Automotive: Die Konkurrenz aus Fernost kommt näher

Auf dem 27. Automobil-Elektronik Kongress in Ludwigsburg stellten der vietnamesische OEM Vinfast sowie der chinesische Fahrzeughersteller NIO ihre Konzepte vor, mit denen sie die Herzen (und Geldbeutel) der Europäer zu erobern hoffen. Vergleichsweise konventionell ist die Strategie von Vinfast. Bei dem Unternehmen handelt es sich um den Automobil-Bereich eines breit aufgestellten Konglomerats, dessen Aktivitäten vom Gesundheitswesen über Stadtentwicklung bis zur KI reichen. Man kann das Unternehmen mit Fug und Recht als Startup betrachten, denn es wurde erst 2017 gegründet, stellte aber bereits ein Jahr später sein erstes Auto vor. Dieses Tempo behält Vinfast bei. „Wir waren der erste Autohersteller, der sich komplett aus dem Bau von Verbrennern verabschiedet hat,“ sagt Bui Kim Thuy, Stellvertretende Vorstandsvorsitzende des Unternehmens. Jetzt will Vinfast mit seinen Elektroautos im europäischen Markt Fuß fassen – und zwar gleich im Premium-Segment. In Nordamerika sind die Vietnamesen bereits recht aktiv; geplant ist eine Fertigung in North Carolina. Für die Elektronik hat Vinfast Partner wie ZF, Nvidia und Infineon gewonnen. Als Alleinstellungsmerkmal will Vinfast mit einer Kombination aus modernster Technik zu erschwinglichen Preisen und einer großzügigen Garantie glänzen: zehn Jahre oder 200.000 km – in der heutigen Automobillandschaft ein echtes Alleinstellungsmerkmal.

Ganz anders ist die Strategie des chinesischen EV-Herstellers NIO, der ebenfalls bald die europäischen Märkte erobern möchte. In seinem Heimatmarkt bietet NIO seinen Automobilkunden weit mehr als nur Fahrzeuge an. Stattdessen will sich NIO als Lebensgefühl etablieren, als Marke, die die Menschen verbindet. Dazu betreiben die Chinesen sogenannte NIO-Häuser – das sind Treffpunkte, wo sich die Kunden untereinander vernetzen und ihre Freizeit verbringen können. Die NIO-Häuser bieten Lounges, Cafés, ja sogar Bibliotheksräume. Auch sonst betont NIO das Miteinander seiner Kundschaft; hierfür gibt es eine App, mit der sich Kunden untereinander vernetzen können, die laut dem NIO-Mitglied Feng Shen mehr als 300.000 Nutzer aufweist.

Während die Überzeugungskraft dieses Konzepts für europäische Kunden eher unsicher sein dürfte, zeigt NIO auch im Bereich der Technik Innovationsfreude. Laut Feng Shen verfügt das Unternehmen über 6700 Patente mit Schwerpunkt auf der Elektromobilität. Die Fahrzeuge werden bereits von der dritten Generation seiner Traktionssysteme angetrieben, auch bei der Software läuft die dritte Generation. Mit einem technischen Alleinstellungsmerkmal könnte NIO auch bei Kunden in Europa punkten: Die Batterien sind austauschbar. Anstatt, wie konventionelle BEVs, stundenlang an der Ladesäule zu hängen, lassen sich die NIO-Batterien in vollautomatischen Wechselstationen binnen weniger Minuten gegen ein volles Exemplar austauschen. Die ersten Wechselstationen sind in Deutschland bereits in Betrieb.