Drohnen zur Situationserkennung weisen je nach ihren spezifischen Flugaufgaben und Start- und Landeplatzbedingungen unterschiedliche Konstruktionen auf.

Drohnen zur Situationserkennung weisen je nach ihren spezifischen Flugaufgaben und Start- und Landeplatzbedingungen unterschiedliche Konstruktionen auf. (Bild: 139754773 © Colicaranica / Dreamstime.com)

Situationsbewusstsein ist eine der wichtigsten Triebfedern für den Einsatz von Beobachtungsdrohnen. Diese müssen hochauflösende Payloads erfassen und verarbeiten, wobei sich die Datenanforderungen von Anwendung zu Anwendung unterscheiden und sich die Technologien zur Datenerfassung ständig weiterentwickeln. So nutzt beispielsweise die Küstenwache Hochfrequenz-Payloads zur Erfassung von Seenotsignalen. Für die Landwirtschaft eignen sich Multispektral-Kameras mit fünf diskreten Farbkanälen. Mit Hydrospektral-Sensoren lassen sich schädliche Algenblüten in Gewässern erkennen. Bei der 3D-Kartierung – nützlich für geowissenschaftliche, landwirtschaftliche und Städtebau-Projekte oder für Kartenservices wie Google Maps – müssen enorme Mengen an Bilddaten erfasst und analysiert werden.

Flexible Konfiguration – ein Muss für universelle Drohnen

Um all diesen verschiedenen Beobachtungsaufgaben gerecht zu werden, empfiehlt es sich, diskrete Payload-Systeme einzusetzen, die je nach oben beschriebener Aufgabenstellung ausgetauscht werden können. Nur so kann schließlich ein und dieselbe Drohne für unterschiedliche Einsatzzwecke vermarktet werden. Selbst Anwender können so das passende Payload-System in Sekundenschnelle wechseln. Auch eignen sich diskrete Payload-Systeme dazu, sie in unterschiedlichen Arten von Drohnen einzusetzen. Je nach Flugaufgabe kommen schließlich unterschiedliche Drohnen zum Einsatz. So gibt es beispielsweise hochmanövrierfähige Multirotor-Drohnen, konventionelle Flugzeug-ähnliche Drohnen oder auch amphibische Konfigurationen.

Werden solche diskreten Payload-Systeme darüber hinaus systemintern in der Performance ebenfalls modular ausgelegt, lässt sich deren Leistung besonders schnell und optimal für die jeweilige Aufgabe konfigurieren. Kunden müssen dann zudem nicht bei jeder Weiterentwicklung der Technik ihr Payload-System oder gar die Drohne komplett ersetzen. Es reicht oftmals der Austausch des Computing-Cores.

Binäre Gehirne für raue Umgebungen

In die Payload-Systeme eingebettete Elektronik muss robust und leistungsfähig sein bei geringer Größe, Gewicht, Energiebedarf und Kosten. Diese widersprüchlichen Anforderungen in Einklang zu bringen, bedeutet eine beträchtliche Herausforderung für die Entwickler. Zudem muss die Elektronik für einen erweiterten Temperaturbereich von -40 °C bis +85 °C ausgelegt werden, da es bei sommerlicher Sonneneinstrahlung und ohne jegliche Luftzirkulation in den wasserdichten, lüfterlosen Systemen ziemlich heiß werden kann.

Zur Datenverarbeitung und -speicherung sowie für den Drohnenflug wird eine leistungsstarke Embedded-Computerplattform benötigt, um alle diese Aufgaben in Echtzeit zu bewältigen. Diese muss auch mit der zentralen Steuerung verbunden sein, zum Beispiel über Satellitenkommunikation. Angesichts dieser herausfordernden Vorgaben suchen Entwickler nach einer Lösung, die hohe Rechenleistung, Kompaktheit und Energieeffizienz vereinen. Sie sollte idealerweise eine Standardlösung sein, die genauso austauschbar ist wie die Kamera und andere Systemkomponenten. Weiterhin muss sie Schnittstellen, Verarbeitung und Speicher passgenau abbilden sowie flexibel skalierbar sein. Nur dann lassen sich die binären Gehirne perfekt an die jeweiligen Nutzlasten und zukünftige Technologien anpassen.

