Anlage von GEA Stiavelli

OPC UA macht's möglich: Der italienische Maschinen­bauer GEA Stiavelli generiert die ­Visualisierung direkt aus dem SPS-Projekt. (Bild: GEA Stiavelli, Asem)

Modulare Maschinen lassen die Herzen von Vertrieb und Kunden stets höherschlagen: Gekauft wird nur das, was wirklich gebraucht wird. Für Konstruktion und Projektierung ist es dagegen ein Graus, all die Varianten vorzuhalten, ganz besonders softwaretechnisch. Der italienische Maschinenbauer GEA Stiavelli begegnet der Grand Complication mit einer strukturieren Architektur und komplett OPC-UA-basierten Visualisierung.

Hierarchische Unterteilung von Anlagen
Innerhalb einer Fabrik gibt es verschiedene Anlagen, die immer die gleiche hierarchische Unterteilung aufweisen. (Bild: GEA Stiavelli, Asem)

Auf die Schnelle

Das Wesentliche in 20 Sek.

  • GEA Stiavelli generiert HMI-Projekte vollautomatisch
  • Projekt gilt als konzernweite Referenz und Blaupause
  • HMI-Struktur wird aus Datenmodell der Steuerung definiert
  • OPC UA-basiertes HMI-Tool ermöglicht individuelle Short-Cuts und Bedienfeld
  • UX-Design berücksichtigt verschiedenste Panel-Formate

Die Maschinen von GEA Stiavelli basieren auf einer hierarchischen Architektur beginnend bei Nudelproduktionsanlagen (Factories), innerhalb derer es eigene Verpackungssysteme (Plants) gibt. Diese Plants be­stehen wiederum aus verschiedenen Maschinen (Sections), die einen bestimmten Prozessschritt übernehmen, zum ­Beispiel Wiegen oder Verpacken. Diese Prozesse sind weiter in Komponenten (Equipment) unterteilen, die für die besonderen mechanischen Prozesse innerhalb der Maschinen verantwortlich sind. Ein typisches Beispiel ist die Verwaltung der Verpackungsfolienrolle durch die Verpackungsmaschine.

Innerhalb einer Fabrik gibt es verschiedene Anlagen, die stets dieser hierarchischen Unterteilung gehorchen. Zum Beispiel besteht die Anlage für lange Nudelformate (Long Cut) aus den Sektionen

  • Wiegemaschine (SPL-M)
  • Verpackungsmaschine (SO)
  • Drucker
  • Qualitätskontrollsystem (CPS)

Die Sektion Wiegen SPL-M besteht aus Wäge-Equipment 1 und Wäge-Equipment 2, die gemäß PackML gesteuert werden. Dabei teilen sich die verschiedenen Equipments einer Sektion während der Ausführung des Prozesses den entsprechenden PackML-Status, zum Beispiel IDLE.

Der Hierarchie einer Factory muss auch die Bedienerschnittstelle – das HMI-Projekt – folgen, die je nach Anlagenkonfiguration gemäß den für das spezifische ­System erforderlichen Funktionen automatisch aus der Anlagenkonfiguration generiert wird.

HMI-Oberfläche entsteht auto­matisch aus der Konfiguration

Um sicherzustellen, dass dieselbe HMI-Oberfläche verschiedene Anlagen steuern kann, ist es unerlässlich, dass sie sich entsprechend der Anlagenkonfiguration (Kurz-/Langstrecke, Vorhandensein oder Fehlen von optionalen Abschnitten und Geräten) sowie der Mechanik der installierten Geräte anpassen lässt.

Dies ist sowohl für den Entwickler wichtig, der das Design einmal für alle Maschinen entwirft, als auch für den Maschinenführer, der die Bedienschritte nur einmal für alle Maschinenvarianten lernen muss. Der HMI-Entwurf muss sowohl in Anlagen für Langschnittverpackungen funktionieren, wo es nur ein HMI-Gerät für den Packer und die Waage gibt, als auch in Anlagen für Kurzschnittverpackungen. Bei diesem Maschinentyp befindet sich die Waage oberhalb des Packers und benötigt daher zwei separate Bedienterminals – für jede Ebene eins. Optional gibt es bei Anlagen für Kurzschnittverpackungen eine Single-HMI-Lösung: In diesem Fall wird die Bedienoberfläche als HTML5-Projekt angelegt, das der Bediener per Browser auf einem Tablet aufrufen kann und so auf der oberen Ebene stehend bequem die Waage einstellen kann.

