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(Bild: Wammes)

Eckdaten

Wie mit dem Display-Fingerabdruck zerstörungsfrei und günstig gemessen werden kann, ob ein elektronisches Flach-Display zur vorgegebenen Anwendung passt, beschreibt dieser Fachbeitrag.

Nicht nur Systementwickler stellen sich die Frage, ob sie bei einem Display mit Problemen im Echt-Betrieb der Anwendung rechnen müssen, oder ob sie gar zu vorsichtig sind und das gewählte Display für die vorgegebene Anwendung überspezifiziert und damit zu teuer wäre. Tatsächlich steht ein Testverfahren zur Verfügung. Der sogenannte Display-Fingerabdruck ist eine zerstörungsfreie Analyse und kann somit grenzenlos wiederholt werden. Er ist auch bei fertigen Systemen nach beliebiger Betriebszeit reproduzierbar, um eine sichere Dokumentation der Eigenschaften zu erstellen. Die Ergebnisse lassen sich einfach interpretieren, mit anderen Resultaten vergleichen, dokumentieren und austauschen. Der Entwickler muss sich lediglich darüber klar werden, welche Informationen er in welcher Art benötigt und von wo er sie bekommt. Bei Displays führt normalerweise der erste Weg über eine Spezifikation.

Spezifikation

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Bild 1: Optische Charakteristika einer Displayspezifikation. Zu sehen ist beispielsweise nur, dass die optischen Eigenschaften für den Idealfall genau bei fünf Punkten definiert sind und zusätzlich über viele Fußnoten (1 bis 4) weiter eingeschränkt werden. Wammes

Eine Spezifikation stellt detaillierte Charakteristiken und Daten unterschiedlicher Typen von Embedded-Systemen sowie Displays mit und ohne Touch-Funktion zur Verfügung. Sie ist umso effektiver, je genauer und vollständiger die Angaben sind. Zu ihnen zählen beispielsweise mechanische Informationen, Toleranzen, physikalische Maximalwerte, Schnittstellen/Anschlüsse, Beziehungen zwischen Farbspektrum und Eingangsdatensignal oder Versorgungsspannungssequenzen. Jedoch sind solche Angaben oft genug mehrdeutig, nicht aktuell, unvollständig oder schlichtweg untauglich. In manchen Fällen korrespondieren sie nicht einmal wirklich mit dem vorliegenden Display.

Bild 1 zeigt optische Charakteristika einer Displayspezifikation. Zu sehen ist beispielsweise nur, dass der Kontrast im Idealfall genau bei fünf Punkten definiert ist. So beträgt der Kontrast gemessen am Mittelpunkt aus der Senkrechten typisch 600. Gemessen oben (+Y) beziehungsweise zwölf Uhr bei einer typischen 45-Grad-Neigung von der Senkrechten Richtung +Y beträgt er mindestens 10. Analoges gilt für unten (-Y) beziehungsweise sechs Uhr bei typischer 55-Grad-Neigung von der Senkrechten Richtung -Y. Auch für die Messungen unten (+X sowie -X) bei typischer 70-Grad-Neigung von der Senkrechten Richtung +X respektive -X beträgt der Kontrast ebenfalls mindestens 10. Hier gilt sogar für alle Angaben jeweils eine erlaubte Abweichung von nur ±0 Grad. Sie erinnern damit stark an aufgehübschte Abgaswerte diverser Autos, da alle Messungen nur in Laborkonstellation gelten.

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Bild 2: Beispiel eines Polar-Diagramms, das Daten zum Kontrastverlauf beinhaltet. Wammes

Demnach ist dem Display-Entwickler nicht unmittelbar klar, welche Angaben er wirklich hat, ob diese ausreichen und wie es um deren Qualität bestellt ist. Manche Display-Hersteller geben daher etwas mehr Daten an. Zum Beispiel in Form eines Polar-Diagramms, das Daten zum Kontrastverlauf beinhaltet (Bild 2). Der Kontrast kann zwischen den in der Spezifikation angegebenen Blickwinkeln völlig anders verteilt sein, als Beispiele sind hier mehrere Diagramme abgebildet. Das macht es nicht einfacher für den Entwickler (Bild 3). Oft sind solche Polar-Diagramme jedoch nicht angegeben. Zusätzlich benötigt der Entwickler aber auch Daten von der künftigen Anwendung, denn diese soll mit dem ausgewählten Display möglichst lange reibungslos funktionieren. Daher ist es für den Entwickler nötig, Daten wie sie beispielsweise in Bild 4 dargestellt sind, zu beschaffen und zu bewerten. Solche Anwendungsprofile kann es nur vom Anwender beziehungsweise seinem Kunden geben. Ohne diese wird es schwierig bis unmöglich, das passende Display auszuwählen.

