-electronics.de.