Resilienz für vernetzte automatisierte Mobilitätssysteme
Forschungsprojekt ConnRAD stellt Ergebnisse vor
Das Forschungsprojekt ConnRAD erkundet die Resilienz in verteilten Verkehrssystemen und hat eine Kommunikationsarchitektur entwickelt, die nicht nur Cybersecurity und funktionale Sicherheit berücksichtigt, sondern auch regulatorische Rahmenbedingungen.
Die vom Forschungsprojekt ConnRAD entwickelte Architektur bewertet kontinuierlich die empfangenen Informationen.Bosch
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Vernetzung
und Digitalisierung spielen im Straßenverkehr eine immer wichtigere
Rolle. Dies verspricht einerseits Verbesserungen bei Effizienz und
Sicherheit, birgt aber auch Herausforderungen für die
Zuverlässigkeit beim Datenaustausch. Hier setzt das dreijährige
Forschungsprojekt ConnRAD (Connectivity & Resilienz für
automatisierte Fahrfunktionen in Deutschland) an. Es liefert wichtige
Grundlagen, damit vernetzte Mobilitätssysteme im Straßenverkehr
auch bei unvollständigen oder unsicheren Informationen stabil
funktionieren. Unter der Konsortialleitung von Bosch forschte ein
Projektteam bestehend aus Daimler Center for Automotive Information
Technology Innovations (DCAITI), Fraunhofer-Institut für Offene
Kommunikationssysteme (FOKUS), Fraunhofer-Institut für
Entwurfstechnik Mechatronik (IEM), Hochschule für Technik und
Wirtschaft des Saarlandes – htw saar, Infineon Technologies,
Technische Universität München, TÜV SÜD und der Universität Ulm
– daran, wie sich vernetzte Verkehrssysteme zukünftig robust
gestalten, entwickeln und freigegeben lassen. Das Projekt wurde vom
Bundesministerium für Forschung, Technologie und Raumfahrt
gefördert.
So wird Linksabbiegen sicherer
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Der
Austausch mit anderen Fahrzeugen in der Umgebung und mit der
Infrastruktur wie etwa mit Verkehrsampeln erhöht den Wirkungsgrad
automatisierter Fahrfunktionen. Im Fachjargon spricht man von
V2X-Kommunikation (Vehicle to Everything). Die Zuverlässigkeit
dieser Daten kann allerdings stark schwanken. Je nach
Verkehrssituation, Wetterbedingungen oder Informationsquelle sind
diese Daten nur eingeschränkt, von minderer Qualität oder sogar gar
nicht verfügbar. Um hier einerseits resilient gegenüber
Unzulänglichkeiten zu bleiben und andererseits den Nutzen
verfügbarer Daten optimal auszuschöpfen, benötigen automatisierte
Fahrsysteme ein quantifizierbares Maß an Verlässlichkeit der
ausgetauschten Informationen und Datenkanäle.
Das
Projektteam entwickelte deshalb Mechanismen, mit denen sich die
Kommunikationspartner im Straßenverkehr untereinander ihre
Verlässlichkeit und Eignung nachweisen und bewerten können. Auf
Basis dieser Bewertung entscheidet das System des empfangenden
Fahrzeugs dann, ob ein Kommunikationspartner und die übermittelten
Informationen für sicherheitskritische Fahrfunktionen ausreichend
qualifiziert und vertrauenswürdig sind. Erst dann werden die
empfangenen V2X-Informationen für solche Funktionen genutzt. Dies
ermöglicht eine intelligente Filterung der Daten und erhöht die
Sicherheit der automatisierten Fahrfunktionen.
Ein
besonders anschauliches Beispiel ist das Linksabbiegen an städtischen
Kreuzungen, das Bosch, Fokus und DCAITI im Projekt sicherer machten.
Dafür tauschen sich die Umfeldsensoren der Straßeninfrastruktur –
wie in diesem Fall zum Beispiel Radar oder Lidar-Systeme – mit den
Fahrzeugen direkt aus. Die ConnRAD-Methoden ermöglichen es dem
Fahrzeug, die Zuverlässigkeit dieser Infrastrukturdaten zu bewerten,
indem es deren Herkunft und Qualität berücksichtigt. Konkret zeigte
sich: Erhält ein Fahrzeug lediglich eine pauschale Kreuzungsfreigabe
ohne Metadaten, würde dies zu einem Unfall führen, wenn der Fahrer
nicht eingreift. Werden hingegen die Metadaten der Umfeldsensoren
mitgeliefert, kann das Fahrzeug die Verlässlichkeit einschätzen.
