Durch das KI-System sind die Fahrer in der Lage, sich auf ihre Hauptaufgabe zu fokussieren, auf das Führen des Fahrzeugs. Administrative Dokumentationsaufgaben erledigt das System unterstützend.

Durch das KI-System sind die Fahrer in der Lage, sich auf ihre Hauptaufgabe zu fokussieren, auf das Führen des Fahrzeugs. Administrative Dokumentationsaufgaben erledigt das System unterstützend. (Bild: Susi&James)

Je komplexer die Fahrzeuge werden, desto mehr steigen auch die Anforderungen an die Erprobung während der Entwicklung. Vor dem Start of Production (SOP) werden „Erlkönige“ und Vorserienfahrzeuge über viele Millionen Kilometern getestet – oftmals auf öffentlichen Straßen. Testfahrer sind bis zu 900 Kilometer pro Tag unterwegs, spulen dabei ein zuvor festgelegtes Programm ab und protokollieren die Ergebnisse.

„Dabei ist es immens wichtig, die geplanten Erprobungsszenarien stringent einzuhalten und die während der Fahrt gefundenen Beanstandungen mit möglichst detaillierten Informationen festzuhalten“, sagt Marcel Martini, Geschäftsführer des Mannheimer KI-Spezialisten Susi&James. „Gleichzeitig ist eine sichere Bedienung des Fahrzeugs eine Herausforderung.“ Durch die komplexen Aufgaben eines Testfahrers kommt es hierbei immer wieder zu kritischen Situationen bis hin zu Unfällen. Um die Belastung der Testfahrer zu reduzieren und gleichzeitig die Qualität der gewonnenen Daten zu verbessern, hat das Mannheimer KI-Unternehmen Susi&James ein sprachgesteuertes, KI-basiertes Testsystem entwickelt. Damit sind die Fahrer in der Lage, sich auf ihre Hauptaufgabe, das Führen des Fahrzeugs, zu fokussieren. Administrative Dokumentationsaufgaben erledigt das System dabei unterstützend.

In die Anwendung dieses Systems sind langjährige Erfahrungen aus dem Erprobungsbetrieb von Prototypen eingeflossen. Die Anwendung selbst ist für Tablets optimiert, kann aber auch auf Smartphones oder beliebigen anderen Devices betrieben werden – bei Bedarf sogar im Offline-Modus. Ein Alleinstellungsmerkmal hebt Marcel Martini dann auch gleich heraus: „Der Fahrer tauscht die relevanten Informationen im natürlichen Dialog mit dem digitalen Mitarbeiter aus, kommuniziert also mit der KI – und zwar so, wie er es mit einem erfahrenen menschlichen Kollegen auf der Testfahrt tun würde.“

Der digitale Beifahrer (oder: digitale Mitarbeiter)

Aus diesem Grund spricht Marcel Martini von der KI auch als ein “digitaler Mitarbeiter“: „Der digitale Mitarbeiter ist in der Lage, mit dem Fahrer in Echtzeit, in definierten Situationen oder auf Nachfrage des Fahrers, zu kommunizieren.“ Ohne den Blick von der Straße nehmen zu müssen, wird der Fahrer über anstehende Aufgaben oder den Abarbeitungsstatus der Erprobungsszenarien informiert. Das System ist aber auch in der Lage, dem Fahrer beispielsweise Warnhinweise zur Verfügung zu stellen. Gleichzeitig besteht die Möglichkeit, Berichte während der Fahrt sprachgesteuert zu erfassen und automatisiert live weitere zu verarbeiten. Durch diese unmittelbare Kommunikation zwischen Susi und dem Fahrer, können Ergebnisse quasi in Echtzeit in Entwicklungssysteme transferiert und kategorisiert werden, was den Ingenieuren oft wertvolle Erkenntnisse liefert.

