„Ein niedlicher Panda sitzt ruhig in einer minimalistischen technischen Umgebung und kaut auf einer grünen Leiterplatte statt auf Bambus. Die Leiterplatte ist an der Stelle, an der der Panda darauf gebissen hat, deutlich beschädigt. Dezent leuchtende Datenleitungen fließen von der Platine zu einem schwachen, stilisierten Umriss von China im Hintergrund. Das Farbschema ist klar und modern - Weiß, Schwarz, Grün und sanfte blaue Akzente. Die Gesamtkomposition ist einfach und konzentriert, mit viel negativem Raum, um eine visuelle Überladung zu vermeiden.

Kostenlose oder extrem günstige Leiterplatten aus Asien sind keine Seltenheit – doch eine Studie zeigt, dass der Preis nicht nur monetär zu bewerten ist. (Bild: Ideogram)

Zugegeben, die BSI-Studie Prüfung von Manipulationsmöglichkeiten von Hardware in verteilten Fertigungsprozessen kurz PANDA ist schon von Ende 2023 und daher nicht mehr ganz taufrisch. Aber das Thema ist es auf jeden Fall noch. Vor dem Hintergrund des aktuell bewilligten Sondervermögens einschließlich der daraus resultierenden "Steigerung der Verteidigungsfähigkeit" Deutschlands aka Aufrüstung. Darauf gestoßen bin ich durch den LinkedIn-Post "Smart, cunning and extremely dangerous" von Dirk Stans, Managing partner Eurocircuits.

Dort warnt er vor dem Hintergrund der BSI-Studie eindringlich vor den strategischen Zielen einiger asiatischer Leiterplattenanbieter, die auffällig günstige oder sogar kostenlose Angebote unterbreiten – also Preise, bei denen allein der Stromverbrauch einer vergleichbaren europäischen Fertigung teurer wäre. Stans stellt die entscheidende Frage: Warum wird diese Praxis weiterhin betrieben, obwohl sie wirtschaftlich nicht tragfähig erscheint?

Seine Antwort ist klar und scharf formuliert: Es geht nicht um Leiterplatten. Es geht um Daten – genauer gesagt: um strategisch wertvolle Informationen aus der europäischen Elektronikentwicklung. Laut Stans handelt es sich um eine groß angelegte und systematische Sammlung von Big Data, mit der detaillierte Einblicke in Technologien, Entwicklungen, Bauteile und Innovatoren in Europa gewonnen werden. Die Daten eröffnen die Möglichkeit zur gezielten Nachahmung, zur Erkennung von Marktentwicklungen und im schlimmsten Fall zur systematischen Schwächung europäischer Innovationskraft.

Leiterplatten (PCBs), die online für wenige Euro oder sogar kostenlos angeboten werden, seien laut Stans kein altruistisches Geschenk, sondern ein gezieltes Werkzeug zur Datensammlung. Durch tausende wöchentliche Bestellungen gewinnen die Anbieter tiefen Einblick in die europäische Elektronikindustrie – von verwendeten Bauteilen über regionale Technologie-Trends bis hin zu den führenden Entwicklern und Innovationszentren.

Besonders brisant: Auch Bildungseinrichtungen seien betroffen. Viele Hochschulen nutzten aus Budgetgründen kostenlos bereitgestellte Tools und Bibliotheken derselben Anbieter – und geben damit frühzeitig Einblick in Forschungsvorhaben, Nachwuchstalente und künftige Innovationspfade. Der Rückschluss von Stans ist deutlich: Europa finanziert mit öffentlichen Mitteln die strategische Datenbasis seiner eigenen technologischen Schwächung. Das sitzt.

