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Der Opel Ampera

Der Opel AmperaOpel

Um es gleich vorweg zu nehmen: Abgesehen von einigen kleinen länderspezifischen Anpassungen wie Fahrwerksdämpfung etc. sind der Opel Ampera (Europa-Version) und der Chevrolet Volt (US-Version) absolut baugleich. General Motors (GM) baut das Fahrzeug auf der globalen Kompaktplattform des Konzerns, die sich in Großserie befindet. Der Einfachheit halber verwenden wir in diesem Beitrag nur noch den Namen des europäischen Pendants Opel Ampera, obwohl das Beschriebene stets auch für den Chevrolet Volt gilt.

Kein EV, sondern ein E-REV

Einerseits ist der Ampera ein reines Elektrofahrzeug, andererseits hat er durch den Range-Extender einen Verbrennungsmotor an Bord, so dass weder die Bezeichnung BEV (Battery Electric Vehicle, batteriebetriebenes E-Fahrzeug) noch die Bezeichnung PHEV (Plug-In Hybrid Vehicle, Plug-In-Hybrid) passt. Daher bezeichnet General Motors den Ampera/Volt als E-REV: EV mit Range-Extender.

Bild 1: Das Antriebssystem des Opel Ampera

Bild 1: Das Antriebssystem des Opel AmperaOpel

Die in Bild 1 blau gezeichnete Lithium-Batterie befindet sich im „Kardantunnel“ sowie unter dem Rücksitz, während die Antriebsaggregate unter der Motorhaube sitzen: der primäre Elektromotor in Fahrtrichtung links und der Verbrennungsmotor mit dem Generator in Fahrtrichtung rechts.

Vier Basis-Fahrmodi

Der Ampera verfügt über diverse Fahrmodi, in denen nicht nur der Primär-Elektromotor der Traktion dient. Bei hohen Geschwindigkeiten kommt manchmal auch der Generator als Zusatz-Elektromotor zum Einsatz, und teilweise treibt der Verbrennungsmotor den Generator, lässt dabei aber gleichzeitig einen Teil seiner Leistung über einen mechanischen Kraftschluss direkt auf die Achse wirken: „Es geht hier um die Wirkungsgradoptimierung der Maschinen“, erklärt Dr.-Ing. Burkhard Milke, Direktor Elektrische Systeme, Infotainment und Elektrifizierung bei der Adam Opel AG. „Dieser Wirkungsgradoptimierung unterliegt die Kraftflusssteuerung, die festlegt, wie viel Energie über den mechanischen Kraftschluss läuft und wie viel Energie in Form von elektrischer Energie aus dem Generator herausgelangt.“

Fahren im Batteriebetrieb

Agenda für die Bilder 2, 3, 4 und 6.

Agenda für die Bilder 2, 3, 4 und 6.Opel

Bild 2: Reinelektrisches Fahren bei niedriger Geschwindigkeit.

Bild 2: Reinelektrisches Fahren bei niedriger Geschwindigkeit.Opel

Der Ampera soll ja möglichst rein elektrisch mit Energie aus dem Stromnetz fahren. Wenn der Ampera mit voller Batterie bei niedriger Geschwindigkeit unterwegs ist, ergibt sich das in Bild 2 gezeigte Energiefluss-Szenario: die Hochvoltbatterie gibt ihre Energie über die Leistungselektronik an den Primär-Elektromotor, der über einen Planetengetriebe auf den Antrieb wirkt. In diesen Modus ist das Hohlrad des Planetengetriebes über die Kupplung C1 festgehalten.

Bild 3: Reinelektrisches Fahren bei hoher Geschwindigkeit; der Generator fungiert als sekundärer Elektromotor.

Bild 3: Reinelektrisches Fahren bei hoher Geschwindigkeit; der Generator fungiert als sekundärer Elektromotor.Opel

Wenn mehr Leistung erforderlich ist beziehungsweise bei höheren Geschwindigkeiten gelangt der Primär-Elektromotor in einen Leistungsbereich, in dem der Wirkungsgrad sinkt. Da der Leitgedanke bei der Konstruktion des Ampera darin besteht, die Energie möglichst ökonomisch zu nutzen, löst das Fahrzeug bei hohen Geschwindigkeiten die Kupplung des Planetengetriebes (Bild 3: C1 gelöst, C2 geschlossen), um so den Generator als Sekundär-Elektromotor zu verwenden, so dass zwei Elektromotoren entkoppelt voneinander über ein Planetengetriebe auf den Antrieb wirken. Die Kupplung C3, die den Verbrennungsmotor mit dem Generator verbindet, bleibt dabei stets geöffnet. So gelingt es Dr. Milke zufolge, „den Motor stets am optimalen Betriebspunkt zu nutzen“.

