Interview zu KPITs-Strategie für autonomes Fahren

„Europa ist unser Maßstab für Sicherheit“

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Die KPIT-Experten Gaurav Kakati, CTO – AI, KPIT (l.) und Sachin Tikekar, Joint Managing Director, Co-Founder & Board Member, KPIT diskutieren im Interview über KI-Architektur, Governance und Cyber-Resilienz in der Automobilindustrie.

KPIT-CTO – KI Gaurav Kakati und Joint Managing Director, Mitbegründer und Vorstandsmitglied Sachin Tikekar über Architekturentwürfe, KI-Governance und Cyber-Resilienz

Die Automobilindustrie befindet sich in einem grundlegenden Wandel, der durch exponentielles Datenwachstum, die Komplexität von KI-Systemen und die Notwendigkeit, strenge Sicherheits- und Cybersicherheitsstandards zu erfüllen, vorangetrieben wird. AUTOMOBIL-ELEKTRONIK sprachen mit Gaurav Kakati, CTO – KI von KPIT, und Sachin Tikekar, Geschäftsführer von KPIT, über ihren strategischen Fokus auf autonomes Fahren (AD) und fortschrittliche Fahrerassistenzsysteme (ADAS) – und warum Europa ihr entscheidender Testmarkt ist. 

Herr Tikekar, die Zunahme des Datenvolumens und die zunehmende Komplexität der Software erfordern eine grundlegende Neugestaltung der Fahrzeugarchitektur. Wie reagiert KPIT auf diese Datenexplosion, und wie sieht Ihrer Meinung nach der Fahrplan für ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Kosten und Innovation aus? 

Sachin Tikekar: Die Automobilindustrie tritt in eine Phase ein, in der Daten der neue Rohstoff sind. Fahrzeuge generieren täglich Terabytes an Informationen, die Bereiche wie ADAS, Infotainment und Konnektivität abdecken. Herkömmliche verteilte Architekturen können dieses Volumen nicht mehr bewältigen, ohne dass die Kosten in die Höhe schnellen.

Unsere Roadmap sieht einen Übergang von einer verteilten zu einer domänenbasierten Architektur und schließlich zu einem Zonenmodell vor, das von einem zentralisierten Hochleistungsrechnersystem (HPC) unterstützt wird. Dieser Ansatz ermöglicht eine Vorverarbeitung und Datenaggregation näher an der Quelle, wodurch Netzwerküberlastungen effektiv reduziert werden. Middleware und Abstraktionsschichten harmonisieren verschiedene Software-Stacks, um Redundanzen zu vermeiden. Wir befinden uns derzeit in der Phase der zentralisierten Architektur, weshalb wir den Automotive Smartcore entwickeln.

Save the date: 30. Automobil-Elektronik Kongress

Save the Date! Der AUTOMOBIL-ELEKTRONIK Kongress findet 2026 am 16. und 17. Juni statt.
Save the Date! Der AUTOMOBIL-ELEKTRONIK Kongress findet 2026 am 16. und 17. Juni statt.

Am 16. und 17. Juni 2026 findet zum 30. Mal der Internationale Automobil-Elektronik Kongress (AEK) statt. Dieser Netzwerkkongress ist bereits seit vielen Jahren der Treffpunkt für die Top-Entscheider der Elektro-/Elektronik-Branche und bringt nun zusätzlich die Automotive-Verantwortlichen und die relevanten High-Level-Manager der Tech-Industrie zusammen, um gemeinsam das ganzheitliche Kundenerlebnis zu ermöglichen, das für die Fahrzeuge der Zukunft benötigt wird. Trotz dieser stark zunehmenden Internationalisierung wird der Automobil-Elektronik Kongress von den Teilnehmern immer noch als eine Art "automobiles Familientreffen" bezeichnet.

Sichern Sie sich Ihr(e) Konferenzticket(s) für den 30. Automobil-Elektronik Kongress (AEK) im Jahr 2026! Folgen Sie außerdem dem LinkedIn-Kanal des AEK und #AEK_live.

Im Channel zum Automobil-Elektronik Kongress finden Sie Rück- und Vorberichterstattungen sowie relevanten Themen rund um die Veranstaltung.

Um Kosten und Innovation in Einklang zu bringen, sind vorab getätigte Investitionen in Softwareplattformen erforderlich, aber wir messen die Rendite anhand von Einsparungen über den gesamten Lebenszyklus, beschleunigten Innovationszyklen und einer schnelleren Monetarisierung von Fahrzeugdaten. 

