Der Automotive-Standard für Schmelzsicherungen schließt eine Lücke im Qualifikationsverfahren AEC-Q200.

Der Automotive-Standard für Schmelzsicherungen schließt eine Lücke im Qualifikationsverfahren AEC-Q200. (Bild: Adobe Stock,)

Für Automobilentwickler wird 2019 mit der geplanten Veröffentlichung des Automotive-Standards für Schmelzsicherungen des Automotive Electronics Council (AEC) ein wichtiges Jahr. Der Standard bietet einen enormen Vorteil für Entwicklungsingenieure: Sie müssen dann nicht mehr auf Industriesicherungen zurückgreifen oder Lebensdaueranforderungen mit einzelnen Herstellern abprüfen.

Während Automobile den Passagieren eine angenehme Umgebung bieten, ist die Elektronik im Fahrzeug härtesten Bedingungen ausgesetzt – etwa großen Temperaturschwankungen, mechanischen Stöße, Vibrationen, Feuchtigkeit und Wasser sowie Salz. In der Automobilindustrie ist Zuverlässigkeit und Verfügbarkeit von Komponenten ein wichtiges Ziel. Deshalb muss auch die Technologie zur Absicherung der Leiterplatte einem hohen Anspruch genügen. Der AEC hat das Ziel, eine Standardisierung in der Qualifizierung von elektronischen Komponenten zu erreichen.

Um eine AEC-Qualifikation zu erhalten, muss eine Komponente einen strengen Prozess mit unterschiedlichen Überprüfungen bestehen, beispielsweise 1000 Stunden in Klima-, Heizungs- und Temperaturschockkammern. Die tolerierte Ausfallrate ist dabei Null. Ein erfolgreicher Test unter der Bedingung des AEC-Q bescheinigt höchste Zuverlässigkeit über eine angenommene Lebensdauer von 8000 Stunden beziehungsweise 300.000 Kilometern.

Der Standard AEC-Q

Bild 1: Eine SMD-Schmelzsicherung mit Keramiksubstrat muss bei Littelfuse 22 test bestehen, um als "Automotive-Qualified" zu gelten.

Bild 1: Eine SMD-Schmelzsicherung mit Keramiksubstrat muss bei Littelfuse 22 Tests bestehen, um als "Automotive-Qualified" zu gelten. Littelfuse

Aufgrund der vielfältigen und extremen Testbedingungen bei der AEC-Qualifizierung können Hersteller auf zusätzliche und individuelle Tests für die Komponentenfreigabe verzichten. Der Vorteil ist eine Zeit-, Kosten- und Komplexitätsersparnis bei der Entwicklung. Die Norm AEC-Q200 umfasst Tests für passive Bauteile wie Widerstände und Kondensatoren. Bislang existiert jedoch kein Abschnitt, der sich speziell mit Sicherungskomponenten befasst. Dieser Teil des Standards befindet sich seit einiger Zeit in Bearbeitung. Eine Veröffentlichung wird in diesem Jahr erwartet, weshalb Sicherungshersteller bislang eigene Testpläne verwenden um automotivetaugliche Komponenten anbieten zu können. Der Littelfuse-Testplan entspricht bereits dem Validierungsplan, des sich kurz vor der Veröffentlichung befindlichen Standards.

Demnach muss eine SMD-Sicherung (Bild 1) bei Littelfuse 22 verschiedene Tests bestehen, um das Prädikat „Automotive-Qualified“ zu erreichen. Ebenso müssen Produktionsstätten nach IATF16949 (International Automotive Task Force) zertifiziert sein. Diese Zertifizierung wird den Anforderungen des Qualitätsmanagements gerecht und sorgt für eine konsistente Lieferqualität.

