Andrea Hoffmann-ToppAndreaHoffmann-ToppAndrea Hoffmann-ToppRedaktion
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Die KPIT-Experten Gaurav Kakati, CTO – AI, KPIT (l.) und Sachin Tikekar, Joint Managing Director, Co-Founder & Board Member, KPIT
diskutieren im Interview über KI-Architektur, Governance und Cyber-Resilienz in der Automobilindustrie.KPIT
KPIT-CTO – KI Gaurav Kakati und Joint Managing Director, Mitbegründer und Vorstandsmitglied Sachin Tikekar über Architekturentwürfe, KI-Governance und Cyber-Resilienz
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Die Automobilindustrie befindet sich in einem grundlegenden Wandel, der
durch exponentielles Datenwachstum, die Komplexität von KI-Systemen und die
Notwendigkeit, strenge Sicherheits- und Cybersicherheitsstandards zu erfüllen,
vorangetrieben wird. AUTOMOBIL-ELEKTRONIK sprachen mit Gaurav Kakati, CTO – KI
von KPIT, und Sachin Tikekar, Geschäftsführer von KPIT, über ihren
strategischen Fokus auf autonomes Fahren (AD) und fortschrittliche
Fahrerassistenzsysteme (ADAS) – und warum Europa ihr entscheidender Testmarkt
ist.
Herr Tikekar, die Zunahme des Datenvolumens und die zunehmende Komplexität
der Software erfordern eine grundlegende Neugestaltung der Fahrzeugarchitektur.
Wie reagiert KPIT auf diese Datenexplosion, und wie sieht Ihrer Meinung nach
der Fahrplan für ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Kosten und Innovation
aus?
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Sachin Tikekar: Die Automobilindustrie tritt in eine Phase ein,
in der Daten der neue Rohstoff sind. Fahrzeuge generieren täglich Terabytes an
Informationen, die Bereiche wie ADAS, Infotainment und Konnektivität abdecken.
Herkömmliche verteilte Architekturen können dieses Volumen nicht mehr
bewältigen, ohne dass die Kosten in die Höhe schnellen.
Unsere Roadmap sieht einen Übergang von einer verteilten zu einer
domänenbasierten Architektur und schließlich zu einem Zonenmodell vor, das von
einem zentralisierten Hochleistungsrechnersystem (HPC) unterstützt wird. Dieser
Ansatz ermöglicht eine Vorverarbeitung und Datenaggregation näher an der
Quelle, wodurch Netzwerküberlastungen effektiv reduziert werden. Middleware und
Abstraktionsschichten harmonisieren verschiedene Software-Stacks, um
Redundanzen zu vermeiden. Wir befinden uns derzeit in der Phase der
zentralisierten Architektur, weshalb wir den Automotive Smartcore entwickeln.
Save the date: 30. Automobil-Elektronik Kongress
Save the Date! Der AUTOMOBIL-ELEKTRONIK Kongress findet 2026 am 16. und 17. Juni statt.
Am 16. und 17. Juni 2026 findet zum 30. Mal der Internationale Automobil-Elektronik Kongress (AEK) statt. Dieser Netzwerkkongress ist bereits seit vielen Jahren der Treffpunkt für die Top-Entscheider der Elektro-/Elektronik-Branche und bringt nun zusätzlich die Automotive-Verantwortlichen und die relevanten High-Level-Manager der Tech-Industrie zusammen, um gemeinsam das ganzheitliche Kundenerlebnis zu ermöglichen, das für die Fahrzeuge der Zukunft benötigt wird. Trotz dieser stark zunehmenden Internationalisierung wird der Automobil-Elektronik Kongress von den Teilnehmern immer noch als eine Art "automobiles Familientreffen" bezeichnet.
Um Kosten und Innovation in Einklang zu bringen, sind vorab getätigte
Investitionen in Softwareplattformen erforderlich, aber wir messen die Rendite
anhand von Einsparungen über den gesamten Lebenszyklus, beschleunigten
Innovationszyklen und einer schnelleren Monetarisierung von Fahrzeugdaten.
