Bidirektional differenzielle Druckmessung
Differenzdrucksensoren messen den Unterschied zwischen zwei Drücken. Man unterscheidet eine Differenzdruckmessung, bei der die Druckverhältnisse gleich bleibend sind. Es gilt: der Druck an dem einen Anschlussstutzen ist immer größer/gleich dem Druck am anderen Stutzen. Differenzdruckmessung, die sowohl differenziellen Unter- als auch Überdruck ermöglicht, wird als bidirektional differenzielle Druckmessung bezeichnet. Außerdem wird erklärt, dass man abhängig von der Anwendung bei der Auswahl der Differenzdrucksensoren auf bestimmte Randbedingungen achten muss.
Die prinzipielle Anordnung zur Differenzdruckmessung sieht wie folgt auf: Man vergleicht zwei Drücke P1 und P2, die von außen über ein entsprechendes Gehäuse (Bild 2) an der Unter- und Oberseite des Sensorelement anliegen (Bild 3). Allgemein gilt: P1 ≤ P2 oder umgekehrt P1 ≥ P2. In Bild 3 wird schematisch gezeigt, wie man sich die Membranauslenkung der Differenzdruckmesszellen bei verschiedenen Druckverhältnissen vorzustellen hat.
Bei den meisten Sensoren gilt aus weiter unten erläuterten Gründen die Forderung, dass nur ein Druckverhältnis, also P1/P2 ≥ 1 oder P1/P2 ≤ 1 erfasst und ausgewertet werden kann. Im Allgemeinen wird die Druckmessung mit dieser Einschränkung als Differenzdruckmessung bezeichnet.
Allgemein gilt für die Drucksensoren, deren Membran auf den jeweiligen Druckbereich optimiert ist, zusätzlich die Randbedingung, dass P1 – P2 ≤ Pmax oder P2 – P1 ≤ Pmax sein muss, wobei Pmax, der zulässige Maximaldruck, durch die technologischen Gegebenheiten der Messzelle bedingt und spezifiziert ist.
Neben der genannten Einschränkung durch den Maximaldruck Pmax gibt es noch eine Bedingung, die je nach Anwendung zu berücksichtigen ist. Hierbei handelt es sich um die Druckfestigkeit des Sensorgehäuses gegen den von außen wirkenden Druck. Das bedeutet, dass P1 und P2 jeweils einen gewissen Wert gegenüber dem Umgebungsdruck nicht überschreiten dürfen und umgekehrt. Dieser Wert wird bei Amsys als maximaler System- oder Common-Mode-Druck PSystem bezeichnet.
Ein Beispiel
Pmax = 20 mbar, P1 = 10,01 bar und P2 = 10 bar.
P1 – P2 = 10,01 bar -10 bar = 10 mbar < Pmax, wenn das Gehäuse aber konstruktiv auf einen Systemdruck von maximal 7 bar ausgelegt ist, liegt an beiden Eingängen ca. 2 bar mehr gegen die Außenatmosphäre (ca. 1 bar) an als erlaubt, was unter Umständen zur Zerstörung des Sensors führen kann.
Das bedeutet eine weitere Randbedingung, die zu beachten ist: P1, P2 ≤ PSystem.
Diese beiden Randbedingungen gilt es zu berücksichtigen, wenn der Anwender einen differenziellen Druck in einem bestimmten Umgebungsdruck messen möchte.
Die Frage, ob P1/P2 ≥ 1 oder P1/P2 ≤ 1 erfasst wird, hat unter dem Aspekt der Medienempfindlichkeit beim Aufbau der Amsys-Drucksensoren eine nicht zu vernachlässigende Bedeutung.
Die Membranoberseite hat zur Kontaktierung kleine Metallflächen (Pads aus hochreinem Aluminium), die nicht korrosionsbeständig sind. Diese werden in der Regel durch eine Schicht aus Silicon-Gel geschützt. Da es nur selektiv schützende Gele gibt, kann kein universeller Schutz gewährleistet werden. Es muss also Sorge dafür getragen werden, dass die geplanten Sensoren gegen die kontaktierenden, gegebenenfalls korrodierenden Medien geschützt sind.
Die Rückseite der Siliziummesszellen (am Beispiel des AMS 4711 ist dies Glas, Siliziumoxid und Keramik) ist wegen den fehlenden Aluminiumpads gegenüber der Oberseite sehr medienbeständig. Daher ist es oft ratsam, die kritischen Medien oder Flüssigkeiten auf die Unterseite der Messzellen zu beaufschlagen, was bei der Auswahl der Sensoren in Bezug auf Anwendungssicherheit berücksichtigt werden muss.
Signalaufbereitung
Da die Siliziummesszellen bei der üblichen Brückenschaltung ein Differenzsignal von maximal etwa ≤ 150 mV (abhängig von der Membranempfindlichkeit) als Full-Scale-Signal erzeugen können, ist zur Signalverarbeitung zunächst ein Instrumentenverstärker notwendig.
Dieser Instrumentenverstärker verstärkt das Signal mit geringem Offset und Offsetdrift, damit es problemlos weiter verarbeitet werden kann. In der nachfolgenden Single-Ended-Conversion-Stufe wird das Differenzsignal auf ein festes Potenzial bezogen. In der Regel wird der Nullwert als Bezugspunkt gewählt, so dass bei Differenzmesszellen (ideal: gleiche Widerstände vorausgesetzt) ohne Druckbeaufschlagung als Ausgangssignal der Wert 0 V gemessen wird. In der nachfolgenden Signalbearbeitung wird dieser Wert entweder digitalisiert und kalibriert oder durch eine Spannungs- oder Stromendstufe auf den gewünschten Nullpunktwert in Volt oder mA gesetzt. In dem Beispiel des AMS 4712 beträgt dieser Wert zum Beispiel 4 mA.
