Trendradar 2026 – KI und Edge Computing

Produktive KI: 2026 wird zum Wendepunkt für die Elektronik 

KI und Edge Computing verändern 2026 die Elektronikbranche grundlegend. Rechenleistung wandert an den Netzwerkand, KI wird lokal und produktiv. In unserer Umfrage zeigen Unternehmen, wie neue Architekturen, Toolchains und Technologieansätze die Entwicklung und Fertigung prägen.

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2026 erfindet die Elektronik-Branche mit produktiver KI und Edge Computing ihre Architektur praktisch neu. Stimmen aus der Industrie.
2026 erfindet die Elektronik-Branche mit produktiver KI und Edge Computing ihre Architektur praktisch neu. Stimmen aus der Industrie.

Der Trend zur Datenverarbeitung direkt in Maschinen, Fahrzeugen und Industrieanlagen setzt sich unvermindert fort. Swissbit beschreibt, wie Edge Computing weiterhin als zentraler Wachstumstreiber wirkt: Die lokale Verarbeitung reduziert Latenzen, spart Bandbreite und erfordert kompakte, energieeffiziente Speicherlösungen mit hoher Performance und robuster Write-Endurance. Mit der zunehmenden Verlagerung von KI-Inferenz auf das Endgerät steigen zudem die Anforderungen an Security-Funktionen wie Secure Boot und Data-at-Rest sowie an die Fähigkeit, Systeme zuverlässig und sicher zu aktualisieren.

Auch Infineon betont die zentrale Rolle dieses Paradigmenwechsels: Edge AI ist nicht nur ein Trend, sondern bildet die Basis für die nächste Generation intelligenter Systeme. Die Fähigkeit, Daten lokal auf dem Gerät (Edge) statt ausschließlich in der Cloud zu verarbeiten, verändert die Arbeitsweise intelligenter Geräte grundlegend. Infineon hat es sich dabei zur Aufgabe gemacht, gesicherte und energieeffiziente Lösungen bereitzustellen, die den wachsenden Anforderungen an Echtzeitreaktionen und Datenschutz gerecht werden. Edge AI ist entscheidend für Anwendungen, bei denen Latenz, Bandbreite und Sicherheit im Vordergrund stehen, etwa in aufstrebenden Bereichen wie Robotik und industriellem IoT. Indem Intelligenz näher an die Quelle verlagert wird, können Geräte Entscheidungen sofort treffen – selbst in Umgebungen mit eingeschränkter Konnektivität. Gleichzeitig bleiben Sicherheit und Energieeffizienz ohne Kompromisse erhalten.

Edge AI ist nicht Ergänzung, sondern Grundbaustein der nächsten Elektronikgeneration. Die Grundarchitektur der Industrie-IT verändert sich damit spürbar – Rechenleistung wird verteilt, Datenpfade werden kürzer und Systeme müssen immer autonomer reagieren können.

Edge AI erreicht die Skalierungsphase

Microchip macht deutlich, dass 2026 ein Wendepunkt wird: Die Edge-AI-Landschaft entwickelt sich schneller denn je, und 2026 wird das Jahr sein, in dem Unternehmen vom Proof-of-Concept-Denken zur vollständigen Produktionsbereitstellung übergehen. In allen wichtigen Marktsegmenten gehen Entwicklungsteams über Experimente hinaus und integrieren Edge Intelligence als grundlegenden Bestandteil ihrer Systemarchitektur. Dieser Wandel wird durch klare Verbesserungen bei Leistung, Energieeffizienz, Sicherheit und durch die Verfügbarkeit von Tools vorangetrieben, die die Entwicklung auf ressourcenbeschränkten Geräten vereinfachen.

In den vergangenen Jahren haben Unternehmen untersucht, wie KI die Zuverlässigkeit erhöhen, Betriebskosten senken und Nutzererlebnisse verbessern kann. 2026 wird der Schwerpunkt darauf liegen, diese Ideen in den operativen Betrieb zu überführen. Entwickler wählen eingebettete Prozessoren, MCUs, FPGAs und MPUs aus, die in der Lage sind, Inferenz direkt am Sensor mit konstanter Leistung und vorhersehbarem Energiebedarf auszuführen. Den Erfolg am Edge werden Lösungen bestimmen, die passende Rechenleistung mit schlanken Entwickler-Tools und langen Produktlebenszyklen kombinieren, um mehrjährige Plattformen zu unterstützen. Ebenso wird starke technische Unterstützung und FAE-Support entscheidend sein, da Teams nach Lieferanten suchen, die sie sowohl bei KI-Konzepten als auch bei praktischen Systemrestriktionen begleiten können.

