Drehfeldüberwachung: Dirar Najib, Geschäftsführer der Firma Dina Elektronik, Michael Kocher, Vertriebsleiter, Lothar Bauknecht, verantwortlicher Entwickler der Stillstands- und Drehzahlwächter und Markus Henzler, technischer Leiter. (vlnr)

Dirar Najib, Geschäftsführer der Firma Dina Elektronik, Michael Kocher, Vertriebsleiter, Markus Henzler, technischer Leiter und Lothar Bauknecht, verantwortlicher Entwickler der Stillstands- und Drehzahlwächter (v.l.) (Bild: Redaktion IEE)

Herr Najib, Sie feiern aktuell 30-jähriges Firmenjubiläum. Haben Sie damals schon mit Sicherheitstechik begonnen?

Dirar Najib: Anfangs habe ich meine Firma nebenberuflich geführt, später dann als Ein-Mann-Betrieb. Von Anfang an war die Sicherheitstechnik das angestrebte Produkt der Firma Dina. Parallel dazu fand die Entwicklung von kundenspezifischen Produkten statt.
Die erste sichere Drehzahlüberwachung von Antrieben wurde bereits 1987 entwickelt. Den Anstoß dazu gab damals ein Werkzeugmaschinenhersteller mit seinem Hinweis: Wir liefern Maschinen in die Welt, mit denen sich die Bediener umbringen könnten. Das Hauptproblem damals war die Spindelüberwachung.
Dafür habe ich dann eine Lösung entwickelt, die bereits vorhandene Näherungsschalter oder Feedback-Messsysteme auch für die sichere Drehzahlüberwachung nutzt.

Wann war das?

Drehfeldüberwachung: "Wir waren die ersten in Europa, die eine sichere Drehzahlüberwachung entwickelt haben." Dirar Najib

"Wir waren die ersten in Europa, die eine sichere Drehzahlüberwachung entwickelt haben." Dirar Najib Redaktion IEE

Dirar Najib: Das war 1990 und ein Riesenerfolg, weil die Maschinenbauer keinerlei zusätzliche mechanische Anbauten an der Spindel oder an der Achse brauchten. Seitdem nutzen wir das Messsystem am Antrieb in vielen Applikationen.
Schon damals hatte ich die Vision eines Messsystems, das von der Maschine unabhängig ist und wir nicht immer tausend Dinge berücksichtigen müssen, sondern direkt die Geschwindigkeit des Antriebs messen können.

Lothar Bauknecht: Damals wie heute müssen wir die vielen Besonderheiten der verschiedenen Messsysteme, zum Beispiel inkrementelle Geber, Resolver und Absolutwertsysteme, berücksichtigen. Das verursacht bei uns sehr viel Aufwand und Kosten.

Markus Henzler: Darüber hinaus bietet die direkte Messung ohne Encoder weitere Vorteile. Weniger Komponenten und Steckverbindungen steigern die Anlagenverfügbarkeit, ohne die Sicherheit zu reduzieren.

Wie funktioniert die Drehzahlüberwachung?

Markus Henzler: Bei der aktuellen Drehzahlüberwachung werden die Feedbacksignale vom Encodersystem ausgewertet und durch eine zweikanalige mikrocontrollerbasierende Frequenzmessung auf die Einhaltung des parametrierten Grenzwertes überwacht. Dieser Grenzwert wird abhängig von der Betriebsart der Maschine vorgewählt. Typische Grenzwerte sind zum Beispiel die maximale Produktionsgeschwindigkeit als Anlagenschutz, die sicher reduzierte Einrichtgeschwindigkeit (SLS) und der sichere Betriebshalt (SOS) als Personenschutz. Umgeschaltet werden die Betriebsarten über die anlagenseitig vorhandene Sensorik, insbesondere Schutztür- und Zustimmschalter.

Michael Kocher: Beim neuen Produkt nutzen wir andere Mechanismen zur Bewegungserfassung: Wir messen das dreiphasige Drehfeld direkt am Frequenzumrichter oder am Motor.