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Herr Kakati, das EU-KI-Gesetz stuft Mobilitätsanwendungen als risikoreich
ein. Wie gehen Sie mit diesem risikobasierten Rahmen um und gewährleisten
Transparenz und menschliche Kontrolle bei KI-gesteuerten Funktionen?
Gaurav Kakati: Wir sehen die Einstufung von
Mobilitätsanwendungen als risikoreich im Rahmen des EU-KI-Gesetzes nicht als
Einschränkung, sondern als Chance, vertrauenswürdige KI-Ökosysteme aufzubauen. Gerade
bei autonomen Fahrsystemen sind die Sicherheitsauswirkungen enorm, weshalb wir
einen ganzheitlichen Governance-Ansatz verfolgen. Dazu gehört die
kontinuierliche Lebenszyklusüberwachung unserer Systeme mithilfe von
Simulationen, um das Verhalten der KI fortlaufend zu validieren. Außerdem
setzen wir auf erklärbare KI-Methoden (XAI), die algorithmische Entscheidungen
für Ingenieure, Regulierungsbehörden und Verbraucher nachvollziehbar machen.
Gleichzeitig stellen Human-in-the-Loop-Kontrollen sicher, dass die
letztendliche Verantwortung immer beim Menschen bleibt und kritische
Entscheidungen nicht automatisiert getroffen werden. Intern verwenden wir
darüber hinaus sogenannte ‚Guardrails‘, um Daten sowohl am Eingangs- als auch
am Ausgangsende von KI-Systemen zu kontrollieren. So stellen wir sicher, dass
sämtliche Antworten und Ergebnisse den geltenden Compliance-Anforderungen
entsprechen und Transparenz, Sicherheit sowie Vertrauen in unsere KI-Lösungen
gewährleistet sind.
KPIT setzt bei der Entwicklung autonomer Fahrfunktionen auf eine sichere, KI-gestützte Fahrzeugarchitektur mit europäischem Sicherheitsmaßstab. Zentrale High-Performance-Rechner, erklärbare KI und integrierte Cyber-Resilienz bilden das Fundament der nächsten Generation softwaredefinierter Fahrzeuge.Shutterstock AI
Bleiben wir beim Thema Sicherheit. Herr Tikekar, Europa setzt mit der
Allgemeinen Sicherheitsverordnung und technischen Vorschriften für fahrerlose
Fahrzeuge der Stufe 4 strenge Standards. Wie stellt KPIT sicher, dass seine
KI-gesteuerten ADAS- und AD-Technologien diese europäischen Anforderungen
erfüllen, und wie unterscheiden sie sich von denen in Nordamerika und Asien?
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Sachin Tikekar: Europa verfolgt eine Philosophie, bei der
Sicherheit an erster Stelle steht. Wir stellen die Einhaltung der europäischen
Vorschriften durch drei zentrale Säulen sicher. Erstens ist regulatorische
Intelligenz fest in unsere Engineering-Workflows integriert, sodass Designentscheidungen
kontinuierlich an sich weiterentwickelnde Standards angepasst werden.
Zweitens nutzen wir modellbasierte Validierungsframeworks, die das
Verhalten unserer KI-Systeme direkt auf spezifische Sicherheitsanforderungen
abbilden.
Drittens verfügen wir über spezialisierte Homologations- und
Cybersicherheitsteams in Europa, die sicherstellen, dass alle Systeme den hohen
regulatorischen Vorgaben entsprechen. Im Gegensatz dazu legt Nordamerika
größeren Wert auf Innovationsgeschwindigkeit und stützt sich dabei auf
freiwillige Rahmenwerke sowie eine ‚Fail Fast‘-Philosophie, während Asien
stärker auf Erschwinglichkeit und schnelle Markteinführung fokussiert. Die
neutrale Position von KPIT ermöglicht es uns, global anpassungsfähige Plattformen
zu entwickeln, wobei Europa mit seinen strengen Sicherheitsstandards als
Maßstab dient.
Bei der Validierung von Fahrerassistenzsystemen nutzen wir groß angelegte Simulationsumgebungen, die Milliarden von physischen Testkilometern ersetzen und so eine enorme Zuverlässigkeit schaffen.