Von der KI-Hypewelle zur konkreten Anwendung

Marie-Pierre Ducharme, Vice President EMEA Marketing & Business Development bei Mouser,
Marie-Pierre Ducharme, Vice President EMEA Marketing & Business Development bei Mouser,

Marie-Pierre Ducharme, Vice President EMEA Marketing & Business Development bei Mouser, skizziert einen klaren Trend: Die Branche verabschiedet sich von der abstrakten KI-Euphorie und geht in Richtung nutzbare, lokal eingebettete Systeme. Ihr Statement:

„Ähnlich wie 2025 wird KI auch 2026 ein zentraler Trend bleiben, doch die Branche befindet sich in einem deutlichen Wandel. Der Fokus verschiebt sich von breitem ‘Hype’ hin zu gezielten Anwendungen – etwa zur verstärkten Nutzung von KI, die direkt in Consumer-Geräten, industriellen Systemen und Edge-Plattformen integriert ist. Alltägliche KI in Wearables, Smart-Home-Geräten und persönlichen Assistenten kombiniert multimodale Sensorik mit On-Device-Inference. Gleichzeitig ermöglicht agentische KI in industriellen und eingebetteten Systemen autonome Entscheidungen, prädiktive Steuerung und adaptive Optimierung.“

Damit rückt die KI näher an den Nutzer, näher an die Maschine – und tiefer in die Embedded-Welt.

Es entstehen agentische KI-Modelle, die sich dynamisch anpassen und in Echtzeit Entscheidungen treffen.
Es entstehen agentische KI-Modelle, die sich dynamisch anpassen und in Echtzeit Entscheidungen treffen.

Agentische KI: Echtzeit, Kontext und neue Nutzererfahrung

Parallel dazu entsteht eine Generation agentischer KI-Modelle, die sich dynamisch anpassen und in Echtzeit Entscheidungen treffen. In Fahrzeugen führt dies zu spürbaren Fortschritten beim autonomen Fahren, aber auch beim Fahrerlebnis, das zunehmend wohnraumähnliche Qualitäten erhält.

In Consumer-Elektronik und MedTech-Wearables verbessern personenbezogene KI-Profile die Nutzung, während Echtzeitdiagnosen das Wohlbefinden der Anwender stärken. Und in der Fertigung steigern adaptive Mensch-Maschine-Schnittstellen sowie der direkte Zugriff auf Live-Daten die Produktivität und Betriebseffizienz.

KI wird situativer, schneller, präziser – und schafft neue Formen der Mensch-Maschine-Interaktion.

Halbleiterindustrie: Zeitdruck, Komplexität und Reifegrad der KI

Die Halbleiterbranche steht unter massivem Effizienz- und Innovationsdruck. Craig Johnson, VP Strategy bei Siemens EDA, bringt die zentrale Herausforderung auf den Punkt:

„Da die Halbleiterindustrie mit einer alternden Belegschaft und zunehmender Komplexität konfrontiert ist, wird künstliche Intelligenz unerlässlich, um die Produktivität zu steigern. 2026 lautet die entscheidende Frage nicht, ob man KI einsetzt – sondern ob die eigenen KI-Lösungen bereit für den produktiven Einsatz sind.“

Craig Johnson, VP Strategy bei Siemens EDA
Craig Johnson, VP Strategy bei Siemens EDA

Die Branche muss also nicht mehr KI einführen, sondern sie industrialisieren.

KI in Toolchains: Entwicklungsprozesse verändern sich grundlegend

Wie stark KI schon heute in Entwicklungswerkzeuge hineinwirkt, erklärt Dr. Matthias Traub, Managing Director bei Vector Informatik:

„Künstliche Intelligenz wird ein entscheidender Faktor in der Elektronik- und Softwareentwicklung. Wer KI nicht in seine Toolchains integriert, wird den Anschluss verlieren. KI ermöglicht eine höhere Testautomatisierung, intelligente Code-Generierung und prädiktive Analysen, die Entwicklungszyklen verkürzen sich damit massiv und die Effizienz steigt. Vector ist darauf vorbereitet und bietet integriert KI-Assistenten zunehmend in seine Lösungen an. Das Ziel: Entwicklungsprozesse radikal effizienter machen und Kunden einen Vorsprung in Qualität und Geschwindigkeit sichern.“

KI verändert also nicht nur Produkte, sondern auch deren Entstehung – von der Testautomatisierung bis zur Code-Erzeugung.

