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(Bild: Oppermann / TU Dresden)

Röntgeninspektionsverfahren haben eine hohe Bedeutung für das Packaging und die Elektronikfertigung. Die hier gezeigten Untersuchungsmöglichkeiten sind nach Einschätzung der Autoren keineswegs akademische Spielereien. Die Miniaturisierung und Komplexität der Bauelemente nimmt weiter zu. Um dieser rasanten Entwicklung in der Elektronik und Mikrosystemtechnik folgen zu können, müssen auch die Prüf- und Analyseverfahren immer wieder auf den Prüfstand gestellt werden. Somit steigen auch die Anforderungen an die Prüftechnik beispielsweise bei hochintegrierten Heterosystemen, wie sie uns zum Teil schon heute zur Verfügung stehen.

Röntgen-Computer-Tomographie eines Interposers mit eingefärbten Strukturen des Interposers.

Röntgen-Computer-Tomographie eines Interposers mit eingefärbten Strukturen des Interposers. Oppermann / TU Dresden

Oft kann ein Fehler elektrisch nur grob geortet und einem aktiven Bauelement zugeordnet werden. Die Detektion möglicher Fehler in der Kontaktierung zwischen Leiterplatte und Bauelement (sogenannter Second Level Interconnect) mit optischen Geräten und mittels Röntgentechnik sind Standard. Aber das Auffinden von Fehlern innerhalb der aktiven Bauelemente gestaltet sich sehr schwierig. Dort können Untersuchungen, wie die hier gezeigte, die Möglichkeiten und Grenzen der verfügbaren Analytik aufzeigen. Daraus lassen sich wiederum Notwendigkeiten für Neu- und Weiterentwicklungen auf dem Gebiet der Analytik ableiten, die dann gemeinsam von Forschungsinstituten und Herstellern von Inspektionstechnik angepackt werden.

Bereits in der productronic vom November 2013 haben die Autoren den damaligen Stand der zerstörungsfreien Röntgeninspektionstechnik am Beispiel verschiedener Generationen von USB-Sticks dargestellt. Dieser Artikel schließt daran an.

Grundlagen zur Röntgenuntersuchung

Unsere Vorstellungen darüber, was mit Röntgenuntersuchungen zu sehen ist, sind noch sehr stark von dem geprägt, was wir beim Arzt zu sehen bekommen. Biologische Proben und AVT-Proben sind jedoch ziemlich unterschiedlich in ihrem elementaren Aufbau: Biologische Proben bestehen überwiegend aus Elementen mit niedriger Ordnungszahl Z (Kernladungszahl) wie Wasserstoff 1H, Sauerstoff 8O, Kohlenstoff 6C, Stickstoff 7N, Phosphor 15P, Kalium19K, Calcium 20Ca,… In AVT-Proben sind dagegen meist Elemente aus allen Bereichen des Periodensystems enthalten, mit niedriger Ordnungszahl wie H, C, O, N, Aluminium 13Al und Silizium 14 Si aber auch mit recht hoher Ordnungszahl wie Silber 47Ag, Zinn 50Sn, Gold 79Au oder auch Blei 82Pb und Bismut 83Bi. Das Problem damit ist, dass Elemente mit niedriger Ordnungszahl recht gut durchstrahlbar sind, solche mit höherer Ordnungszahl jedoch nicht. Die Elemente der Probe mit hoher Ordnungszahl absorbieren also die Strahlung wesentlich stärker, sodass am Detektor unter Umständen nichts mehr ankommt.

Die Absorption der Röntgenstrahlung in der Probe hängt im Wesentlichen von vier Faktoren ab (Bild 1):

  • der Ordnungszahl (Kernladungszahl),
  • der Wellenlänge der Röntgenphotonen,
  • der Dichte der durchstrahlten Elemente und
  • der Dicke der durchstrahlten Elemente.

Mit steigender Ordnungszahl und Dichte der Elemente beziehungsweise der Dicke der Probe nimmt die Absorption der Strahlung zu. Mit steigender Wellenlänge des Röntgenlichts nimmt die Absorption ebenfalls zu, also je energieärmer die Strahlung ist, um so mehr nimmt die Absorption. Umgekehrt ausgedrückt heißt das: Mit steigender Strahlungsenergie (Leistung der Röntgenröhre) nimmt die Absorption ab.

