Designkonzepte für den Innenraum wie das auf der CES 2018 gezeigte Harman Digital Cockpit nutzen großflächige Displays aus Glas. Aber wie lässt sich auf den glatten Glas ein takties Feedback erzeugen?

Designkonzepte für den Innenraum wie das auf der CES 2018 gezeigte Harman Digital Cockpit nutzen großflächige Displays aus Glas. Aber wie lässt sich auf den glatten Glas ein takties Feedback erzeugen? (Bild: Tanvas/Harman, A Samsung Company)

Im Auto der Zukunft interagiert der Benutzer ständig mit den Technologien des Fahrzeugs für Fahren, Komfort, Navigation, Kommunikation und Unterhaltung. Um die Schnittstelle zur Steuerung dieser Funktionen zu vereinfachen, arbeiten die Entwickler mit Innovationen, bei denen ein großer Touchscreen das Armaturenbrett beherrscht, bis zu Konzepten, bei denen Displayoberflächen die gesamte Breite des Fahrzeugs einnehmen (Bild 1). Im Trend liegen glatte Oberflächen ohne mechanische Knöpfe, Tasten oder Schalter, die die klaren Linien von Glas, Kunststoff und Holz stören würden.

Dieses schlichte Design wird von den Automotive-Designern auch deshalb bevorzugt, weil es übersichtlichere Lösungen erlaubt. Das Fehlen mechanischer Bedienelemente entspricht den Wünschen der Automotive-OEM, denn es reduziert die Anzahl der zu montierenden Teile. Das senkt die Montage- und Materialkosten sowie den die Lageraufwand und verringert die Exponierung gegenüber Ausfallursachen wie mechanischem Verschleiß.

Zusammengefasst: TanvasTouch-Technologie

Mit der TanvasTouch-Technologie lassen sich die Anforderungen der Designer im Bereich Optik und Haptik nach glatten (Touchscreen-)Oberflächen mit der Forderung nach Verkehrssicherheit und intuitiver Bedienbarkeit und minimaler Ablenkung vereinen. Wie sich dieses Ziel umsetzen und per Software konfigurieren lässt, beschreibt dieser Beitrag.

Designkonzepte für den Innenraum wie das auf der CES 2018 gezeigte Harman Digital Cockpit nutzen großflächige Displays aus Glas. Aber wie lässt sich auf den glatten Glas ein takties Feedback erzeugen? Tanvas/Harman, A Samsung Company
Designkonzepte für den Innenraum wie das auf der CES 2018 gezeigte Harman Digital Cockpit nutzen großflächige Displays aus Glas. Aber wie lässt sich auf den glatten Glas ein takties Feedback erzeugen? (Quelle: Tanvas/Harman, A Samsung Company)

Probleme beim Innenraum-Design

Diese neue glattere und größere Benutzerschnittstelle schafft jedoch zwei neue Probleme, die von den Innenraum-Designern gelöst werden müssen:

  • Wie kann der Fahrer ohne mechanische Knöpfe und Tasten die verschiedenen Funktionen über das berührungsempfindliche Display schnell und einfach bedienen, ohne den Blick von der Straße nehmen zu müssen?
  • Wie lässt sich die Benutzererfahrung intuitiver und ansprechender gestalten, wenn der Hauptvektor für das sensorische Zusammenspiel mit den Bedienelementen ein Finger und eine glatte Glasfläche sind?


Diese Probleme löst TanvasTouch, eine neue Halbleitertechnologie für die Oberflächenhaptik von Touchscreens. In diesem Beitrag geht es darum, eine neue Dimension der Interaktion zu eröffnen, dem Entwickler auf der Oberfläche eines Displays nahezu jeden denkbaren Textureffekt erzeugen. TanvasTouch macht die Interaktion mit dem flachen leblosen Touchscreen erstmals zu einer ausgesprochen taktilen, statt nur einer vorrangig visuellen Erfahrung.

