Mit Hilfe von Single-Pair-Ethernet (SPE) können Sensoren von Jumo auch ohne Gateway oder Steuerung direkt mit der Cloud kommunizieren.

Mit Hilfe von Single Pair Ethernet (SPE) können Sensoren von Jumo auch ohne Gateway oder Steuerung direkt mit der Cloud kommunizieren. (Bild: Jumo)

Innerhalb von 75 Jahren hat sich Jumo vom Hersteller von Glasthermometern zum Systemanbieter von Automatisierungslösungen entwickelt - und schlägt nun mit drei Sensoren, die sich via Single Pair Ethernet direkt mit Steuerung und Cloud verbinden lassen, ein neues Kapitel in der Unternehmensgeschichte auf.

Die Wahl der Single Pair Ethernet-Technologie bei den neuen Messumformern eröffnet den Anwendern die Option, in ihren Applikationen komplette Systemlösungen mit einer durchgängigen Ethernet-Übertragung zu nutzen. Dieser Aspekt vereinfacht die Inbetriebnahme und eröffnet weitere Vorteile:

  • SPE stellt nur die physikalische Schicht dar, auf der eine Vielzahl an Ethernet-basierten Protokollen laufen können. Für die neuen Sensoren hat Jumo den SPE-Standard 10BASE-T1L ausgewählt, wodurch Kabellängen von bis zu 1000 Meter für die Sensoranbindung möglich sind.
  • Jeder der drei Sensoren kann über Power-over-Dataline (PoDL) mit Strom versorgt werden. Die Verbindung wird dabei durch einen SPE-Stecker in M12-Ausführung realisiert.
  • Die Datenweiterleitung erfolgt durchgängig auf der Grundlage von Ethernet, weshalb sich der Sensor direkt mit der Steuerung und gleichzeitig mit der Jumo Cloud austauschen kann.
  • Für die Kommunikation mit der Steuerung kann der Anwender auf den etablierten Ethernet-basierten Kommunikationsstandard Modbus-TCP zurückgreifen.

Das sind die drei neuen Sensoren mit SPE-Schnittstelle:

Die vier Varianten der hydroTRANS-Serie.
Die vier Varianten der hydroTRANS-Serie. (Bild: Jumo)

Die Geräte der hydroTRANS-Serie sind Feuchte- und Temperaturmessumformer mit einem optionalen CO2-Modul - zum Beispiel für die Raumklimaüberwachung in Fertigungs- und Lagerstätten. Die Geräteserie ist in 4 Varianten als Wandausführung, Kanalausführung, Stabausführung oder Raumausführung in Schutzarten zwischen IP20 und IP65 lieferbar. Der Messbereich umfasst 0 bis 100 % relative Luftfeuchtigkeit (rF), die Genauigkeit liegt bei 2 % rF bei 23 °C. Der hydroTRANS verfügt über ein Farbdisplay und ist in Temperaturbereichen zwischen -40 bis +80 °C einsetzbar. Mit Hilfe des optionalen CO2-Moduls ist eine exakte Bestimmung der Luftqualität möglich. Als Schnittstellen stehen ein Spannungs- und Stromausgang sowie Modbus zur Verfügung. Zudem ermöglicht SPE mit Power over Dataline (PoDL) eine vereinfachte Anbindung an die Jumo Cloud und durchgängige Ethernet-Kommunikation von der Feld- bis zur Automatisationsebene.

flowTRANS MAG H20
flowTRANS MAG H20 (Bild: Jumo)

Der flowTRANS MAG H20 ist ein magnetisch-induktives Durchflussmessgerät für leitfähige Flüssigkeiten, etwa zur Dosierung von Zusatzstoffen in der Lebensmittelproduktion. Die Genauigkeit liegt bei +/- 0,5 % vom Messwert, ein zusätzlicher Temperatursensor ist bereits integriert. Durch sein Metallgehäuse und u. a. Tri-Clamp-Prozessverbindung in den Nennweiten von DN 06 bis DN 25 kann er in vielen Industrien eingesetzt werden.  Die Nenndrücke können bis PN 16 betragen und die Mediumtemperatur bis zu 90 °C. ein Cleaning in Place (CiP) ist möglich. Das HMI des Gerätes besteht aus einem TFT-Display, auf dem 2 Prozesswerte inkl. der Status- und Infomeldungen angezeigt werden. Über die Bluetooth-Schnittstelle und die smartCONNECT APP wird das Gerät lokal konfiguriert. Via SPE mit PoDL wird das Modbus TCP-Protokoll gefahren, das ermöglicht eine durchgängige IP-Kommunikation vom Sensor bis in das Automatisierungssystem. Eine weitere Variante ist mit einer IO-Link-Schnittstelle lieferbar.