Der Hintergrund dieser Abhängigkeit ist der lineare Schwächungskoeffizient µ, welcher sich aus dem Photoabsorptionskoeffizient τ, dem Streukoeffizient σ und dem Paarbildungskoeffizient κ zusammensetzt. Bild 2 zeigt diese Zusammenhänge, wobei die rote Linie im Diagramm die mittlere Photonenenergie der Röntgenröhren technischer Röntgengeräte angibt. Demzufolge hat der Photoabsorptionskoeffizient τ den größten Einfluss auf die Strahlungsabsorption und damit auf das Röntgenbild. In diesen Koeffizienten gehen die Ordnungszahl Z und die Wellenlänge l jeweils mit der dritten Potenz ein.

In der Praxis bedeutet das, dass wir nicht wie beim Arzt alle durchstrahlten Teile wie Knochen, Muskelgewebe oder auch Blutgefäße auf einem Röntgenbild sehen können, sondern uns meist entscheiden müssen, ob wir die Leiterplatte mit den Leiterzügen sehen wollen oder die Lötstellen mit ihrem Void-Gehalt.

Eine große Rolle bei der Darstellung der inneren Struktur von Bauelementen und Baugruppen spielen zusätzlich zu den Strahlparametern auch der Röntgendetektor und natürlich die Bildverarbeitungssoftware. Durch gezielte Auswahl bestimmter Bereiche im Grauwert-Histogramm des Röntgenbildes lassen sich bestimmte Details in dem angezeigten Bild hervorheben (Bild 3).

Ein weiterer, wichtiger Punkt ist die erreichbare Vergrößerung. Sie ergibt sich aus den geometrischen Verhältnissen in der konkreten Röntgenanlage. Die Anode in der Röntgenröhre emittiert die Röntgenstrahlung in Form eines Lichtkegels beim Auftreffen der Elektronen und projiziert so die innere Struktur der Probe auf den Detektor. Im Idealfall ist die Röntgenquelle ein mathematischer Punkt, also ohne Ausdehnung; in diesem Idealfall ergibt sich ein scharfes Röntgenbild der Probe. Real besitzt die Röntgenquelle aber eine Ausdehnung, die man als kreisförmige Deckfläche eines stumpfen Kegels annehmen darf. Dies führt zu Unschärfen im Röntgenbild, die umso größer sind, je größer diese Quell-Kreisfläche ist. Fokussiert man nun den Elektronenstrahl auf der Anode (Quell-Kreisfläche), dann wird diese Quell-Kreisfläche kleiner. Wie klein sie werden darf, das hängt von der zu durchstrahlenden Probe ab und der dafür erforderlichen Strahlungsintensität. Je kompakter der Prüfling ist und je höher die Ordnungszahlen der darin enthaltenen Elemente sind, umso höher muss die Strahlungsintensität sein. Und je höher diese Intensität sein muss, umso größer muss auch die Kreisfläche der abstrahlenden Quelle sein – und damit steigt die Unschärfe (Bild 4).

Röntgenverfahren in der AVT

Die hier genannten Grundlagen spielen für die Röntgenuntersuchung in der AVT eine wesentliche Rolle. Zu diesen Untersuchungen zählen die Röntgen-Radiografie (Senkrecht- und Schrägdurchstrahlung) und die Röntgen-Computertomografieverfahren (CT), zu denen auch die Laminografie und Tomosynthese zählen. Diese Untersuchungsverfahren zählen zu den Grobstrukturverfahren, denn sie erlauben keine Aussage über die Atomanordnung beziehungsweise über das Kristallgitter (Röntgen-Feinstrukturverfahren). Die beiden Bilder 5 und 6 zeigen das Prinzip der Radiografie und Beispielbilder einer Ball-Grid-Array-Inspektion in Senkrecht- und Schrägdurchstrahlung mit entsprechenden Fehlerhinweisen.