Fahrer brauchen das taktile Feedback

Das Dilemma des Fahrzeugherstellers ist klar, denn sie wollen Tasten ersetzen und die Programmierung per Software ermöglichen, ohne die Sicherheit des Fahrers zu beeinträchtigen. Der Fahrer ist vor allem für die Sicherheit verantwortlich. Das bedeutet, dass sein Blick nur sehr selten und dann nur sehr kurz von der Straße abschweifen darf. Eine 2015 im Journal of Transportation Safety and Security veröffentlichte Studie belegt, dass das Unfallrisiko zwischen dem vierfachen und dem vierundzwanzigfachen ansteigt, wenn der Fahrer länger als zwei Sekunden nicht auf die Straße blickt. Unlängst hat ein deutsches Gericht dem Fahrer eines Tesla den Führerschein entzogen, nachdem er mit einem Baum kollidiert war, während er versucht hatte, über den Touchscreen den Scheibenwischer einzustellen. (Quelle: InsideEVs, 31. Juli 2020.)

Die Bedienung herkömmlicher mechanischer Tasten und Schalter hat dazu beigetragen, dieses Risiko zu verringern, indem sie dem Fahrer hauptsächlich taktile statt visueller Informationen als Führung und Feedback geboten hat. Einstellungen wie die Lüfterdrehzahl oder die Lautstärke des Radios erfolgen gewöhnlich mit Drehreglern, die sich deutlich von der umgebenden Oberfläche abheben und sich auch ohne Sichtkontakt leicht finden lassen. Die korrekte Einstellung wird durch Rasten oder Stufen erleichtert, die ein Gefühl für die Drehung des Reglers vermitteln.

Im Gegensatz hierzu sind in Innenräumen mit großen, mehreren oder gebogenen Displays, die die gesamte Fahrzeugbreite einnehmen, mehr oder sogar alle Bedienelemente als virtuelle Skalen oder Schalter auf einem Touchscreen implementiert. Die heutigen Touchscreens erfordern eine eher visuelle als taktile Orientierung und zwingen den Fahrer, den Blick von der Straße zu nehmen. Das gefährdet die Sicherheit. Wenn der Benutzer taktile Rückmeldungen erhält, dann erfolgt dies in Form von Vibrationen, gewöhnlich als Bestätigung dafür, dass zum Beispiel ein Tastendruck vom System erkannt worden ist. Vibrationen können den Finger des Benutzers nicht zum Ziel oder durch ein Menü leiten.

Tanvastouch im Video-Interview erklärt

Ein Bild sagt mehr als Tausend Worte, und dieses Video erklärt TanvasTouch noch besser als Bilder, aber leider können wir die Touch-Funktionalität selbst nicht an Ihren Screen übertragen. Die Redaktion war jedoch von der Haptik wirklich positiv beeindruckt.

Wie kann eine glatte Oberfläche taktiles Feedback geben?

Tatsächlich ist der Einsatz virtueller Tasten im automobilen Umfeld eine eher fremde Erscheinung. Das Icon als Taste ist als Designelement beim Smartphone entlehnt worden. Beim Benutzer eines Smartphones wird jedoch vorausgesetzt, dass er ständig auf den Bildschirm blickt. Genau deshalb funktionieren dort Icons als Tasten. Und eben darum sind sie im Auto alles andere als ideal.

Wie mechanische Tasten und Schalter zeigen, lassen sich Funktionen und Menüs im Auto am besten über taktile Informationen, unterstützt durch Audiofeedback statt visueller Rückmeldungen, bedienen. Das bessere Prinzip zur Steuerung von Funktionen auf einem Touchscreen im Auto ist nicht „schauen, drücken und loslassen“, sondern „fühlen, halten und wischen oder drehen“. Aber wie kann die ebene Glasoberfläche eines Displays die erforderlichen taktilen Informationen liefern, die an Touch-Sensing und Audiosysteme angepasst sind und sich für die Anforderungen jeder Art von Benutzereingaben konfigurieren lassen, um Ein- und Ausschalten, Einstellen auf einer Skala und die Navigation in Menüs nur per Fühlen und Hören zu ermöglichen? Das verspricht die TanvasTouch-Oberflächenhaptik.

