Michael Geiger ist seit dem 1. September 2025 neuer Chief Solutions & Business Design Officer (CSO) bei Sym . Nach über 15 Jahren bei der TQ-Group, wo er den Bereich Innovation & IP leitete, hat er sich bewusst für den Wechsel zu Sym entschieden. Ihn reizt die Möglichkeit, in einem offenen Umfeld Zukunftsthemen aktiv mitzugestalten. Bei Sym verantwortet Geiger den Aufbau und die Weiterentwicklung von Ecosystemen, insbesondere das Symtronics-Ecosystem, das Unternehmen der Elektronikbranche vernetzt.
Im Gespräch erläutert Geiger, warum Skalierbarkeit, Vertrauen und Vielfalt die Basis erfolgreicher Ecosysteme sind. Er spricht über das Beyond Economy Festival am 29. Oktober 2025 in München, das als Plattform für neue Impulse in der Elektronikbranche dient. Außerdem erklärt er, warum Fortschritt weniger von Regulierung als von Mut und Geisteshaltung abhängt.
Herr Geiger, Sie sind neu als CSO bei Sym – welche konkreten Schritte planen Sie in den nächsten zwölf Monaten für Sym beziehungsweise im Speziellen das Symtronics Ecosystem?
Symtronics ist unser Flaggschiff mit dem wir bereits viel Erfahrung gesammelt haben. Der Fokus wird darauf liegen, die Skalierbarkeit des Aufbaus von Ecosystemen herzustellen – genau dafür ist Symtronics die Blaupause. Das gesammelte Wissen gilt es nun zu sortieren und in die operative Neuausrichtung von Sym einfließen zu lassen. Ecosysteme leben von den Menschen, die an ihnen teilhaben und den gemeinsamen Aktivitäten. Symtronics hat bereits viele tolle Erfolgsgeschichten. Dazu gehören beispielsweise recyceltes Zinn um die Rohstoffunabhängigkeit europäischer Elektronikunternehmen zu erhöhen, eine Leiterplatte aus nachwachsenden Rohstoffen, was die Rückgewinnung von den verwendeten Rohstoffen wie dem enthaltenen Kupfer ermöglicht oder ein Prozess zur Trennung der elektronischen Bauteile von der Leiterplatte. Wir werden in den nächsten Monaten weitere Initiativen wie diese identifizieren und sie auf den Weg bringen. Übrigens sind wir offen, auch Impulse von außen aufzunehmen. Jeder der konkrete Projektideen hat und Partner für die Umsetzung sucht kann sich gerne an uns wenden.
Parallel zu diesen Aktivitäten bauen wir ein weiteres Ecosystem am Vorbild Symtronics aber mit anderem Fokus auf. Es ist zwar noch zu früh, um detailliert darüber zu sprechen, aber so viel kann ich verraten: Es ist ein wichtiger Baustein, von dem auch andere Ecosysteme wie beispielsweise Symtronics profitieren werden. Womit sich dieses Ecosystem konkret beschäftigt werden wir am 29.10.2025 beim diesjährigen beyond economy Festival enthüllen.
Die Elektronikindustrie auf dem Beyond Economy Festival 2025
Im Rahmen des Beyond Economy Festivals am 29. Oktober 2025 in München steht die Elektronikbranche mit beyond electronics und dem Themenblock „Symtronics | Lebendiges Beispiel für die Transformation einer Branche“ im Mittelpunkt. Von 13:00 bis 16:30 Uhr zeigen Michael Geiger und Merlin Reingruber, wie sich eine ganze Industrie durch Kooperation, Kreislaufdesign und digitale Prozesse neu erfindet. Das Programm reicht von der „Digitalen Symbiose“ – wo Einkauf, Fertigung und Reporting zu einem durchgängigen digitalen Prozess verschmelzen – bis hin zu Best-Practice-Beispielen mittelständischer Unternehmen, die durch Zusammenarbeit neue Wachstumschancen erschließen.
Unter dem Motto „Ecosysteme als Wachstumstreiber“ berichten Vertreter von Feinhütte Halsbrücke, Multivative und Mayerhofer, wie Kooperation im Alltag funktioniert und welche Potenziale sich daraus ergeben. Im anschließenden Deep Dive können Teilnehmer direkt mit den Referenten in den Austausch treten, eigene Herausforderungen einbringen und gemeinsame Projekte anstoßen.
