Mit einem Oszilloskop lassen sich keine präzisen Messungen durchführen? Mit ein paar Tipps schon.

Mit einem Oszilloskop lassen sich keine präzisen Messungen durchführen? Mit ein paar Tipps schon. (Bild: @tilialucida - stock.adobe.com)

Fast jeder von uns hat schon einmal gehört, dass Oszilloskope im Grunde genommen keine präzisen Messinstrumente sind. Da das eigentliche Erfassen numerischer Kenngrößen zu ungenau ist, sind sie lediglich zur Anzeige von Frequenzverläufen geeignet. Diese Annahmen galten sicherlich zu Zeiten, als Oszilloskope noch wesentlich weniger Funktionen hatten.

Mit den aktuellen Geräten hat sich jedoch einiges geändert. Um sie allerdings richtig einzusetzen und einzustellen, müssen Anwender die Funktionsweise der neuesten Generation von Oszilloskopen verstehen. Nur so können sie optimale Ergebnisse erzielen. Auf dem Weg zum besseren Verständnis macht es Sinn, sich erst einmal über die „problematischen“ Parameter von digitalen Oszilloskopen klar zu werden. Kennt man diese, kann man Ergebnisse besser einschätzen und bewerten.

Bandbreite als erste Bannerspezifikation

Die erste Bannerspezifikation, die einem bei Oszilloskopen in den Sinn kommt, ist die Bandbreite. Diese gibt an, welche Maximalfrequenz ein Oszilloskop erfassen kann. Die Bandbreitenbegrenzung und die Abtastrate hängen direkt zusammen. Ohne die Tiefpassfilterung könnten Signale mit hohen Frequenzen, die nicht mehr gemäß dem Nyquist-Theorem abgetastet werden, zum Analog-Digital-Wandler gelangen und es kann ein Effekt entstehen, der Aliasing genannt wird.

Bild 1: Wird ein Signal nicht mit mindestens der doppelten Maximalfrequenz erfasst, entsteht Aliasing, das heißt, es wird eine falsche Frequenz aus den erfassten Punkten reproduziert.
Bild 1: Wird ein Signal nicht mit mindestens der doppelten Maximalfrequenz erfasst, entsteht Aliasing, das heißt, es wird eine falsche Frequenz aus den erfassten Punkten reproduziert. (Bild: Siglent)

Darunter versteht man, dass durch die Unterabtastung beim Rekonstruieren ein Signal mit zu niedriger, falscher Frequenz entsteht und dargestellt wird. Somit ist eine Frequenzbegrenzung sinnvoll. Die Filterung bringt auch einen Nachteil mit sich, aus dem eine Fehlerquelle entsteht. Aus systemtechnischen Gründen kann der Eingangsfilter an der Grenzfrequenz nicht senkrecht abfallen. Stattdessen beginnt der Abfall schon weit vorher, so dass an der Grenzfrequenz bereits ein 3 dB großer Abfall besteht. Das heißt, bei der Maximalfrequenz ist die Amplitude, die zum ADC gelangt, um 3dB gedämpft. Wird am Bandlimit ein Sinussignal von 1 V eingespeist, wird es am Oszilloskop mit nur noch mit ca. 0,71 V angezeigt. Dies ist ein Amplitudenfehler von knapp 30 Prozent.

Um diesen Fehler klein zu halten, sollte ein genügend großer Abstand zur Grenzfrequenz des Oszilloskops bestehen. Ein Fehler von <2 Prozent kann man erreichen, wenn man vermeidet, im letzten Drittel der Maximalbandbreite zu messen. Dies ist einfach realisierbar, wenn sinusförmige Signale gemessen werden.

Bild 2: Rechtecksignal mit ausreichender Oszilloskopbandbreite.
Bild 2: Rechtecksignal mit ausreichender Oszilloskopbandbreite. (Bild: Siglent)

Bei nicht Sinus-Signalen muss die höchste Frequenz der harmonischen Frequenzkomponenten als Basis genommen werden. Wird dies nicht beachtet, ist die Signalintegrität des rekonstruierten Signals nicht mehr gegeben.

