
Bild 1: Globale PCB-Produktion und europäischer Anteil. Die in Rot eingezeichneten Zahlen zeigen das Produktionsvolumen der Leiterplatten in Europa. (Bild: in4ma)
Die Elektronikindustrie ist in den letzten 50 Jahren stetig gewachsen. Ob Maschinen, Industrieanlagen oder LED-Lampen – überall ist Elektronik unverzichtbar. Entsprechend nahm auch der globale Leiterplattenmarkt, erfasst vom Elektronikverband WECC (World Electronic Circuits Council) kontinuierlich zu (Bild 1).
Die höchsten Wachstumsraten verzeichnete die Branche in den 1980er Jahren. Die in Rot eingezeichneten Zahlen zeigen das Produktionsvolumen der Leiterplatten in Europa. Auch wenn es auf den ersten Blick stabil erscheint, ist dies lediglich eine Frage der Darstellung. Betrachtet man jedoch die europäische Leiterplattenproduktion im Verhältnis zum globalen Markt, wird das Problem deutlich erkennbar (Bild 2).
Verteidigte die europäische Leiterplattenindustrie bis zum Jahr 2000 noch globale Marktanteile von 15-20% und konnte den Umsatz Mitte der 90er Jahre auf über 6 Mrd. USD anheben, so fiel der Umsatz und auch der Marktanteil ab dem Jahr 2000 kontinuierlich.
1988 gründete die deutsche Leiterplattenindustrie den VdL e.V. (Verband der Leiterplattenhersteller), um sich gegen die bereits damals deutlich günstigeren Preise aus Fernost zu behaupten. Doch die erhoffte Wirkung blieb aus – das Wirtschaftsministerium betrachtete die Entwicklung als normale Marktverschiebung. Während chinesische Hersteller ihren Fokus auf große Serien legten, zogen bedeutende OEMs wie Bosch und Siemens schnell nach China um, obwohl dies in den frühen 90er Jahren noch mit erheblichen Qualitätsrisiken behaftet war.

Chinesische Hersteller gewannen an Einfluss
Auch die chinesischen Hersteller verbesserten sich kontinuierlich, sodass die Produktionsvolumina in Europa ab 2000 stetig zurückgingen. Bis zum Ende des ersten Jahrzehnts des neuen Jahrtausends hatte sich die europäische Produktion halbiert, während der Weltmarkt weiterwuchs – und mit ihm die Dominanz Chinas. Der europäische Marktanteil schrumpfte drastisch, was ein massives Sterben etablierter Leiterplattenhersteller auslöste. Unternehmen wie ISL und Exacta Circuits (UK), Fuba Printed Circuits, Ruwel und Melchert Elektronik (alle 2009), Lare Cozzi (Italien), Greule Leiterplatten (2013) sowie Brockstedt und Mommers Printed Circuits (2019) mussten schließen. Auch renommierte Betriebe wie Schoeller Electronic Systems und Fela Leiterplatten gaben auf. Die PPE in Schopfheim, die 2003 Insolvenz anmeldete, wurde zwar von Würth übernommen, doch zum Jahreswechsel verkündete Würth nun ebenfalls die Schließung des Werks in Schopfheim.
Rückblick und Ausblick: Die dramatische Talfahrt der europäischen PCB-Hersteller
Im Jahr 1980 gab es in Europa noch rund 2.000 Leiterplattenhersteller. Bis zum Jahr 2000 schrumpfte diese Zahl auf 630, und seither nimmt die Anzahl der Fabriken kontinuierlich weiter ab (Bild 3).
Der europäische Marktanteil am globalen Leiterplattenmarkt lag 2023 bei nur noch 2,6 % (inklusive Russland und Belarus; ohne diese Staaten unter 2,4 %). Im Gegensatz dazu hat China seinen Marktanteil auf 58,7 % ausgebaut. Addiert man Taiwan mit 10,9 %, Korea mit 10,0 % und den restlichen südostasiatischen Raum mit 4,8 % hinzu, so entfallen mittlerweile 85 % des Weltmarktes auf Fernost.

Zum 1. Januar 2025 existierten in Europa nur noch 190 Leiterplattenhersteller (Bild 4) – weniger als 10 % der Zahl von vor 45 Jahren – und der Rückgang setzt sich unvermindert fort. Bereits zu Beginn dieses Jahres mussten zwei weitere Unternehmen schließen. Auch die europäische Basismaterialindustrie ist nahezu verschwunden: Von einst 23 Herstellern sind nur noch zwei übrig (Isola und Panasonic), wobei Panasonic die Schließung seines Werks in Österreich bis Ende 2025 angekündigt hat.