PCB-Sicherungen

Bei der Realisierung von elektronischen Steuergeräten, Sensoren und Aktuatoren herrscht ein hoher Kostendruck. Dabei erscheint die Verwendung von Leiterbahnen zur Absicherung von Überströmen als eine Alternative ohne Zusatzkosten gegenüber SMD-Sicherungen. Bei beiden Absicherungsvarianten führt ein Überschreiten der Verlustleistung zur Auslösung. Zur Absicherung eines harten Kurzschlusses kann eine Leiterbahn- oder PCB-Sicherung sinnvoll sein. Allerdings kann eine PCB-Sicherung bei moderaten Kurzschlüssen nicht dieselbe Performance erreichen wie eine SMD-Sicherung. Deshalb ist die PCB-Sicherung nur bedingt dafür geeignet, alle Überstromfälle abzusichern. Eine SMD-Sicherung löst auch bei schwachen Überlastfällen nach bestimmten Zeiten aus. Sicherungen von Littelfuse erfüllen alle Anforderungen der Normen UL/CSA und ANCE 248-14. UL-Tests werden bei 100, 135 und 200 Prozent des Nennstroms durchgeführt. Die Sicherung muss 100 Prozent ihrer Amperezahl tragen und sich bei einer Temperatur stabilisieren, die nicht höher als 75 °C ansteigt. Zudem muss sich die Sicherung bei 135 Prozent des Nennstroms innerhalb einer Stunde auslösen und bei 200 Prozent innerhalb von zwei Minuten.

Bild 2: Rücksetzbare SMD-Sicherungen (PPTC) sichern Fehlerfälle ab, die nur für einen bestimmten zeitraum auftreten und sich danach wieder auflösen.

Bild 2: Rücksetzbare SMD-Sicherungen (PPTC) sichern Fehlerfälle ab, die nur für einen bestimmten Zeitraum auftreten und sich danach wieder auflösen. Littelfuse

Die Fertigung von Leiterplatten weist in der Serienfertigung relativ hohe Toleranzen auf. Die Dicke der äußeren Kupferschicht ist hierbei der kritische Parameter für die Eigenschaften einer PCB-Sicherung. Eine höhere Genauigkeit ist möglich. Das bedeutet jedoch höhere Kosten für die gesamte Leiterplatte, auch wenn engere Toleranzen nur an den Stellen der PCB-Sicherung notwendig sind.

Darüber hinaus sind aufgrund verschiedener Lose und Lieferanten zusätzliche Toleranzen zu berücksichtigen. Schwankungen im Widerstand der PCB-Sicherung sind entsprechend zu minimieren. Die in der Automobilindustrie übliche Multi-Sourcing-Strategie vervielfacht dabei Aufwände für die Qualitätskontrolle. Sicherungen von Littelfuse sind für einen Betriebstemperaturbereich von -55 °C bis +150 °C ausgelegt. Ein Leitfaden für Auslegung und Auswahl von SMD-Sicherungen steht zur Verfügung, ebenso wie die Unterstützung durch ein Applikationsteam, um Spezialfälle abzudecken.

Neben Schmelzsicherungen für das einmalige Abschalten von Überströmen bietet Littelfuse rückstellbare, nach AEC-Q200 qualifizierte PPTCs (Polymeric Positive Temperature Coefficient) an. Fehlerfälle, die nur für einen bestimmten Zeitraum auftreten und sich danach wieder auflösen, lassen sich damit kostengünstig absichern.

PPTC im Detail

Eine PPTC-Sicherung (Bild 2) besteht aus einem Verbund teilkristalliner Polymere und leitfähiger Partikel. Bis zu einer bestimmten Temperatur bilden die leitfähigen Partikel ein niederohmiges Netzwerk im Polymer. Übersteigt die Temperatur die Schalttemperatur – entweder durch einen hohen Strom oder durch eine Erhöhung der Umgebungstemperatur – nehmen die Kristalle an Volumen zu und das Polymer wird amorph. Dabei werden die leitfähigen Teilchen voneinander getrennt und führen zu einer starken, nichtlinearen Erhöhung des Widerstandes. Nach Abkühlung, etwa aufgrund eines Resets, wird der PPTC mit einer Hysterese wieder auf den niedrigen Widerstandswert zurückgesetzt.