Warum sind Sie nicht früher auf die Idee gekommen, das Drehfeld zu messen und sicherheitstechnisch auszuwerten?

Dirar Najib: Ehrlich gesagt, damals kamen wir nicht darauf, dafür das Motor-Drehfeld zu nutzen. Allein schon wegen der hohen Motorspannungen von mehreren hundert Volt. Die abzugreifen und auszuwerten, war damals schlichtweg nicht vorstellbar.

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"Stillstand- und Drehzahlüber­wachung werden kombiniert." Markus Henzler Redaktion IEE

Lothar Bauknecht: Heute gibt es die nötigen Bauteile, um diese Spannungspegel zu beherrschen. Und wir haben auf diesem Gebiet der sicheren Drehzahlüberwachung noch einiges vor.

Markus Henzler: Ganz so trivial ist die Überwachung der Motordrehzahl auch heute noch nicht. Im Vergleich zu einer abgeschirmten Signalspannung treten jetzt ganz andere Problematiken auf. Die Erfassung der bis zu 690 Volt pulsweitenmodulierten Drehfeldspannungen erfordert ein hohes Maß an EMV-Schutzbeschaltung und die Verwendung von qualitativ hochwertigen Bauteilen zur Potentialtrennung.

Dirar Najib: Wir haben uns damit auch deshalb Zeit gelassen, weil wir mit dem anderen Überwachungsprinzip bislang gut am Markt präsent sind und alle wesentlichen Anwendungen damit abdecken.

Wie präzise die Frequenzmessung ist, finden Sie auf Seite 2

Umkehrschluss: Gab es Druck vom Markt, sich weiter zu entwickeln?

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"Die sensorlose Überwachung erweitert unser Spektrum massiv in Richtung preissensitiver Anwendungen." Michael Kocher Redaktion IEE

Michael Kocher: Druck vom Markt gibt es immer, denn die Kosten sind stets Thema. Bislang braucht man einen Encoder, um die Drehzahl sicher zu überwachen. Der Aufwand für dessen Montage und Verdrahtung ist ein weiterer Kostenblock. Deshalb kommt das bei einfachen, kostensensitiven Maschinen mit ungeregelten Antrieben, etwa einer Holz- oder Metallsäge, überhaupt nicht in Betracht. Wenn es kein Feedbacksignal gibt, dann nützt die schönste Überwachung auf Basis eines Feedbacksignals nichts. Das ist die Ursache dafür, dass wir mit unserem bisherigen System in diesem Marktsegment nicht punkten konnten. Das ändert sich jetzt mit der sensorlosen Überwachung, die unser Anwendungsspektrum massiv erweitert.

Lothar Bauknecht: Es löst auch die Probleme mit den Gebern mit serieller oder Feldbusschnittstelle. Hier kommen wir nicht mehr direkt an das analoge Gebersignal heran, da die Messwerte mit einem seriellen Protokoll ausgegeben werden. Bei der sensor­losen Drehfeldüberwachung greifen wir direkt auf die Klemmen des Motors beziehungsweise des Umrichters zu.

Wie präzise ist die Frequenzmessung, die ja ein Maß für die Drehzahl und damit für die Auslösung der Safetyfunktion ist?

Lothar Bauknecht: Das Drehfeld des Motors wird mit einer Genauigkeit von 0,5 % gemessen und ist damit sehr genau. Die Auslösezeit der Sicherheitsfunktion ist allerdings noch von anderen Faktoren abhängig.

Wie schnell reagiert dann der Drehzahlwächter?

Lothar Bauknecht: Dies ist in erster Linie abhängig von der Frequenz, die überwacht wird. Um ein Beispiel zu nennen: Bei 50 Hertz liegen wir bei 60 Millisekunden, bei 100 Hertz sind es dann nur noch 30 Millisekunden Reaktionszeit.

Bis zu welchen Motordrehzahlen kann ihr Modul messen?