Herr Kakati, das EU-KI-Gesetz stuft Mobilitätsanwendungen als risikoreich ein. Wie gehen Sie mit diesem risikobasierten Rahmen um und gewährleisten Transparenz und menschliche Kontrolle bei KI-gesteuerten Funktionen?

Gaurav Kakati: Wir sehen die Einstufung von Mobilitätsanwendungen als risikoreich im Rahmen des EU-KI-Gesetzes nicht als Einschränkung, sondern als Chance, vertrauenswürdige KI-Ökosysteme aufzubauen. Gerade bei autonomen Fahrsystemen sind die Sicherheitsauswirkungen enorm, weshalb wir einen ganzheitlichen Governance-Ansatz verfolgen. Dazu gehört die kontinuierliche Lebenszyklusüberwachung unserer Systeme mithilfe von Simulationen, um das Verhalten der KI fortlaufend zu validieren. Außerdem setzen wir auf erklärbare KI-Methoden (XAI), die algorithmische Entscheidungen für Ingenieure, Regulierungsbehörden und Verbraucher nachvollziehbar machen. Gleichzeitig stellen Human-in-the-Loop-Kontrollen sicher, dass die letztendliche Verantwortung immer beim Menschen bleibt und kritische Entscheidungen nicht automatisiert getroffen werden. Intern verwenden wir darüber hinaus sogenannte ‚Guardrails‘, um Daten sowohl am Eingangs- als auch am Ausgangsende von KI-Systemen zu kontrollieren. So stellen wir sicher, dass sämtliche Antworten und Ergebnisse den geltenden Compliance-Anforderungen entsprechen und Transparenz, Sicherheit sowie Vertrauen in unsere KI-Lösungen gewährleistet sind.

A futuristic concept vehicle positioned at the center, with a transparent, sleek body revealing a glowing, multi-layered core inside — symbolizing the Smartcore Reference Architecture. From the core, dynamic streams of digital data, AI neural network patterns, and luminous shield-like motifs radiate outward, representing intelligence, connectivity, and cybersecurity. The background features a stylized, glowing map of Europe, subtly illuminated with blue and white light, emphasizing Europe’s leadership in automotive safety and regulation. The overall mood is high-tech, visionary, and clean, with a cool color palette (blue, green, purple , white) and soft glows, reflections, and depth of field to create a premium, futuristic feel.
KPIT setzt bei der Entwicklung autonomer Fahrfunktionen auf eine sichere, KI-gestützte Fahrzeugarchitektur mit europäischem Sicherheitsmaßstab. Zentrale High-Performance-Rechner, erklärbare KI und integrierte Cyber-Resilienz bilden das Fundament der nächsten Generation softwaredefinierter Fahrzeuge.

Bleiben wir beim Thema Sicherheit. Herr Tikekar, Europa setzt mit der Allgemeinen Sicherheitsverordnung und technischen Vorschriften für fahrerlose Fahrzeuge der Stufe 4 strenge Standards. Wie stellt KPIT sicher, dass seine KI-gesteuerten ADAS- und AD-Technologien diese europäischen Anforderungen erfüllen, und wie unterscheiden sie sich von denen in Nordamerika und Asien? 

Sachin Tikekar: Europa verfolgt eine Philosophie, bei der Sicherheit an erster Stelle steht. Wir stellen die Einhaltung der europäischen Vorschriften durch drei zentrale Säulen sicher. Erstens ist regulatorische Intelligenz fest in unsere Engineering-Workflows integriert, sodass Designentscheidungen kontinuierlich an sich weiterentwickelnde Standards angepasst werden.

Zweitens nutzen wir modellbasierte Validierungsframeworks, die das Verhalten unserer KI-Systeme direkt auf spezifische Sicherheitsanforderungen abbilden.

Drittens verfügen wir über spezialisierte Homologations- und Cybersicherheitsteams in Europa, die sicherstellen, dass alle Systeme den hohen regulatorischen Vorgaben entsprechen. Im Gegensatz dazu legt Nordamerika größeren Wert auf Innovationsgeschwindigkeit und stützt sich dabei auf freiwillige Rahmenwerke sowie eine ‚Fail Fast‘-Philosophie, während Asien stärker auf Erschwinglichkeit und schnelle Markteinführung fokussiert. Die neutrale Position von KPIT ermöglicht es uns, global anpassungsfähige Plattformen zu entwickeln, wobei Europa mit seinen strengen Sicherheitsstandards als Maßstab dient.

