Elektro- oder Hybridfahrzeuge, die über das Hausnetz aufgeladen werden, benötigen eine Ladestation, wie man sie beispielswiese von ortsfesten Elektro-Ladestationen von Parkplätzen kennt. Viele Fahrzeughersteller liefern zusätzlich spezielle Ladekabel zum Einstecken des Fahrzeugs in die Haussteckdose. In diese Ladekabel ist häufig eine kleine In-Kabel-Kontrollbox (englisch: ICCB In-Cable Control Box) integriert.
Die ICCB übernimmt die Sicherheits- und Kontrollfunktionen, welche sonst in der ortsfesten Ladestation integriert sind. Die Norm IEC 61851-1 definiert verschiedene Lademodi für Elektrofahrzeuge. Die Kommunikation zwischen Ladegerät und Fahrzeug (definiert in der Norm SAE J1772) erfolgt durch einen speziellen Pilotkontakt, über den durch Widerstandskodierungen und Pulsweitenmodulation mitgeteilt wird, ob das Fahrzeug angeschlossen ist und wie viel Ladestrom bereitgestellt werden kann.
Ebenfalls beinhaltet die ICCB einen allstromsensitiven Fehlerstromschutzschalter TYP B, um vor Stromunfällen im Fehlerfall – sowohl von AC- als auch von DC-Seite – zu schützen. Weitere Komfortfunktionen, wie die mögliche Kommunikation zu Smart-Home-Anwendungen und Funkschnittstellen zur Abrechnung der geladenen Energie an öffentlichen Steckdosen, sind denkbar. Über Displays, die in die ICCB integriert sind, kann der Nutzer mit dem System interagieren und den Ladezustand ablesen. Eine solche In-Kabel-Kontrollbox stellt mehrere kombinierte Anforderungen an den Funktionstest in der Produktion.
Die richtige Teststrategie
Funktionell gesehen lässt sich eine ICCB in zwei Teile trennen: Erstens die Baugruppe für die Bedien- und Kommunikationselektronik und zweitens diejenige für den Leistungsteil, der die Relais des FI-Schutzes beinhaltet. Um keine fehlerhaften Baugruppen miteinander zu kombinieren, ist es sinnvoll, mit einem getrennten Funktionstest für beide Baugruppen zu starten. Dadurch ist es möglich, fehlerhafte Baugruppen an Reparaturstationen nachzuarbeiten oder auszusortieren, wodurch sich die Ausbeute beziehungsweise der First-Pass-Yield des Endproduktes in der Produktion sehr erhöht.
Nachdem die elektrischen Komponenten in das Gehäuse eingebaut sind, wird die Baugruppe einem Isolationstest mit Hochspannung unterzogen. Dabei wird auch die Auslöseschwelle des AC/DC-FI-Schutzes verifiziert. Der reale Betriebsfall unter Leistung wird an einem Quelle-Senke-System mit Simulation der Fahrzeugkommunikation getestet. Durch den Einsatz dieses Quelle-Senke-Systems können ein- bis dreiphasige Betriebszustände bei > 30 KW und gegebenenfalls unterschiedlichen Netzfrequenzen geprüft werden. Zum Schluss wird die gesamte Funktionalität des Produkts nochmals am EOL getestet.
Der Linienleitrechner teilt allen Prüfsystemen wesentliche Informationen wie aktuellen Produkttyp und Seriennummer mit, um den zugehörigen Testablauf mit entsprechenden Testparametern auszuführen. So können auch Prozesse gegenseitig verriegelt werden. Wird beispielsweise ein Prüfling „fail“ getestet, wird auf diese Weise sichergestellt, dass er nicht weiterverarbeitet werden kann. Die Prüfdaten werden zusammen mit den Produkteigenschaften in einer speziellen relationalen Datenbank gespeichert, was eine vollständige Traceability sowie statistische Auswertungen ermöglicht.
Beschreibung der Steuerelektronik im ICCB
Eine ICCB besteht üblicherweise aus einem Leistungsteil mit Leistungsrelais zur Abschaltung im Fehlerfall und einer Baugruppe mit Steuerelektronik. In vielen Fällen beinhaltet die Steuerelektronik die Überwachung des Ladevorgangs, die Kommunikation mit der Infrastruktur der Energieversorgung, mit dem Fahrzeug beziehungsweise dem Batteriemanagementsystems des Fahrzeugs sowie diverse Komfortfunktionen wie etwa die Abrechnung des Ladevorgangs zum Endkunden. Ebenfalls übernimmt die Steuerelektronik die Interaktion mit dem Bediener über zum Beispiel eine Anzeige und Bedienelemente an der ICCB selbst.
Funktionaler Test der Steuerelektronik
Eine Steuerbaugruppe mit Touch-Display einer modernen ICCB kann mehrere zu testende Eigenschaften beinhalten: Einfache Baugruppeneigenschaften wie unterschiedliche DC-Versorgungsspannungen für die Elektronik (zum Beispiel 3,3 V und 5 V) sowie analoge und digitale Ein- und Ausgänge werden normalerweise durch Prüfnadeln auf Testpunkten in einem Nadelbettadapter kontaktiert und mit klassischen Komponenten in Funktionstestsystemen geprüft.