Dirar Najib: High-Speed-Spindeln erreichen bis zu 30 000 Umdrehungen und mehr. Das Gros liegt jedoch zwischen 1 000 bis 8 000 Umdrehungen pro Minute. Alle diese Bereiche decken wir ab.

Bei welchen Motortypen funktioniert die Drehfeldüberwachung?

Michael Kocher: Alle AC-Motoren, egal ob Synchron-, Asynchron- oder Servomotoren funktionieren. Es wird auch Situationen geben, wo es aufgrund des Umrichterverhaltens nicht funktioniert. Denn manche Frequenzumrichter erzeugen eigene Prüfsequenzen auf den Motorleitungen, die wir im Detail nicht kennen. Aber wir sind sicher, dass wir die Mehrheit der Antriebssysteme beherrschen.

Immer mehr Umrichter haben die Sicherheitstechnik integriert. Ließe sich im Umrichter nicht auch schon das Drehfeld abgreifen? Gibt es da Interesse seitens der Servohersteller, die Technologie mit zu implementieren?

Wir decken Bereiche von 1 000 bis 30 000 Umdrehungen pro Minute ab.

Wir decken Bereiche von 1 000 bis 30 000 Umdrehungen pro Minute ab. saja seus - fotografie

Dirar Najib: Der Trend ist natürlich da und wir hatten dazu schon die ersten Kontakte.
Markus Henzler: Die Integration im Umrichter spart Kosten und Platz. Zur Integration neuer Technologien müssen die Frequenz­umrichter aber ein Mindestmaß an funktionaler Sicherheit zur Verfügung stellen. Vielfach vorhanden ist die sichere Antriebssperre (STO). Zudem ist die Signalaufbereitung im Frequenzumrichter oftmals nicht zweikanalig ausgeführt. Eine Integration muss deshalb in einer partnerschaftlichen Zusammenarbeit aller Komponentenhersteller realisiert werden.

Michael Kocher: Gut für unser Geschäft, denn ohne STO-Funktion, lässt sich ein Umrichter nur mit externen Geräten wie unseren sicher stillsetzen. Und auch Umrichter mit STO benötigen zusätzliche Komponenten für die sichere Geschwindigkeitsüberwachung.

Wo die Haupteinsatzgebiete der Drehzahlüberwachung liegen, erfahren Sie auf Seite 3

Wo sehen Sie die Haupteinsatzgebiete der Drehzahlüberwachung?

Michael Kocher: Generell adressieren wir Anwendungen im preissensitiven Bereich. Typische Applikationen sind für mich zum Beispiel Lüfter, bei denen man sicherstellen muss, dass sie laufen und sicher Dämpfe absaugen. Dann natürlich auch in der Holz- und Metallbearbeitung, wo das Sägeblatt nachläuft.

Und die sensorlose Drehzahlüberwachung ist verfügbar?

Dirar Najib: Momentan sind wir in der Musterphase und testen unser Produkt bereits bei verschiedenen Kunden. Das ist für uns sehr wichtig, damit wir Erfahrungen mit verschiedenen Antrieben sammeln. Darauf liegt derzeit unser Fokus. Die Serienfreigabe ist für Ende 2017 geplant.
Als Geschäftsführer dieser Firma ist es mir wichtig, keine Reklamationen zu bekommen. Deshalb die etwas längere Einführungsphase. Zumal wir mit der Technologie noch viel vorhaben.

Erzählen Sie mal.

Dirar Najib: Das nächste Produkt wird sowohl den Stillstand nach dem EMK-Prinzip überwachen, als auch mehrere Drehzahlen in verschiedenen Betriebsarten. Den Stillstand müssen wir über die EMK des Motors erfassen, da im regelfreien Umrichterbetrieb nicht mehr über die Frequenz beziehungsweise Periodendauer gegangen werden kann.

Sie bilden also nach und nach die Funktionen der bisherigen Drehzahlüberwachung auf dem sensorlosen Drehzahlwächter ab?

