Warum sind Deuterium und Tritium so wichtig für die Kernfusion? Und wie läuft die Gewinnung, welche Herausforderungen gibt es und wie sieht die Zukunft der Kernfusionsbrennstoffe. Hier die Antworten.(Bild: Patrick Helmholz – Adobe Stock)
Deuterium und Tritium sind die Treiber der Kernfusion, doch ihre Gewinnung und nachhaltige Versorgung sind komplexe Herausforderungen. Warum sind gerade diese Isotope so essenziell, und wie können zukünftige Fusionskraftwerke von ihnen profitieren?
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In der Einführung zur Kernfusion haben wir die grundlegenden Prozesse beschrieben, bei denen leichte Atomkerne verschmelzen und dabei Energie freisetzen. Doch wie jede andere Energiequelle benötigt auch die Fusion spezielle Brennstoffe. Deuterium und Tritium, beides Isotope (also Kerne mit mehr Neutronen) des Wasserstoffs, sind die beiden wichtigsten Elemente, die für diesen Prozess verwendet werden. Dieser Beitrag untersucht, warum gerade diese beiden Isotope so bedeutsam sind, wie sie gewonnen werden und welche Herausforderungen die Forschung noch meistern muss, um eine stabile und nachhaltige Versorgung zu gewährleisten.
Die Bedeutung von Deuterium und Tritium für die Kernfusion
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Deuterium und Tritium sind die Hauptbrennstoffe, die in der Fusionsforschung verwendet werden. Deuterium ist ein Wasserstoffisotop und kommt in großen Mengen im Meerwasser vor, was es leicht zugänglich und kostengünstig macht. Das radioaktive Tritium hingegen ist auf der Erde nur in sehr geringen Mengen verfügbar und muss daher auf andere Weise erzeugt werden. Derzeit wird Tritium in Kernspaltungsreaktoren als Nebenprodukt gewonnen, doch da diese Reaktoren in vielen Ländern nach und nach abgeschaltet werden, wird die Verfügbarkeit in Zukunft eingeschränkt sein.
Überblick über ausgewählte Fusionsreaktoren: Wo sie stehen, was sie machen und wie weit sie sind.
Das deutsche Start-up Proxima Fusion mit Sitz in Münchenentwickelt innovative Stellaratoren als Fusionskraftwerke. Mit rund 30 Mitarbeitern, KI-gestützten Designs und Hochtemperatursupraleitern will das Unternehmen bis 2031 einen energiepositiven Prototyp fertigstellen.(Bild: Proxima Fusion)
Proxima Fusion befindet sich aktuell in der Entwicklungsphase. Mithilfe von 27 Millionen Euro privater Investitionen und öffentlichen Mitteln wird der erste Prototyp vorangetrieben. Die Technologie basiert auf dem Wendelstein 7-X-Experiment in Greifswald, das bereits mehrere Rekorde in der Fusionsforschung aufgestellt hat. Der Einsatz von KI und Hochtemperatursupraleitern optimiert den Designprozess und beschleunigt die Realisierung.(Bild: Screenshot aus https://www.youtube.com/watch?v=ymu8PhsrIJY)
ITER ist ein internationaler Tokamak-Fusionsreaktor, der den Ansatz der magnetischen Einkapselung verfolgt. Der Reaktor befindet sich in Cadarache, Frankreich, und rund 2.000 Mitarbeiter aus verschiedenen Ländern sind am Projekt beteiligt.(Bild: ITER)
Der aktuelle Projektstatus von ITER sah eigentlich vor, dass der erste Plasma-Versuch im Jahr 2025 stattfinden soll. Allerdings wird sich der Plan aufgrund von Problemen mit Schweißnähten und Rissen in der Fusionskammer verzögern.(Bild: Iter)
Der – im Vergleich zu Iter deutlich kleinere – Stellarator Wendelstein 7-X nutzt einen innovativen Ansatz zur magnetischen Einkapselung und Stabilisierung von Plasmen. Er befindet sich in Greifswald, Deutschland, und wird von etwa 400 Mitarbeitern des Max-Planck-Instituts für Plasmaphysik betrieben.(Bild: MPI für Plasmaphysik, Anja Ullmann)