Bild 4: Fahren bei niedriger Geschwindigkeit im Range-Extender-Modus.

Bild 4: Fahren bei niedriger Geschwindigkeit im Range-Extender-Modus.Opel

Fahren mit Range-Extender

Wenn die Hochvoltbatterie weitgehend entladen ist, kommt der Range-Extender ins Spiel. Normalerweise ist der Verbrennungsmotor des Range-Extenders in diesem Fall über die Kupplung C3 in Bild 4 mit dem Generator verbunden, um so elektrische Energie für den Antriebsmotor (den Primär-Elektromotor) zu erzeugen. Die Elektronik steuert den Motor dabei so, dass der Ladezustand (SOC) stets um die in Bild 5 orange gepunktete Linie schwankt.

Bild 5: Abhängig vom Ladezustand schaltet die Steuerung den Range-Extender ein beziehungsweise aus.

Bild 5: Abhängig vom Ladezustand schaltet die Steuerung den Range-Extender ein beziehungsweise aus.Opel

Damit die Batterie nicht über den Range-Extender sondern mit der elektrischen Energie aus dem Stromnetz vollständig aufgeladen wird, schaltet die Elektronik den Range-Extender ab, wenn die in Bild vier grün gepunktete Linie überschritten wird. Aus diesem Grund bleibt der Ladezustand der leeren Batterie stets auf einem relativ geringen Niveau. Die in der Grafik der Entladekurve im EV-Modus sichtbaren Erhöhungen des Ladezustands ergeben sich aus regenerativen Bremsvorgängen. Beim Herunterfahren von einem entsprechend hohen Berg kann es hier zu einem signifikanten Wiederaufladen der Batterie kommen, aber ansonsten sind das nur jeweils zahlreiche kleinere Erhöhungen des SOC-Wertes.

Wenn die Elektronik entschieden hat, dass der Verbrennungsmotor arbeiten soll, dann ist der Verbrennungsmotor ja über die Kupplung C3 in Bild 4 mit dem Generator verbunden, der elektrischer Energie an die Leistungselektronik liefert, die wiederum den Primär-Elektromotor ansteuert sowie die überschüssige Energie in die Hochvoltbatterie zurückspeist, damit diese auf das Norm-Niveau ihres Ladezustands zurückkehrt. Bei niedrigen Geschwindigkeiten arbeitet der Ampera somit wie in Bild 4 beschrieben.

Bild 6: Fahren bei hoher Geschwindigkeit im Range-Extender-Modus – und zwar inklusive einem mechanischen Kraftschluss vom Verbrennungsmotor über ein Planetengetriebe zur Antriebsachse.

Bild 6: Fahren bei hoher Geschwindigkeit im Range-Extender-Modus – und zwar inklusive einem mechanischen Kraftschluss vom Verbrennungsmotor über ein Planetengetriebe zur Antriebsachse.Opel

Wenn für höhere Geschwindigkeiten mehr Leistung erforderlich ist, dann wird zusätzlich die Kupplung C1 in Bild 6 geöffnet und gleichzeitig C2 geschlossen, um so wiederum den zweiten Elektromotor parallel zum Primär-Elektromotor mit zu nutzen. „Das Konzept, die beiden Motoren immer beim optimalen Wirkungsgrad zu betreiben, funktioniert sogar im Range-Extender-Mode“, erläutert Dr. Milke: Der Generator gibt dann einen bestimmten Anteil der Energie direkt auf das Planetengetriebe, während der überschüssige Energieanteil zum Aufladen der Batterie dient.

Obwohl der Ampera dabei einen direkten mechanischen Energiefluss vom Verbrennungsmotor zur Antriebsachse aufweist, ist diese Vorgehensweise in dem Elektrofahrzeug legitim, denn schließlich lautet die oberste Devise, so wenig Energie wie möglich zu verbrauchen. Der Umweg über die Leistungselektronik und den Primär-Fahrmotor triebe den Energiebedarf in die Höhe – und das widerspricht dem Grundgedanken eines EVs.

