Um dem Arbeitskräftemangel zu begegnen und die Mitarbeiter zu entlasten, war die HWL Löttechnik GmbH in Berlin auf der Suche nach einer Möglichkeit, die körperlich anstrengende und monotone Verladung von Metallwerkstoffen auf Gestelle zur Wärmebehandlung zu automatisieren. Die Herausforderung dabei: Die hohe Varianz der Bauteile machte es schwierig, dies mit klassischer Programmierung von Robotern zu automatisieren. Die Lösung ist die Automatisierung des Prozessschritts mithilfe der KI-Steuerung MIRAI von Micropsi Industries. Dank der Auge-Hand-Koordination ist das System in der Lage, in Echtzeit auf Varianzen zu reagieren, wodurch die Mitarbeiter für wertschöpfende Tätigkeiten eingesetzt werden können.
Wie viele andere Unternehmen sieht sich auch HWL seit einiger Zeit mit den Auswirkungen des sich zuspitzenden Arbeitskräftemangels und der Energiekrise konfrontiert. Aus diesem Grund investiert das Unternehmen kontinuierlich in neue Technologien und Verfahren, um Prozesse zu optimieren und sich als attraktiver Arbeitgeber zu positionieren. Insbesondere die Automatisierung spielt hierbei eine zunehmend wichtige Rolle. Jedoch sind gerade bei mittelständischen Unternehmen Prozesse von Komplexität und hoher Varianz geprägt, etwa wenn im „High Mix, Low Volume“ gefertigt wird. Für solche Anforderungen braucht es individuelle und flexible Lösungen – so auch bei HWL.
In Kürze
- Bei hoher Bauteilvarianz kommt die klassische Automatisierung schnell an ihre Grenzen.
- Mit einer KI-basierten Steuerung können Cobots in einer „High Mix, Low Volume“-Umgebung arbeiten.
- Micropsi auf der Automatica (27.-30.6. in München): Halle 4, Stand 401
Manuelle Prozesse als Belastung für Mitarbeiter
Bevor die Serienteile eines Kunden eine Wärmebehandlung durchlaufen, müssen diese in einer Kabinenwaschanlage zunächst gründlich gereinigt werden. Pro Kunde werden knapp 900 bis 1.000 Teile in sogenannten Großladungsträgern angeliefert und danach von Mitarbeitern einzeln in Waschkörbe geladen, in welchen sie schließlich über ein Rollband in die Waschanlage gefahren werden. Nach Abschluss des Waschvorgangs werden die Metallelemente auf einer Art Bolzen platziert, die sich auf Gestellen mit mehreren Ebenen befinden. Diese werden zum Schluss mithilfe eines Krans in den Ofen zur Wärmebehandlung gefahren.
Die angelieferten Metallwerkstoffe variieren dabei je nach Kunde und Verwendungszweck stark in Größe und Gewicht. Außerdem sind sie vor der Wärmebehandlung äußerst weich und empfindlich, was eine behutsame Handhabung erfordert. Daher wurde die Handhabung der Werkstücke vom Zeitpunkt der Anlieferung bis zur Einführung in den Ofen bei HWL bis vor Kurzem noch komplett manuell von den Mitarbeitern durchgeführt.
Varianz erfordert intelligente Lösungen
Um Mitarbeiter langfristig von monotonen und körperlich anstrengenden Tätigkeiten zu entlasten, setzt HWL-Geschäftsführer Kai Lembke zunehmend auf die Automatisierung verschiedener Prozesse. So identifizierte er gemeinsam mit seinem Team den Ablauf, der am meisten von einer Teilautomatisierung profitieren würde: die Verladung der Teile von den Waschkörben auf die Gestelle. Aufgrund der hohen Varianz hinsichtlich Größe und Gewicht der Bauteile, aber auch deren Lage im Waschkorb und dem Standort der Gestelle war es jedoch unmöglich, diese Aufgabe mit herkömmlicher Automatisierung bzw. klassisch programmierten Robotern zu lösen. Auch die erforderliche vorsichtige Handhabung der Objekte stellte eine erhebliche Herausforderung dar. Gesucht war also eine Lösung, die komplexe Arbeitsschritte ausführen, den eigenen Arbeitsbereich wahrnehmen und ihre Bewegungen bei jeder Ausführung je nach Bedarf in Echtzeit korrigieren kann.