Marcel Martini (Susi&James): „Der Fahrer tauscht die relevanten Informationen im natürlichen Dialog mit dem digitalen Mitarbeiter aus, kommuniziert also mit der KI – und zwar so, wie er es mit einem erfahrenen menschlichen Kollegen auf der Testfahrt tun würde.“
Marcel Martini (Susi&James): „Der Fahrer tauscht die relevanten Informationen im natürlichen Dialog mit dem digitalen Mitarbeiter aus, kommuniziert also mit der KI – und zwar so, wie er es mit einem erfahrenen menschlichen Kollegen auf der Testfahrt tun würde.“ (Bild: Susi&James)

KI erleichtert komplexe Szenarien bei Testfahrten

Ein Wake-Word wie zum Beispiel „Hey Susi,“ genügt, um mit dem System in Dialog zu treten. Die KI sorgt dafür, dass die relevanten Informationen aus dem Dialog in den Kundensystemen präzise und vollständig dokumentiert werden. Dies führt zu einer erhöhten Datenqualität, und der Fahrer kann sich auf die Bedienung des Fahrzeugs und den Straßenverkehr konzentrieren.

Insbesondere bei komplexen Erprobungsszenarien gibt Susi Schritt-für-Schritt Anweisungen. So ist beispielsweise das Kalibrieren von Sensoren dokumentationssicher möglich. Zudem besteht die Möglichkeit, triggergestützte Informationen oder Aktionen auszulösen: Ist ein bestimmter Wegpunkt erreicht, teilt Susi eine spezifische Anweisung mit – ein Beispiel: „Bitte ab der nächsten Kurve das Tempo auf 50 km/h reduzieren.“ Susi erinnert an die Durchführung bestimmter Erprobungen während des Fahrbetriebs, warnt vor Gefahrenstellen oder gibt wichtige Informationen zum Verlauf der Strecke wieder. Anweisungen für komplexe Erprobungsszenarien gibt das System Schritt für Schritt wieder. Der Fahrer bestätigt per Spracheingabe, die entsprechenden Fahrmanöver durchgeführt zu haben und gibt so das Testergebnis ein.

Erprobungsszenarien individuell konfigurieren

Dabei sind die Anwender des Systems in der Lage, die Erprobungsszenarien inklusive zugehöriger Dialoge, Checklisten, Fahranweisungen etc. selbst individuell zu konfigurieren, um sicherzustellen, dass die relevanten Daten erfasst werden. Zudem besteht die Möglichkeit, administrative Tätigkeiten wie beispielsweise die Zuweisung von Fahrern zu Testfahrzeugen unter Berücksichtigung notwendiger Qualifikationen abzubilden.

„Die Akzeptanz der Fahrer steht dabei stets im Vordergrund“, hebt Marcel Martini hervor. Daher können die vom Anwender ausgewählten Wunschdaten auf viele verschiedene Weisen eingegeben werden – sowohl per Sprache als auch über grafische Oberflächen per Touch bei stehendem Fahrzeug.

Das Team von Susi&James hat bei der Programmierung großen Wert auf die „beste Mensch-Maschine-Interaktion“ gelegt, verspricht Marcel Martini. „Durch unsere Hybrid-HMI Struktur bietet unsere Software dem Versuchsfahrer die effizienteste, komfortabelste und sicherste Möglichkeit, Informationen im Fahrzeug auszutauschen.“ Dabei betont er, dass bereits „erste namhafte Unternehmen von dem System profitieren“, denn „das System von Susi&James hilft uns, auch kurzfristig internationale Erprobungsprojekte effizient und mit einheitlich hoher Qualität durchzuführen“.

Mit der Software zur Unterstützung von Fahrerprobung macht das KI-Unternehmen seine digitalen Mitarbeiter für einen weiteren Bereich der automobilen Wertschöpfungskette nutzbar, so dass dieser jetzt entlang der gesamten Wertschöpfungskette zum Einsatz kommt. Weitere Anwendungen liegen beispielsweise in der Übernahme von produktionsbegleitenden Prozessen oder auch im Automobilhandel. (av)

Guido Reinking

Guido Reinking Automotive Press

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