Gaurav Kakati
Herr Kakati, das EU-KI-Gesetz stuft Mobilitätsanwendungen als risikoreich
ein. Wie gehen Sie mit diesem risikobasierten Rahmen um und gewährleisten
Transparenz und menschliche Kontrolle bei KI-gesteuerten Funktionen?
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Gaurav Kakati: Wir sehen die Einstufung von Mobilitätsanwendungen als risikoreich im
Rahmen des EU-KI-Gesetzes nicht als Einschränkung, sondern als Chance,
vertrauenswürdige KI-Ökosysteme aufzubauen. Da die Sicherheitsauswirkungen
insbesondere bei autonomen Fahrsystemen extrem hoch sind, verfolgen wir eine
umfassende Governance-Strategie, die auf Transparenz und menschlicher Kontrolle
basiert. Dazu gehört die kontinuierliche Lebenszyklusüberwachung mithilfe von
Simulationen, um das Verhalten der KI fortlaufend zu validieren. Zudem setzen
wir erklärbare KI-Methoden (XAI) ein, die algorithmische Entscheidungen für
Ingenieure, Regulierungsbehörden und Verbraucher verständlich machen.
Human-in-the-Loop-Kontrollen stellen sicher, dass die letztendliche
Verantwortung stets beim Menschen verbleibt und kritische Entscheidungen nicht
automatisiert getroffen werden. Ergänzend dazu verwenden wir intern sogenannte
‚Guardrails‘, die Daten sowohl am Eingangs- als auch am Ausgangsende von
KI-Systemen überwachen. Auf diese Weise stellen wir sicher, dass sämtliche
Antworten den geltenden Compliance-Anforderungen entsprechen und höchste
Transparenz, Sicherheit und Vertrauenswürdigkeit gewährleistet sind.
Viele KI-Programme bleiben in Proof-of-Concept-Zyklen (PoC) stecken. Wie
schafft KPIT den Sprung von PoCs zu produktionsreifen KI-Plattformen für
Fahrzeuge der nächsten Generation?
Gaurav Kakati: Wir haben den typischen Proof-of-Concept-Zyklus
längst hinter uns gelassen. Unsere Plattformen sind so ausgelegt, dass sie
skalierbar, zuverlässig und produktionsreif sind. Wir setzen KI-gesteuerte
Diagnosen und vorausschauende Wartung nicht nur in einzelnen Anwendungen,
sondern in gesamten Flotten ein. Bei der Validierung von
Fahrerassistenzsystemen nutzen wir groß angelegte Simulationsumgebungen, die
Milliarden von physischen Testkilometern ersetzen und so eine enorme
Zuverlässigkeit schaffen. Darüber hinaus verwenden wir generative KI-Tools, um
synthetische Daten und Testfälle zu erzeugen, was die Abdeckung von
Randfallszenarien erheblich verbessert. Proprietäre KI-Beschleuniger verkürzen
Trainings- und Validierungszyklen deutlich. Dieser Wandel – von Proof-of-Concepts
zu skalierbaren, einsatzfähigen Systemen – unterstreicht unsere Überzeugung,
dass KI in der Mobilität nicht nur innovativ, sondern auch messbar,
zertifizierbar und straßentauglich sein muss.
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Die Konnektivität von Fahrzeugen vergrößert die Angriffsfläche. Wie
integrieren Sie Cybersicherheit und funktionale Sicherheit in die Entwicklung
von KI und ADAS, und welche Lehren haben Sie aus Cybervorfällen in der Branche
gezogen?