Herstellerunabhängige Standards

Folglich sollte auch die Embedded-Computertechnologie modular aufgebaut sein. Eine vielversprechende Option ist der neue COM-HPC-Mini-Standard der PICMG, der sich dank seiner massiv gesteigerten Leistungsfähigkeit deutlich oberhalb bestehender COM-Express-Mini-Module positioniert und damit den sich ständig weiterentwickelnden Leistungsanforderungen von Drohnen gerecht wird.

Der neue COM-HPC-Mini-Formfaktor definiert eine neue Leistungsklasse für Drohnen. Auf einer minimal größeren Grundfläche werden 400 Pins auf dem Carrierboard ausgeführt. Das sind satte 81% mehr als COM Express Mini oder andere Formfaktoren wie SMARC oder Qseven.
Der neue COM-HPC-Mini-Formfaktor definiert eine neue Leistungsklasse für Drohnen. Auf einer minimal größeren Grundfläche werden 400 Pins auf dem Carrierboard ausgeführt. Das sind satte 81 Prozent mehr als COM Express Mini oder andere Formfaktoren wie SMARC oder Qseven. (Bild: Congatec)

COM-HPC Mini bietet viele High-Performance-Schnittstellen, die COM Express Mini nicht abdeckt. Dazu gehören USB 3.2 mit 20 Gbit/s, USB 4.0 mit 40 Gbit/s, PCIe Gen 5/6 mit bis zu 16 Lanes, NVMe und viele mehr. Auch der innovative Steckverbinder spricht entscheidend für die neue Spezifikation: Der aktuelle COM-Express-Steckverbinder der Revision 3.1 unterstützt PCIe Gen 4.0 mit einer Taktrate von bis zu 16 Gbit/s; der neue COM-HPC-Steckverbinder hingegen unterstützt Übertragungsraten von mehr als 32 Gbit/s – genug für PCIe Gen 5.0 oder sogar Gen 6.0. Darüber hinaus bietet COM-HPC Mini 400 Pins – also 81 Prozent mehr Anschlüsse als COM Express Mini – und erfüllt somit die höheren Schnittstellenanforderungen der neuen Generation von Edge-Computing-Prozessoren. Im Vergleich zu COM Express Basic oder Compact, die beide 440 Pins bieten, stehen 90 Prozent der Kapazität von vollwertigen Client-Modulen (Type 6) oder Headless-Edge-Server-Modulen (Type 7) zur Verfügung. Wer die Kapazität nicht zu 100 Prozent ausreizen muss, kann also wechseln.

Der neue Standard überzeugt aber nicht nur in puncto Leistung und Konnektivität. Noch wichtiger ist, dass es sich bei COM-HPC Mini – ebenso wie bei COM Express Mini – um einen herstellerunabhängigen Computer-on-Modules-Standard handelt. Dieser nutzt die Embedded-Roadmaps führender Prozessorhersteller wie Intel, AMD oder NXP, um die Rechenleistung kommerzieller High-End-Prozessoren auch industriellen Anwendungen zugänglich zu machen.

Solche Module ermöglichen flexible Designs und reduzieren den Aufwand für individuelle Anpassungen erheblich, indem sie einen anwendungsfertigen, standardisierten Rechenkern im Kreditkartenformat bereitstellen. Mit Computer-on-Modules können Entwickler ihre Designs dann auch sofort mit der jeweils neuesten Prozessortechnologie aufrüsten; sie müssen lediglich das Modul austauschen. Die kundenspezifischen Schnittstellen werden auf dem Carrierboard implementiert. Zwar fallen dadurch einmalige Entwicklungskosten an, das Design solcher Carrierboards ist aber deutlich einfacher als die Entwicklung eines eigenständigen, kundenspezifischen Single Board Computers mit allen Logik-Implementierungen. Zudem bieten VARs von Computer-on-Modules solche individuellen Carrierboards auch als Standard-Dienstleistung an.

Carrierboards von der Stange

Oftmals ist nicht einmal ein kundenspezifisches Carrierboard erforderlich. So kommt beispielsweise ein serienmäßiges COM Express Type 10 Carrierboard eines Ecosystem-Partners von congatec in Drohnen bereits zum Einsatz. Das ist für den Drohnen-OEM ein Vorteil, da er dieses Carrierboard meist innerhalb von zwei bis drei Tagen geliefert bekommen kann. Bei Verwendung solcher Standard-Carrierboards profitieren Entwickler zudem von einer sofort einsatzbereiten Plattform. Dies ist auch ideal für kleinere Stückzahlen, bei denen Customizing unwirtschaftlich wäre. Einer der Hauptgründe für die Auswahl dieses Carrierboards war der mit 84 mm × 55 mm identische Formfaktor zu COM Express Mini. Diese kompakten Abmessungen sind für Drohnen ideal. Zudem ist dieses Carrierboard auch für raue Umgebungen mit anspruchsvollen Bedingungen ausgelegt und unterstützt erweiterte Temperaturbereiche von -40 °C bis +85 °C. Zudem bietet es erstaunlich viele Schnittstellen trotz kleiner Grundfläche.