Die verbliebenen Unternehmen konzentrieren sich überwiegend auf Kleinserien und Prototypen, bei denen neben dem Preisdruck auch kurze Lieferzeiten entscheidend sind. Nur sechs der verbleibenden 190 Hersteller erreichen noch eine signifikante Umsatzgröße innerhalb Europas.
Ein Blick auf die monatliche B2B-Statistik von Data4PCB zeigt deutliche regionale Unterschiede: Während die D-A-CH-Region 2024 ein Umsatzminus von 10,9 % in der Meldegruppe verzeichnete, konnten Großbritannien (+8,2 %) sowie Frankreich und Italien gemeinsam (+11,5 %) Zuwächse erzielen. Dieses Wachstum resultiert primär aus steigenden Investitionen in die Wehrtechnik. Insgesamt sank der europäische Leiterplattenmarkt dennoch um 4,4 %, während der globale Markt laut ersten Hochrechnungen auf dem Niveau von 2022 stabil bleiben dürfte. Damit wird Europas Marktanteil 2024 voraussichtlich weiter auf etwa 2 % sinken.

Industriepolitik in Europa: Warum strategische Investitionen für Leiterplatten fehlen
Wer die Diskussionsrunde Quadrell bei RTL am 19.2. vor der Neuwahl in Deutschland verfolgt hat, konnte überrascht feststellen, wie der noch amtierende Wirtschaftsminister die Bedeutung der Halbleiterindustrie in Europa betonte. Ein klares Zeichen dafür, dass die Lobbyarbeit der Halbleiterindustrie in Brüssel erfolgreich war.
Allerdings offenbarte die Aussage des Ministers auch erhebliche Wissenslücken. Denn erstens sind Halbleiter ohne Leiterplatten nicht nutzbar, und zweitens liegt Europas Anteil an der globalen Halbleiterindustrie derzeit bei 10 % – mit dem Ziel, diesen durch massive Subventionen auf 20 % zu verdoppeln. Im Vergleich dazu ist die Situation der Leiterplattenindustrie noch dramatischer: Ihr Marktanteil liegt bei lediglich 2 %, also fünfmal niedriger als jener der Halbleiterbranche.
Zwar gibt es auch in Brüssel Bemühungen zur Unterstützung der Leiterplattenindustrie, doch diese sind bislang bei weitem nicht ausreichend. Ohne entschiedene Maßnahmen droht Europa der vollständige Verlust dieser essenziellen Branche – mit gravierenden Folgen für die gesamte Wertschöpfungskette der Elektronikproduktion.
Sicherheitsrelevante Elektronik und die Abhängigkeit von China
Bei der Betrachtung der Marktsegmente in der Elektronik wird deutlich, dass sicherheitskritische Bereiche wie die Wehrtechnik, die Luft- und Raumfahrt sowie die Energietechnik besonders im Fokus stehen. Dennoch wird die Leiterplatte weiterhin als ein reines Commodity-Produkt angesehen, das primär nach Preis eingekauft wird. Dabei unterscheidet sich die Leiterplatte grundlegend von den meisten anderen Bauelementen, die universell in verschiedenen Elektronikprodukten einsetzbar sind. Eine Leiterplatte ist spezifisch für ein Produkt ausgelegt – die darauf definierten Schaltkreise sind fest vorgegeben und werden als Gerberdaten an den Hersteller übermittelt.
Diese Gerberdaten sind mit einem Stadtplan für einen Ortsunkundigen vergleichbar: Wer Zugriff darauf hat, kann mit einer genauen Analyse die Funktionsweise der Schaltung nachvollziehen. Genau hier liegt eine sicherheitspolitische Brisanz, die bislang zu wenig Beachtung findet.
Analysen verschiedener Verbände und Marktforscher haben ergeben, dass derzeit nur noch 60 % der Leiterplatten für wehrtechnische Produkte in Europa gefertigt werden. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass sensible Gerberdaten für militärische Elektronik teilweise nach China geschickt werden. Angesichts geopolitischer Spannungen und der Tatsache, dass China von der scheidenden Außenministerin jüngst als Diktatur bezeichnet wurde, ist dies ein alarmierender Befund. Europa läuft Gefahr, kritische technologische Infrastruktur aus der Hand zu geben – mit potenziell gravierenden Folgen für die nationale Sicherheit.