Bild 7: Das Infotainment informiert den Fahrer über den aktuellen Betriebsmodus und den Ladezustand.

Bild 7: Das Infotainment informiert den Fahrer über den aktuellen Betriebsmodus und den Ladezustand.Opel

Ausnahme: Hold-Charge-Mode

Im Normalbetrieb fährt der Ampera so lange rein elektrisch mit ausgeschaltetem Range-Extender, bis die Batterie weitgehend entladen ist. Es gibt allerdings einen Betriebsmodus namens Hold-Charge-Mode, der es ermöglicht, bei Annäherung an einen Innenstadtbereich, in dem nur rein elektrisches Fahren gestattet ist, mit Unterstützung des Verbrennungsmotors an die Stadtgrenze zu fahren, um dann mit genügend elektrischer Energie in der Hochvolt-Batterie im innerstädtischen Bereich rein elektrisch unterwegs zu sein.

Praxistest

Dass dieses Konzept auch in der Praxis funktioniert, zeigen 900 Fahrer des Chevrolet Volt, die pro Monat etwa 350.000 km zurücklegen und sich an einer Datenerhebung per Onstar beteiligen. Unter www.voltstats.net sind diese Daten für Jedermann einsehbar. Trotz der größeren Entfernungen in den USA legten diese Fahrer mehr als 75% der Distanzen rein elektrisch mit Energie aus der Steckdose zurück, so dass sich ein mittlerer Benzinverbrauch von zirka 1,5 l/100 km ergebe, betont Dr. Milke.

Das Chassis des Opel Ampera

Das Chassis des Opel AmperaOpel

Hinter den Kulissen

„Wenn man sich einen neuen Thema widmet, muss man auch die eine oder andere neue Methode entwickeln“, ergänzt Dr. Milke. Aus diesem Grund führten die Entwickler des Ampera nicht nur Crashtests sondern auch Brandversuche durch. Die Herausforderung beim Brandschutz ergibt sich beim Ampera dadurch, dass er nicht nur eine Lithiumbatterie enthält sondern auch 60 l Benzin. „In Zusammenarbeit mit der Feuerwehr haben wir gelernt, dass große Wassermengen die beste Löschwirkung zeigen“, berichtet Dr. Milke aus der Praxis. „Der Brand der Batterie ist wesentlich unspektakulärer als man sich das vorstellt; die große Explosion bleibt aus.“ Außerdem versenkten die Entwickler sowohl ganze Fahrzeuge als auch unverkleidete komplette Batterien in Wasserbassins, um zu überprüfen, ob die Schutzmechanismen greifen. Dr. Milkes Fazit: „Das Ergebnis ist ein Auto mit fünf Euro-NCAP-Sternen.“

Probleme am Rande

Zwar sind die haushaltsüblichen 220-V-Schukosteckdosen für 16 A ausgelegt, aber in den meisten Fällen handelt es sich hierbei um Spitzenströme. „Auf einmal haben wir eine Belastung im Netz, die es vorher nicht gab“, stellt Dr. Milke fest. „Wenn ich heute schon mit 10 A oder 16 A lade und dann noch zusätzlich Leistung abfordere, dann ist das Netz darauf nicht vorbereitet und typischerweise auch die Hausinstallation nicht.“ Weil beispielsweise auch nicht einmal die Schukosteckdose europaweit einheitlich ist, „haben wir uns als OEM auf einmal in der Pflicht gesehen, elektroauto-spezifische Adapter gemäß IEC 63196 gemeinsam mit der Tier-1-Welt neu zu entwickeln, weil sie nirgendwo zu kaufen waren.“ Hinzu kommt ein weiteres Problem: „Da erstaunlich viele Kunden im Bereich eines IT-Netzes wohnen, bei dem der Trafo-Sternpunkt nicht geerdet ist, mussten wir kurzfristig darauf reagieren und unsere Diagnose robuster machen – und das in Europa, wo es heißt, das Netz sei stabil. Wir finden Probleme, die früher gar nicht existierten, so dass auch niemand eine Antwort dafür parat hat.“

Alfred Vollmer

ist Redakteur der Zeitschriften AUTOMOBIL-ELEKTRONIK und emobility-tec sowie von all-electronics.de

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