Zur Unterstützung der neuen COM-HPC Mini-Module planen congatecs Ecosystem-Partner nun die Entwicklung von ähnlichen ‚form fits function‘-Carrierboards, wie sie das Unternehmen bereits für COM Express Mini anbietet.
Zur Unterstützung der neuen COM-HPC-Mini-Module planen Congatecs Ecosystem-Partner nun die Entwicklung von ähnlichen „form fits function“-Carrierboards, wie sie das Unternehmen bereits für COM Express Mini anbietet. (Bild: congatec)

Skalierbare Mini-Module

Für die Steuerung des Payload-Systems empfahl der Ecosystem-Partner die COM Express Mini Computer-on-Modules von congatec – einem der Initiatoren dieses Embedded-Computing-Standards und Draft Editoren der neuesten Version 3.1 der Spezifikation. Heute kommen congatec-Module verschiedener Leistungsklassen in Drohnen zum Einsatz, um sowohl die Aufnahmen als auch die Satellitenkommunikation mit den zentralen Anwendern der Drohnen zu steuern. Dank Modularität lässt sich der Payload-Prozessor innerhalb von Sekunden durch einfachen Modulaustausch skalieren. Mit der Verfügbarkeit den ersten COM-HPC Mini Modulen werden weitere Innovationen möglich sein.

Sobald passende Carrierboards mit identischen Schnittstellen auf den Markt kommen, können Drohnenhersteller schnell und direkt von der Stange auf die neue COM-HPC-Leistungsklasse aufrüsten. Ein weiterer guter Grund, auf Module zu setzen – auch wenn ein neuer Standard implementiert werden muss. Genial wäre es, wenn lediglich das Carrierboard an den neuen Standard angepasst werden müsste. Alle Komponenten könnten gleich bleiben – identische Leistungsanforderungen vorausgesetzt. Die anfallenden NRE-Kosten blieben überschaubar und wären weitaus geringer als bei kundenspezifischen Eigenentwicklungen. Im gegebenen Fall ist das natürlich nicht möglich, da COM Express Mini und die bestehenden COTS-Carrier etwas kleinere Abmessungen haben als der neue COM-HPC-Standard. Laut Pareto-Prinzip ließen sich jedoch 80 Prozent aller weltweit bestehenden COM-Express-Mini-Boards auf diese Weise anpassen. Die langfristige Zukunftssicherheit ist also auch über Standards gegeben. (neu)

COM Express Carrierboard vom Type 10

Das in den Drohnen verwendete Carrierboard hat dieselben kleinen Abmessungen wie der COM Express-Mini-Formfaktor und bietet eine beeindruckende Schnittstellenvielfalt auf einer Fläche von nur 84 mm × 55 mm. Für generische Erweiterungen unterstützt es 2 × Mini PCIe-Karten halber Größe oder 1 × Karte voller Länge. In der Drohnenanwendung des Kunden wird diese Erweiterungsoption für die Satellitenkommunikation genutzt. Ferner bietet das Carrierboard: 1 × externe SATA- und 1 × mSATA-Schnittstellen; 2 × Gigabit (10/100/1000) Ports; 8 × USB 2.0 oder 2 × USB 3.0 + 6 × USB 3.0; 2 × RS-232/422/485 wählbare Hardware-Ports; 8-Bit GPIO, I2C, SMBus und System Status (S3- und Reset-Ausgänge); sowie eine Batterie-Tiefstandsanzeige. Alle Low-Profile-I/Os verfügen über robuste 2-mm-Steckverbinder mit Verriegelungsabstand. Sie können mit schalttafelmontierbaren Kabelsätzen oder MIL-Anschlüssen verbunden werden. Für Grafik und Audio bietet der CCG010/020 1 × DDI, 1 × LVDS sowie HD Audio (Cirrus Logic CS4207 Codec) mit jeweils 1 × Stereoeingang und -ausgang.

Autorin

Claire Liu ist Senior Market Segment Manager ‑ Robotics bei Congatec.

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