Two red trucks on highway at sunset

Two red trucks on highway at sunset (Bild: Infineon)

Die Daten des Kraftfahrt-Bundesamtes (KBA) zeichnen ein sehr deutliches Bild: 2017 haben die Deutschen mit privaten PKWs eine Strecke von 630 Milliarden Kilometern zurückgelegt, was einer Laufleistung eines privaten PKWs von etwa 14.000 Kilometern im Jahr entspricht. Eine ähnliche Laufleistung von 19.300 km/Jahr erreichen Transporter unter 3,5 Tonnen – und auch die größeren Lieferfahrzeuge mit 3,5 bis sechs Tonnen liegen mit knapp 18.000 km/Jahr auf vergleichbarem Niveau.

Bild 1: Aufteilung gefahrener Kilometer auf Fahrzeugklassen laut KBA. Nutzfahrzeuge wie LKWs und Busse legen nur 10 Prozent der Strecke von PKWs zurück.

Bild 1: Aufteilung gefahrener Kilometer auf Fahrzeugklassen laut KBA. Nutzfahrzeuge wie LKWs und Busse legen nur zehn Prozent der Strecke von PKWs zurück. Kraftfahrt Bundesamt

Das Bild ändert sich allerdings, wenn die bewegten Massen steigen. So überschreitet die Laufleistung von LKWs über sechs Tonnen bereits die Marke von 37.000 km, die von Omnibussen liegt sogar über 57.000 km. Sattelzugmaschinen belegen mit beinahe 97.000 km den Spitzenplatz und legen somit – im Mittel – etwa 380 km am Tag zurück. Die Statistik des KBA in Bild 1 weist auch darauf hin, dass Zugmaschinen, LKWs und Busse „nur“ zehn Prozent der Strecke zurücklegen, die von PKWs absolviert wird.

Trotzdem ist der im Vergleich zum PKW höhere Treibstoffbedarf dieser Fahrzeuge der Grund dafür, dass diese Klasse für einen Großteil des Verbrauchs fossiler Treibstoffe steht. Der bei weitem größte Unterschied zwischen privatem PKW und größeren Fahrzeugen zeigt sich in der erwarteten Lebensdauer. Während ein PKW bei einer Nutzung von über zehn Jahren auf 4000 Betriebsstunden kommt, erreicht ein im Schichtdienst eingesetzter Bus oder LKW nach 15 bis 20 Jahren 100.000 Betriebsstunden – eine große Herausforderung, wenn der Antrieb elektrisch sein soll.

Lastprofil als Herausforderung

Bild 2: Schichtaufbau bei Leistungshalbleitern: Grund für Ausfälle sind vor allem unterschiedliche Längenänderungen einzelner Komponenten bei der Erwärmung.

Bild 2: Schichtaufbau bei Leistungshalbleitern: Grund für Ausfälle sind vor allem unterschiedliche Längenänderungen einzelner Komponenten bei der Erwärmung. Infineon

Wenngleich sich Leistungshalbleiter nicht im Sinne von Zahnrädern oder Kugellagern bewegen, altern sie aufgrund von mechanischer Belastung. Anders als bei mechanischen Komponenten ist die Ursache nicht Reibung sondern die unterschiedliche Längenänderung einzelner Komponenten in Folge von Erwärmung. Zwei Effekte sind hier von besonderer Bedeutung, weil sie – abhängig vom Lastprofil des Fahrzeuges – die Lebensdauer der Leistungselektronik begrenzen. Beide Effekte lassen sich an dem in Bild 2 schematisch dargestellten Aufbau eines Leistungshalbleiters erläutern.

Bild 3: Durch Power-Cycling, vor allem beim Stop-and-Go-Einsatz von Bussen, kann es zur Ablösung der Bond-Drähte kommen.

Bild 3: Durch Power-Cycling, vor allem beim Stop-and-Go-Einsatz von Bussen, kann es zur Ablösung der Bond-Drähte kommen. Infineon

Der erste Effekt – das Power Cycling – findet statt, wenn kurze Leistungsspitzen nur die Teile des Aufbaus erwärmen, die kleine thermische Kapazitäten aufweisen. In Zeitbereichen weniger Sekunden erwärmen sich im Aufbau hauptsächlich die Bonddrähte und die Halbleiter selbst. Die größere thermische Kapazität der Kupferbodenplatte verhindert eine starke Erwärmung innerhalb von kurzen Intervallen. Eine Temperaturänderung am Bonddraht verursacht eine Längenausdehnung, die wiederum zu einer mechanischen Belastung an den Verbindungsstellen zum Chip oder der Kupferoberfläche der DCB führt (Bild 3).