Aufgrund der modularen Architektur ist eine erweiterte Rezeptverwaltung zwingend notwendig, da es verschiedene Arten von Rezepten für die Anlage und die Se­ktion gibt. Entsprechend der Architektur lädt der Bediener nur die Anlagenrezepte, die auch die Unterrezepte der Sektionen enthalten. Dies erleichtert die Nutzung und Umrüstung der Maschinen bei einem Produktwechsel, da der Bediener nicht jedes Unterrezept separat über eine Sektionsschnittstelle laden muss. Ein Beispiel: Beim Laden des Rezepts „Rezept1_MeinePasta“ werden automatisch auch die Unterrezepte „Rezept_Spaghetti“ als Rezept für die Wäge-Sektion und „Rezept_LongBag“ als Rezept für die Verpackungs-Sektion geladen. Einige Installationen können darüber hinaus vorsehen, dass das MES selbstständig Rezepte lädt, basierend auf den Produk­tions­­­anforderungen des ERP. Diese Rezepte lassen sich auch auf verschiedenen Anlagen, die zur gleichen Fabrik gehören, laden.

Usability verlangt klares Design und individuelle Short-Cuts

Die Oberfläche muss modern und reaktions­schnell sein. Da die verwendeten Geräte unterschiedlich große Diagonalen haben können und noch dazu teilweise im Land­scape oder Portraitformat installiert sind, muss die Navigationsleiste sowohl seitlich (Landscape) als auch unten (Portrait) zu positionieren sein.

Ein Maschinenführer muss bestimmte Befehle oft sofort erreichen können und die wesentlichen Statusinformationen der Maschinen bei Bedarf auf einen Klick zur Verfügung haben. Einige dieser Befehle und Dashboards sind subjektiv und hängen von der Erfahrung oder der Rolle des Bedieners ab. Daher ist es notwendig, dass die HMI-Schnittstelle gewisse Freiheitsgrade für die Anpassung der Bildschirme zulässt.

Hierarchisches Datenmodell der Maschinensteuerung
Aus dem hierarchischen Datenmodell der Maschinensteuerung generiert die HMI-Software von Asem die entsprechenden HMI-Objekte und Bedien-Schemata. (Bild: GEA Stiavelli, Asem)

Gruppenweites HMI-Projekt

Ein großes Rad

GEA Stiavelli hat sich zu einem ehrgeizigen Projekt entschlossen: Die ­Schaffung einer flexiblen Software-­Architektur, die im gesamten Maschinen­portfolio eingesetzt werden kann. Das Unternehmen ist auf die Herstellung von Verpackungsmaschinen für Trockenteigwaren, Snacks und ­Müslis spezialisiert und gehört seit 2018 zur GEA Group, die mit Stiavelli ihr bestehendes Angebot an Verpackungs­lösungen für die Lebensmittelindustrie vervollständigt. Das Unternehmen entwickelt und ­fertigt Verpackungslösungen, die ­darauf abzielen, bestmöglich auf die ständig ändernden Anforderungen der Lebensmittelmärke reagieren zu ­können. Zu den typischen Produkten zählen:

  • Verpackungsmaschinen für Trockennudeln, Snacks und Frühstückscerealien
  • Wägemaschinen und Verpackungseinheiten, die für jedes Format eine sehr hohe Geschwindigkeit und Genauigkeit erreichen
  • Lange Nudelverpackungsmaschinen, die eine Geschwindigkeit von 120 Spaghetti-Packungen pro Minute erreichen können

Da das HMI außerdem optisch homogen und konsistent für das gesamte Maschinenportfolio bleiben muss, ist es notwendig, einen Mechanismus zu untersuchen, durch den es möglich ist, Änderungen in Bezug auf die verschiedenen Eigenheiten der Maschinen vorzunehmen, der weder Raum für die persönliche ästhetische Initiative des Programmierers noch für Fehler in Bezug auf Kopiervorgänge von bereits angenommenen Lösungen lässt. Schließlich muss sich der Benutzer zur weiteren Vereinfachung der Bedienung einfach und intuitiv über einen RFID-Tag anmelden und identifizieren können.

HMI-Projekt wird aus Daten­modell der SPS generiert

GEA Stiavelli realisiert seine Automatisierungen sowohl auf Basis von SPS als auch auf kundenspezifischer Elektronik. Falls die verwendete Steuerung ein textbasiertes Ausgabeformat des SPS-Programms zur Verfügung stellt, wird dieses als Eingabe eines C#-Designzeit-Skripts verwendet, das automatisch das gesamte Datenmodell in Q ­Studio erstellt. Auf diese Weise führt eine Änderung im SPS-Programm automatisch zu einer entsprechenden Aktualisierung der HMI-Ebene.