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"Wenn Sie speziell einen Drehgeber nur für die Drehzahlüberwachung zusätzlich investieren und montieren müssen, tut das dem Maschinenbauer richtig weh. Hier punkten wir mit unseren Geräten." Redaktion

Michael Kocher: Die ein oder andere Funktion wird sicher noch dazu kommen. Für mich als Vertriebsleiter kommt ein anderer Aspekt hinzu. Mit der kompletten Überwachung aller Gebersysteme haben wir eine Ergänzung zu unserem bisherigen Produktprogramm. Jetzt haben wir zusätzlich die Möglichkeit, auch Antriebe ohne Feedbacksystem zu überwachen. Das ist ein enormer Zuwachs an Marktpotenzial.

Drehgeber oder Encoder sind ja auch nicht ganz billig.

Michael Kocher: Wenn Sie speziell einen Drehgeber nur für die Drehzahlüberwachung zusätzlich investieren und montieren müssen, tut das dem Maschinenbauer richtig weh. Hier punkten wir mit unseren Geräten.
Im Moment haben wir zwar noch die Trennung zwischen Stillstandswächter und Drehzahlüberwachung, in bestimmten Situationen ist es aber notwendig den Antrieb bei geöffneter Tür zu betreiben. Dann geht es darum, eine reduzierte Geschwindigkeit zu überwachen. Deswegen freue ich mich auf die Kombi-Lösung.
Und wenn der Drehzahlwächter demnächst abhängig von der angewählten Betriebsart mehrere Drehzahlgrenzen überwachen kann, dann haben wir bereits zum Großteil das umgesetzt, was bisher die Überwachung mit einem Geber kann.

Derzeit können nicht mehrere Drehzahlen überwacht werden?

Markus Henzler: Derzeit können die Kunden beim sensorlosen Drehzahlwächter eine Maximalgrenze oder ein Drehzahlfenster definieren, das in 15 Stufen durch den Anwender parametrierbar ist. Zukünftig wird diese Limitierung durch eine flexible und softwaregestütze Dateneingabe aufgelöst.

Drehfeldüberwachung: "Wenn es ein Drehfeld gibt, können wir es auch sicher überwachen." Lothar Bauknecht

"Wenn es ein Drehfeld gibt, können wir es auch sicher überwachen." Lothar Bauknecht Redaktion IEE

Lothar Bauknecht: Unsere Vision ist, jede gewünschte Drehzahl beziehungsweise Frequenz parametrieren zu können. Auch darüber denken wir nach und arbeiten an einer ebenso sicheren wie einfachen Eingabemöglichkeit.

Wie schätzen Sie Ihren Zeitvorsprung ein? So eine Entwicklung lässt doch ihre Marktbegleiter nicht ewig ruhen.

Dirar Najib: Wir waren mit den Drehzahlüberwachungen, vor allem mit den modularen, jahrelang Alleinunterhalter, der Einzige auf dem Markt. Inzwischen mischen einige mit. Aber das muss kein Nachteil sein. Als Siemens Ende der 90er Jahre seine Safety-Integrated-Reihe rausgebracht hat, war ich sehr besorgt. Wenn alle Safety-Integrated einsetzen, dann habe ich nichts zu lachen. Und was war das Ergebnis? Siemens hat das Thema vorangebracht und uns letztlich genutzt.

Michael Kocher: Wir denken ja auch schon weiter. Es bleibt nicht bei dem einen Produkt. In absehbarer Zeit haben wir eine ganze Produktfamilie verfügbar. Auch wenn das System einfach einzusetzen ist, ganz so problemlos nachzubauen ist es mit Sicherheit nicht.

Bietet das Raum für Kooperationen, wo man sich nicht unbedingt gegenseitig weh tut?

Dirar Najib: Die gibt es auch bereits mit dem Stillstandswächter. Warum also nicht auch beim sensorlosen Drehzahlwächter.

Das Gespräch führte IEE-Chefredakteur Stefan Kuppinger.

(sk)

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