Power Cycling findet immer dann statt, wenn kurzfristig viel Strom im Halbleiter fließt. In Elektrofahrzeugen tritt dieser Fall beim Anfahren mit hohem Drehmoment oder beim Zurückspeisen von Energie mit hoher Leistung beim Bremsen ein. Insbesondere beim Stop-and-Go-Einsatz von Bussen im städtischen Verkehr treten diese Zyklen sehr häufig auf.

Resultat eines fehlenden Bonddrahtes ist eine Vergrößerung der Stromdichte in den verbleibenden Verbindungen, was deren erhöhte Erwärmung zur Folge hat. Der Fehler wächst damit schneller und führt schlussendlich zur Zerstörung des Halbleiters.

Thermal Cycling bei LKWs

Bild 4: Ultraschall-Mikroskopbild einer neuen Systemlötung (oben) und nach 40.000 Zyklen (unten).

Bild 4: Ultraschall-Mikroskopbild einer neuen Systemlötung (oben) und nach 40.000 Zyklen (unten). Infineon

Der zweite Effekt – das Thermal Cycling – ist eine Konsequenz längerer Erwärmungszyklen. Hierbei durchdringt die Wärme den gesamten Aufbau bis hin zu einem stationären Zustand. Unterschiedliche Ausdehnungskoeffizienten von keramischen Trägern und dem Kupfer der Bodenplatte sind der Grund für unterschiedlich starke Ausdehnung. Die Systemlötung zwischen diesen Schichten muss die Unterschiede ausgleichen und gerät somit unter thermisch-mechanischen Stress. Sind Temperaturhub und Anzahl der durchlaufenen Zyklen groß genug, lösen sich die Schichten (Bild 4).

Erreicht die Delamination die Fläche unterhalb der Halbleiterchips, erhöht sich der thermische Widerstand und die Chiptemperatur bei gleichem Strom steigt. Damit unterliegt auch dieser Effekt einer positiven Rückkopplung und führt nach einer hinreichend großen Anzahl an Temperaturzyklen zur Zerstörung der Komponente.

Die Lebensdauer der Leistungselektronik in einem Fahrzeug hängt damit maßgeblich von dem Temperaturhub ab, dem der elektronische Aufbau unterliegt. Im Zyklus aus gewähltem Halbleiter, Temperaturhub und geforderter Lebensdauer hat es der Entwickler in der Hand, über die Wahl der Komponente und die Dimensionierung der Kühlung die Lebensdauer zu bestimmen.

Der Anwendungsfall Bus im Personen-Nahverkehr stellt wegen der häufigen Brems- und Beschleunigungsphasen besonders hohe Ansprüche. Im Vergleich dazu legt ein LKW im Fernverkehr auf Autobahnen große Strecken bei nahezu konstanter Geschwindigkeit zurück. Hierbei entsteht am Halbleiter durch Stromfluss und die begleitenden Verluste zwar eine hohe Temperatur, es entsteht aber kein hoher Temperaturhub.

 

Welche Verbesserungen es auf der Halbleiterseite gibt und warum gerade die Chipoberfläche zur Herausforderung wird, erfahren Sie auf der nächsten Seite.

Verbesserungen auf der Halbleiterseite

Kostendruck und der Drang, Umrichter immer kleiner, leistungsstärker und effizienter zu machen, stellen die Hersteller von Leistungshalbleitern vor neue Herausforderung. Neuartige Chiptechnologien, eingebettet in verbesserte Aufbau- und Verbindungstechniken erlauben heute Leistungsdichten, die noch vor einigen Jahren undenkbar waren.

Um den hohen Ansprüchen der Applikation Commercial and Agricultural Vehicle (CAV) zu genügen, hat Infineon eigene Prozesse und Technologien entwickelt. Diese tragen sowohl den höheren Anforderungen beim Power Cycling als auch den Forderungen nach höherer Thermal Cycling-Fähigkeit Rechnung. Die in Bild 3 dargestellt Systemlötung ist Teil dieser Entwicklung.

