Überwachen ohne Batterie oder Sensor

Grüne Elektronik: Smarte Etikette schützt empfindliche Güter

Empa, EPFL und CSEM haben eine smarte, komplett bioabbaubare Sensoretikette entwickelt, die Temperatur und Luftfeuchtigkeit in Echtzeit misst. Damit lassen sich in Zukunft empfindliche Lieferungen wie Medikamente oder Lebensmittel überwachen.

hand in blauem latexhandschuh hält sensoretikette
Unauffällig: Die bioabbaubare Etikette ist so dünn wie ein Blatt Papier. Dennoch kann sie die Temperatur und die relative Luftfeuchtigkeit messen.

Täglich umkreisen Unmengen von Gütern den Globus, darunter auch besonders empfindliche Lieferungen wie Impfstoffe, Medikamente und Lebensmittel. Damit diese Produkte sicher am Zielort ankommen, müssen sie während der gesamten Lieferkette in einem bestimmten Temperatur- und Feuchtigkeitsbereich bleiben. Aber wie soll das gehen? Denn es ist kostspielig und nicht nachhaltig, jede einzelne Liefereinheit mit Silicium-basierenden Sensoren und Chips auszustatten. Und Messungen an Knotenpunkten in der Lieferkette sagen nichts darüber aus, was der empfindlichen Sendung auf dem Weg dorthin bereits widerfahren ist.

Dieser Herausforderung haben sich Forschende der Empa, der EPFL und des CSEM in einem vierjährigen Projekt namens Greenspack gestellt. Gemeinsam haben sie eine smarte Etikette entwickelt, die die Temperatur und die relative Luftfeuchtigkeit misst und sich daran „erinnert“, wenn eine bestimmte Temperaturschwelle überschritten wurde. Dabei ist der kleine Aufkleber nicht nur Silicium-frei, sondern auch vollständig biologisch abbaubar. Das Projekt ist vom Schweizerischen Nationalfonds (SNF) und der Innosuisse im Rahmen des Programms Bridge Discovery gefördert. Die Ergebnisse haben die Forschenden im Fachjournal „Nature Communications“ veröffentlicht.

Leiterbahnen mit Gedächtnis

Die smarte Etikette braucht weder eine Batterie noch einen Sender, sondern funktioniert ähnlich wie ein RFID-Chip. Enthalten sind gedruckte Bahnen aus leitenden Materialien, die Stromkreise mit ohmschen und kapazitiven Elementen bilden. Werden diese Stromkreise einem elektromagnetischen Feld ausgesetzt, beispielsweise durch einen Etikettenleser, entsteht eine Resonanz, die der Leser entziffern kann. Das Raffinierte daran: Je nach Umgebungstemperatur oder Luftfeuchtigkeit verändern sich die Leitfähigkeit und die Kapazität der einzelnen Stromkreise und somit auch deren Resonanz. Diese Änderung gibt Auskunft über die aktuelle Temperatur und Feuchtigkeit – ganz ohne komplizierte Messtechnik.

Doch damit nicht genug – die Forschenden wollten der Etikette auch eine Art Gedächtnis verleihen. Wird die Temperatur von 25° überschritten, schmilzt ein winziges Element in einer der Leiterbahnen, was den Stromkreis irreparabel unterbricht. Beim nächsten Ablesen zeigt die Etikette an: Diese Sendung war einmal zu warm. Bei Impfstoffen beispielsweise könnte das dazu führen, dass die Lieferung nicht mehr verwendet werden darf, oder das Mindesthaltbarkeitsdatum ungültig ist.

Die Technologie entlastet die Lieferkette und reduziert deren CO2-Fußabdruck: Potenziell beschädigte Waren lassen sich so früher erkennen und müssen nicht weitergeschickt werden. Lieferungen, die durch die Temperatureinwirkung lediglich weniger lang haltbar sind, können etwa an einen näheren Einsatzort umgeleitet werden. Je nach verwendeten Materialien lässt sich die Temperaturschwelle auch anders setzen. Denkbar wären zum Beispiel Etiketten für tiefgefrorene Güter.

Biologisch abbaubar und nachhaltig

Die Vision der Forschenden ist, die komplett biologisch abbaubare Etikette am Zielort zu kompostieren oder dem Kartonrecycling zuzuführen. Für das Substrat haben die Empa-Forschenden eigens ein Material entwickelt, das aus einem Biopolymer sowie aus Cellulose-Fasern besteht. Um die Leiterbahnen zu drucken, haben Empa und EPFL eine Tinte entwickelt, die das biologisch resorbierbare Metall Zink enthält. Forschende des CSEM arbeiteten unterdessen am Aufbau der Etikette sowie an der Auslesetechnologie.

Die Arbeit mit biologisch abbaubaren Materialien ist immer eine Herausforderung – denn sie sollen sich natürlich erst dann zersetzen, wenn die Arbeit getan ist. Außerdem mussten die einzelnen Komponenten der Etikette nur sehr selektiv auf die Umgebungsbedingungen reagieren. So soll etwa der Temperatursensor nicht auf Feuchtigkeit ansprechen und umgekehrt. Diese Probleme konnten die Projektpartnern gemeinsam lösen. Zwei EPFL-Forschende sind nun daran, die Erkenntnisse aus Greenspack mit einem Start-up namens Circelec zu kommerzialisieren. Die Empa-Forschenden wollen künftig noch tiefer in das Gebiet der grünen Elektronik eintauchen und das Potenzial der smarten Etiketten als Sensoren in der Landwirtschaft und der Umweltbeobachtung erkunden.