Gefahr für Wehrtechnik und Infrastruktur: Wenn Europas Elektronik von Fernost abhängt
Gespräche mit der Industrie zeigen, dass die Produktion wehrtechnischer Produkte mit hohen regulatorischen Hürden verbunden ist. Jede Veränderung erfordert eine aufwändige Neuqualifikation. Ein oft genanntes Beispiel ist der weiterhin erlaubte Einsatz von Zinn-Blei-Lötverbindungen in der Wehrtechnik, obwohl Blei in der zivilen Elektronik längst verboten ist. Diese strengen Vorgaben dienen zwar der Qualitätssicherung, werden jedoch auch als Argument genutzt, um an bestehenden Lieferketten festzuhalten – einschließlich der Beschaffung sensibler Leiterplatten aus China.
Dabei ist die potenzielle Gefahr von Manipulationen nicht nur theoretischer Natur. Wer Marc Elsbergs Roman Blackout gelesen hat, kennt bereits die Bedrohung durch gezielte Sabotage in der digitalen Infrastruktur. Doch während in diesem Szenario Software-Angriffe im Mittelpunkt stehen, sind Manipulationen über die Hardware ebenso realistisch – und potenziell noch gefährlicher.
Ein konkretes Beispiel aus der jüngeren Vergangenheit zeigt, wie solche Schwachstellen ausgenutzt werden können: Im vergangenen Jahr demonstrierte der israelische Geheimdienst Mossad eindrucksvoll, dass Hardware-Manipulationen gezielt als Waffe eingesetzt werden können. In einer spektakulären Operation wurden Pager modifiziert, indem Sprengstoff direkt in die Leiterplatte integriert wurde. Durch eine gezielte Funkfrequenz konnten alle manipulierten Geräte gleichzeitig zur Explosion gebracht werden – ein Angriff, der 37 Hisbollah-Terroristen auf einen Schlag eliminierte.
Dieses Beispiel zeigt, dass der Schutz kritischer Elektronik nicht nur eine Frage der wirtschaftlichen Standortpolitik ist, sondern eine essenzielle sicherheitspolitische Herausforderung. Solange Europa Leiterplatten für hochsensible Anwendungen aus China bezieht, bleibt das Risiko einer versteckten Manipulation real. Die Konsequenzen könnten im Ernstfall fatal sein.
Verdeckte Sabotage: Wie unsichere PCBs in sicherheitskritischen Anwendungen zum Risiko werden
Experten warnen, dass es technisch problemlos möglich ist, innerhalb einer Mehrlagen-Leiterplatte gezielt Modifikationen vorzunehmen. Beispielsweise könnten zwischen der Power- und Ground-Lage versteckte Strukturen integriert werden, die bei Empfang eines spezifischen Signals entweder einen Kurzschluss oder eine Unterbrechung auslösen. Das Resultat: Die gesamte elektronische Baugruppe wird funktionsunfähig – und mit ihr möglicherweise essenzielle militärische Systeme.
Die Tragweite einer solchen Sabotagemöglichkeit ist enorm. Sollte es einem Gegner gelingen, auf diese Weise Panzer, Kampfjets, Raketen oder zentrale Kommunikationsanlagen zu deaktivieren, wäre Europas Verteidigungsfähigkeit in kürzester Zeit lahmgelegt. Eine solche Bedrohung kann nicht allein durch das Aufzeigen des Problems oder gutes Zureden beseitigt werden – es bedarf einer klaren, konsequenten Gesetzgebung auf europäischer Ebene.
Mit sofortiger Wirkung sollte daher die Nutzung von Leiterplatten für sicherheitsrelevante Produkte ausschließlich aus Europa oder verbündeten Ländern wie der Schweiz, Norwegen und Großbritannien erlaubt werden. Übergangsfristen bis 2035 sind inakzeptabel – es muss schnell gehandelt werden. Zudem muss die politische Priorität in Brüssel neu ausgerichtet werden: Bevor Milliarden an Steuergeldern in die Halbleiterindustrie investiert werden, sollte zuerst das fundamentale Problem der Leiterplattenversorgung gelöst werden. Denn ohne sichere Leiterplatten bleibt auch die gesamte Halbleiterstrategie eine gefährliche Illusion.