Bei der Verwendung von fahrerlosen Transportsystemen ist eine drahtlose Anbindung unverzichtbar. Mit 5G kann eine enorm große Zahl an Endsystemen gleichzeitig eingebunden werden.

Bei der Verwendung von fahrerlosen Transportsystemen ist eine drahtlose Anbindung unverzichtbar. Mit 5G kann eine enorm große Zahl an Endsystemen gleichzeitig eingebunden werden. (Bild: Kuka)

Warum ist es für die Automatisierungsbranche wichtig, sich mit 5G zu befassen?

Ganz allgemein gesprochen ist 5G der erste Mobilfunkstandard, der von Anfang an mit einer industriellen Nutzung im Sinn konzipiert worden ist. Zwei Punkte, die stark auf diese Verwendung einzahlen, sind eine sehr hohe Datenbandbreite von bis zu 20 Gb/s im 5G-Teilbereich eMBB (enhanced Mobile Broadband).

Dazu kommt eine extrem geringe  Zeitverzögerung (Latenz) bei der Übertragung bis hinunter zu 1 Millisekunde im Teilbereich URLLC (Ultra-Reliable and Low-Latency Communication), was quasi einer “Echtzeit”-Übertragung entspricht. Diese beiden Faktoren kommen zum Beispiel zum Tragen, wenn es darum geht, große Mengen an Sensordaten etwa aus Vision-Systemen mit geringer Zeitverzögerung zu übertragen.

Michael Wagner
Michael Wagner (Bild: Kuka)

Noch wichtiger als die beiden genannten Punkte ist für Matthias Paukner, Leiter der Entwicklung für die Region EMEA in der Anlagenbausparte von KUKA, aber ein drittes Leistungsmerkmal: “Aus unserer Sicht als Anlagenbauer ist es ein enormer Vorteil, dass man eine sehr hohe Anzahl gleichzeitiger Teilnehmer in einem 5G-Netz unterbringen kann”. Der Teilbereich mMTC (massive Machine Type Communication) ermöglicht die Anbindung von bis zu einer Million Endgeräte pro Quadratkilometer Fläche.

Diese Eigenschaft bietet starke Vorteile für große Anlagen, wie sie Kuka zum Beispiel im Bereich der Automobilfertigung entwirft und umsetzt. “Da geht es um zahlreiche Roboter und fahrerlose Transportsysteme, hier ist die große mögliche Teilnehmerzahl in einem 5G-Netz ein riesiger Vorteil”, ergänzt Matthias Paukner.

Ein weiterer Punkt, der für 5G in der Fertigung spricht, ist die hohe Zuverlässigkeit, die in den Standard von Beginn an per Design integriert wurde. “Das war bei anderen Drahtlosverbindungen immer ein bisschen kritisch, 5G bringt das jetzt als Kernkompetenz mit”, ist Michael Wagner, Head of Control Technology in der Robotersparte von KUKA, überzeugt.

Warum KUKA ein 5G-Campusnetz in Betrieb genommen hat

KUKA hat Mitte 2022 an seinem Standort in Augsburg ein 5G-Campusnetzwerk etabliert. Der Automatisierungsspezialist lässt die neue Funktechnologie in Produktentwicklung und Anlagenplanung einfließen. Kunden wünschen sich flexiblere Produktionsabläufe sowie sichere Echtzeit-Kommunikation zwischen ihren Maschinen, so die Begründung. „KUKA kann so in den kommenden Jahren an Produkten und Lösungen arbeiten, die das Potenzial der schnellen, zuverlässigen und sicheren 5G-Konnektivität nutzen“, sagt Michael Wagner, Head of Control Technology in der Robotersparte des Automatisierungsunternehmens. Matthias Paukner, Leiter der Entwicklung für die Region EMEA in der Anlagenbausparte von KUKA nutzt das Campusnetzwerk, um Know-how für die Planung komplexer Produktionsanlagen aufzubauen. „Viele unserer Kunden setzen in ihren Produktionshallen verstärkt auf fahrerlose Transportfahrzeuge. Für die Vernetzung der Fahrzeuge ist 5G wie geschaffen“, sagt Paukner.

Für welche Anwendungen in der Fertigung eignet sich 5G besonders?

Ein wesentliches Ziel der Industrie 4.0 ist eine flexiblere Fertigung, die sich schneller und einfacher an Veränderungen in der Produktpalette oder bei den Anlagen anpassen kann. Das führt zum Beispiel bis hin zu einer Ablösung des klassischen Fließbandes durch autonome Fahrzeuge als Transportmittel für Produkte, wie es Audi gerade erprobt. Für solche Automated Guided Vehicles (AGV) oder Autonome mobile Roboter (AMR) kommt logischerweise nur eine drahtlose Anbindung infrage. Das betrifft nicht nur die “normale” drahtlose Kommunikation, sondern zum Beispiel auch kritische “Not-Aus-Funktionen”, wo 5G aufgrund seiner Schnelligkeit und Zuverlässigkeit klare Vorteile bringt.