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Bild 3: Beispiele mehrerer Diagramme: Der Kontrast kann zwischen den in der Spezifikation angegebenen Blickwinkeln völlig anders verteilt sein. Wammes

Liegt das Nutzungsprofil vor, gilt es herauszufinden, ob und wie gut das beziehungsweise die ausgewählten Displays auf dieses Anwendungsprofil passen. Nicht nur theoretisch passen, sondern auch tatsächlich. Mit den Daten aus dem Display-Fingerabdruck, die aus der echten Ist-Situation stammen, lässt sich jetzt das geforderte Nutzungsprofil abgleichen und bewerten.

Echte Bewertung noch nicht möglich

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Bild 4: Wichtige anwendungsbezogene Daten. Wammes

Die Erkenntnis, die sich daraus ergibt, lautet, dass ohne weitere Informationen eine echte Bewertung noch nicht möglich ist. In den meisten Fällen hilft dann nur eine selbst durchgeführte Messung, die Kooperation mit einem Dienstleister beziehungsweise ein Blick in eine – zum Beispiel die eigene – Datenbank, ob eventuell schon ein passender Fingerabdruck für das anvisierte Display aus einer vorherigen Nutzung hinterlegt ist. Dadurch ist auf jeden Fall gewährleistet, dass sich die Angaben auch tatsächlich auf das jeweilige Display beziehen. Gleichzeitig gilt: Wenn ein Messaufbau schon gemacht werden soll, kann der Entwickler parallel dazu die gesammelten Daten detaillierter und aussagekräftiger gemäß den eigenen Schwerpunkten auswerten. Auf diese Weise lassen sich viele wichtige Informationen über die Anwendung kategorisieren. Erst dann können Systementwickler unkompliziert feststellen, welcher respektive welche Parameter entscheidend sind. Diese Anforderungen müssen sich mit dem ausgewählten Display oder zumindest im Zusammenspiel mit dem gesamten System in der vorgegebenen Anwendung abdecken lassen. Das gilt auch für Gehäuse und die Gehäusemechanik, Verkabelung, Massekonzept, weitere Subsysteme und Baugruppen samt benötigter Firm- und Software.

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Eine völlig unfehlbare Methode wird es sicherlich auch hier nicht geben. Jedoch haben eigene Messungen neben echten, detaillierten Werten für alle Winkel und Positionen zahlreiche weitere Vorteile. So sind sie beispielsweise schnell. Mit den richtigen Geräten samt Vorbereitung und Auswertung sind bereits in einigen Stunden erste, belastbare und reproduzierbare Daten verfügbar. Ist der Entwickler respektive der Dienstleister erfahren, kann die Dauer weiter verkürzt werden. Ein weiterer Vorteil besteht darin, dass sowohl das nackte Panel als auch das gesamte System in Abhängigkeit von der tatsächlichen Baugröße zerstörungsfrei und ohne Demontage gemessen werden kann. Außerdem sind sie günstig, da wenig Zeit und Aufwand geringere Kosten bedeuten und die Messung infolge der geringen Vorarbeit häufiger angewendet werden kann. Prinzipbedingt sind sie einfach reproduzierbar. Viele Prüflinge einer Serie können einfach überprüft und auf Einzelfehler getestet werden. Wenn nötig, ist es auch möglich, Messungen unter reell erwartbaren Rahmenbedingungen wie zum Beispiel Umgebungslicht oder Temperatur zu prüfen.

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Bild 5: Werden die gesammelten Messwerte in einem Farbdreieck dargestellt, ergibt das den Display-Fingerabdruck. Wammes

Diese Display-Fingerabdrücke zeigen somit technisch eine Sammlung von möglichst vielen Messpunkten aus allen zu erwartenden Blickwinkeln, sortiert nach den Messergebnissen für die Wiedergabe von jeweils Rot, Grün und Blau sowie Weiß als Resultierende. Es gibt unterschiedliche Messgeräte, die solche Daten messen und entsprechend auswerten können. Voraussetzung ist, dass sie blickwinkelaufgelöste Daten generieren können. Dazu zählen beispielsweise conoskopische sowie goniometrische Verfahren oder Leuchtdichtekameras mit entsprechender Optik. Wichtig ist auch die jeweils entsprechende Software. Diese ist üblicherweise bereits in der normalen Ausführung in der Lage, solche oder vergleichbare Auswertungen zu erstellen.