Delos s02
Delos S02 (Bild: Jumo)

Der Druckmessumformer DELOS S02 wird zur Erfassung von Relativ- und Absolutdrücken in flüssigen und gasförmigen Medien eingesetzt. Die Messbereiche liegen zwischen 0,1 bis 60 bar rel. oder 0,4 bis 60 bar abs. Der Nachfolger für den aktuellen DELOS SI kann über Bluetooth/App oder IO-Link konfiguriert werden. Dank der Ethernet-fähigenSPE-Version und der Cloud-Anbindung findet er Anwendung in unterschiedlichsten Branchen (Lebensmittel und Getränke, Wasser und Abwasser, Heizungs- und Klimatechnik, Maschinen- und Anlagenbau, Prüfmittelbau und Labore).

Die Geschichte von Jumo in Kürze

Die 75-jährige Geschichte von Jumo beginnt mit einem Unternehmen, das sich neu erfindet. Die Ursprünge reichen zurück bis ins Jahr 1907, als Hermann Juchheim im thüringischen Ilmenau eine Glasthermometerfabrik gründet. Sein Sohn Moritz Kurt Juchheim wird 1910 geboren. Unter seiner Mitwirkung wird 1933 das erste Drehmomentkontaktthermometer entwickelt und patentiert.

Nach dem Zweiten Weltkrieg siedelt Moritz Kurt Juchheim 1947 von Thüringen nach Fulda um, ein Jahr später schlägt die Geburtsstunde der Marke Jumo (der Name steht für Juchheim Moritz). Schnell geht die Entwicklung von rein anzeigenden Thermometern zu Schaltapparaten. 1949 wird die erste eigene Dreherei eingerichtet, 1957 ein Konstruktionsbüro eröffnet. 1971 beginnt mit der Gründung der ersten Tochtergesellschaft in Belgien die Internationalisierung. 1989 wird die Produktionsfläche durch einen Neubau auf 51.000 Quadratmeter erhöht.

Firmengründer Moritz Kurt Juchheim, 1981 mit dem Bundesverdienstkreuz am Bande ausgezeichnet, stirbt 1996. Sein Sohn Bernhard und sein Enkel Michael Juchheim agieren heute als aktive Gesellschafter des Unternehmens.

Aus dem 6-Mann-Unternehmen ist aktuell eine global agierende Unternehmensgruppe mit Standorten in 24 Ländern und mehr als 2500 Mitarbeitern geworden. Gemäß dem Claim "More than Sensors and Automation" versteht sich Jumo inzwischen als Systemabieter für Automatisierungslösungen in neun Fokusbranchen, die vom Handling von Wasser/Abwasser über Thermoprozesstechnik und Erneuerbare Energien bis zu Lebensmitteln und Getränke reichen.

Die drei Sensoren mit SPE, die im Laufe dieses Jahres auf den Markt kommen werden, sind nur der Anfang. Zur Frage, ob diese Schnittstellen-Option auf das gesamte Sensor-Portfolio ausgeweitet wird, antwortet CEO Dimitrios Charisiadis mit einem knappen und klarem "Ja!"

Bei der SPE-Schnittstelle seiner Sensoren nutzt Jumo aufgrund einer strategischen Partnerschaft mit Phoenix Contact deren Stecker-"Gesicht". Allerdings sei man in dieser Hinsicht nicht dogmatisch, so Dirk Schmitt, Abteilungsleiter Software, und könne den Stecker bei Bedarf auch gegen andere Versionen, etwa jener von Harting tauschen. Auf die Frage, ob mit der direkten Sensor-Anbindung an die Cloud die klassische Steuerung etwa in Form einer SPS überflüssig wird, antwortet Schmitt eher zurückhaltend: "Wir verschließen uns einer Regelung aus der Cloud nicht, aber bis dorthin sei es noch ein langer Weg." So sei etwa die Netzverfügbarkeit ein Thema, das gegen eine reine Cloud-basierte Regelung spreche.