Die Königsdisziplin der Röntgendiagnostik stellen die CT-Verfahren dar. Sie liefern 3D-Volumenmodelle der untersuchten Strukturen und erlauben das Hineinlegen von virtuellen Schnitten in dieses Volumen. Allerdings ist eine CT auch sehr aufwändig:

  • Für starke Vergrößerungen muss der interessierende Bereich aus der Probe herauspräpariert werden.
  • Für eine hochaufgelöste CT sind 1.000 und mehr 2D-Bildererforderlich, während die Probe in der CT-Anlage eine 360°-Drehung macht; dies kann mehrere Stunden dauern.
  • Die CT-Anlage muss möglichst schwingungsarm aufgestellt sein, um hochaufgelöste CT-Aufnahmen möglich sind.
  • Für die Rekonstruktionsrechnung zur Erzeugung des 3D-Volumenmodells der Probe sind sehr leistungsfähige Rechner notwendig mit viel Speicherplatz. Eine Volumendatei kann schnell mehrere Gigabyte groß sein.
  • Die Auswertung der CT-Daten und die Fehlersuche benötigen auch entsprechend Zeit.
  • Das Prinzip der CT und einen Blick in die Messkammer einer realen Anlage zeigt orig8). Das Beispiel eines tomografierten USB-Sticks zeigt Bild 8.

Eine sehr praktische Frage ist nun, mit welchem Röntgenverfahren kann man welchen AVT-Fehler sicher detektieren. Das Bild 9 soll dazu eine erste Orientierung geben. Eine konkrete Antwort hängt jedoch immer vom konkreten Untersuchungsobjekt ab.

Untersuchung komplexer Bauelemente

Prozessoren, Sensoren und Speicher werden immer leistungsstärker. Hetero-Systeme nutzen auch die dritte Dimension. Die Autoren haben Beispiele dazu und zur Inspizierbarkeit mit modernen Röntgensystemen bereits in der Ausgabe vom November 2013 diskutiert. Als Untersuchungsobjekte dienten damals USB-Sticks verschiedener Speichergröße und damit auch verschiedener Komplexität. Interessantestes Beispiel war ein USB-Stick mit 32 Gigabyte Speichergröße. Das überraschendste Ergebnis war, dass die Metallisierungsstrukturen auf dem Controllerchip des USB-Sticks sehr gut erkennbar waren. Dadurch lassen sich die Drahtbondstellen auf dem Chip zerstörungsfrei bewerten. Bisher war das nicht möglich, weil der Si-Die aufgrund seiner niedrigen Ordnungszahl nicht sichtbar und der (sichtbare) Bonddraht quasi in der Luft hing. Das Bondpad auf dem Die war nicht sichtbar und die Bondstelle als Ganzes nicht bewertbar.

Weil die Röntgenabsorption eines chemischen Elementes mit seiner Ordnungszahl im Periodensystem steigt, weist die Sichtbarkeit der Metallisierung des Controller-Dies auf eine wesentlich höhere Ordnungszahl (Z) hin, als sie Silizium (Z =14) besitzt. Die übliche Verdrahtung auf Chipniveau wird in Aluminium (Z = 13) ausgeführt und ist daher in einem mit industrieller CT aufgenommen Absorptionsbild ebenfalls nicht sichtbar. Das CT-Bild stellt die Metallisierungsebenen jedoch deutlich dar, und daraus ergab sich die Schlussfolgerung, dass nur Kupfer (Cu: Z = 29) als Metallisierung in Betracht kommen konnte. Jedoch weckte die extrem kontrastreiche Darstellung der Metallisierungsstrukturen Zweifel über die Richtigkeit dieser Annahme. Am Institut untersuchte die Arbeitsgruppe die Metallisierung genauer, indem sie das Gehäuse des USB-Sticks öffnete und den eigentlichen Controller-Die freilegte.

Die anschließende EDX-Untersuchung der freigelegten Metallisierungsflächen im Rasterelektronenmikroskop zeigte satt Kupfer (29Cu), Aluminium (13Al), Titan (22Ti) und Wolfram (74W) als Elemente auf den untersuchten Flächen. Durch die hohe Absorption im Röntgenbild kann somit auf Wolfram-Leitbahnen geschlossen werden, die mit einer etwa 1 µm dicken Aluminiumschicht abgedeckt sind, damit sie gebonded werden können.