Farbdreiecke

Natürlich gilt, dass jede beliebige Darstellung genutzt werden kann. Werden die gesammelten Messwerte aber in einem Farbdreieck gemäß CIE 1931 dargestellt, ergibt das dann den Display-Fingerabdruck (Bild 5). Dort können sie nicht nur direkt ausgewertet werden. Da bei diesem Messverfahren die Messergebnisse für die jeweiligen Farben über alle Blickwinkel gesammelt und in der zugehörigen Farbe dargestellt werden, ergibt sich zudem meist eine „Wolke“ von Daten aus allen Blickwinkelergebnissen für die jeweilige Farbe. Das Beispiel-Diagramm zeigt damit zunächst, dass die Anzahl der darstellbaren Farben (color gamut) bei dem vorliegend gemessenen Display bei unterschiedlichen Blickwinkeln sehr unterschiedlich ausfällt. Der größte Gamut, der sich bei dem vermessenen Display nicht über unterschiedliche Blickwinkel verändert, kann somit im nächsten Schritt über das Dreieck, das sich zwischen den innersten Farbpunkten von jeweils Rot, Grün und Blau aufspannen lässt, geometrisch ausgewertet werden. Vergleichbares gilt für den theoretisch bestmöglichen Gamut. Zwar gilt dieser tatsächlich nur theoretisch, kommt bei dieser Messung jedoch dem Zahlenwert der Hersteller-Display-Spezifikation wahrscheinlich am nächsten (Bild 6). Zudem können Systementwickler direkt auf einen Blick erkennen, ob bei einigen Betrachtungswinkeln gegebenenfalls sogar Farbinversionen entstehen. In diesem Fall würde die dargestellte Farbe kippen, wodurch deren Komplementärfarbe dargestellt werden würde (Bild 7). Das ist einfach zu erkennen, wenn sich Messpunkte einer Farbe auf der jeweils anderen Seite des Weißpunktes befinden.

Keine wirklich gesättigten Farben

Bild 6: Der theoretisch bestmögliche Gamut.

Bild 6: Der theoretisch bestmögliche Gamut.Wammes

Zusätzlich lässt sich ebenfalls sehr einfach erkennen, dass selbst theoretisch im besten Falle bei dem hier gemessenen Display keine wirklich

gesättigten Farben dargestellt werden können (Bild 8). Ansonsten müssten sich die jeweiligen Messpunkte stärker und näher in den Bereichen der Grundfarben konzentrieren. Mit etwas Übung können Systementwickler sogar noch wesentlich mehr aus den Diagrammen ableiten. So zum Beispiel Aussagen zu den eingesetzten Farbfiltern, den verwendeten Polfiltern oder Art und Eignung der verwendeten Kompensationsfilme (Retarder) und vieles mehr. Bild 9 zeigt einen kleinen Überblick von Ergebnissen verschiedener Displays. Dabei zeigt das beste Display die „kleinsten Wolken mit größtem Abstand“. Im Idealfall mit nur jeweils einem Punkt für Rot, Grün und Blau, der sich möglichst in den Ecken der Primärfarben befindet. Das Messergebnis im linken oberen Diagramm von Bild 9 beweist, dass dies tatsächlich auch möglich ist. Im Übrigen handelt es sich bei all den hier gezeigten Messwerten ausschließlich um Color-TFTs. Ohne Display-Fingerabdruck beziehungsweise bei herkömmlicher Dokumentation hätte allen mit hoher Wahrscheinlichkeit die gleiche Spezifikation zugeordnet werden können.

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Bild 8: Wirklich gesättigte Farben können nicht dargestellt werden. Wammes

Wenn solche Messungen häufiger, über längere Zeiträume oder für mehrere gleiche respektive gleichartige Displays und Embedded-Systeme durchgeführt werden, lässt sich zerstörungsfrei und aufwandsarm beispielweise sehr einfach nachweisen und dokumentieren, wie sich die Qualität und Eigenschaften über die Nutzungszeit verändern. Zudem können Qualitätsbeauftragte erkennen, welche Qualitätsschwankungen bei unterschiedlichen Lieferlosen auftreten oder ob sogenannte „Second-source“-Produkte mit vermeintlich gleicher Spezifikation auch tatsächlich gleich sind. Mit diesem Ausschnitt an Anwendungsmöglichkeiten des Display-Fingerabdrucks lässt sich nur

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Bild 9: Kleiner Überblick von Ergebnissen verschiedener Displays. Wammes

anreißen, welche Kosteneinsparungen und Risiko-Minimierungen damit tatsächlich möglich sind.

Klaus Wammes

(Bild: ari (Michael Reichel)

Geschäftsführer Wammes & Partner

(ah)

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