Bei der Validierung von Fahrerassistenzsystemen nutzen wir groß angelegte Simulationsumgebungen, die Milliarden von physischen Testkilometern ersetzen und so eine enorme Zuverlässigkeit schaffen.

Gaurav Kakati

Herr Kakati, das EU-KI-Gesetz stuft Mobilitätsanwendungen als risikoreich ein. Wie gehen Sie mit diesem risikobasierten Rahmen um und gewährleisten Transparenz und menschliche Kontrolle bei KI-gesteuerten Funktionen?

Gaurav Kakati: Wir sehen die Einstufung von Mobilitätsanwendungen als risikoreich im Rahmen des EU-KI-Gesetzes nicht als Einschränkung, sondern als Chance, vertrauenswürdige KI-Ökosysteme aufzubauen. Da die Sicherheitsauswirkungen insbesondere bei autonomen Fahrsystemen extrem hoch sind, verfolgen wir eine umfassende Governance-Strategie, die auf Transparenz und menschlicher Kontrolle basiert. Dazu gehört die kontinuierliche Lebenszyklusüberwachung mithilfe von Simulationen, um das Verhalten der KI fortlaufend zu validieren. Zudem setzen wir erklärbare KI-Methoden (XAI) ein, die algorithmische Entscheidungen für Ingenieure, Regulierungsbehörden und Verbraucher verständlich machen. Human-in-the-Loop-Kontrollen stellen sicher, dass die letztendliche Verantwortung stets beim Menschen verbleibt und kritische Entscheidungen nicht automatisiert getroffen werden. Ergänzend dazu verwenden wir intern sogenannte ‚Guardrails‘, die Daten sowohl am Eingangs- als auch am Ausgangsende von KI-Systemen überwachen. Auf diese Weise stellen wir sicher, dass sämtliche Antworten den geltenden Compliance-Anforderungen entsprechen und höchste Transparenz, Sicherheit und Vertrauenswürdigkeit gewährleistet sind. 

Viele KI-Programme bleiben in Proof-of-Concept-Zyklen (PoC) stecken. Wie schafft KPIT den Sprung von PoCs zu produktionsreifen KI-Plattformen für Fahrzeuge der nächsten Generation? 

Gaurav Kakati: Wir haben den typischen Proof-of-Concept-Zyklus längst hinter uns gelassen. Unsere Plattformen sind so ausgelegt, dass sie skalierbar, zuverlässig und produktionsreif sind. Wir setzen KI-gesteuerte Diagnosen und vorausschauende Wartung nicht nur in einzelnen Anwendungen, sondern in gesamten Flotten ein. Bei der Validierung von Fahrerassistenzsystemen nutzen wir groß angelegte Simulationsumgebungen, die Milliarden von physischen Testkilometern ersetzen und so eine enorme Zuverlässigkeit schaffen. Darüber hinaus verwenden wir generative KI-Tools, um synthetische Daten und Testfälle zu erzeugen, was die Abdeckung von Randfallszenarien erheblich verbessert. Proprietäre KI-Beschleuniger verkürzen Trainings- und Validierungszyklen deutlich. Dieser Wandel – von Proof-of-Concepts zu skalierbaren, einsatzfähigen Systemen – unterstreicht unsere Überzeugung, dass KI in der Mobilität nicht nur innovativ, sondern auch messbar, zertifizierbar und straßentauglich sein muss.

Die Konnektivität von Fahrzeugen vergrößert die Angriffsfläche. Wie integrieren Sie Cybersicherheit und funktionale Sicherheit in die Entwicklung von KI und ADAS, und welche Lehren haben Sie aus Cybervorfällen in der Branche gezogen? 

