Bereits im Januar und Februar 2023 wurden in Deutschland 50.611 Elektroautos zugelassen. Im Jahr 2022 waren es 470.559 PKW mit reinem Elektroantrieb – mehr als in den Jahren zuvor (Quelle: Statista). Die Statistik des ZSW (Zentrum für Sonnenenergie und Wasserstoffforschung Baden-Württemberg) zeigt seit 2017 einen kontinuierlichen Anstieg an Neuzulassungen von Elektro-PKW weltweit. Für die kommenden Jahre sind weitere Steigerungen der Zulassungszahlen in Deutschland zu erwarten, sofern die staatliche Förderung erhalten bleibt und die Anzahl an Ladesäulen erhöht wird.
Normgerechte Prüfkonzepte entwickeln
Auf Seiten der Automobilhersteller werden zunehmend neue Modelle entwickelt, um eine breitere Kundschaft anzusprechen. Mit der Entwicklung neuer Fahrzeuge ist die Entwicklung von Prüfkonzepten und -verfahren erforderlich, die sicherstellen, dass jede einzelne Fahrzeugkomponente die an sie gestellten Qualitätsanforderungen erfüllt. Die Orientierung an normativen Vorgaben stellt dabei sicher, dass gesicherte Erkenntnisse aus Wissenschaft und Technik ausreichend berücksichtigt werden. So gelten für Komponenten von Elektrofahrzeugen diverse Normen, unter anderem auch die ISO 20653. Diese Norm enthält Beschreibungen über Schutzarten, die mit Hilfe des IP-Codes definiert werden.
Wer einen hoffnungsvollen Blick in die Norm wirft, um den IP-Schutzarten zugeordnete Grenzleckraten zu finden, wird bitter enttäuscht. Vielmehr wird darin die Bedeutung des IP-Codes erklärt und Testmethoden beschrieben, wie sie in Umweltsimulationslaboren zur Anwendung kommen. Nun kann aber nicht jedes einzelne zu prüfende Bauteil im Umweltsimulationslabor auf Dichtheit geprüft werden.
Im Umweltsimulationslabor wird lediglich eine Baumusterprüfung durchgeführt, um den Nachweis zu führen, ob das Bauteil aufgrund seines konstruktiven Aufbaus eine grundsätzliche Dichtheit aufweist. Die Einzelprüfung von Bauteilen erfolgt dann im Rahmen einer in die Produktion integrierten End-of-Line-Prüfung (EOL), die möglichst automatisiert durchgeführt wird.
Dichtheit nach DIN EN 1779:1999-10
In der Norm DIN EN 1779:1999-10 heißt es: „Die Dichtheit eines Objektes wird gewöhnlich durch die Messung der Gasleckrate bestimmt.“ Die Leckrate ist, wie der Norm ebenfalls zu entnehmen ist, definiert als der pV-Durchfluss eines bestimmten Fluids, das unter festgelegten Bedingungen durch ein Leck fließt. Die Formel zur Bestimmung der Leckrate lautet: QL=(Δp·V)/Δt (QL: Leckrate in Pa·m3·s-1, Δp: Druckänderung während der Messzeit in Pa, V: Volumen in m³, Δt: Messzeit in s).
Die Leckrate wird häufig in die Einheit ccm/min umgerechnet, da diese Einheit in der Praxis üblich ist. Dies ist besonders im Hinblick auf die im Anhang der Norm DIN EN 1779:1999 aufgelisteten Einheiten zu berücksichtigen, da die unterschiedlichen Einheiten mit einem zum Teil großen Umrechnungsfaktor ineinander umgerechnet werden.
Die IP-Schutzart setzt sich aus zwei Buchstaben und zwei Ziffern zusammen. Das „I“ steht für „International“ und das „P“ für „Protection“, die erste Ziffer steht für den Schutz vor Staub und Fremdkörpern und die zweite Ziffer für den Schutz vor Wasser.
Zu beachten ist, dass bis einschließlich Schutzgrad 6K für den Schutz gegen Wasser auch die Anforderungen für alle niedrigeren Schutzgrade erfüllt werden. Im Gegensatz dazu fallen bei den Schutzgraden gegen Wasser 7, 8 und 9K die niedrigeren Schutzgrade bis einschließlich 6K nicht unter die Bezeichnung. Daher muss in Fällen, in denen ein niedrigerer Schutzgrad bis einschließlich 6K zusätzlich zum Schutz gegen Wasser 7, 8 oder 9K erforderlich ist, dieser gesondert angegeben werden.
E-Mobility: Batterie und Sicherheit
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Festlegen der Grenzleckrate bei der Dichtheitsprüfung
Für Traktionsbatterien wird häufig die IP-Schutzart 69K verlangt. Gemäß Tabelle 1 bedeutet dies im Hinblick auf den Wasserschutz, dass „Wasser, das aus jeder Richtung gegen das Gehäuse gerichtet ist, keine schädlichen Wirkungen haben oder die Leistung beeinträchtigen darf.“ Was bedeutet das nun für die Dichtheitsprüfung und die Definition einer realistischen Grenzleckrate? Das heißt nicht, dass gar keine Feuchtigkeit eindringen darf. Um allerdings die Auswirkungen eines Wassereintritts beurteilen zu können, ist eine Risikoanalyse durchzuführen. Mit deren Hilfe können mögliche schädliche Wirkungen und Leistungsbeeinträchtigungen untersucht und ggf. in Relation zur eingetretenen Menge Wasser gesetzt werden.