Bild 5: Bei der Modulfamilie Econo-Dual 3 FF600R12ME4 sind Bonddrähte, die nicht auf Chipflächen enden, in Kupfer ausgeführt.

Bild 5: Bei der Modulfamilie Econo-Dual 3 FF600R12ME4 sind Bonddrähte, die nicht auf Chipflächen enden, in Kupfer ausgeführt. Infineon

Module mit einer Industriequalifikation genügen der Norm, wenn sie 12.000 Zyklen im Test überstehen. Bild 4 zeigt die hoch zuverlässige Systemlötung eines Econo-Dual 3 vom Typ FF600R12ME4 sowohl im Neuzustand als auch nach 40.000 Zyklen. Das Modul (Bild 5) zeigt auch nach dieser enorm hohen Zahl noch das gewünschte thermische Verhalten, was einer Verdreifachung der Belastbarkeit in dieser Disziplin entspricht.

Das Bild zeigt eine weitere Verbesserung dieser Modulfamilie bei der Systembondung. Dabei sind die Bonddrähte, die nicht auf Chipflächen enden, in Kupfer ausgeführt. Im Beispiel betrifft dies die Bonddrähte zwischen den DCBs, die Verbindung der Steueranschlüsse sowie die Kontaktierung der Last-Terminals. Der Wechsel zu Kupfer ergibt deutlich Vorteile gegenüber einer Verdrahtung aus Aluminium.

Der niedrigere spezifische Widerstand von Kupfer im Vergleich zu Aluminium erlaubt eine Vergrößerung der Stromtragfähigkeit. Des Weiteren eliminiert die Verbindung von Kupfer auf Kupfer die thermische Fehlanpassung, die sich bei Alu-Kupfer-Verbindungen zwischen den Kontaktpartnern ergibt, was die Power-Cycling-Fähigkeit weiter verbessert.

Die silbrig glänzenden Oberflächen der hier verwendeten Chips stellt allerdings keinen für Kupferbonds geeigneten Partner dar, weshalb die Chip-Bondung weiterhin in Aluminium ausgeführt ist. Um auch hier weiter für Verbesserung zu sorgen, bedarf es angepasster Chip-Oberflächen, deren Einführung im Rahmen der .XT-Technologie zu erheblicher Steigerung der Power-Cycling-Ergebnisse führte.

Chipoberfläche als technische Herausforderung

Da Kupfer das für die Chip-Bondung gewünschte Material ist, wurde die Entwicklung alternativer Strukturen für Chipoberflächen notwendig. Der neue, per Sinterverfahren aufgebrachte IGBT5, weist nun Kupferoberflächen auf, die eine höhere Robustheit der Bondverbindung gewährleisten und den Effekt der Elektronenmigration ausschließt. Die neue Aufbautechnik hat ihre Leistungsfähigkeit in Power-Cycling-Tests unter Beweis gestellt und eine Verbesserung gegenüber herkömmlichen Aufbauten um einen Faktor 10 erzielt.

 

Auf der nächsten Seite erfahren Sie, was Leistungshalbleiter für Schwerlastfahrzeuge leisten müssen und warum auf hier der Bauraum Beachtung finden muss.

Leistungshalbleiter für Schwerlastfahrzeuge

Bezüglich Power Cycling haben Fahrzeuge im innerstädtischen Liefer- und Personennahverkehr die höchsten Anforderungen. Wegen der höheren Erwartung bezüglich der Laufleistung sind Lösungen für LKWs dennoch nicht weniger anspruchsvoll.

Ein weiter erschwerend wirkender Einflussfaktor ergibt sich aus der Betrachtung von Lösungen für Baustellen- oder Minenfahrzeuge, die ihre Arbeit nicht auf asphaltierten Straßen, sondern auf Schotterwegen oder schlecht befestigtem Untergrund verrichten. Speziell bei Handling-Fahrzeugen wie Baggern und Radladern enthält das Bewegungsprofil Momente mit extremen mechanischen Belastungen.

Bild 6: Das Prime-Pack-2-Modul ist auf den Einsatz in CAVs optimiert und besonders vibratons- und schockresistent.