Was die PANDA-Studie des BSI dazu sagt

Die These von Dirk Stans findet eindrucksvoll Bestätigung in der Panda-Studie. Die Untersuchung wurde vom Institut IHP im Auftrag des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik durchgeführt und beleuchtet umfassend die Gefahren global verteilter Hardwarefertigung – mit besonderem Fokus auf PCB-Designs. Die Studie kommt zu dem Schluss, dass bereits PCB-Layoutdaten erhebliche Rückschlüsse auf Funktionalität und Schaltungskonzept zulassen. In Kombination mit Stücklisten (BOMs) und Bestückungsdaten entsteht ein nahezu vollständiges Abbild eines Produkts – inklusive dessen sicherheitsrelevanter Eigenschaften. Zwar machen die Autoren China nicht explizit dafür verantwortlich, aber aufgrund des großen Marktanteils von fast 60%, liegt der Hauptfokus auf dem Land.

Zudem werden konkrete Manipulationsszenarien untersucht. So demonstriert die Studie, dass es technisch möglich ist, zusätzliche Komponenten – wie Spionagechips – in innere Lagen von Mehrschicht-PCBs zu integrieren. Diese bleiben selbst bei Röntgenuntersuchungen oft unentdeckt. Auch Schwächen im Design, etwa bei der Auslegung von Kapazitäten, können gezielt genutzt werden, um Seitenkanalangriffe zu ermöglichen. Das sind Angriffe, die nicht direkt auf Algorithmen oder Daten abzielen, sondern physikalische oder logische Nebeneffekte eines Systems ausnutzt. Angreifer beobachten und analysieren diese Nebeneffekte, um geschützte Informationen oder Algorithmen zu extrahieren.

Die Panda-Studie weist auch darauf hin, dass sogenannte „Trusted IP-Cores“ keine Sicherheit garantieren. Selbst scheinbar vertrauenswürdige externe Designer oder Fertiger können Einfallstore für Manipulationen darstellen – ob vorsätzlich oder aus Unkenntnis. Nicht zuletzt benennt die Studie das Risiko, dass unbemerkte Hardware-Trojaner gezielt deaktivierende oder zerstörerische Funktionen auslösen können. Ein denkbares Szenario: ein in die Leiterplatte eingebetteter Kurzschlussmechanismus, der durch ein externes Signal aktiviert wird – mit potenziell katastrophalen Folgen für sicherheitskritische Anwendungen.

Wie sich Europas Leiterplattenindustrie wirtschaftlich entwickelt hat

Die technischen und sicherheitspolitischen Risiken treffen auf eine wirtschaftlich dramatische Realität. Denn die europäische Leiterplattenindustrie befindet sich seit Jahrzehnten im Rückzug – mit gravierenden Folgen für die technologische Souveränität des Kontinents.

Während Europa im Jahr 2000 noch rund 15 bis 20 % des weltweiten PCB-Markts bediente, lag der Anteil 2023 bei nur noch 2,6 %. Ohne Russland und Belarus sinkt dieser Wert sogar auf unter 2,4 %. Im gleichen Zeitraum hat China seinen Marktanteil auf fast 59 % ausgebaut – ergänzt durch Taiwan, Südkorea und weitere asiatische Länder, die zusammen inzwischen 85 % der globalen Leiterplattenproduktion abdecken. Die ausführliche Analyse "Wie China Europas PCB-Markt zerstört" finden Sie hier

Besonders alarmierend ist dabei die Abhängigkeit bei sicherheitsrelevanter Elektronik. Analysen zeigen, dass nur noch etwa 60 % der Leiterplatten für wehrtechnische Anwendungen in Europa gefertigt werden. Das bedeutet: Sensible Gerberdaten – vergleichbar mit einem technischen Stadtplan – werden zu einem erheblichen Teil nach Asien übermittelt. In einem geopolitisch angespannten Umfeld ist das ein sicherheitspolitisches Risiko ersten Ranges.

Ein Beispiel aus der Realität unterstreicht die Gefahr: In einer verdeckten Operation hatte der israelische Geheimdienst Mossad modifizierte Pager eingesetzt, in deren Leiterplatten Sprengladungen eingebettet waren. Die Geräte wurden durch ein externes Signal simultan zur Detonation gebracht. Was wie ein Thriller klingt, zeigt: Manipulationen auf PCB-Ebene sind real – und hochgefährlich.