Wenn der Instrumentenverstärker so ausgelegt ist, dass er nur positive Eingangsspannungen verstärken kann und an seinem positiven Eingang die höhere Spannung anliegt, ergibt sich die Übertragungskennlinie in Bild 5 mit P1 > P2.
Liegt bei einer Elektronik, die für den Fall P1 ≥ P2 entwickelt wurde, ein negativer Wert am Eingang des Instrumentenverstärkers an (zum Beispiel V(P1) < V(P2)) oder existiert ein negativer Offset (zum Beispiel Verstärkeroffset), so wird das Sensorausgangssignal so lang die Null oder einen der Null entsprechenden Wert (beispielsweise 4 mA) anzeigen, bis das Eingangssignal die Bedingung V(P1) ≥ V(P2) erfüllt, das Eingangssignal also größer oder gleich der negativen Vorspannung wird.
Für den Benutzter sieht dann zum Beispiel der vorhandene negative Offset am Verstärkereingang in der Übertragungskennlinie in Bild 6 so aus, als ob ein Versatz vorhanden wäre, was bei einer Zweipunktmessung (Nullpunkt und Endpunkt) als Nichtlinearität angesehen werden kann. Dieser Versatz (negatives Eingangssignal) müsste in der Nachweiselektronik berücksichtigt und korrigiert werden. Das bedeutet, die Qualität des Sensorausgangssignals hängt von der Polarität des Messzellensignals und den Eigenschaften der Verstärkerelektronik ab.
Bidirektionale differenzielle Sensoren
Neben den beschriebenen Anwendungen gibt es praktische Anforderungen, bei denen in einem Drucksystem beide Bedingungen P1 ≤ P2 als auch P1 ≥ P2 vorkommen können. (beispielsweise Be- und Entlüften, Unter- und/oder Überschreiten eines Flüssigkeitsniveaus, Ein- und Ausatmen und so weiter). Diese Messaufgabe könnte nicht mit der oben beschriebenen Differenzmessung gelöst werden.
Da es für diesen Fall der Druckmessung keine allgemein anerkannte Bezeichnung gibt, nennt Amsys seine Sensoren, die diese Art von Differenzdruck messen können, bidirektional differentielle Drucksensoren. Sie haben also die Eigenschaft differenziellen Unter- und Überdruck messen zu können.
Der zu messende Differenzdruck kann bei diesen Sensoren sowohl ein positives als auch ein negatives Vorzeichen haben; das heißt, der Druck P1 an dem Anschlussstutzen 1 (zum Beispiel Messzellenoberseite) kann sowohl größer als auch kleiner als der Druck P2 am Anschlussstutzen 2 (Messzellenunterseite) sein und das Vorzeichen kann während der Messung variieren. Für die Drücke P1, P2 an den Anschlussstutzen gilt die Bedingung:
Pmin ≤ |P1 – P2| ≤ Pmax mit der Randbedingung P1, P2 ≤ PSystem.
Darin bezeichnet Pmax den positiven und Pmin den negativen Enddruck des jeweiligen Druckbereiches, für den die Sensoren ausgelegt sind. PSystem bezeichnet den maximal zulässigen Systemdruck in Bezug auf den wirkenden Umgebungsdruck, der von außen an dem Gehäuse des Sensors anliegen darf. Diese bidirektional differenzielle Messung ist nur dann möglich, wenn zwei Anforderungen an das Sensorsystem erfüllt sind:
Die Membranstruktur muss ein symmetrisches Verhalten bezüglich der Auslenkung nach beiden Seiten aufweisen. Bei der Membran handelt es sich um eine dünne Halbleiterschicht (einige Mikrometer), die aus verschiedenen Schichten besteht. In der Regel sind das neben der Siliziumschicht eine Oxid- und eine Passivierungsschicht. Aus diesem Grunde kann das Verhalten der Membran richtungsabhängig sein. Im schlimmsten Fall kann es sogar zu einem Knackfroscheffekt kommen. Die Hersteller der Siliziummesszellen müssen also für die bidirektionalen Sensoren ein symmetrisches Verhalten der Membran bei positiver und negativer Auslenkung gewährleisten.
Die Nachweiselektronik muss in ihrem Übertragungsverhalten bezüglich des Nullpunktes an den Messzellensignalbereich angepasst sein. Die Übertragung der Kennlinie, die in Bild 7 dargestellt ist, bedingt eine Verstärkerelektronik, in der nicht das Nullpotenzial als Referenz des Instrumentenverstärkers festgelegt ist, sondern dessen Referenz auf den 1/2 Full-Scale-Wert gelegt werden muss. Zum Beispiel wird bei einem Sensor, der 4…20 mA als Ausgangssignal haben soll, bei den bidirektional differenziellen Drucksensoren der Nullpunkt auf 12 mA gelegt, so dass das Signal P1 ≤ P2 von 4…12 mA und das Signal P1 ≥ P2 von 12…20 mA abgebildet wird.
Dr. Norbert Rauch
(jj)