TanvasTouch bietet eine nahezu unendliche Auswahl taktiler Texturen auf dem Deckglas eines Standarddisplays oder auf anderen Materialien. Die Texturen lassen sich in Zeit und Ort mit dem Touchsensor des Displays sowie dem Grafik- und Audio-Content leicht und präzise koordinieren. Da es sich bei TanvasTouch um eine Halbleitertechnologie handelt, funktioniert sie ohne bewegliche Teile, und die Displaybaugruppe selbst bleibt bewegungslos.

Diese einzigartige Fähigkeit ist in der Welt der Benutzerinteraktion völlig neu. Wie kann die glatte Glasoberfläche eines Touchscreen-Displays dazu gebracht werden, sich wie Sandpapier, Baumrinde, ein Blatt Papier oder der Bund einer Gitarre anzufühlen?

Bild 1: Die Implementierung von TanvasTouch in einer Standard-Displaybaugruppe erfolgt allein durch Hinzufügen einer strukturierten ITO-Schicht auf dem Deckglas. Tanvas
Bild 1: Die Implementierung von TanvasTouch in einer Standard-Displaybaugruppe erfolgt allein durch Hinzufügen einer strukturierten ITO-Schicht auf dem Deckglas. (Quelle: Tanvas)

So funktioniert TanvasTouch

Die TanvasTouch-Technologie arbeitet nach dem Prinzip der Elektroadhäsion. Eine Art der Implementierung dieser Technologie besteht darin, die Spannung an einem Satz leitfähiger Elektroden zu regeln. Wenn – wie bei Touchscreen-Sensoren – Indiumzinnoxid (ITO) als Elektrodenmaterial zum Einsatz kommt, dann können diese Elektroden in Display-Anwendungen transparent sein. Dabei befinden sich diese haptischen Elektroden auf der Glasoberfläche des Touchpanels (Bild 1), und die Reibung, die von allein entsteht, wenn sich ein Finger auf glattem Glas bewegt, kann nun so verstärkt und moduliert werden, dass das Gefühl verschiedener Texturen entsteht.

Die Elektroadhäsionstechnologie TanvasTouch gibt den Entwicklern ein gewisses Maß an Kontrolle über das Gefühl der so geschaffenen Oberflächen. Der visuelle Eindruck, das Gefühl und sogar das Geräusch, das der Finger beim Gleiten über die Oberfläche erzeugt, lässt sich per Software programmieren. Der Entwickler kann auf der Oberfläche des Bildschirms das Gefühl beim Umlegen eines Kippschalters, das Klicken einer Skala und jeder Art von Texturen erzeugen – von körnig bis fein. Häufige Gesten wie Wischen und Schieben erfolgen intuitiv, während die Rückmeldung der Kraft sowohl real ist, als auch mit dem Gefühl der Oberfläche selbst verbunden wird.

Haptik per Software mit TanvasTouch

Um die TanvasTouch-Lösung zu erleben, können die Entwickler ein Desktop-Development-Kit einsetzen, das die gesamte Software, die Werkzeuge und die Schulung enthält, die es einem Entwickler von Fahrzeuginnenräumen oder Interaktionen ermöglichen, in die Realisierung von Haptik-Effekten auf Oberflächen einzusteigen. Die Software stellt dabei Texturen und Effekte als Bilder dar, die sich mit einer Displaygrafik verlinken lassen (Bild 2). Die TanvasTouch-Software wandelt das vom Entwickler erzeugte Bild automatisch in Code um, den der Surface-Touch-Controller ausführt, um die Textur auf der Bildschirmoberfläche zu rendern.