Sobald das Maschinendatenmodell definiert und erstellt ist, stehen alle Informatio­nen tatsächlich zur Verfügung, sodass die grafischen Objekte der HMI-Applikation automatisch generiert werden, ohne dass die Grafiken der verschiedenen Bildschirme manuell vom Projekteur entworfen oder angepasst werden müssen. 

Individualisierung trotz Standardisierung

Eine individuelle Anpassung der Bedien­oberfläche durch die Maschinenführer ist durch den Mechanismus ‚Favoriten‘ elegant gelöst: Parameter, Zustände und Befehle können als Favoriten markiert und in einem individuellen Bereich der Benutzerober­fläche angeordnet werden. Ebenso lassen sich Befehle als Short-Cut der Fußzeile hinzufügen, sodass sie je nach Gusto und Bedarf des Bedieners schnell aufgerufen werden können.

Damit das gelingt, ist jedes grafische Steuer­element als OPC-UA-Objekt mit einer eindeutigen ID angelegt. Diese ID ermöglicht es, im HMI-Projekt softwaretechnisch darauf zu verweisen und so in der Fußzeile oder im benutzerspezifischen Bedien­fenster einzubetten. Jedem Bediener steht dazu eine Liste von Zeigerdatensätzen zur Verfügung, die die HMI-Objekte im Projekt identifizieren. Obwohl diese sich zwar an verschiedenen Positionen in der Bedienstruktur befinden, lassen sie sich darüber in einem Bereich gesammelt visualisieren.

Strukturierung aller Maschinenvarianten
Aufgrund der identischen Strukturierung aller Maschinenvarianten, können auch die Rezepte der ­einzelnen Maschinen und Sektionen flexibel generiert und geladen werden. (Bild: GEA Stiavelli, Asem)

ASEM

Kompetenz-Center HMI

ASEM entwickelt und produziert Technologien für die Automatisierung. Das Portfolio umfasst eine breite Palette an Industrie-PCs, Bediengeräten bis hin zu IIoT Gateways, die sich abhängig vom Automatisierungskonzept mit Software zur Visualisierung, Steuerung (Soft-SPS) und sicherer Fernwartung ausstatten lassen.

Das italienische Unternehmen beliefert überwiegend Maschinenbauer – als Tochter von Rockwell Automation auch weltweit. Alle Komponenten sind vollständig im eigenen Haus entwickelt, standardisiert und gefertigt, was eine Kontrolle über die Wertschöpfungskette und langfristige Lieferfähigkeit sicherstellt.

Die Verwaltung der Rezepte ist auf Basis des grundlegenden Hierarchiekonzepts der Objekte implementiert, sodass das Rezept der Anlage nicht nur die Parametrierungen dieser Ebene des Baums enthält, sondern auch die Zeiger auf die Rezepte der ­darunter angeordneten Abschnitte. Diese Architektur ermöglicht eine logische Steuerung der Rezeptdaten. Lädt der Benutzer ein Rezept vom HMI, kann er prüfen, welche Parameter geändert werden. Er kann dann auswählen, welche Parameter er laden und welche er im Vergleich zu den im Rezept gespeicherten unverändert lassen will. Dies wäre mit anderen Systemen mühsam, wenn nicht gar unmöglich zu realisieren gewesen.

Das HMI-Projekt enthält mehrere Anwendungs­logiken, die alle als so genannte NetLogic-Objekte der UNIQO-Software realisiert sind. Die HMI-Software stellt dazu ein leistungsfähiges Werkzeug zur Programmierung in C# zur Verfügung und integriert somit die typischen Funktionen eines HMI-Tools mit den spezifischen der Anwendung. Beispielsweise hat GEA Stiavelli damit einen Algorithmus zur Generierung von Pass­wörtern mit täglicher Gültigkeit implementiert, die die Techniker im Feld für den Zugriff im Superuser-Modus verwenden.

Ein zweites interessantes Beispiel betrifft die Berechnung von Prozessstatistiken wie die Zeiterfassung und Ereigniszähler, die mit lokaler Logik am HMI durchgeführt und dann in sogenannten „Flyout“-Containern angezeigt werden. Diese Container sind rechts auf der Bedienoberfläche als kleine Reiter positioniert und scrollen nach dem Aufrufen über die aktuelle Bedienseite. Angezeigt werden darin der Anlagenstatus sowie die entsprechenden Statistiken.

Die vollständig als OPC-UA-Objekte angelegte Software zeigt auch in diesem Fall ihre Vorteile: Die generierten statistischen Daten stehen auch den verschiedenen Manage­ment-­Systemen des Unternehmens sofort zur Verfügung, um schließlich die Prozess­effizienz durch entsprechende KPIs zu berechnen. (sk)

Autor

Udo Richter

General Manager DACH bei der Firma ASEM S.r.L in Artegna (IT).

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