Die Fähigkeit der PPTCs, sich nach dem Auftreten eines Fehlerstroms zurückzusetzen, macht sie ideal für den Einsatz in Schaltkreisen, die für den Endkunden oder einen Techniker unzugänglich sind. Typische Anwendungen umfassen den Schutz von Schnittstellen, Akkupacks, Steuergeräten und Halbleitern. Interessant ist der Einsatz als Überlastungsschutz für Halbleiterschalter: Ohne zusätzlichen Aufwand für Logik lässt sich der PPTC im Strompfad in der Nähe des zu schützenden Bauteils platzieren. Geht beispielsweise ein MOSFET ungewollt in den Linearbetrieb und ist der Fehlerfall daher nicht über eine Stromüberhöhung zu erkennen, kann ein PPTC allein über die erhöhte Verlustleistung den Strompfad unterbrechen. Nach AEC-Q200 qualifizierte SMD-PPTCs sind bei Littelfuse in den Bauformen von 0603 bis 3425 und für einen Strombereich von 0,05 A bis 5 A verfügbar.

Thermische Sicherungen

Im höheren Strombereich ist eine andere Technologie für Temperatursicherungen im Einsatz. Littelfuse hat eine einfache, nicht rückstellbare Lösung mit geringem Platzbedarf entwickelt: Die thermische Sicherung HCRTP-Mini (High Current Reflow Thermal Protector) kommt vornehmlich in der Leistungselektronik zum Einsatz. Bei einem Leistungs-MOSFET steigt der Drain-Source-Widerstand im Einschaltzustand mit zunehmender Temperatur an. Dies führt zu einer zunehmenden Verlustleistung. Bei einem Versagen der Kühlung steigt der Drain-Source-Widerstand weiter an, was schließlich zur Zerstörung des Bauteils führt.

Die HCRTP-Mini funktioniert über einen Federmechanismus, der die Leiterbahn an den eigenen Lötstellen unterbricht. Das Schutzelement ist für eine automatisierte Bestückung geeignet und wird mit SAC-Lot (Zinn-Silber-Kupfer-Lot) direkt auf der Leiterplatte gelötet. Das Temperaturmesselement ist das SAC-Lot selbst, welches das Bauteil an der Leiterplatte hält. Das Bauteil wird nach dem Reflow-Prozess aktiviert, indem eine Kappe heruntergedrückt wird. Das Gerät ist aktiviert, wenn das Lot schmilzt und die Klemmfedern den Stromkreis trennen.

Halbleiterbasierte Sicherungen

Bild 3: Bei der Konstruktion von Hochvoltsicherungen, wie hier eine Lösung mit verschiedenen Anschraubmöglichkeiten) liegt ein Fokus auf der Lichtbogenlöschung bei der Auslösung.

Bild 3: Bei der Konstruktion von Hochvoltsicherungen, wie hier eine Lösung mit verschiedenen Anschraubmöglichkeiten, liegt ein Fokus auf der Lichtbogenlöschung bei der Auslösung. Littelfuse

Eine klassische Überstromsicherung kann nicht zum Schutz vor Bränden, etwa aufgrund eines durchlegierten MOSFET, schützen. Bereits kleine Ströme können zu lokalen Hot Spots von über 180 °C führen und die Epoxidstruktur der Platine beschädigen. Ein Ansprechen der thermischen Sicherung verhindert Rauch und Feuer. In sicherheitskritischen Anwendungen wie dem ABS-System bietet die HCRTP-Mini daher Schutz vor überhitzungsbedingten Schädigungen im Fahrzeug, wenn eine klassische Überstromsicherung nicht auslöst.

Seit einigen Jahren kommen zur Absicherung von Überströmen auch Halbleiterschalter zum Einsatz. MOSFET-Strukturen bilden hierfür die Basis. Über einen integrierten Stromspiegel und mithilfe eines Logikelements bietet der Halbleiter die Möglichkeit, Sicherung und Schaltelement in einem Bauelement zu vereinen. Ein solcher Halbleiter kann nicht die materialbedingte I2t-Kennline einer Schmelzsicherung abbilden, da der Halbleiter nicht den thermischen Vorgang des Schmelzens von Kupfer nachbildet. Einschaltspitzen können sich damit zum Problem entwickeln. Elektronische Sicherungen messen den Strom und schalten den MOSFET digital aus, wenn der Strom einen bestimmten Schwellenwert überschreitet.