Die Teilnehmerzahl für diesen Elektronik-Schwerpunkt ist begrenzt. Wer Interesse an einem der begehrten Plätze hat, kann sich per E-Mail auch an redaktion@all-electronics.de wenden.
Warum haben Sie sich nach vielen Jahren bei der TQ-Group entschieden, zu Sym zu wechseln?
Für mich persönlich ist das Engagement bei Sym eine tolle Chance gemeinsam mit einem tollen Team etwas mitzugestalten, was unser Leben und das Wirtschaftssystem in Zukunft verändern und bereichern wird. Die Ecosysteme und Aktivtäten von Sym tragen dazu bei die Vielfalt in der Unternehmenslandschaft zu schützen und auszubauen. Ich habe mich viele Jahre mit Innovationsmanagement im Allgemeinen und im Mittelstand im Besonderen beschäftigt. Deshalb weiß ich wie wichtig diese Vielfalt für die Innovationsfähigkeit einer Gesellschaft und auch eines Unternehmens ist. Ein Beispiel aus der Natur das die Wichtigkeit von Vielfalt ebenso unterstreicht: Mischwälder sind resilienter als Monowälder. Die Menschen bei Sym stellen nicht die Frage nach Abgrenzung, sondern danach, was Menschen verbindet und wie man daraus etwas großartiges machen kann. Gerade in den aktuellen Zeiten ist das etwas, was unserer Gesellschaft gut tut.
Veränderung ist kein Risiko, wenn man sie gestaltet.
Michael Geiger, CSO, Sym
Wo sehen Sie aktuell die größten Schwachstellen der deutschen Elektronikindustrie, und wie wollen Sie diese im Rahmen von Sym adressieren?
Die Auswirkungen der Corona-Pandemie haben die Abhängigkeit der europäischen Elektronikindustrie von außereuropäischen Lieferketten und die geringe eigene Wertschöpfung deutlich gemacht. Besonders im Rohstoffbereich ist Europa auf Importe angewiesen – Recycling kann hier zur Unabhängigkeit und Standortsicherung beitragen. Ein Risiko ist auch, dass sich viele Unternehmen stark auf ihr eigene und die direkt angrenzenden Wertschöpfungsstufen fokussieren - insbesondere im Krisenmodus. Dadurch geht schnell der Blick für vor- und nachgelagerte Wertschöpfungsstufen und somit für Veränderungen verloren, die einen früher oder später selbst betreffen werden. Die Zusammenarbeit in Ecosystemen wie Symtronics fördert das Verständnis für die gesamte Wertschöpfungskette und stärken durch Kooperation die Kreativität und letztlich die Wettbewerbsfähigkeit. Eine breitere industrielle Basis macht die Wirtschaft zudem resilienter gegenüber Krisen - auch hier ähnlich den Mischwäldern. Durch den Aufbau von Ecosystemen helfen wir bei Sym also, die Diversität in der wirtschaftlichen Landschaft zu erhalten, neu aufzubauen und auszubauen.
Inwiefern können kleine und mittelständische Elektronikunternehmen von einer Mitarbeit im Symtronics-Ecosystem profitieren?
In einer Studie von in4ma wurde kürzlich ermittelt, dass insbesondere Unternehmen der Elektronikindustrie mit einem Umsatzvolumen von kleiner 50 Mio. EUR aufgrund der aktuellen wirtschaftlichen Situation besonders von Umsatzrückgängen betroffen sind. Die Gründe hierfür sind sicherlich vielfältig. In einem Ecosystem könnten derartige Entwicklungen abgefedert werden. Konkret bedeutet das: Die Mitglieder von Symtronics profitieren von der Diversität des Ecosystems. Der Wegfall einzelner Kunden - der gegebenenfalls ein allein kämpfendes kleineres Unternehmen in finanzielle Schieflage bringen kann - kann durch das Ecosystem aufgefangen werden. Es können Skaleneffekte auf verschiedenen Ebenen (beispielsweise in Vertrieb, Einkauf, Logistik usw.) realisiert werden und die Mitglieder können gemeinsam größere Aufträge abwickeln, die sie alleine aufgrund mangelnder Liquidität, Know-how oder Kapazitäten nicht abwickeln könnten. So profitieren alle die aktiv am Ecosystem mitwirken und können gemeinsam wachsen.