Bild 6: Das Prime-Pack-2-Modul ist auf den Einsatz in CAVs optimiert und besonders vibratons- und schockresistent. Infineon

Fährt ein Radlader mit der Schaufel in einen Geröllhaufen, um Material aufzunehmen, kommen hohe Bremsbeschleunigungen zustande. Auch die Bewegung auf höchst unebenem Untergrund ist eine Ursache für Vibration am Fahrzeug, die sich auf den leistungselektronischen Aufbau fortpflanzt. Infineon hat deshalb die für den Einsatz in der Applikation CAV vorgesehenen Module bei der mechanischen Belastbarkeit optimiert. Das in Abbildung 6 dargestellte Primepack gehört zu dieser Entwicklung. Das Augenmerk liegt hierbei auf der Vibration in einem weiten Frequenzbereich sowie auf der Schock-Belastbarkeit der Komponente.

Die Ausweitung der .XT-Technologie innerhalb der Primepack-Familie erlaubt auch hier die Steigerung der Leistungsdichte beziehungsweise der Stromtragfähigkeit. Das bisher leistungsstärkste Modul dieser Bauform ist die 900-A-Halbbrücke FF900R12IE4, das Infineon durch die 2018 vorgestellte .XT-Version im gleichen Gehäuse mit einer Stromtragfähigkeit von 1200 A ergänzte. Diese Steigerung erlaubt es, bestehende Designs mit nur geringem Entwicklungsaufwand in der Leistung um bis zu 30 Prozent aufzuwerten und ist Basis zum Bau von Umrichtern auf kleinstem Raum.

Der Systemgedanke bei Bussen und LKWs

Obwohl Busse und LKWs scheinbar viel Bauraum aufweisen, täuscht der Eindruck. Auch in dieser Applikation ist Raum knapp und kostbar. In Bussen darf der Einbau nicht zu Verlusten beim Platz für Passagiere führen oder den Stauraum für Gepäck einschränken. In Baustellenfahrzeugen muss eine Integration im gleichen Volumen möglich sein, wie es der Verbrennungsmotor vorgibt. Aktuelle Designs – inklusive Kühlung – weisen eine Leistungsdichte von selten mehr als 2 kW/l auf. Bei einem Leistungsbedarf von 250 kW beansprucht die Leistungselektronik damit ein Volumen von einem halben Kubikmeter. Daraus resultiert die Anforderung, Umrichter im Volumen kleiner zu gestalten.

Meist nimmt der eigentliche Halbleiter weniger als zehn Prozent des für den Umrichter benötigten Raumes ein. Zusätzliche voluminöse Komponenten im Umrichter sind die Stromsensoren. Der hierfür vorzusehende Platz vergrößert die benötigte Grundfläche und hat daher einen erheblichen Einfluss auf die Baugröße des Umrichters.

Als Alternative zu Hall-basierten Sensoren bieten sich Shunts an. Diese erzeugen allerdings speziell bei hohen Strömen Verlustleistung und damit Wärme. Mit Blick auf die thermischen Nebenwirkungen verbietet sich daher häufig der direkte Einsatz auf dem PCB. Im Halbleitermodul entsteht hier die thermisch günstigere Situation, was die Integration der Sensoren auch für Modulnennströme bis zu einigen hundert Ampere eröffnet.

Auch diese Integration hilft bei der Steigerung der Systemleistungsdichte. Gleichzeitig weisen Shunts gegenüber Hall-Sensoren diverse elektrische Vorteile auf. Sie sind offsetfrei, zeigen – auch nach Überstrombelastung – keine Hysterese und weisen in einem Temperaturbereich von -100 °C bis +300 °C eine ausgezeichnete Stabilität bezüglich ihres Nennwertes auf.

Der scheinbare Nachteil einer fehlenden galvanischen Trennung lässt sich leicht kompensieren, wenn Σ/Δ-Wandler zum Einsatz kommen. Deren Versorgung kann aus der Treiberschaltung der IGBTs erfolgen – und nur ein einziger Kanal bedarf der galvanischen Trennung.

 

Dieser Beitrag ist in der emobility tec, dem technischen und technologischen Fachmedium für Hybridfahrzeuge und Elektromobilität, erschienen.

Dr. Martin Schulz

Principal Application Engineer bei Infineon Technologies

(na)

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