2018 gelang es Wendelstein 7-X, ein Plasma für 100 Sekunden stabil zu halten, was als Durchbruch für die Stellarator-Technologie gilt. Nach einer Wartungsphase nahm der Kernfusions-Reaktor im September 2024 den Versuchsbetrieb mit deutlichen Verbesserungen wieder auf. Im Februar 2023 erreichte Wendelstein 7-X dann einen neuen Rekord: Ein Energieumsatz von 1,3 Gigajoule wurde für 480 Sekunden (8 Minuten) aufrechterhalten.Dies übertraf den vorherigen Bestwert um das 17-fache. Die Wissenschaftler planen, den Energieumsatz in den kommenden Jahren auf 18 Gigajoule zu steigern und das Plasma für eine halbe Stunde stabil zu halten.(Bild: MPI für Plasmaphysik, Jan Michael Hosan)
Die National Ignition Facility (NIF) nutzt den Trägheitseinschluss-Ansatz mit Hochleistungslasern, um Brennstoffpellets zur Fusion zu komprimieren. Die Anlage steht in Livermore, Kalifornien, USA, und beschäftigt über 1.000 Mitarbeiter.(Bild: National Ignition Facility)
Im Bild: Die Targetkammer, in der 192 Laserstrahlen mehr als 2 Millionen Joule ultravioletter Energie auf ein winziges Brennstoffpellet lieferten, um am 5. Dezember 2022 eine Fusionszündung in der NIF zu erzeugen. Dabei wurde mehr Energie durch die Fusion erzeugt, als durch die Laser eingebracht wurde.(Bild: Lawrence Livermore National Laboratory)
Das Large Helical Device (LHD) ist ein Stellarator, der seit 1998 zur Erforschung der Plasmaphysik und Fusionsenergie dient. Der Reaktor befindet sich in Toki, Gifu, Japan, und etwa 300 Wissenschaftler und Ingenieure arbeiten daran.(Bild: National Institutes of Natural Sciences, National Institute for Fusion Science)
2023 konnte im Large Helical Device (LHD) in Japan erstmals die Kernfusion von Wasserstoff und Bor in einem Magneteinschluss-Plasma erfolgreich nachgewiesen werden, ein bedeutender Schritt in Richtung sauberer, nicht-radioaktiver Fusionskraftwerke. Durch das Einbringen von Borkörnchen ins Plasma und das Beschießen mit energiereichen Protonen gelang es, eine signifikante Menge an Heliumkernen zu erzeugen, was die Fusionsreaktion bestätigte. Die Forscher sehen in diesen Ergebnissen eine Basis für die Entwicklung sichererer und umweltfreundlicherer Fusionsreaktoren. TAE Technologies plant bis 2030, Prototypen für Reaktoren zu entwickeln, die auf diesem Konzept basieren und möglicherweise mehr Energie erzeugen, als sie verbrauchen.(Bild: National Institutes of Natural Sciences, National Institute for Fusion Science)
Der OMEGA-Laser, der zur Erforschung der Trägheitsfusion verwendet wird, steht in Rochester, New York, USA. Über 1.000 Mitarbeiter, darunter 450 Wissenschaftler und Ingenieure, arbeiten an diesem Projekt des Laboratory for Laser Energetics (LLE).(Bild: Laboratory for Laser Energetics)
Das OMEGA-Lasersystem der University of Rochester hat erfolgreich neue Fortschritte in der Trägheitsfusion erzielt und damit als potenzieller "Zündfunke" für größere Fusionsreaktionen gedient. Mit nur 28 Kilojoule Laserenergie wurden winzige Kapseln mit Deuterium und Tritium so komprimiert, dass ein Plasma entstand, das Fusionsreaktionen ermöglichte.(Bild: Laboratory for Laser Energetics)
Der Korea Superconducting Tokamak Advanced Research (KSTAR) verfolgt den supraleitenden Tokamak-Ansatz zur Untersuchung der Plasmaphysik und Fusionsenergie. Die Anlage befindet sich in Daejeon, Südkorea, und es sind rund 150 Wissenschaftler und Ingenieure beteiligt.(Bild: Von Michel Maccagnan -Eigenes Werk,CC BY-SA 3.0,Link)
Im Jahr 2020 gelang es KSTAR – „Koreas künstliche Sonne“ – , ein Plasma für 20 Sekunden bei über 100 Millionen Grad Celsius aufrechtzuerhalten, was als großer Meilenstein in der Plasmaphysik gilt. Ende März 2024 brannte das Plasma im Reaktor sogar für 48 Sekunden bei 100 Millionen Grad Celsius.)(Bild: Korea Institute of Fusion Energy (KFE))
Der Experimental Advanced Superconducting Tokamak (EAST) verwendet ebenfalls supraleitende Technologie, um Langzeit-Plasmaentladungen zu erforschen. Der Reaktor steht in Hefei, China, mit mehr als 200 Forschern und Technikern im Team.(Bild: Institute of Plasma Physics at Hefei Institutes of Physical Science, Chinese Academy of Sciences)