Warum der Chiphersteller Wolfram für die Metallisierungseben benutzt hat, wissen wir nicht. Möglicherweise hängt es mit dem auf dem IC (es handelt sich um den Schaltkreistyp SM3257) integrierten DC-DC-Wandler zur Versorgung unterschiedlicher NAND-Speicherbausteine zusammen.

Üblicher als Wolfram- sind Kupfer-Metallisierungen. Daraus folgt die Frage, ob auch diese Chip-Metallisierungen in einer CT sichtbar sind. Und wenn, ob sich damit Aussagen über die Verbindungsqualität treffen lassen, beispielsweise über die Drahtbondstellen bei solchen ICs. Um dies zu überprüfen, simulierte die Arbeitsgruppe einen IC mit Kupfermetallisierung durch folgenden Aufbau (Bild 10a/10b):

  • Nutzung eines realen BGAs mit Drahtbondverbindungen aus Gold als Träger
  • Montage eines Si-Interposers (Dicke 90 µm) mit Cu-TSVs (Durchmesser 25 µm) und Leitstrukturen (Dicke 1 µm) mittels zweiseitigem Klebeband.

Für die Röntgendiagnostik ist es prinzipiell unerheblich, an welcher Stelle des Aufbaus sich welche Strukturen befinden, solange der gesamte Aufbau durchstrahlt wird. Der Si-Interposer lässt sich daher auch auf der Oberfläche des als Träger dienenden BGAs montieren. Der Interposer ist eine Versuchsstruktur, welche das Fraunhofer-Institut für Zuverlässigkeit und Mikrointegration (Abteilung ASSID) entwickelt, produziert und für diese Untersuchungen zur Verfügung gestellt hat. Ein solcher Interposer soll bei zukünftigen Multichip-Modulen die Si-Chips stressarm miteinander in einem Package verbinden.

Die TU Dresden hat den gezeigten Aufbau tomografiert und setzte dafür ein Nanotom-s-Röntgengerät mit einem 12-Bit-Flächendetektor ein. Der Interposer ließ sich mit seinen Kupferstrukturen auch im Gesamtaufbau rekonstruieren, siehe die Bilder 11, 12 und 13.

Die GE Sensing & Inspection Technologies in Wunstorf hat den gleichen Aufbau mit einem Nanotom-m-Gerät mit einem gekühlten 14-Bit-Flächendetektor untersucht. Dabei konnten die Strukturen des Si-Interposers noch besser herausgearbeitet werden, was an der höheren Grauwertauflösung und dem wesentlich besseren Signal-Rauschabstand liegt. Die folgenden Bilder zeigen Details aus dieser CT (Bilder 14 bis 17).

Referenzen

Becker, Egon: Grobstrukturprüfung mittels Röntgenstrahlung und Gammastrahlung. Leipzig: VEB Deutscher Verlag für Grundstoffindustrie, 1983.

Dössel, Olaf: Bildgebende Verfahren in der Medizin – Von der Technik zur medizinischen Anwendung. Berlin Heidelberg New York: Springer Verlag, 2000.

Neubrand, T.; Oppermann, M.; Roth, H.; Zerna, T.; Weber, H.: Was steckt in meinem Stick? Gehäuse und Verbindungen durchleuchtet. productronic, Heft 11/2013, S. 104 – 107, Heidelberg: Verlag Hüthig GmbH, 2013.

Oppermann, M.: Zerstörungsfreie Analyse- und Prüfverfahren zur Detektion von Fehlern und Ausfällen in elektronischen Baugruppen. Templin: Verlag Dr. Markus A. Detert, 2014.

Petzold, W.; Krieger, H.: Strahlenphysik, Dosimetrie und Strahlenschutz, Band 2.Stuttgart: B. G. Teubner, 1989.

Dr.-Ing. habil. Martin Oppermann

Privatdozent, Technische Universität Dresden, Zentrum für mikrotechnische Produktion, Dresden

Tobias Neubrand

GE Sensing & Inspection Technologies, Wunstorf

(dw)

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