Sind alle Produktionsprozesse gleich gut geeignet für 5G?

Hier zählt nach Meinung der Experten vor allem, wie viele mobile und nicht kabelgebundene Systeme gleichzeitig in einer Fertigungsumgebung eingebunden werden sollen. “Wenn die Anzahl dieser Systeme im Netz recht hoch ist, dann ist das aus meiner Sicht ein klares Kriterium für den Einsatz von 5G anstelle anderer Drahtlostechnologien”, so Matthias Paukner.

5G – Was es zum Mobilfunkstandard zu wissen gibt

5G PCB with micro electronics
(Bild: denisismagilov @ AdobeStock)

5G gilt als Schlüsseltechnologie in vielen Bereichen. Größere Datenmengen bei höheren Übertragungsgeschwindigkeiten sind der Grund. Wie funktioniert die Technologie? Welche schnell ist es? Die Antwort auf diese und andere Fragen finden Sie in unsere Übersicht.

Bei 5G sind aufgrund der Trägerfrequenz nur relativ kleine Funkzellen möglich. Lässt das nicht den Hardwareaufwand stark ansteigen?

Matthias Paukner
Matthias Paukner (Bild: Kuka)

Nicht zwingend. In Deutschland ist für private 5G-Netze das Band zwischen 3,7 bis 3,8 Gigahertz in der Anwendung. “Damit liegen Campusnetze ziemlich genau zwischen den beiden Frequenzbändern mit 2,4 und 5 Gigahertz für WiFi und haben natürlich auch die gleichen Ausbreitungsbedingungen und Dämpfungswerte etwa durch Mauerwerk”, so Michael Wagner. Daraus ergebe sich dann aber auch eine vergleichbare Anwendungsmöglichkeit: So wie man mehrere WLAN-Access Points in einer Fertigungshalle strategisch positionieren muss, um eine gute funktechnische Ausleuchtung zu erzielen, kann man für 5G auch sogenannte Indoor Radio Access Points in einer Halle verteilen. “Das weicht zwar von der klassischen Vorstellung von Mobilfunk mit Outdoor-Antennen  die eine größere Fläche abdecken ab Es bietet aber den großen Vorteil, dass man vergleichbar zu  WLAN den gewünschten  Bereich sehr genau festlegen und so den Zugriff darauf begrenzen kann”, nennt Matthias Paukner einen wichtigen Vorteil des Indoor-5G-Netzes.

Wie sieht es bei 5G mit der Sicherheit aus?

Im Rahmen der Standardisierung von 5G wurden neue Sicherheitsmaßnahmen und -konzepte erarbeitet, um Sicherheitslücken der bisherigen Standards 3G und 4G zu schließen und Sicherheitsmechanismen in Richtung eines flexiblen und dynamischen Netzes einzuführen, betont der VDMA in seinem Ratgeber zu dem Thema (siehe Kasten). Kuka-Experte Paukner sieht einen weiteren wichtigen Punkt, vor allem im Vergleich zu WLAN: “Ich würde beim 5G-Netzwerk einen Vorteil in sicherheitstechnischer Sicht darin sehen, dass man eben im Campusnetzwerk auf dedizierten Frequenzbändern unterwegs ist, in die man sich auch nicht mit normalen SIM-Karten einloggen kann.”

Tätowieren per Roboter dank 5G

Tattoo-Artistin Fauve Lex bei der Arbeit mit dem LBR med als Tätowierer (Bild: Kuka)

Einen ungewöhnlichen Anwendungsfall, der aber die Leistungsfähigkeit von 5G sehr anschaulich demonstriert, hat Kuka im Rahmen des Events Digital X 2022 in Köln demonstriert. Dabei hat die Tattoo-Artistin Fauve Lex mittels eines Telemanipulators gearbeitet, der über 5G mit einem Cobot verbunden war, der das  Tätowierwerkzeug geführt hat. Dank 5G konnte die Künstlerin auf einem Monitor in Echtzeit die Bewegungen des Roboters verfolgen. „Die Vorstellung, dass ich eines Tages damit Kunden auf der ganzen Welt tätowieren könnte, während ich hier in Deutschland sitze – die ist schon super cool“, sagt Fauve Lex. Denn statt echter Menschenhaut wurde in Köln von dem Kuka-Leichtbauroboter LBR Med zunächst nur eine Silikonoberfläche mit einem Tatoo verziert.

Wird 5G alle anderen Drahtlostechnologien in der Industrie ablösen?

Vermutlich nicht. Michael Wagner sieht die neue Technik weniger als Ersatz, denn als Ergänzung anderer Drahtlos-Funkstandards: “Zum einen ist 5G für die Anwender doch eine relevante Investition. Zum anderen werden auch die anderen Funkstandards bei der Funktionalität nachlegen”. Er rechnet mit einer Koexistenz, wie auch sein Kollege Paukner:  “Wir sehen aus Anlagenbauer-Sicht eine zusätzliche Chance durch 5G.” Als Beispiel dafür nennt er eine mögliche schnellere und leichtere Integration etwa von neuen Sensoren, was eine Flexibilisierung der Fertigung zur Folge haben könnte. “Das müssen wir aber zunächst einmal genau untersuchen und unseren Kunden ein Feedback geben.”

