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Von der Energietechnik in die Industrie: DNP3 kommt auch immer häufiger in Wasser/Abwasser oder Öl-&-Gas-Anlagen zum Einsatz. Phoenix Contact

Das Distributed Network Protocol (DNP3) dient dem Datenaustausch zwischen einzelnen IED (Intelligent Electronical Device) oder RTU (Remote Terminal Unit) und einem Scada-System (Supervisory Control And Data Acquisition). Mittlerweile hat DNP3 auch seinen eigenen Standard: den IEEE 1815.

Während seiner Entwicklung fand der Standard vornehmlich im Energiesektor Anwendung und wurde daher für diese Branche speziell angepasst. Heute wird DNP3 darüber hinaus im Bereich Wasser/Abwasser genutzt. Das Distributed Network Protocol ist in Nord-, Mittel, und Südamerika sowie in Großbritannien, Südafrika und Australien weit verbreitet. Die beiden aktuellen IEC-60870-5-Protokolle -101 für die serielle Kommunikation und -104 zur Übertragung von Ethernet-Daten kommen hingegen in fast allen europäischen Ländern sowie in den Vereinigten Arabischen Emiraten zum Einsatz. Im Rest der Welt werden die drei Protokolle parallel verwendet, je nach den vom Anwender präferierten Funktionen.

Technik im Detail

Wie DNP3 entstand

In den 1990er Jahren begann die IEC (International Electrotechnical Commission) mit der Entwicklung der IEC 60870-5 als allgemeiner, offener Kommunikationsstandard für die industrielle Automation in den Bereichen der Infrastruktur. Das Unternehmen Westronic startete die parallele Entwicklung eines individuellen Standards, da die IEC-Spezifikationen nach Meinung des Unternehmens zu viele Optionen zuließen, was einer Interoperabilität entgegen stand.  DNP3 war geboren.

1995 wurde die IEC 60870-5-101 dann standardisiert. Gleichzeitig konzipierte das EPRI (Electrical Power Research Institute) die UCA (Utility Communication Architecture), die in der Version 2.0 im Jahr 1998 zum IEEE-Standard wurde. Daraufhin entschied sich Westronic zur Gründung einer unabhängigen Nutzergruppe sowie zur Veröffentlichung von DNP3 als offenes Protokoll. Damit eine möglichst große Akzeptanz bei den Anwendern erlangt wird, betrachtete die Nutzergruppe mehr als 100 unterschiedliche Protokolle und integrierte deren beste Funktionen in DNP3. Dazu gehörte auch UCA 2.0. Teile dieser Spezifikation sind ebenfalls in DNP3 eingeflossen.

Ursprünglich lautete der Name des offenen Fernwirk-Protokolls DNP V3.00. Später vereinbarten die Mitglieder der Nutzergruppe, das Erscheinungsjahr neuer Versionen mit in den Protokollnamen aufzunehmen. Aus DNP V3.0 wurde somit DNP3-2012. Auch weil es zukünftig keine Version 3.1 oder 4.0 mehr geben sollte. Der Name DNP3 bleibt also als fester Begriff bestehen.

Daten in drei Schichten

DNP3 verfügt über zahlreiche Eigenschaften, die andere Fernwirk-Protokolle nicht in dieser Kombination unterstützen. Dazu gehört, das Abbilden der Daten auf drei verschiedenen Schichten: der Link-, Transport- und Applikationsschicht. Diese Schichten überprüfen die Korrektheit der eintreffenden Daten anhand unterschiedlicher Parameter wie etwas der Sequenznummer oder dem First(FIR)- und Final(FIN)-Bit. In der Link-Schicht werden die Daten über den CRC-Mechanismus (Cyclic Redundancy Check) mit einer Prüfsumme gesichert, anschließend aus den jeweiligen Schichten extrahiert und zusammen an die nächsthöhere Schicht weitergegeben. Die Applikationsschicht sammelt die Daten nun so lange, bis sie einen vollständigen Datensatz auf der Applikationsebene zusammengesetzt hat. Nach weiteren Analysen werden die Nutzdaten aus diesem Satz entnommen und an die einzelnen Objekte weitergeleitet.

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Über DNP3 lassen sich Geräte sowohl seriell als auch via TCP/IP oder UDP/IP an die Leitwarte ankoppeln. Phoenix Contact

Datenpunkte über Klassen-Register priorisieren

Im Gegensatz zu den Protokollen gemäß IEC 60870-5 macht DNP3 keinen Unterschied zwischen seriellen und Ethernet-basierten Netzwerken. Nachdem der Fernwirk-Standard zuerst nur im Bereich der seriellen Datenübertragung genutzt wurde, ist die Spezifikation nachträglich so erweitert worden, dass Anwendungen jetzt außerdem via TCP/IP oder UDP/IP kommunizieren können. Auf diese Weise lassen sich Teilnehmer nachträglich – beispielsweise über GPRS – in ein bestehendes serielles Netzwerk einbinden. Ein anderer Unterschied zu den IEC60870-5-Protokollen liegt darin, dass der Master jetzt auch jeden Datenpunkt abfragen kann. Anders als bei einem Kommando-Objekt nach IEC 60870-5-104, das lediglich Kommandos des Masters ausführt, lässt sich ein Kommando-Objekt gemäß IEEE 1815 ebenfalls direkt über seine Kennung auslesen. So müssen die Daten des Kommando-Objekts nicht über zusätzliche Monitor-Objekte abgebildet werden.