Thermische Grenzen, Datenraten und Rechenlast

Der massive Zuwachs an KI-Lasten fordert die physikalischen Grundlagen der IT-Infrastruktur heraus. Aldo Lopez, Senior VP und President Datacom and Speciality Solutions bei Molex, beschreibt die Lage:

„KI-Modelle jeder Branche – ob für Sensoren autonomer Fahrzeuge, hochauflösende medizinische Bildgebung, militärische Systeme oder Echtzeit-Steuerungssysteme in der Fertigung – erzeugen enorme Datenmengen und verlangen zugleich schnelle Datenanbindung, fortschrittliche Stromversorgung und effizientes Wärmemanagement. Wir werden uns auch 2026 dafür einsetzen, kritische Engpässe bei der Rechenleistung und Datenanbindung zu beseitigen; werden mit Kunden, Lieferanten und Partnern weltweit zusammenarbeiten, um zukunftsfähige, KI-unterstützte Infrastrukturen zu entwickeln.“

Mit dem Übergang zu 224 GBit/s PAM-4 stoßen luftgekühlte Systeme an ihre Grenzen. Deshalb rücken Direkt-Chip-Kühlung, Immersionskühlung und passive Komponenten zur Unterstützung aktiver Kühlsysteme in den Fokus – Technologien, die laut Molex in den nächsten 12 bis 18 Monaten deutlich an Bedeutung gewinnen werden.

KI verschiebt in der Elektronikfertigung den Fokus weg von repetitiven Tätigkeiten, hin zu qualifizierteren, wertschöpfenden Aufgaben.
KI verschiebt in der Elektronikfertigung den Fokus weg von repetitiven Tätigkeiten, hin zu qualifizierteren, wertschöpfenden Aufgaben.

Fertigung: KI als Entlastung, nicht als Ersatz

Stefan Schneider, Geschäftsführer der TQ-Group
Stefan Schneider, Geschäftsführer der TQ-Group

In der Elektronikfertigung hat KI längst einen festen Platz. Stefan Schneider, Geschäftsführer der TQ-Group, sieht klare Vorteile:

„KI ist längst in der Elektronikfertigung etabliert – wie zum Beispiel in der Feinplanung von SMD-Linien. Wir sind überzeugt, dass sie Fachkräfte nicht ersetzen wird, sondern unseren Mitarbeitenden Freiräume schafft, sich um komplexe Aufgaben zu kümmern. Dieser Trend setzt sich definitiv fort. Ob in der Fertigung oder in administrativen Bereichen – KI wird auch in Zukunft Prozesse noch effizienter und stärker automatisiert gestalten.“

KI verschiebt also den Fokus weg von repetitiven Tätigkeiten, hin zu qualifizierteren, wertschöpfenden Aufgaben.

Mike Slater, DigiKey
Mike Slater, DigiKey

Distribution: Vom Lieferanten zum Entwicklungspartner

Auch die Elektronikdistribution wandelt sich grundlegend. Mike Slater von DigiKey beschreibt einen Rollenwechsel, der bereits sichtbar ist:

„KI verwandelt die Beziehung zwischen Distributor und Kunde von einer rein transaktionalen in eine kollaborative. Ingenieure nutzen KI-gestützte Design-Tools, um Komponenten schon vor dem Kauf zu simulieren und zu validieren. Einkaufsteams wiederum setzen intelligente Plattformen ein, um Risiken zu bewerten, Alternativen zu vergleichen und Routineaufgaben zu automatisieren. Angesichts des Innovationstempos rückt der Punkt, an dem sich der ROI klar rechnet, in greifbare Nähe.“

Distribution entwickelt sich zum Co-Engineering – datengetrieben, simulativ und strategisch.

KI als Treiber neuer Hardware-Generationen

Einen besonders klaren Fokus auf die Hardwareseite bringt Alexander Gerfer, CTO bei Würth Elektronik EiSos, ein. Seine Einschätzung ordnet KI als Querschnittstechnologie ein, die sowohl Komponenten als auch Prozesse verändert:

Alexander Gerfer, CTO bei Würth Elektronik EiSos
Alexander Gerfer, CTO bei Würth Elektronik EiSos

KI treibt spezialisierte Chips, darunter AI-Accelerators, NPUs und neue Speicherhierarchien. Sie durchzieht die gesamte Elektroniklandschaft, vom Smart Sensor über Edge Devices bis hin zum Hyperscale-Rechenzentrum und sie verändert die Entwicklungsprozesse selbst, etwa durch KI-gestütztes Chip-Design, automatisierte Layout-Optimierung oder Predictive Maintenance in der Fertigung.

KI erzwingt damit neue Elektronikarchitekturen – und wird gleichzeitig in Entwicklung, Fertigung und Betrieb selbst zum Produktivitätsmotor.

Fazit: 2026 wird das Jahr der produktiven KI

Die Elektronikbranche bewegt sich mit hoher Geschwindigkeit von theoretischen Use-Cases hin zu produktiven KI-Systemen. Edge Computing sorgt für lokale Intelligenz, KI verändert Toolchains und Fertigung, und neue Kühltechnologien werden unverzichtbar, um die Hardware fit für steigende Datenraten und Rechenlasten zu machen.

2026 markiert damit nicht den Beginn einer neuen Technologie – sondern den Beginn ihres konsequent produktiven Einsatzes.