Was müssen Anwender-Unternehmen berücksichtigen, die in die das Thema 5G für die Fertigung einsteigen wollen?

Für die Kuka-Experten zählt in dieser Hinsicht vor allem das Thema Verfügbarkeit - sowohl in Hinsicht auf das 5G Equipment, als auch im Hinblick auf den Stand der Software. Matthias Paukner: “Als Anlagenbauer sind wir in diesem Zusammenhang darauf angewiesen, dass es möglichst viele Anlagenkomponenten gibt, die schon 5G ´sprechen´.” Umso größer das Angebot an 5G-fähigen Komponenten ist, desto einfacher ließen sich dann 5G-typische Funktionalitäten in den Anlagen abbilden.  

Ein weiterer wichtiger Punkt mit Blick auf die Software sei der jeweils verfügbare Release-Stand der 5G-Infrastruktur. “Welche Version ist derzeit implementiert und genügen die damit verbundenen Funktionalitäten meiner Anforderungen? Das zu überprüfen, ist meiner Meinung nach einer der wichtigsten Punkte überhaupt”, so Michael Wagner.

Hilfestellung beim Einstieg in 5G

Für Unternehmen, die in die 5G-Thematik einsteigen wollen und noch nicht über das notwendige Wissen verfügen, bieten sich als Einstieg zwei Leitfäden an: Der "Leitfaden 5G-Campusnetze – Orientierungshilfe für kleine und mittelständische Unternehmen" des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz. Er beschreibt auf 48 Seiten "Konzepte, Begriffe, Betreibermodelle und Auswahlkriterien für Produktion und Logistik" (bit.ly/3fci3Dy). Noch  etwas stärker auf den 5G-Einsatz in der Fertigung fokussiert der Leitfaden "5G im Maschinen- und Anlagenbau" des Branchenverbandes VDMA (bit.ly/3LxLeNg). Er soll auf 60 Seiten "Klarheit über den Nutzwert, die Anwendungsmöglichkeiten und die Herausforderungen von 5G schaffen", so Hartmut Rauen, Stellv. Hauptgeschäftsführer des VDMA

Ist es schwierig, in Deutschland die Genehmigung für ein privates 5G-Netz auf dem eigenen Werksgelände zu bekommen?

Die Bundesnetzagentur stellt seit November 2019 Mobilfunkfrequenzen für die sogenannten “Campusnetze” bereit. Die Vergabebedingungen für die lokalen 5G-Netze wurden von den einschlägigen Industrieverbänden als sehr positiv bewertet. Eine Meinung, die von den Kuka-Experten geteilt wird: “Die Bundesnetzagentur hat hier die Genehmigungsverfahren einfach gestaltet. Das muss man wirklich positiv unterstreichen”, weiß Michael Wagner.  Man könne jedem interessierten Unternehmen nur raten, diesen Weg zu gehen.

 

Welche konkreten Tipps haben die Experten für den Einstieg?

Unternehmen, die sich mit der Thematik auseinandersetzen wollen, empfehlen Wagner und Paukner im ersten Schritt, die Zahl der Endteilnehmer, die infrage kommen, zu analysieren. Dabei müsste zum Beispiel auch geklärt werden, ob Applikationen auch werksübergreifend, stattfinden müssen.  Daraus lasse sich  die Größe des Campusnetzwerks ermitteln, das anfallende Datenaufkommen abschätzen sowie der mögliche Bedarf klären, ob Informationen eventuell auch zwischen einzelnen Standorten über das öffentliche Netz zu übertragen sind.“Das würde ich als eine erste Analyse voranstellen, erläutert Michael Wagner.  

Der zweite Rat ist, sich zu informieren, welche Möglichkeiten die aktuell verfügbare Version von 5G bereithält. “An den Releases hängt viel Funktionalität. Wenn man auf bestimmte Funktionalitäten setzt, ist man auf das jeweilige Release angewiesen”, warnt Paukner. Unter Umständen kann es dann erforderlich sein, eine künftige Version abzuwarten.

Als Drittes lautet der Rat, mit einem kleinen Testnetz zu starten, um den Hardware-Aufwand zunächst gering zu halten. “In diesem Zusammenhang sollte man auch die geplante Produkt-Roadmap der Zulieferer für 5G Equipment abfragen, um auf dieser Basis Zeitpunkt und Funktionalität des eigenen Produktes planen zu können”, empfiehlt Paukner.

Der Autor: Peter Koller

Peter Koller
(Bild: Hüthig)

Gelernter Politik-Journalist, heute News-Junkie, Robotik-Afficionado und Nerd-Versteher. Peter Koller liebt den Technik-Journalismus, weil es das einzige Themengebiet ist, wo wirklich ständig neue Dinge passieren. Treibstoff: Milchschaum mit Koffein, der ihn bei seiner neuen Aufgabe als Chefredakteur der IEE unterstützt.

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