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Treten in einer DNP3-Unterstation Events auf, können diese je nach Parametrierung und Funktionsumfang der Unterstation sofort an den Master weitergeleitet werden. Phoenix Contact

In DNP3 ist es möglich, die verwendeten Objekte den Klassen 0 bis 3 zuzuordnen. Klasse 0 enthält sämtliche statischen Objekte. Sie erzeugen keine Events und übertragen ihre Daten somit in der Regel ohne Zeitstempel. Die restlichen Objekte fallen normalerweise in die Klassen 1 bis 3, bei denen es sich um Event-Klassen handelt. Treten Events auf, können diese je nach Parametrierung und Funktionsumfang der Unterstation sofort an den Master weitergeleitet werden. Andernfalls lassen sie sich mit oder ohne Zeitstempel in Register speichern. Werden die Event-Daten eigenständig versendet, bezeichnet DNP3 dies als ‚Unsolicited Response‘. Die verschiedenen Klassen-Register fragt der Master dann in zeitlich unterschiedlichen Abständen ab. Die einzelnen Zeitintervalle bieten dem Anlagenbetreiber die Möglichkeit, die Datenpunkte zu priorisieren. Durch die bevorzugte Kommunikation und den Einsatz von Unsolicited Response lässt sich eine Unterstation gezielt für die Leistungsfähigkeit des jeweiligen Netzwerks konfigurieren.

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Die neue Funktionsbaustein-Bibliothek implementiert das DNP3-Protokoll auf sämtliche Steuerungen von Phoenix Contact. Phoenix Contact

Befehle erst nach Authentisierung des Masters ausführen

Eine andere Besonderheit von DNP3 besteht darin, dass das Protokoll eine sichere Authentifizierung erlaubt, die konform zur IEC 62351-5 ist, dem Security-Standard für die Datenkommunikation von Energieanlagen. Durch diese Eigenschaft werden die empfangenen Befehle nicht direkt von der Außenstation ausgeführt. Die Unterstation fordert zunächst eine Authentifizierung des Masters an, wobei verschiedene Schlüssel zur Anwendung kommen. Aufgrund der unterschiedlichen Schlüssel kann die Unterstation die Anzahl und den Zeitpunkt aller Zugriffe der beteiligten Master genau protokollieren. Damit die Schlüssel im Laufe der Zeit nicht kopiert werden können, werden sie regelmäßig erneuert.

Technik im Detail

Funktionsbaustein-Bibliothek ResyDnp3

Das Fernwirk-Protokoll DNP3 bietet neben den üblichen Funktionen eine Erweiterungsmöglichkeit für proprietäre, also herstellerspezifische Funktionen. DNP3 unterscheidet dabei nach verschiedenen Datenpunkttypen, beispielsweise analogen Eingängen, Zählern oder sogenannte CROBs (Control Relais Output Block). Die Funktionsbaustein-Bibliothek ResyDnp3 von Phoenix Contact unterstützt sämtliche Datentypen und Funktionen gemäß Implementation Level 2 sowie einzelne Objekte gemäß Implementation Level 4. Die einzelnen Levels sind in der IEE 1815 spezifiziert und geben den minimalen Funktionsumfang an, den Master und Slave (Leitsystem und Außenstation) unterstützen müssen. Level 1 beschreibt den minimalen Funktionsumfang von Master und einem IEDs. In Level 2 wird der minimale Funktionsumfang von Master und großen IEDs und kleiner Außenstationen beschrieben. Level 3: Hierbei handelt es sich um den Funktionsumfang, den Master und sehr komplexe Außenstationen unterstützen müssen. Unter Level 4 fallen sämtliche zusätzliche Funktionen, die in den anderen Level noch nicht beschrieben wurden.

Ergänzend zu den Standard-Objekten mit und ohne Zeitstempel stellt die Bibliothek die Funktion Unsolicited Response zur Verfügung. Damit werden einzelne oder alle Objekte in die Lage versetzt, Event-Daten ohne gezielte Abfrage des Leitsystems von sich aus zu übertragen. Aufgrund ihrer Parametrierung lassen sich die Objekte in Klassen einteilen, sodass Prioritäten für einzelne Datenpunkte festgelegt werden können. Dies wird durch die Verwendung unterschiedlicher Generalabfragen des Leitsystems umgesetzt. Auf diese Weise lässt sich die Netzwerklast kontrolliert niedrig halten und sämtliche Alarmnachrichten erreichen dennoch weiterhin schnellstmöglich ihr Ziel. Der Zustand des restlichen Systems wird zu einem unkritischen Zeitpunkt abgefragt.

Das Protokoll IEC 61850 wird in den Bereichen Energie und Wasser zukünftig die vorhandenen Protokolle (zum Beispiel Modbus) auf der Feldebene ablösen. Für die Kommunikation zum Leitsystem kommen aber weiterhin Fernwirk-Protokolle wie DNP3 zum Einsatz. Um einen standardisierten Weg zu schaffen, beide Protokolle miteinander zu verbinden, wurde die IEEE 1815.1 geschaffen. Die Ergänzung der IEEE 1815 beschreibt die Zuordnung von DNP3-Master und IEC-61850-Server sowie von IEC-61850-Client und DNP3-Unterstationen.

Mit der Funktionsbaustein-Bibliothek ResyDnp3 wird die Produktfamilie Resy+ von Phoenix Contact um das Fernwirk-Protokoll DNP3 erweitert, das der IEEE 1815 entspricht. Mit der Bibliothek können Anlagenbauer und Systemintegratoren ihr vorhandenes Portfolio einfach um den DNP3-Standard ergänzen und sich so zusätzliche Märkte erschließen. Da eine standardisierte Funktionsbaustein-Bibliothek verwendet wird, müssen sie keine neue Technologie erlernen.

Eike Wedekind

ist Mitarbeiter im Global Industry Management Infrastructure bei der Phoenix Contact Electronics GmbH in Bad Pyrmont.

(mf)

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Phoenix Contact Electronics GmbH

Dringenauer Str. 30
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