Glück im Unglück: Aufgrund von Wartungsarbeiten waren zum Zeitpunkt des Brandes keine Mitarbeiter im Werk, daher kamen Menschen nicht zu Schaden. Die bisherigen Ermittlungen ergaben keine Hinweise auf Fremdverschulden. Nach Angaben des Unternehmens besteht eine Versicherung für Gebäude, Equipment und Produktionsausfall.
Ersatzlieferungen aus China
Ruwel veröffentlichte, seine Kunden unter anderem mit Hilfe von Unimicron aus Kunshan in China weiter beliefern zu wollen. Dies könnte entweder den Lufttransport von Masslam aus China zur Endproduktion im Außenlagen-Werk Geldern I bedeuten oder aber die Lieferung von fertigen Leiterplatten. Für beides müssten die Kunden jedoch ihre Freigaben erteilen
Einmal erfolgreich nach China verlagerte Aufträge dürften allerdings später schwerlich an den (teureren) deutschen Standort zurückzuholen sein. Auch der Bezug von Masslam von europäischen Wettbewerbern bedarf der Zustimmung der Kunden und ist immer mit Risiken verbunden. Schließlich ist Ruwel seit jeher stark im Bereich der qualitativ höchst anspruchsvollen Automobilelektronik engagiert, deren Auftraggeber nur zertifizierte und zusätzlich auditierte Lieferquellen zulassen.
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Baugenehmigung für Ruwel in Rekordzeit?
Ruwel informierte fünf Tage nach dem Brand erstmals auf seiner Internetseite: „Wir werden auf dem Grundstück hinter Werk II so schnell wie möglich ein neues Werk aufbauen. Wir haben bereits eine Baugenehmigung.“ Dass alle relevanten Behörden trotz der Feiertage offenbar so schnell bereits eine Baugenehmigung erteilt haben sollen, ist ein unglaublicher Glücksfall für Ruwel, wenn man bedenkt, wie lange normalerweise eine Werksplanung mit Statik, Brandschutzkonzept, Umweltgutachten und Genehmigungen durch die Baubehörden dauern.
Es ist wahrscheinlich, dass Ruwel auf die vorhandenen Pläne des abgebrannten Werkes zurückgreifen kann, aber diese müssten sicherlich modifiziert werden: Die Stadt Geldern hat bis unmittelbar ans Werksgelände ein Wohngebiet mit bereits reger Neubautätigkeit ausgewiesen. Der Anwohnerschutz gegen Emissionen, wie Lärm und Geruch unterlag seinerzeit anderen Voraussetzungen. Nach einer Katastrophe, wie jetzt, haben Bestimmungen und Anwohnerbelange einen ganz neuen Stellenwert erlangt.
Parallelen zu Schweizer Electronic und Würth Elektronik
Der Werksneubau mit Equipment-Installation damals dauerte rund ein Jahr. Vorangegangen waren Monate der Planung und Genehmigungsverfahren. Nach der Fertigstellung müssen neue Zertifizierungen für Qualitätsmanagementsystem und Umwelt erlangt werden. Prozess- und Musterfreigaben durch die Kunden haben zu erfolgen. Branchenfachleute schätzen die Dauer, bis Ruwel aus eigener Gelderner Produktion wieder unter Volllast lieferfähig ist, optimistisch auf zwei Jahre. Es gibt prominente Parallelbeispiele in der Leiterplattenbranche für diese realistische Zeitschiene, wie etwa der Brand am 1. Juni 2005 im Hauptwerk der Schweizer Electronic AG in Schramberg und das Großfeuer im Leiterplattenwerk Niedernhall von Würth Elektronik am 27. Dezember 2014.
Dies ist bereits der dritte schwere Schlag, den Ruwel, der traditionsreichste europäische Leiterplattenhersteller erleidet. Im Jahr 1993 war Ruwel wenige Tage vor der sicheren Insolvenz vom damaligen Investor Bernd Zevens gerettet worden. Seither wurde das Unternehmen mehrfach restrukturiert und konnte sich nach einer schier aussichtslosen Insolvenz 2009 mit Hilfe der taiwanesischen Unimicron Technology Group wieder erholen.
Das zerstörte Ruwel-Werk kostete 30 Mio. Euro
Das sogenannte Werk Geldern II war als reine Innenlagenfertigung 2001 für rund 30 Mio. Euro Investitionsvolumen in Betrieb gegangen, gemäß Unternehmensmitteilungen von damals. Die heute für den Wiederaufbau erforderliche Summe wird seitens Ruwel laut Medienberichten auf 40 bis 45 Mio. Euro veranschlagt.
Die „Ruwel-Gruppe“ war zur Jahrtausendwende mit 230 Mio. Euro Jahresumsatz und knapp 2.000 Mitarbeitern in sieben Produktionsstätten in ganz Europa nach eigenen Angaben „der größte Hersteller von Leiterplatten auf dem Kontinent“. Heute wird lediglich der Standort in Geldern mit etwa 250 Mitarbeitern (verstärkt um bis zu 100 Zeitarbeitskräfte) betrieben. Mit einem für 2016 geschätzten Jahresumsatz von 45 bis 50 Mio. Euro gehört Ruwel in Europa zu den zehn größten Herstellern.
berichtigung
In einer früheren Version hatten wir versehentlich eine falsche Bildquelle genannt und auch nicht freigegebene Bilder veröffentlicht. Das bitten wir zu entschuldigen.
(mrc)