Wird etwa nur ein Radarsignal genannt, das bei besonders komplexen
Szenarien möglicherweise nicht ausreicht, bricht das Fahrzeug den
Abbiegevorgang ab. Erst bei der gemeinsamen Bestätigung durch
mehrere hochwertige Umfeldsensoren wie Radar und Lidar kann es sicher
abbiegen. Ein weiteres Beispiel: Die htw saar bewertet die
Vertrauenswürdigkeit der V2X-Kommunikation mit
Plausibilitätsüberprüfungen, um Auffahrunfälle am Stauende zu
verhindern.
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Robustes
Gesamtsystem für effiziente V2X-Kommunikation
Als
Basis für ein robustes und resilientes Gesamtsystem entwickelte das
Projekt eine Kommunikationsarchitektur, die nicht nur Aspekte der
Cybersecurity und der funktionalen Sicherheit berücksichtigt,
sondern auch relevante regulatorische und organisatorische
Rahmenbedingungen. Ein Kernstück dieser Architektur sind
Erweiterungen bestehender Nachrichten-Protokolle und Schnittstellen.
Diese ermöglichen es im laufenden Betrieb, die Verlässlichkeit der
kommunizierten Informationen kontinuierlich zu bewerten und
nachzuweisen. Konkret wurden die Qualität und Verlässlichkeit von
Daten messbar, bewertbar und überprüfbar gemacht. So kann das
Fahrsystem bei abnehmender Qualität der Daten automatisch und sicher
geeignete Gegenmaßnahmen einleiten – zum Beispiel, indem es auf
alternative Informationsquellen umschaltet oder das Fahrverhalten
anpasst. Einen wichtigen Beitrag hierzu leistete Projektpartner
Infineon Technologies: Das Unternehmen entwickelte Konzepte für eine
hardwarebasierende Authentifizierung der Kommunikationspartner. Dabei
werden inhärente Signaturen der Mobilfunk-Bauteile quasi als
unveränderlicher Fingerabdruck genutzt, durch den sich die von
versendeten Daten eindeutig als echt und von dieser spezifischen
Hardware stammend identifizieren lassen. Dies sorgt für deutlich
mehr Sicherheit, da die Echtheit und Herkunft der Daten direkt über
die Hardware der Kommunikationspartner gewährleistet und
Manipulationen erheblich erschwert werden.
Demonstration auf der Bosch-Erprobungsbahn in Renningen: Erst nach Bestätigung durch mehrere Umfeldsensoren wie Radar und Lidar biegt das Fahrzeug sicher ab.Bosch
Die
TU München hat das teleoperierte Fahren (Steuern des Fahrzeugs aus
der Ferne über eine gesicherte Verbindung) bei eingeschränkter
Kommunikationsbandbreite mit neuen Ansätzen abgesichert. Dazu gehört
beispielsweise das Ability-Awareness-Protokoll in Zusammenspiel mit
Vertrauensmetriken. Dies hilft dem System, die eigenen Fähigkeiten
auf die Subsysteme eindeutig aufzuteilen,Grenzen dynamisch zu
erkennen und darauf zu reagieren. Hinzu kommt Network Predictive
Quality of Service – ein Ansatz zur vorausschauenden Bewertung der
Netzwerkqualität, um frühzeitig auf mögliche
Kommunikationsprobleme reagieren zu können.
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Auch
die Simulationsergebnisse der Universität Ulm für eine
wahrscheinlichkeitsbasierende Vertrauensbewertung bestätigen eine
signifikante Verbesserung der Systemresilienz. Das Fraunhofer IEM
erweiterte den Entwicklungsprozess, um die Resilienzanforderungen
verteilter Fahrfunktionen systematisch in die Systementwicklung
einzubeziehen. Die rechtlichen und regulatorischen Rahmenbedingungen
bewertete TÜV SÜD. Aufbauend auf den gemachten Erfahrungen und
Simulationen konnten die Projektpartner eine Referenzarchitektur und
einen umfassenden Methoden-Baukasten für die Entwicklung resilienter
Fahrfunktionen in vernetzten verteilten Systemen ableiten. Mit dem
ConnRAD-Ansatz ist nun eine skalierbare Zulassung von
sicherheitsrelevanten Fahrfunktionen in verteilten Systemen möglich.