Bild 3: Rechtecksignal mit unzureichender Oszilloskopbandbreite.
Bild 3: Rechtecksignal mit unzureichender Oszilloskopbandbreite. (Bild: Siglent)

Hohe Abtastraten für eine saubere Erfassung

Im vorherigen Abschnitt wurde bereits das Nyquist-Theorem angesprochen. Dies soll hier noch kurz erläutert werden. Die Aussage ist: Ein Signal aus einer Folge von äquidistanten Abtastwerten kann exakt rekonstruiert werden, wenn es mindestens doppelt so schnell wie die Frequenz der höchsten Signalkomponente des Originalsignals erfasst wurde. Das bedeutet, dass ein Sinussignal mit 100 MHz mit einer Abtastrate von 200 MSa/s hinreichend gut erfasst und rekonstruiert werden kann. Dies stimmt so allerdings nur für die Erfassung der Frequenz an sich. Das Oszilloskop erfasst in diesem Beispiel nur zwei Punkte pro Periode. Mittels Sinx/x-Interpolation wird daraus ein Sinus. Allerdings können die erfassten Punkte unterschiedliche vertikale Werte haben und damit kann die Amplitude periodisch variieren. Um die Wellenform sauber zu erfassen, sind wesentlich höhere Abtastraten nötig. Besonders wenn die Signale keine reinen Sinuskurven sind, kann sich bei einem Testsignal von 100 MHz schnell die Notwendigkeit von Abtastraten im GSa/s-Bereich ergeben. Aktuelle Oszilloskope sind so ausgelegt, dass unter normalen Umständen keine Unterabtastung entstehen kann. Allerdings gibt es trotzdem Situationen, die zur Verschlechterung der Qualität führen.

Zusammenhang von Erfassungsspeicher und Abtastrate

Um diese Fälle erklären zu können ist der Zusammenhang von Erfassungsspeicher und Abtastrate wichtig. Die benötigte Speichergröße ist das Produkt aus der Anzahl der Skaleneinheiten (div), der horizontalen Ablenkung (t/div) und der Abtastrate (Sa/s). Ist die Zeitbasis entsprechend gewählt und der Speicher groß genug entsteht kein Problem. Wird nun die Zeitbasis erhöht, so dass der vorhandene oder der manuell limitierte Speicher nicht mehr ausreicht, wird die Abtastrate reduziert, bis der Speicher wieder ausreicht. Nimmt die Abtastrat, aufgrund der Einstellungen weiter ab, entsteht die Möglichkeit, dass Signale zu niedrig oder sogar unterabgetastet werden und Aliasing entsteht.

Deshalb sollten Anwender beim Messen darauf achten, dass der Speicher in den Einstellungen, nicht limitiert ist. Ferner sollten sie bei der Auswahl des Gerätes darauf achten, dass ausreichend Speicher pro Kanal verfügbar ist. Oft ist aus den Datenblattangaben nicht klar ersichtlich, ob der Speicher pro Kanal oder auf aktive Kanäle verteilt verfügbar ist. Dies gilt im Übrigen auch für die Abtastrate.
Ebenfalls, ein wichtiger Faktor ist, ob die Abtastrate eines AD-Wandlers auf alle Kanäle oder auf zwei Kanäle verteilt wird. Der beste Fall ist natürlich, wenn pro analogem Eingang ein eigener Wandler vorhanden ist.

Was ist die Blindzeitund wie lässt sie sich reduzieren?

Aus dem obigen Punkt ergibt sich die Frage, warum jemand den verfügbaren Erfassungsspeicher limitieren sollte. Eine Erklärung ist, dass die Datenspeicherung und -bearbeitung relativ gesehen viel Zeit in Anspruch nimmt. Je größer die Datenmenge, desto höher die Blindzeit.
Was ist denn nun Blindzeit? Wie der Name schon sagt, ist das Oszilloskop in dieser Zeit blind, das heißt, es werden keine Daten verarbeitet. Der Grund ist, wie oben erwähnt, das Datenhandling und die Verarbeitung. Eine Blindzeit von 99 Prozent ist keine Besonderheit. Das ist so, als würde man mit geschlossenen Augen Autofahren und sie nur einmal pro Sekunde öffnen, um zu schauen. Bei periodischen Signalen ist das kein Problem, sondern erst wenn seltene Ereignisse auftreten. Diese können häufig erst nach längeren Beobachtungszeiträumen entdeckt werden. Eine Möglichkeit die Blindzeit zur reduzieren ist dann eben die Einschränkung der Speichertiefe. Aktuelle Oszilloskope bieten aber bessere Möglichkeiten.
Eine Möglichkeit ist es, die Zeitbasis sehr groß einzustellen. Hierbei wird ein langer Zeitraum ohne Blindzeit aufgezeichnet. Je größer der Speicher, desto länger kann die Erfassungszeit sein. Natürlich ist die Blindzeit hinterher sehr lang, aber das kümmert wenig, wenn in der mehreren Sekunden langen Aufzeichnung das seltene Signal schon gefasst wurde. Für die Analyse der großen Datenmenge stehen entsprechende Suchfunktionen zur Verfügung.