Welche Standards oder Strukturen wollen Sie schaffen, um Kooperationen innerhalb der Wertschöpfungskette – vom Materiallieferanten bis zum OEM – zu erleichtern?
Wir setzen auf Vertrauen und partnerschaftliche Zusammenarbeit entlang der gesamten Wertschöpfungskette statt auf ressourcenintensiven Wettbewerb. Als Betreiber des Ecosystems übernimmt Sym eine zentrale Rolle: Wir koordinieren die Aktivitäten im Ecosystem, moderieren neutral und sorgen mit klaren Fairnessprinzipien für echten Mehrwert – für alle Beteiligten, vom Materiallieferanten bis zum OEM. Um Ihnen eines von vielen konkreten Beispielen zu geben: Wir arbeiten an der Standardisierung von Prozessen und Schnittstellen, beispielsweise in der Administration. So schaffen wir unter anderem Strukturen, die den Aufwand für die Vermarktung der Lösungen für alle Beteiligten reduzieren. Unsere technische Infrastruktur funktioniert dabei wie ein Betriebssystem für Unternehmen und Ecosysteme: Sie bildet zentrale Abläufe und Verfahren ab und macht Zusammenarbeit einfach, nachvollziehbar und skalierbar. Und wir setzen auf starke Vernetzung: Im Ecosystem können Mitglieder ihre Vorhaben sichtbar machen, gezielt Mitwirkende suchen – oder sich selbst auf Projekte bewerben, die zu ihren Kompetenzen passen. Dadurch entsteht Zusammenarbeit, eingespielte Teams und somit gegenseitiges Vertrauen, was wiederum die Zusammenarbeit vereinfacht.
Die Zusammenarbeit in Ecosystemen wie Symtronics fördert das Verständnis für die gesamte Wertschöpfungskette und stärkt durch Kooperation die Kreativität und letztlich die Wettbewerbsfähigkeit.
Michael Geiger, CSO, Sym
Welche politischen oder regulatorischen Rahmenbedingungen müssten sich ändern, damit die Ziele von Sym für die Elektronikindustrie realistisch umsetzbar sind?
Natürlich gibt es immer Dinge, die man vereinfachen oder verbessern kann. Gerade kleinere Firmen haben oftmals die Herausforderung, die regulatorischen Anforderungen umzusetzen, da diese Personal erfordern, das dann wiederum nicht für wertschöpfende Tätigkeiten eingesetzt werden kann. Wir werden hier Wege finden, um gemeinsam für Entlastung zu sorgen. Entscheidend ist für uns aber weniger der äußere politische und regulatorische Rahmen als die innere Haltung: Fortschritt entsteht durch Geisteshaltung – durch Pragmatismus, Zusammenarbeit und den Willen zur Veränderung. Abhängig davon mit wem wir sprechen, erfahren wir ein Festhalten an Bestehendem. Die Veränderung gelingt am besten, wenn alle am gleichen Strang ziehen. Ein gutes Beispiel hierfür ist eine kleine Gemeinde mit knapp 4.000 Einwohnern, die durch Wind- und Solar-Strom inzwischen vollkommen energieautark ist und Einnahmenüberschüsse generiert. Das, was ein kleiner Ort in ländlichem Raum in Bayern schafft, können auch andere schaffen - gemeinsam. Die Bewohner sind übrigens Miteigentümer der Anlagen und damit auch ins finanzielle Risiko gegangen. Diese Geisteshaltung und diesen Mut zur Veränderung, benötigen wir in unserer Gesellschaft, um den Wandel zu gestalten und nicht nur zuzuschauen wie er passiert. Eine Aussage von Roland Löscher in unserem Podcast hierzu fand ich sehr spannend: "Wer - in einer Zeit, in der sich alles verändert - bleiben möchte, wo er ist, befindet sich am unsichersten Ort, den es gibt. Die Sicherheit besteht darin ins Unsichere zu gehen." Und wir bei Sym und Symtronics zeigen, dass Veränderung nicht schlimm ist, solange man sie selbst gestaltet. Was es jetzt braucht, ist ein Klima, das Ideenreichtum, Mut, unternehmerisches Denken und Zusammenarbeit fördert – und bürokratische aber insbesondere mentale Hürden abbaut. So kann mehr Menschen der Schritt zur Gründung oder zur Umsetzung ihrer Ideen gelingen – und wir gemeinsam die Zukunft unserer Gesellschaft aktiv gestalten. Bis letztlich auf politischer Ebene Rahmenbedingungen geändert werden, arbeiten wir daran ein Umfeld zu schaffen, in dem die hier existenten Hürden eine geringere Rolle spielen.