Der pixelgenaue Test der Displaybaugruppe jedoch erfolgt mit einem Kamerasystem, das spezielle Testbilder erkennt und auswertet. Dabei muss auf entsprechende Abschirmung von Fremdlicht und auf Reflexionen geachtet werden. Um die Touch-Displays zu testen, werden diese durch pneumatisch betätigte Fingernachbildungen betätigt. Die in Baugruppen zunehmend verbreiteten Funkschnittstellen wie etwa WLAN und Bluetooth erfordern in einer industriellen Fertigungsumgebung eine HF-geschirmte Testzelle mit Koppelantenne. Dafür eignen sich HF-geschirmte Prüfschubladen, die im unteren Bereich eine Prüfaufnahme mit Nadeln und im oberen Bereich die Kamera mit Touchfinger-Mechanik sowie die Koppelantennen beinhalten können.
Elektrischer Sicherheitstest
Nachdem alle Baugruppen ins Gehäuse eingebaut und dieses verschlossen wurde, erfolgt nun im endgültigen Zustand ein elektrischer Sicherheits- und Leistungstest. Für diesen Hi-Pot genannten Test wird das System mit Hochspannung > 2 kV beaufschlagt und der Leckstrom überwacht. Beim nächsten essenziellen Teil des Sicherheitstests wird der Isolationswiderstand gemessen, um eventuell vorhandene, latente Fehler in der Isolation zu entdecken. Der allstromsensitive Fehlerstromschutzschalter (RCD, Typ B) wird durch schrittweises Erhöhen des Fehlerstroms am Leistungsteil der Baugruppe verifiziert.
Da die Leistungsbaugruppe mit Netz- und Fahrzeugseite jeweils L1-L3, N, PE und einen Signalkontakt beinhaltet, wird eine entsprechend flexible, hochspannungstaugliche Umschaltung für die hohe Anzahl an Messpunkten benötigt. Ebenfalls wird für den Schutz des Bedienpersonals vor den hohen Spannungen ein zwangsläufiger Schutz gemäß EN50191 benötigt. Dieser lässt sich beispielsweise mit einem Tunnel mit Sicherheitsschotts am Ein- und Ausgang realisieren.
Leistungstest für die Praxistauglichkeit
Um die ICCB unter möglichst realen Bedingungen unter Last zu testen, wird eine einstellbare dreiphasige Leistungsquelle eingesetzt. Je nach Konfiguration können Testszenarien vom 1~ bis hin zum 3~ Betrieb unter anderen Netzfrequenzen geprüft werden. Da ICCBs im 3~ Betrieb auch für hohe Ladeleistungen > 30 kW ausgelegt sein können, wird ein Lastsystem mit Energierückspeisung in das Energieversorgungsnetz eingesetzt. Das vermeidet aufwändige Kühlungssysteme mit Wasserkühlung und Wärmetauschern in der Produktionsumgebung. Strombegrenzungen und aktive Überwachung der Quellen-Senke-Systeme schließen kritische Betriebszustände aus. Die Fahrzeugkommunikation via PWM und Widerstandskodierung kann im Leistungstest ebenfalls vom Testsystem übernommen werden, um die unterschiedlichen Betriebszustände der ICCB zu verifizieren.
Am Ende der Produktionslinie wird nochmals die Funktionalität der kompletten Baugruppe getestet, um Defekte in der Produktionsumgebung auszuschließen. Jetzt wird auch die finale, kundenspezifische Firmware auf die Baugruppe geladen und erneut Display, Statusanzeigen und Touchfunktionen geprüft.
Steuerungs- und Bediensoftware für die Prüfsysteme
Die Prüf- und Testsequenzen werden mit Hilfe kommerziell verfügbarer Testsequenzern von etablierten Instrumentenherstellern erstellt und ausgeführt. So lassen sich vorhandene Testschrittbibliotheken zur Ansteuerung der Messinstrumente und zur Fahrzeugkommunikation wiederverwenden. Die Anbindung an die Linienleitrechner und die Kapselung zur Bedienoberfläche des Fertigungspersonals wurde mit LXinstruments TSCOE realisiert. Diese Softwareoberfläche erweitert die Funktionen der Testsequenzer um Eigenschaften für den operativen Einsatz im Produktionsumfeld. Durch projektspezifische Plugins ist es möglich, TSCOE flexibel auf unterschiedliche Kundenbedürfnisse, wie etwa eine Bedienoberfläche in Landessprache, anzupassen.
Damit der Kunde die Prüfergebnisse optimal nutzen und auswerten kann, speichert die Software alle Daten in einer relationalen Datenbank. Das macht Einzelreports, Fähigkeitsanalysen und Trendcharts im Handumdrehen möglich.
Funktiostest- und Sicherheitstest für effizientes Energiemanagement
LXinstruments hat jahrelange Erfahrung im Bereich von elektrischen Funktions- und Sicherheitstests. Durch diverse Projekte im Themenfeld des Energiemanagements an Satelliten existiert das notwendige Know-how für große elektrische Ströme und Leistungen. Ergänzt durch eigene Softwarelösungen und Partner für die mechanische Kontaktierung bietet LXinstruments komplette Turn-Key Solutions für den Test von Produkten aus dem Emobility Bereich an.
Bernhard Altvater
Christian Korreng
(mrc)