Bild 4: Mit der Suchfunktion können Fehlerstellen erkannt und im Zoom analysiert werden.
Bild 4: Mit der Suchfunktion können Fehlerstellen erkannt und im Zoom analysiert werden. (Bild: Siglent)

Eine weitere Möglichkeit, wenn man die problematische Anomalie kennt, ist der clevere Einsatz der Triggerfunktionen. Damit wird das Signal im System fast lückenlos „AD-gewandelt“ ohne die Daten zu prozessieren. Erst wenn der Trigger anschlägt, startet die Bearbeitung und das Signal wird angezeigt. Ist die Speichersegmentierung im Gerät verfügbar, kann man so auch lange Beobachtungszeiträume realisieren, denn es wird ja immer nur die Anomalie gespeichert.

Vertikale Auflösung: Übergang von 8 Bit auf 12 Bit

Eine weitere wichtige Kenngröße von Oszilloskopen, die inzwischen viel diskutiert ist, ist die vertikale Auflösung. Die Zeit der 8-Bit-Oszilloskope neigt sich dem Ende zu und Oszilloskope mit 12-Bit AD-Wandler übernehmen den Markt sukzessive. Die These, dass ein Oszilloskop kein Messgerät ist, rechtfertigt die Frage, ob man 8-Bit benötigt. Wie oben erläutert, entstehen durch die Bandbreitenbegrenzung schon große Amplitudenmessfehler. Welchen positiven Effekt bringen dann 12-Bit gegenüber 8-Bit Erfassung? Ganz klar, so gut wie nichts. Dies bestätigt die These von oben in Bezug auf die Amplitude. Aber warum dann 12 Bit? Zuerst der Vergleich: Bei einer 8-Bit-Wandlung wird der vertikale Bereich in 256 Stufen aufgeteilt, bei 12-Bit sind es 16-mal mehr, also 4096. Der größte Vorteil ergibt sich nun daraus, dass auch kleinste Details erfasst und in der Detailbetrachtung im Zoom sauber dargestellt werden können. Ein gutes Beispiel ist die Messung von kleinen Schwingungen, die auf einem hohen Spannungsplateau liegen. Der Vergleich in Bild 5 unten zeigt dies deutlich.

Bild 4: Für die Signalanalyse in der Leistungselektronik ist eine hohe vertikale Auflösung vorteilhaft.
Bild 4: Für die Signalanalyse in der Leistungselektronik ist eine hohe vertikale Auflösung vorteilhaft. (Bild: Siglent)

Um höhere vertikale Erfassung am besten Nutzen zu können, empfiehlt es sich, die vertikale und horizontale Zoomfunktion zu verwenden.
Es wird häufig mit 12-Bit oder sogar 16-Bit geworben, obwohl es keine echte hardware-basierte hochauflösende Erfassung ist. Daher empfiehlt es sich immer, das Datenblatt zu überprüfen. In den obigen Fällen ist es zwar nicht falsch, aber es wird verschwiegen, dass die Auflösung hier eine Mittelung darstellt. Durch die Mittelung wird die Bandbreite des Geräts eingeschränkt, so dass man bei der maximalen Auflösung oft nur noch wenige MHz Bandbreite zur Verfügung hat. Bei echten, hardware-basierten Lösungen bleibt die volle Bandbreite erhalten.

Erwähnenswert ist noch, dass Oszilloskope äußert gut geeignet sind um Messungen im Zeitbereich, wie Timing, Jitter, Frequenz, Tastverhältnisse zu bestimmen. Funktionen wie Busdekodierung, Augendiagramm, Maskentests, FFT, usw. machen die Geräte zu einem äußerst nützlichen Analysewerkzeug.

Fazit

Zusammenfassend kann man feststellen, dass digitale Oszilloskope, abgesehen von der Amplitudenmessgenauigkeit, sehr wichtige Messgeräte im Labor sind. Beachtet man die Limitierungen, kann zumindest an den Einstellungen am Gerät selbst kaum etwas dramatisch schief gehen. Hauptsächlich sollte man schon beim Kauf beachten, dass für die eigene Anwendung eine ausreichende Leistungsfähigkeit zur Verfügung steht. Meist ist hier mehr einfach mehr. Interessant wird dies vor allem, wenn kompliziertere Signale ausgewertet werden sollen. Natürlich haben die höherklassigen Geräte auch einen größeren Umfang an automatisierten Mess-, Mathematik- und Dekodier-Funktionen und eventuell eine Verbindung mit dem PC die man quasi als Bonus dazu bekommt. Der letzte Tipp: Messergebnisse immer hinterfragen und nicht immer glauben, was der digitale Zahlenwert sagt. (bs)

Heinz Wimbauer

Application & Support Manager bei Siglent

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