Im Mai 2023 erreichte EAST einen bedeutenden Durchbruch: Es gelang, ein Plasma für 403 Sekunden (etwa 6,7 Minuten) bei einer Temperatur von 120 Millionen °C aufrechtzuerhalten.. "Key issues for long-pulse high-βNoperation with theExperimental Advanced Superconducting Tokamak(EAST)". Nuclear Fusion 57 (5): 056021.DOI:10.1088/1741-4326/aa626c.ISSN0029-5515. Figure 5,CC BY 3.0,Link)(Bild: Modifiziert nach Xiang Gao, Yao Yang, Tao Zhang, Haiqing Liu, Guoqiang Li, Tingfeng Ming, Zixi Liu, Yumin Wang, Long Zeng, Xiang Han et al. - (2017-03-24). "Key issues for long-pulse high-βNoperation with theExperimental Advanced Superconducting Tokamak(EAST)". Nuclear Fusion 57 (5): 056021.DOI:10.1088/1741-4326/aa626c.ISSN0029-5515. Figure 5,CC BY 3.0,Link)
SMART (SMall Aspect Ratio Tokamak) ist ein neu entwickelter, kompakter Tokamak-Fusionsreaktor an der Universität Sevilla in Spanien.Entwickelt und betrieben wird er vom Plasma Science and Fusion Technology Laboratory unter der Leitung von Professor Manuel García Muñoz und Professorin Eleonora Viezzer. Mit einem geringen Aspektverhältnis und den Abmessungen von nur 1,6 × 1,6 Metern stellt SMART eine innovative Plattform für die Erforschung neuer Plasmageometrien dar, insbesondere der negativen Triangularität.(Bild: Universität Sevilla)
Im Januar 2025 gelang dem SMART-Tokamak erstmals die Erzeugung von Plasma, ein bedeutender Meilenstein in der Fusionsforschung. Durch den Einsatz negativer Triangularität testet der Reaktor ein neuartiges Design, das den Weg zu kleineren und effizienteren Fusionskraftwerken ebnen könnte. Die gewonnenen Daten aus den ersten Plasmatests werden mit Hochgeschwindigkeitskameras im sichtbaren Spektrum aufgezeichnet und analysiert, um die Stabilität und Leistungsfähigkeit des Plasmas zu bewerten.(Bild: https://iopscience.iop.org/article/10.1088/1741-4326/ad8a70)
Zap Energy ist ein in Everett, Washington, ansässiges Unternehmen, das an einer kostengünstigen und kompakten Fusionslösung arbeitet. Das Team um die Gründer Benj Conway, Brian A. Nelson und Uri Shumlak setzt auf die Sheared-Flow-Stabilized Z-Pinch-Technologie, die ohne supraleitende Magnete auskommt und eine wirtschaftlich tragfähige Fusion ermöglichen soll.(Bild: Zap Energy)
Der aktuelle Entwicklungsstand von Zap Energy sieht mit dem Century-Projekt die erste vollintegrierte Demonstration relevanter Fusionskraftwerk-Technologien vor. Während wichtige Meilensteine wie eine stabile Plasmaerzeugung und hohe Neutronenausbeuten erreicht wurden, stehen noch weitere Herausforderungen bevor, darunter die Skalierung der Technologie und die Entwicklung robuster Materialien für den Langzeitbetrieb.(Bild: Zap Energy)
Herausforderungen bei der Erzeugung von Tritium
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Um das Problem der Tritiumversorgung zu lösen, arbeiten Wissenschaftler daran, Tritium innerhalb der Reaktorwand aus Lithium zu erbrüten. Bei diesem Prozess werden Lithiumatome durch die Neutronenstrahlung der Fusionsreaktion in Tritium umgewandelt. Dieser Ansatz könnte helfen, den Brennstoffbedarf zukünftiger Fusionskraftwerke zu decken. Mehr über den Einsatz von Hochtechnologien wie dem Tokamak, die diesen Prozess unterstützen, lesen Sie hier hier.
So hat beispielsweise das Green-Energy-Unternehmen Gauss Fusion im Dezember 2024 eine Förderung in Höhe von 10 Millionen Euro vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gesichert. In Zusammenarbeit mit führenden Forschungseinrichtungen wie dem Forschungszentrum Jülich (FZJ) und dem Karlsruher Institut für Technologie (KIT) sowie Industriepartnern nutzt Gauss Fusion diese Mittel, um ein skalierbares Modell für die Tritiumerzeugung zu entwickeln. Ziel ist es, sowohl die Effizienz der Brennstoffnutzung als auch die Recyclingmöglichkeiten zu verbessern.