„Mit Micropsi Industries bin ich erstmals durch eine E-Mail ihres Sales-Teams in Berührung gekommen. So habe ich von ihrer KI-Steuerung MIRAI sowie deren flexiblen Einsatzmöglichkeiten erfahren“, sagt Lembke. Nach einem ersten Telefonat vereinbarte er einen Termin, bei dem das Team die Software-Lösung noch einmal live vorstellte. Adolf Neuendorf, Distributor von Micropsi Industries und Universal Robots, unterstützte mit seiner langjährigen Erfahrung im Bereich KI und Cobots und präsentierte ein Konzept für den Handarbeitsplatz. Kurze Zeit später beauftragte Lembke Adolf Neuendorf und Micropsi Industries mit der Implementierung der Lösung.
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Betreuung und Training des Systems durch Mitarbeiter
Seit Oktober 2022 ist der Roboter mit der KI-Steuerung MIRAI nun bei HWL im Einsatz und entlastet dort aktiv die Mitarbeiter. Die Anlage beinhaltet das MIRAI-Kit einschließlich Controller und zwei Kameras, einen UR10e von Universal Robots sowie einen Zweifinger-Greifer von Robotiq. Nach Abschluss des Waschvorgangs übernimmt das MIRAI-System: Es hebt die empfindlichen Teile einzeln aus den Waschkörben und platziert sie auf den Bolzen in den Gestellen. Dabei passt sich das System automatisch der unterschiedlichen Haptik, Größe und Gewicht der hochgradig individuellen Teile an. Auch wechselnde Lichtverhältnisse im Gebäude und die gegebenenfalls daraus resultierenden, wechselnden Reflexionen auf der Oberfläche der Werkstücke haben keinen Einfluss auf die Funktionalität des Systems.
Aufgrund der Komplexität des zu automatisierenden Prozesses gestaltete sich das Training des Roboters zunächst etwas zeitintensiver als ursprünglich geplant. Dennoch ermöglichte die individuelle Betreuung durch die Spezialisten von Adolf Neuendorf und Micropsi Industries die vollständige Implementierung der Lösung in wenigen Wochen.
Stichwort: HWL Löttechnik
Die HWL Löttechnik GmbH mit Sitz in Berlin ist als industrieller Dienstleister auf die Wärmebehandlung von Metallwerkstoffen spezialisiert. HWL bearbeitet die Metallbauteile von rund 600 Industriekunden aus mehr als sieben Ländern und unterschiedlichen Branchen, darunter die Automobil- und Luftfahrtindustrie, Elektrotechnik oder der Maschinenbau. Darüber hinaus zeichnet sich das Unternehmen durch die Zusammenarbeit mit Forschungseinrichtungen und Universitäten zu verschiedenen Themen rund um den 3D-Metalldruck, neue Werkstoffe und hochkomplexe Bauteile aus.
Künstliche Intelligenz steigert Attraktivität des Arbeitsplatzes
Für Kai Lembke waren seine Mitarbeiter von Anfang an einer der ausschlaggebenden Gründe für das Automatisierungsvorhaben. Diese übernehmen heute statt unergonomischer und monotoner Aufgaben die Betreuung sowie das Neutraining des Systems, beispielsweise bei wechselnden Anforderungen oder Umgebungsveränderungen. „Dass diese Anpassungen kurzerhand von unseren Mitarbeitern durchgeführt werden können und man dafür keine erfahrenen Programmierer vom Hersteller benötigt, sehe ich als großen Vorteil. Seit der Implementierung der Lösung ist es uns sogar intern gelungen, die Taktzeiten um 20 Prozent zu optimieren. Genau das ist die Flexibilität, die wir in diesem Umfeld wollen und brauchen,“ sagt Lembke. „Dadurch können natürlich auch Kosten eingespart werden, was sich für KMU in Zeiten von explodierenden Energiekosten und Inflation schnell als wirtschaftliche Notwendigkeit herausstellen kann.“
Aufgrund dieser positiven Erfahrungen kann sich HWL in naher Zukunft auch den Einsatz weiterer KI-gestützter Anwendungen vorstellen: Treibende Kraft hinter diesen Ideen sind dabei die Mitarbeiter selbst. „Wir haben einen Mitarbeiter, der sich bei der Automatisierung extrem engagiert und sich vieles selbst beigebracht hat. Ihn haben wir schließlich auch zu einer zusätzlichen Schulung geschickt,“ erzählt HWL-Geschäftsführer Kai Lembke. „Mit der Automatisierung von Prozessen können wir uns als fortschrittliches und modernes Unternehmen positionieren und die Attraktivität des Arbeitsplatzes steigern.“