Gaurav Kakati: Cybersicherheit kann nicht nachträglich hinzugefügt werden – sie muss von Anfang an ein integraler Bestandteil der Entwicklung sein. Unser ‚Security by Design‘-Framework verfolgt genau diesen Ansatz, indem es Sicherheitsaspekte von Beginn an in die KI-Entwicklung integriert. Dazu gehört eine umfassende Bedrohungsmodellierung, die mögliche Angriffsvektoren frühzeitig identifiziert und gezielt adressiert. Wir setzen auf resiliente Systemarchitekturen mit Redundanzmechanismen, um sicherzustellen, dass kein einzelnes Cyberereignis die Sicherheit oder Funktionsfähigkeit eines Fahrzeugs beeinträchtigen kann. Darüber hinaus nutzen wir KI-gestützte Anomalieerkennung, die Fahrzeugnetzwerke kontinuierlich überwacht und verdächtiges oder böswilliges Verhalten in Echtzeit erkennt. Diese Kombination aus präventiven, robusten und adaptiven Sicherheitsmaßnahmen gewährleistet, dass Cybersicherheit und funktionale Sicherheit nahtlos ineinandergreifen – ein entscheidender Faktor für den Schutz moderner, vernetzter Fahrzeuge. 

Wir investieren stark in Partnerschaften mit führenden Cybersicherheitsunternehmen, da Fachwissen allein nicht mehr ausreicht.

Sachin Tikekar

Alles zur Automotive Computing Conference

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Die Automotive Computing Conference konzentriert sich auf die Herausforderungen der Sicherheit, der funktionalen Sicherheit, der Cloud-Konnektivität und der zunehmenden Komplexität des Fahrzeugdesigns. Das Ziel ist es, traditionelle Ansätze zu revolutionieren und an die Bedürfnisse der Automobilindustrie anzupassen. Hochkarätige Referenten werden am 13. und 14. November 2025 in München in die Welt des Automotive High Performance Computing eintauchen und ein breites Spektrum an Aspekten abdecken.

Weitere Infos zur Automotive Computing Conference gibt es hier oder auf dem LinkedIn-Kanal.

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Zudem findet 2026 auch die 3. ACC in Amerika am 25. und 26. März 2026 in Detroit statt.

Eine wichtige Erkenntnis ist die Notwendigkeit schneller OTA-Update-Frameworks und mehrschichtiger Verteidigungsstrategien. Die Herausforderung besteht darin, dass wir von regelbasierten Systemen zu KI-gesteuerten Systemen übergehen; wenn Daten vergiftet oder beschädigt sind, schlagen die Validierungsergebnisse fehl. Sicherheit und Cybersicherheit sind gemeinsam entwickelte Säulen, die die Widerstandsfähigkeit der Mobilität der Zukunft definieren. 

Sachin Tikekar: Wir investieren stark in Partnerschaften mit führenden Cybersicherheitsunternehmen, da Fachwissen allein nicht mehr ausreicht. Wir verfolgen nun einen ganzheitlichen und methodischen Ansatz für Cybersicherheit in der Architektur der nächsten Generation. 

Zum Schluss: Herr Tikekar, KPIT wächst weltweit. Die Gewinnung und Förderung von Talenten ist von entscheidender Bedeutung. Welche Fähigkeiten suchen Sie, um dieses globale Wachstum zu unterstützen, insbesondere angesichts der Komplexität der KI-Entwicklung?

Sachin Tikekar: Die Kernphilosophie hat sich nicht geändert. Wir suchen Menschen mit der richtigen Einstellung – was heute kritisches Denken und Problemlösungsfähigkeiten bedeutet. Systemisches Denken ist unerlässlich. Wir wollen Menschen, die lösungsorientiert sind und nicht nur Probleme erkennen.

Deshalb investieren wir in KI-Akademien, um Ingenieure weiterzubilden, und arbeiten eng mit Universitäten zusammen, um junge Talente frühzeitig zu gewinnen und ganzheitliches Denken zu fördern. Diese Strategie stellt sicher, dass KPIT nicht nur Talente einstellt, sondern auch langfristige Kompetenzökosysteme fördert. 

Gaurav Kakati: Eine wichtige Veränderung, die wir beobachten, ist, dass Problemlösungskompetenz eine entscheidende Fähigkeit ist – nicht nur die Fähigkeit, Code zu schreiben. Code wird immer mehr zur Selbstverständlichkeit, aber die Fähigkeit, die richtigen Systeme zu entwerfen, ist von entscheidender Bedeutung. Wir sehen, dass sich die jüngeren Generationen schnell an dieses Niveau des systemischen Denkens anpassen.

Wir wollen Menschen, die lösungsorientiert sind und nicht nur Probleme erkennen

Sachin Tikekar