Sein Kollege Sebastian Dänner, Leitung Produktmanagement technisch, sieht noch einen weiteren Aspekt, der gegen einen schnellen Verzicht auf die SPS spricht: "Wenn ich direkt aus dem Netz auf Feldgeräte zugreifen kann, ergeben sich höhere Anforderungen an die Security". Jumo verfolgt ein Defence-in-Depth-Konzept, bei dem durch eine mehrschalige Absicherung ein hohes Schutzniveau erreicht wird.

Dementsprechend ergänzt Jumo die neuen Sensoren auch mit einer hoch integrierten Steuerung. Die variTRON 500 touch bringt nicht nur ein berührungsempfindliches Display in den Formaten 7 oder 10,1 Zoll mit, sondern auch einen Datenlogger und ein Edge Gateway für die Cloud Integration. Jumo sieht das variTRON 500 touch unter anderem als Entwicklungswerkzeug, auf dem die Code-Generierung via Codesys oder Node-Red erfolgen kann und das eine "wichtige Rolle zwischen dem Sensor und der Scada-Ebene einnehmen kann", so Produktmanager Michael Wiener.

Nichtsdestotrotz sieht Jumo in einer möglichst schnellen und einfachen Anbindung der Sensoren via SPE an die Cloud klare Vorteile für seine Kunden. Laut Nico Müller, Product manager for IoT platforms bei Jumo, reduziert sich bei einer Cloud-Anbindung via SPE die Zahl der notwendigen Arbeitsschritte von 10 auf nur noch 5. Ein derzeit in Entwicklung befindlicher Software-Wizard soll die Inbetriebnahmen in Kürze noch schneller und effizienter machen.

Gute Zahlen 2022 und ein Neubau 2023

Will den guten Lauf für Jumo bei der Geschäftsentwicklung auch 2023 fortsetzen: CEO Dimitrios Charisiadis (Bild: IEE / P. Koller)

Erfreuliche Zahlen für das Geschäftsjahr 2022 konnte CEO Dimitrios Charisiadis verkünden. So sei der Umsatz um neun Prozent auf nun 307 Mio. Euro gestiegen. In den vergangenen 10 Jahren konnte das Unternehmen ein Wachstum um 50 % realisieren. Charisiadis: "Es geht jetzt richtig ab!". Der klare Fokus auf einzelne Kernbranchen und eine strategische Entwicklung zum Systemanbieter zahlten sich immer stärker aus. "Gleichzeitig erschließen wir uns durch innovative Cloud- und Automatisierungslösungen immer neue Märkte“, ergänzt COO Dr. Steffen Hoßfeld.

Weiter Kennzahlen für 2022:

  • Ende 2022 hatte Jumo weltweit 2.530 Mitarbeiter
  • Die Exportquote des Unternehmens blieb stabil bei 54 %.
  • Wweltweit wurden Investitionen in Höhe von rund 18 Millionen Euro in Maschinen, Anlagen und Werkzeuge getätigt.

Für Probleme sorgte allerdings die Versorgungssituation bei Halbleiter-Bauteilen: So seien die Preise für Bauelemente im Vergleich zu Vor-Corona-Zeiten im Durchschnitt um den Faktor 20 gestiegen. Für Redesigns mussten 2022 12 Personenjahre aufgewendet werden, was Kosten von 2,5 Millionen Euro entspricht.

Für 2023 plant Jumo eine Umsatzsteigerung von 11 % auf dann 340 Millionen Euro. Der Blick in die aktuell gut gefüllten Auftragsbücher rechtfertige laut Steffen Hoßfeld diesen positiven Ausblick. In diesem Jahr fällt in Kürze auch der Startschuss für den Neubau eines zusätzlichen Produktionsstandortes im Westen von Fulda. Errichtet wird ein Werk für die Fertigung von Temperatur- und Drucksensoren mit einer Produktionsfläche von 13.000 Quadratmetern. Diese Produktbereiche sind zuletzt überdurchschnittlich stark gewachsen. Das Werk mit dem Namen Sensilo soll durch Geothermieheizung, Abwärmenutzung und Wärmespeicherung sowie einer Stromversorgung durch Photovoltaik weit gehen unabhängig von einer externen Energieversorgung produzieren können.

Der Autor: Peter Koller

Peter Koller
(Bild: Hüthig)

Gelernter Politik-Journalist, heute News-Junkie, Robotik-Afficionado und Nerd-Versteher. Peter Koller liebt den Technik-Journalismus, weil es das einzige Themengebiet ist, wo wirklich ständig neue Dinge passieren. Treibstoff: Milchschaum mit Koffein, der ihn bei seiner neuen Aufgabe als Chefredakteur der IEE unterstützt.

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