Wie Gauss Fusion einen modularen Ansatz für die Tritiumgewinnung verwendet
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Gauss Fusion verfolgt bei der Tritiumgewinnung einen modularen Ansatz: Tritium soll innerhalb der Reaktorwände erzeugt und in einem geschlossenen Brennstoffkreislauf recycelt werden. Dieser Ansatz ist flexibel und skalierbar, um auf verschiedene Kraftwerkskonzepte wie das geplante Gauss Giga-Kraftwerk angewendet zu werden. Durch präzise Diagnosen zur Tritiumbindung in den Reaktormaterialien werden Erkenntnisse über die Tritiummengen im Kreislauf gewonnen, die die Entwicklung neuer Technologien zur sicheren Produktion und Verwaltung vorantreiben.
Zusätzlich wird in Zusammenarbeit mit Kyoto Fusioneering ein fortschrittliches Tritium-Kontrollsystem in den Brennstoffkreislauf integriert, um höchste Sicherheits- und Regulierungsstandards zu erfüllen.
Stellarator-Gebäude für das Gauss Giga-Kraftwerk(Bild: Gauss Fusion)
Gauss Fusion wurde 2022 von RI Research Instruments, Alsymex, ASG Superconductors, Bruker und IDOM gegründet. Das sind europäische Firmen, die seit Jahren Technologien für Fusionsexperimente entwickeln und liefern. Gauss Fusion vereint die Erfahrung und Expertise der europäischen Fusionsindustrie mit der Exzellenz renommierter Forschungseinrichtungen wie dem CERN, dem Max-Planck-Institut für Plasmaphysik, dem KIT und der TU Eindhoven. Dieses Netzwerk ermöglicht es Gauss Fusion, innovative Technologien zu entwickeln und die Industrialisierung der Fusionsenergie in Europa maßgeblich voranzutreiben. Das Ziel: Führend bei der Kommerzialisierung von Fusionskraftwerken (FPP) als Innovator im Bereich der Fusion mit magnetischem Einschluss und als Architekt des ersten industrialisierten Kraftwerks der Gigawatt-Klasse (Gauss GIGA-Kraftwerk) bis 2045 werden.
Das Unternehmen ist Teil der neu gegründeten European Fusion Association (EFA), einer Initiative führender europäischer Unternehmen, die darauf abzielt, Europa eine unabhängige und nachhaltige Energiezukunft zu sichern. Mit dem Projekt „Fusion 2040“ und gezielten Investitionen von über 6 Milliarden Euro weltweit schreitet die Fusionstechnologie in großen Schritten Richtung Marktreife voran.
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Alternative Brennstoffe und zukünftige Entwicklungen
Einige Forscher und Unternehmen untersuchen auch alternative Brennstoffe wie Bor-11, die keine Neutronen freisetzen und die Belastung der Reaktorwände verringern könnten.
Auch Helium-3 gilt als vielversprechender alternativer Brennstoff für die Kernfusion und bietet einige potenzielle Vorteile gegenüber der herkömmlichen Deuterium-Tritium-Fusion. Einer der bedeutendsten Vorteile ist die saubere Reaktion: Bei der Fusion von Helium-3 entstehen hauptsächlich Protonen statt Neutronen. Dadurch wird die Radioaktivität im Reaktor deutlich reduziert, was wiederum die Materialbelastung verringert und die Langlebigkeit des Reaktors verbessert. Ein weiterer Vorteil ist die Möglichkeit der direkten Stromerzeugung. Die bei der Fusion freigesetzten geladenen Teilchen könnten direkt in elektrische Energie umgewandelt werden, ohne den Umweg über Dampf und Turbinen. Schließlich bietet Helium-3 eine hohe Energieausbeute, die in etwa vergleichbar mit der von Deuterium-Tritium-Fusion ist. Diese Eigenschaften machen Helium-3 zu einem interessanten Kandidaten für zukünftige Fusionsreaktoren, insbesondere in Hinblick auf Effizienz und Umweltfreundlichkeit.
Aus dem Schoß einer Lehrerfamilie entsprungen (Vater, Großvater, Bruder und Onkel), war es Martin Large schon immer ein Anliegen, Wissen an andere aufzubereiten und zu vermitteln. Ob in der Schule oder im (Biologie)-Studium, er versuchte immer, seine Mitmenschen mitzunehmen und ihr Leben angenehmer zu gestalten. Diese Leidenschaft kann er nun als Redakteur ausleben. Zudem kümmert er sich um die Themen SEO und alles was dazu gehört bei all-electronics.de.