Das Stromspiegelprinzip ist in der Regel hinsichtlich der Messgenauigkeit sehr eingeschränkt. Weil sich ein Halbleiter deutlich schneller schalten lässt, als eine Schmelzsicherung reagiert, eignet sich diese Art des Überstromschutzes in erster Linie für harte Kurzschlüsse. Aufgrund der guten Skalierbarkeit von MOSFETs sind nahezu beliebige Abschaltströme darstellbar.

Die Halbleitersicherung hat allerdings auch Nachteile. Der Platzbedarf auf der Leiterkarte ist höher, auch durch die zusätzliche Ansteuerschaltung. Sicherungen auf Halbleiterbasis sind empfindlich gegenüber EMV-Störungen (elektromagnetische Verträglichkeit), Überspannung, Verpolung und der Art der Last (kapazitiv oder induktiv). Daher sind Bauteile zum Schutz und zur Stabilisierung notwendig.

Absicherung des Hochvoltbordnetzes

Während SMD-Sicherungen den Überstromschutz innerhalb des Steuergerätes bereitstellen, sichern Kfz-Sicherungen die Zuleitungen der 12-Volt- und 48-Volt-Batterie ab. Das zusätzliche Hochvoltbordnetz mit mehr als 450 Volt enthält zusätzliche Leistungsanforderungen, welche in den Standards ISO 8820/20934 abgebildet werden. Im leitenden Betrieb der Sicherung ist die höhere Spannung unkritisch. Ein großer Fokus bei der Konstruktion von Hochvoltsicherungen liegt auf der Lichtbogenlöschung bei Auslösen der Sicherung.

Die Spannung erzeugt in Kombination mit einem Stromstoß eine große Energiemenge, die bei richtiger Auslegung innerhalb des Sicherungskörpers abgebaut wird. Hierfür wird in Verbindung mit einer speziellen Geometrie des Sicherungselements üblicherweise eine Sandfüllung als Lichtbogenunterdrücker verwendet.

Eine weitere Herausforderung für Hochvoltsicherungen besteht in der mechanischen Robustheit, um den Vibrationen und Temperaturschwankungen über die Lebensdauer des Fahrzeugs standzuhalten. Die Sicherung muss mit Zugentlastungen ausgestattet sein, um Bewegungen auszugleichen. Hochspannungssicherungen für industrielle Anwendungen sind für den stationären Gebrauch bestimmt und entsprechen nicht den mechanischen und umwelttechnischen Anforderungen von Kraftfahrzeugen.

Niederspannungssicherungen sind für eine Lebensdauer von bis zu 8000 Stunden ausgelegt, während in 450-Volt-Anwendungen eine Lebensdauer von bis zu 40.000 Stunden erforderlich ist, da diese auch im Ladekreis der Fahrzeugbatterie zum Einsatz kommen. Um die höhere Belastung abzusichern, müssen Testgruppen angepasst und Testdauer sowie Testparameter verschärft werden, wobei Littelfuse bei der Gestaltung der Testprozeduren im ISO-Arbeitskreis aktiv mitwirkt.

Littelfuse bietet für alle Überstromabsicherungen ein übergreifendes und komplettes Portfolio. Das Spektrum besteht aus SMD-Sicherungen, PPTCs, thermischen Sicherungen und Hochvoltsicherungen (Bild 3). Die Produktauswahl wird durch eine starke Kundenbetreuung, Design Guides und durch eigene Applikationslabors unterstützt. Damit lässt sich sicherstellen, dass die Bauteile den unterschiedlichen Kundenanforderungen entsprechen.

Michael Zimmermann

Senior Field Application Engineer Automotive Electronics Business Unit bei Littelfuse

(na)

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