Gaurav Kakati: Cybersicherheit kann nicht nachträglich
hinzugefügt werden – sie muss von Anfang an ein integraler Bestandteil der
Entwicklung sein. Unser ‚Security by Design‘-Framework verfolgt genau diesen
Ansatz, indem es Sicherheitsaspekte von Beginn an in die KI-Entwicklung
integriert. Dazu gehört eine umfassende Bedrohungsmodellierung, die mögliche
Angriffsvektoren frühzeitig identifiziert und gezielt adressiert. Wir setzen
auf resiliente Systemarchitekturen mit Redundanzmechanismen, um sicherzustellen,
dass kein einzelnes Cyberereignis die Sicherheit oder Funktionsfähigkeit eines
Fahrzeugs beeinträchtigen kann. Darüber hinaus nutzen wir KI-gestützte
Anomalieerkennung, die Fahrzeugnetzwerke kontinuierlich überwacht und
verdächtiges oder böswilliges Verhalten in Echtzeit erkennt. Diese Kombination
aus präventiven, robusten und adaptiven Sicherheitsmaßnahmen gewährleistet,
dass Cybersicherheit und funktionale Sicherheit nahtlos ineinandergreifen – ein
entscheidender Faktor für den Schutz moderner, vernetzter Fahrzeuge.
Wir investieren stark in Partnerschaften mit führenden Cybersicherheitsunternehmen, da Fachwissen allein nicht mehr ausreicht.
Sachin Tikekar
Alles zur Automotive Computing Conference
Die Automotive Computing Conference konzentriert sich auf die Herausforderungen der Sicherheit, der funktionalen Sicherheit, der Cloud-Konnektivität und der zunehmenden Komplexität des Fahrzeugdesigns. Das Ziel ist es, traditionelle Ansätze zu revolutionieren und an die Bedürfnisse der Automobilindustrie anzupassen. Hochkarätige Referenten werden am 13. und 14. November 2025 in München in die Welt des Automotive High Performance Computing eintauchen und ein breites Spektrum an Aspekten abdecken.
Eine wichtige Erkenntnis ist die Notwendigkeit schneller
OTA-Update-Frameworks und mehrschichtiger Verteidigungsstrategien. Die
Herausforderung besteht darin, dass wir von regelbasierten Systemen zu
KI-gesteuerten Systemen übergehen; wenn Daten vergiftet oder beschädigt sind,
schlagen die Validierungsergebnisse fehl. Sicherheit und Cybersicherheit sind
gemeinsam entwickelte Säulen, die die Widerstandsfähigkeit der Mobilität der
Zukunft definieren.
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Sachin Tikekar: Wir investieren stark in Partnerschaften mit
führenden Cybersicherheitsunternehmen, da Fachwissen allein nicht mehr
ausreicht. Wir verfolgen nun einen ganzheitlichen und methodischen Ansatz für
Cybersicherheit in der Architektur der nächsten Generation.
Zum Schluss: Herr Tikekar, KPIT wächst weltweit. Die Gewinnung und
Förderung von Talenten ist von entscheidender Bedeutung. Welche Fähigkeiten
suchen Sie, um dieses globale Wachstum zu unterstützen, insbesondere angesichts
der Komplexität der KI-Entwicklung?
Sachin Tikekar: Die Kernphilosophie hat sich nicht geändert. Wir
suchen Menschen mit der richtigen Einstellung – was heute kritisches Denken und
Problemlösungsfähigkeiten bedeutet. Systemisches Denken ist unerlässlich. Wir
wollen Menschen, die lösungsorientiert sind und nicht nur Probleme erkennen.
Deshalb investieren wir in KI-Akademien, um Ingenieure weiterzubilden, und
arbeiten eng mit Universitäten zusammen, um junge Talente frühzeitig zu
gewinnen und ganzheitliches Denken zu fördern. Diese Strategie stellt sicher,
dass KPIT nicht nur Talente einstellt, sondern auch langfristige
Kompetenzökosysteme fördert.
Gaurav Kakati: Eine wichtige Veränderung, die wir beobachten,
ist, dass Problemlösungskompetenz eine entscheidende Fähigkeit ist – nicht nur
die Fähigkeit, Code zu schreiben. Code wird immer mehr zur
Selbstverständlichkeit, aber die Fähigkeit, die richtigen Systeme zu entwerfen,
ist von entscheidender Bedeutung. Wir sehen, dass sich die jüngeren
Generationen schnell an dieses Niveau des systemischen Denkens anpassen.
Wir wollen Menschen, die lösungsorientiert sind und nicht nur Probleme erkennen