Alternativ bieten sich entsprechende Untersuchungen in einem Umweltsimulationslabor an. Bei der Festlegung einer Schutzart für ein elektrisches Betriebsmittel sind stets Einsatzbereich und -bedingungen zu berücksichtigen. Dabei sind sowohl die konstruktive und materielle Ausführung des Gehäuses als auch die Einbau- oder Anbauposition von zentraler Bedeutung.
Nehmen wir einmal beispielhaft an, es befinde sich ein Leck in einem Batteriegehäuse aus Aluminium einer bestimmten Wanddicke. In der folgenden Betrachtung gehen wir von einer viskoslaminaren Strömung aus. Der mögliche Volumenstrom hängt in diesem Fall direkt von der Wanddicke ab, wie der Formel des Gesetzes von Hagen-Poiseuille (Gl.1) entnommen werden kann. Damit wird der Volumenstrom für eine viskoslaminare Strömung durch einen Leckkanal mit dem Radius r und der Länge l wie folgt berechnet: QL=(p·r4·Δp)/(8·h·l), wobei QL der Volumenstrom, r der Radius des röhrenförmigen Leckkanals, l die Länge des Leckkanals, h die dynamische Viskosität des strömenden Fluids und Δp die Druckdifferenzzwischen Anfang und Ende des Leckkanals ist.
Bei genauer Analyse der Formel lassen sich daraus einige Erkenntnisse ableiten: Je kürzer der Leckkanal, desto größer ist der hindurchfließende Volumenstrom. Je größer der Radius des Leckkanals ist, desto größer der hindurchfließende Volumenstrom, wobei zu beachten ist, dass der Radius des Leckkanals in der vierten Potenz in das Ergebnis eingeht. Außerdem hängt die Leckrate direkt von der Druckdifferenz ∆p ab.
Weiterhin sollte berücksichtigt werden, dass Adhäsionskräfte zwischen Wasser und dem Gehäusematerial sich darauf auswirken, ob ein Wassertropfen durch einen Leckkanal in das Gehäuse eintritt oder nicht. Die zentrale Größe dabei ist der Kontaktwinkel, der wiederum vom verwendeten Werkstoff abhängt. So ist zum Beispiel der Kontaktwinkel von Stahl deutlich größer als der von Aluminium. Mithilfe der Youngschen Gleichung lässt sich die kapillare Steighöhe im Leckkanal ermitteln: h=(2∙σ·cos q)/(ρ∙g∙r). Hier ist h die kapillare Steighöhe, σ die Oberflächenspannung der Flüssigkeit, θ der Youngscher Randwinkel, ρ die Dichte der Flüssigkeit, g die Fallbeschleunigung (9,81 m/s2) und r der Radius des Leckkanals.
Die Praxis zeigt, dass ein möglicher Leckkanal durch Wasser blockiert werden kann, sodass gar kein Wasser in das Gehäuseinnere gelangt. Das Wasser kann allerdings durch den Leckkanal ins Gehäuseinnere getrieben werden, wenn ein Wassertropfen mit einem höheren Druck auf den Leckkanal auftrifft. Die obigen Formeln gelten für ideale Bedingungen, in der Praxis haben Leckkanäle jedoch eine Geometrie, die sich nicht formelmäßig ausdrücken lässt und stark vom Ideal einer geraden Röhre abweicht. In der Regel ist der tatsächliche Volumenstrom etwas geringer als der mithilfe der Gleichung berechnete. Weiterhin ist es möglich, dass sich – je nach verwendetem Werkstoff – die Geometrie des Leckkanals abhängig von Temperatur und Druck verändern kann. Aus diesem Grund weist die Norm DIN EN 1779:1999-10 darauf hin, dass die Lecksuche unter Betriebsbedingungen durchzuführen ist. Gemäß einem Hinweis in der Norm „[...] kann unter Industriebedingungen die Genauigkeit der Messungen, abhängig vom Verfahren, in der Größenordnung ± 50 Prozent liegen“.
Zusammenfassung
Es gibt keine Möglichkeit, eine für alle Arten von Batteriegehäusen allgemeingültige Grenzleckrate festzulegen. Wie den obigen Ausführungen zu entnehmen ist, spielt der verwendete Werkstoff eine nicht unerhebliche Rolle bei der Festlegung einer passenden Grenzleckrate. Das bedeutet, dass für jedes einzelne Prüfteil entsprechende Voruntersuchungen anzustellen sind, um die Grenzleckrate empirisch zu ermitteln.
Bei manchen Herstellern von Dichtheitsprüfgeräten können im Rahmen eines sogenannten Mappings solche Voruntersuchungen in Auftrag gegeben werden, manchmal können auch Dichtheitsprüfgeräte ausgeliehen werden. Sofern keine Expertise in Sachen Dichtheitsprüfung im eigenen Haus vorhanden ist, bietet es sich an frühzeitig Experten hinzuzuziehen. (na)