Sym richtet das beyond economy Festival aus – welche Impulse möchte das Ökosystem dort speziell für die Elektronikbranche setzen?
Das beyond economy Festival am 29.10.2025 ist eine wichtige Veranstaltung für alle, die den Wandel mitgestalten möchten und natürlich Sym selbst. Dort werden wir zeigen, wie die Veränderung durch Zusammenarbeit im Ecosystem funktioniert. In kleinen und in größeren Schritten. Deshalb geben wir in einem exklusiven Rahmen Einblick in die Erfolgsgeschichten. Wir zeigen auch den Weg, den Mitglieder von Symtronics bislang gegangen sind, um anderen Mut zu machen selbst loszulaufen und diesen Weg mit uns gemeinsam zugehen. Beispielsweise wird die Digitalisierungs-Reise eines mittelständischen EMS-Unternehmens von Einkauf über Fertigung bis hin zum Reporting thematisiert. Wir zeigen außerdem, wie konkret verschiedene Firmen aus dem Ecosystem zusammenarbeiten, welche Projekte daraus entstanden sind und welche Erkenntnisse diese Firmen daraus mitgenommen haben. Und wir werden im Rahmen eines Panels Impulse geben, wie die Wettbewerbsfähigkeit deutscher Firmen in der Elektronikindustrie erhöht werden kann. Übrigens ermöglichen wir einen intensiven Austausch mit den Rednern zu allen Vortragsthemen. So hat jeder Teilnehmer die Möglichkeit ganz konkret in den Austausch zu seinen alltäglichen Themen zu gehen. Jeder Besucher bekommt dadurch einen Vorgeschmack darauf, wie es sich anfühlt, Teil eines Ecosystems zu sein, in dem nicht gegeneinander, sondern füreinander ein essentieller Wert ist.
Was möchten Sie Unternehmen der Elektronikindustrie, die noch zögern, mit auf den Weg geben – warum sollten sie sich jetzt aktiv beteiligen?
Wir haben alle schon unzählige Veränderungen erlebt. Vom Kindergarten in die Schule, bei Versetzung ggf. in eine andere Schule, nach der Schule zum Studium oder zur Ausbildung, neuer Wohnort, neues Umfeld und viele andere. Wir wissen also eigentlich, dass es auch nach der Veränderung weiter geht und dass das, was kommt, durchaus positiv sein kann. Um bei dem Zitat von Roland Löscher zu bleiben: In den vergangenen Jahren gab es genug Beispiele und Belege dafür, dass es nicht sicherer ist, am gleichen Ort zu bleiben an dem man schon ist und so weiterzumachen wie bisher. Beispiele, die gezeigt haben, dass Veränderung dringend notwendig ist, um weiterhin eine Relevanz im Markt zu haben. Es muss auch nicht gleich eine Mitgliedschaft in einem Ecosystem sein. Es kann auch damit beginnen, gemeinsam an Themen zu arbeiten.
Ich lade also alle herzlich dazu ein, mit uns gemeinsam die Veränderung zu gestalten. Mutig vorauszudenken und vorauszugehen. Und wenn es nur der Mut ist, mit uns bei Sym in Kontakt zu treten und die Herausforderungen zu teilen - wer weiß? Im "schlimmsten" Fall finden wir vielleicht gemeinsam eine Lösung. Wir freuen uns über jeden, der seinen Beitrag zur Veränderung leisten möchte und offen ist, gemeinsam etwas tolles aufzubauen.