Bild 2: Die software-definierte Oberflächenhaptik wird als Schwarz-Weiß-Bild erstellt. Die TanvasTouch-API rendert feine Texturen, Kanten und Erhebungen synchron zu den visuellen Elementen. Tanvas
Bild 2: Die software-definierte Oberflächenhaptik wird als Schwarz-Weiß-Bild erstellt. Die TanvasTouch-API rendert feine Texturen, Kanten und Erhebungen synchron zu den visuellen Elementen. (Quelle: Tanvas)

Völlig neue Möglichkeiten bei der Gestaltung von Interaktion

Da die Technologie der Oberflächenhaptik von TanvasTouch nahezu uneingeschränkt konfigurierbar ist, können Entwickler von Benutzererfahrung und Interaktion die Benutzerschnittstelle im Innenraum des Fahrzeugs völlig neu denken und die Finger anstelle der Augen zum primären Vektor für Steuerung, Eingabe und Feedback machen. So können die Augen des Fahrers sich weiter auf die Straße konzentrieren.

Weil das Fühlen auch ein sehr intensives Erfahren unserer Umgebung und der entsprechenden Reaktionen erlaubt, vertieft diese neue taktile Methode des Umgangs mit Technologie über den Displaybildschirm auch die emotionale Beziehung des Benutzers zum Fahrzeug. TanvasTouch ist beliebig skalierbar. Dadurch lässt sich, im Gegensatz zur vibrotaktilen Haptik, die Oberflächenhaptik auf automotiven Displays jeder Größe und Form realisieren.

Zudem funktioniert die Oberflächenhaptik von TanvasTouch nicht nur auf Touchscreen-Displays; sie lässt sich auf beliebigen Oberflächen implementieren, auf denen die ITO-Sensoren für die Haptikeffekte aufgebracht werden können. Dazu gehören auch Holz, Kunststoff und Keramik. Überall wo TanvasTouch zur Anwendung kommt, besteht die Möglichkeit, die Effekte der Oberflächenhaptik direkt anzupassen und zu konfigurieren, um eine für die Marke charakteristische taktile Erfahrung zu erzeugen und durch die Kombination mit Vibration und Audio zu einer ganzheitlicheren Erfahrung zu verschmelzen. Entwickler für Benutzererfahrung können nicht nur den Typ der Textur, sondern auch ihre Amplitude und die Art des Einsatzes auf einem spezifischen Oberflächenbereich anpassen, je nach der Steuerfunktion, die der Benutzer bedient. Da die TanvasTouch-Plattform programmierbar ist, kann der Hersteller dem Endverbraucher sogar die Möglichkeit geben, diese haptischen Effekte selbst zu konfigurieren.

Tanvas stellt TanvasTouch für Automotive vor

Haptisches Branding von Cockpit und mehr

Den Fahrzeugdesignern eröffnet sich damit erstmals das haptische Branding. Ganz so, wie die Fahrzeughersteller Polsterung, Instrumente, Scheinwerfer und Rückleuchten mit ihrer Markensignatur versehen, können Texturen und taktile Effekte auf verschiedenen Oberflächen im Innenraum und auf den Türgriffen ihre eigene haptische Markensignatur haben. Mit einer derart vielseitig programmierbaren Plattform kann der Hersteller neue Effekte mit OTA-Updates liefern und sogar dem Endverbraucher die Möglichkeit geben, die haptischen Effekte selbst zu konfigurieren.

Diese neue Welt zur Gestaltung der Benutzerinteraktion ist heute schon für die Produktion verfügbar und lässt sich auf Standard-Displayeinheiten implementieren. Die Entwicklung der haptischen Effekte ist, dank der bildgestützten Entwicklungs-Suite im TanvasTouch Desktop-Development-Kit, intuitiv und einfach. So kann erstmals die Vision des Designers Wirklichkeit werden: Eine glatte Benutzerschnittstelle mit Touchscreen für alles im Fahrzeug, ohne dass dabei ein Sicherheitsrisiko entsteht – und zwar in einer Weise, die die Reaktion des Menschen auf Berührung und Textur anspricht.

Phill LoPresti

CEO von Tanvas, Inc.

(av)

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