Panda-Diplomatie: Die etwas andere Art der Machtausübung

Chinas Pandapolitik, auch Panda-Diplomatie genannt, ist ein strategisches Instrument der Soft Power zur Pflege internationaler Beziehungen. Seit den 1940er Jahren werden Pandas als diplomatische Geschenke oder Leihgaben eingesetzt; ein prominentes Beispiel war 1972, als China den USA nach dem Besuch Nixons das Pandapaar Ling-Ling und Hsing-Hsing schenkte. Seit 2007 verleiht China Pandas nur noch gegen hohe Gebühren, etwa eine Million US-Dollar pro Tier und Jahr. Die Empfängerländer werden von der chinesischen Führung gezielt ausgewählt, meist um die bilateralen Beziehungen zu stärken.

Warum politisches Handeln jetzt notwendig ist

Trotz dieser Entwicklungen genießt die Leiterplattenindustrie in der politischen Debatte nicht annähernd die Aufmerksamkeit wie beispielsweise die Halbleiterbranche. Während Europa plant, den Halbleitermarktanteil mithilfe milliardenschwerer Subventionen von 10 % auf 20 % zu verdoppeln, bleibt die Leiterplattenproduktion weitgehend außen vor – obwohl Halbleiter ohne PCBs überhaupt nicht funktionsfähig sind. Etwas daran ändern will die kürzlich gegründete ZVEI-Plattform Mikroelektronik. Wie deren Vorsitzender, Andreas Urschitz, die Rolle der Plattform Mikroelektronik bei der Förderung der Leiterplattenindustrie sieht, können Sie im Interview nachlesen.

Die PANDA-Studie, der LinkedIn-Beitrag von Dirk Stans und die Marktdaten der letzten Jahre führen zu einer eindeutigen Schlussfolgerung: Ohne eine klare industriepolitische Strategie verliert Europa die Kontrolle über eine essenzielle Schlüsseltechnologie. Notwendig ist:

  • eine „European Origin First“-Regelung für öffentlich geförderte Projekte,
  • die Rückverlagerung der PCB-Fertigung sicherheitskritischer Produkte nach Europa oder in verbündete Länder,
  • sowie gezielte Investitionen in die verbliebene europäische Leiterplattenindustrie.

Solche Maßnahmen sind nicht nur ökonomisch notwendig, sondern ein sicherheitspolitisches Gebot der Stunde. Übergangsfristen bis 2035, wie sie in manchen politischen Papieren auftauchen, greifen zu kurz. Der Verlust technologischer Souveränität lässt sich nicht aufschieben – er schreitet täglich voran.

Der Panda lächelt – Europa darf nicht schlafen

Was als freundliches Angebot erscheint, ist Teil einer gezielten Strategie zur Informationsgewinnung, Marktbeobachtung und technologischen Einflussnahme. Der „Panda“ als Symbol für Chinas wirtschaftliche Diplomatie passt auch auf das Thema Leiterplatten: charmant im Auftreten, berechnend im Ziel. Dirk Stans hat mit seinem LinkedIn-Post ein Thema aufgeworfen, das bisher zu oft unter dem Radar lief. Die Studie liefert die technischen Beweise. Die Marktdaten zeigen die Dringlichkeit. Die Frage ist nicht, ob Europa handeln muss – sondern wie schnell. Denn wer auf Dauer mit unsicheren Quellen arbeitet, riskiert nicht nur Innovationskraft und Wettbewerbsfähigkeit, sondern seine gesamte digitale Souveränität.

Der Autor: Dr. Martin Large

Martin Large
(Bild: Hüthig)

Aus dem Schoß einer Lehrerfamilie entsprungen (Vater, Großvater, Bruder und Onkel), war es Martin Large schon immer ein Anliegen, Wissen an andere aufzubereiten und zu vermitteln. Ob in der Schule oder im (Biologie)-Studium, er versuchte immer, seine Mitmenschen mitzunehmen und ihr Leben angenehmer zu gestalten. Diese Leidenschaft kann er nun als Redakteur ausleben. Zudem kümmert er sich um die Themen SEO und alles was dazu gehört bei all-electronics.de.

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