Obsoleszenz tritt nie zur rechten Zeit auf. In vielen Fällen kommt die Abkündigung eines Bauteils plötzlich und unvorbereitet. Das Resultat sind Produktionsstopps, Vertragsstrafen und kostspielige Redesigns.
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Die Lösung scheint klar: proaktives Obsoleszenz-Management (OM). Doch die Realität zeigt: Viele Unternehmen setzen zu früh an und ignorieren, dass ein solides Fundament für jedes OM-Konzept unerlässlich ist.
Der Wunsch nach Proaktivität und die Stolpersteine
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Proaktive Maßnahmen – etwa Risikomanagement, proaktive Lagerbestandshaltung oder Alternativbauteil-Management – sind nur so wirksam wie die Datenbasis, auf der sie beruhen. Und genau hier hapert es oft.
Häufig sieht die Situation in den Betrieben folgendermaßen aus: Fehlende oder unvollständige Stücklisten sowie das nicht vorhandene Matching zwischen internen Teilenummern und den Manufacturer Part Numbers (MPNs) verhindern eine zuverlässige Analyse. Platzhalter in den MPNs werden verwendet, um dem Einkauf – oft nur scheinbare – Flexibilität zu ermöglichen. Das Gegenteil ist allerdings der Fall. Statt nur mit Platzhaltern zu arbeiten, empfiehlt es sich, Komponenten klar mit deren MPNs zu definieren. So werden Life Cycle Informationen eindeutig zugeordnet und können durch Tools verlässlich verarbeitet werden.
Gleiches gilt für den Einsatz von MIL-Standards. Auch hier ist der Gedanke im Betrieb meist, dass es eine hohe Flexibilität für die Produktion bietet. Wird in der Stückliste nur die MPN nach Standard angegeben, ist nicht bekannt, wie viele Hersteller die Komponente tatsächlich noch fertigen. Ein weiterer blinder Fleck, der teuer werden kann.
Auch das Monitoring von Bauteilen, welche nicht durch Datenbanken abgedeckt werden, führt zu Herausforderungen. In vielen Fällen hat ein Betrieb bereits ein Monitoring für die verwendeten Komponenten, allerdings gehen solche elektronischen Teile unter und müssen daher durch manuelle Anfragen überwacht werden.
Ein weiteres, oft übersehenes Element: Obsoleszenz betrifft nicht nur elektronische Bauteile. Auch mechanische Komponenten und Chemikalien, zum Beispiel Lötpasten oder Lacke können abgekündigt oder regulatorisch eingeschränkt werden. Ein ganzheitliches OM bezieht daher alle Bauteilgruppen ein, unabhängig von ihrem Einsatzgebiet.
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Das proaktive OM zielt darauf ab, Risiken frühzeitig zu erkennen und zu vermeiden, anstatt erst bei konkreten Abkündigungen zu reagieren. Es ist ein strukturierter, zukunftsgerichteter Ansatz, der Obsoleszenzrisiken über den gesamten Lebenszyklus eines Produkts hinweg aktiv managt.(Bild: Göttler)
Die Situation zusammengefasst: Unternehmen versuchen auf proaktives Obsoleszenz Management zu setzen, ohne die Voraussetzungen dafür geschaffen zu haben. Ohne die ganzheitliche Sicht und die Erfassung aller Bauteile ist es, als würde man versuchen, ein Haus auf Sand zu errichten. Eine gute Datenqualität ist im Obsoleszenz Management unverhandelbar.
Reaktiv bleibt Pflicht
Trotz aller Proaktivität: Reaktive Prozesse müssen bestehen bleiben. Selbst das beste Monitoring erkennt nicht jede Veränderung rechtzeitig. Wichtig ist daher ein klar definierter Eskalationsprozess: Was passiert, wenn ein Bauteil überraschend abgekündigt wird und kein Last-Time-Buy möglich ist? Wer entscheidet, welche Maßnahme, z. B. ein Redesign, eingeleitet wird?
Erst das Fundament, dann die Kür
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Proaktives Obsoleszenz-Management ist kein Selbstzweck. Es ist das Ergebnis strukturierten Vorgehens. Wer ohne solides Fundament startet, wird zwangsläufig scheitern. Doch mit einer sauberen Datenstruktur, standardisierten Prozessen und einem ganzheitlichen Blick gelingt der Übergang vom reaktiven Krisenmodus hin zum proaktiven Agieren.
Anhand des E-Papers „Der Obsoleszenz-Risiko-Check“ können Sie Ihren aktuellen Stand im OM gezielt einschätzen.Außerdem liefert es Ihnen konkrete Handlungsempfehlungen für Ihre nächsten Schritte.(Bild: Göttler)
Der Beginn vom proaktiven OM
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Wurden die Hürden hinsichtlich der Datenqualität und -hygiene genommen und das Fundament gebaut, steht dem proaktiven Obsoleszenz Management nichts mehr im Weg. Das proaktive OM zielt darauf ab, Risiken frühzeitig zu erkennen und zu vermeiden, anstatt erst bei konkreten Abkündigungen zu reagieren. Es ist ein strukturierter, zukunftsgerichteter Ansatz, der Obsoleszenz-risiken über den gesamten Lebenszyklus eines Produkts hinweg aktiv managt – von der Entwicklung bis zur Nutzungsphase.
Ein zentrales Element ist dabei das Risikomanagement. Für jedes Unternehmen werden individuelle Kriterien für eine Risikomatrix definiert – zum Beispiel die restliche Lebensdauer, Lieferantenabhängigkeit, Anzahl der verfügbaren Alternativen oder die Wiederbeschaffungszeit. Diese Matrix hilft, Bauteile, Baugruppen oder Systeme nach Risikopotenzial zu priorisieren und gezielt Maßnahmen abzuleiten. Wird eine Abkündigung erkennbar oder prognostiziert, sind klar definierte Aktionen entscheidend: Redesign, Second Source, Last-Time-Buy oder gezielte Bevorratung sind typische Maßnahmen. Wichtig ist, dass diese Handlungsoptionen je nach Riskoklasse vorab festgelegt sind.
Auch in der Entwicklungs- und Entwurfsphase kann proaktives OM erheblichen Mehrwert schaffen. Durch die Auswahl langlebiger und breit verfügbarer Komponenten, Standardisierung, Modularisierung und gezielter Lieferantenanalysen werden spätere Risiken stark minimiert.
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Kurz: Proaktives Obsoleszenz Management wandelt die Unsicherheit in Planbarkeit und senkt Kosten, Risiken und Reaktionsdruck im gesamten Lebenszyklus und ist damit ergänzend zu den reaktiven Prozessen ein wichtiger Bestandteil des Obsoleszenz Managements. Ebenfalls kann je nach Risikoklasse der proaktive Prozess den reaktiven Prozess anstoßen, was die Planungssicherheit nochmals erhöht. Wichtig ist dabei zu erwähnen, dass dies nur ein erster Einblick in das proaktive Obsoleszenz Management ist und die Strategien und Anwendungsfelder je nach Unternehmen um einiges weitreichender sein können.
Für den grundlegenden Start empfiehlt es sich daher, zuerst einmal im Betrieb abzustecken, wie hoch das aktuelle Risiko für und die Folgen von einer Obsoleszenz überhaupt sind.
Über den QR-Code gelangen Sie zum Risiko-Check. Mit dem Online-Selbsttest erhalten Sie in wenigen Schritten eine fundierte Einschätzung Ihres aktuellen Stands im OM. Außerdem liefert er Ihnen konkrete Handlungsempfehlungen für Ihre nächsten Schritte.