Der Einsatz erneuerbarer Energien sowie der Auftrag, Energie immer effizienter und intelligenter zu verteilen und umzuwandeln, erhöhen die Anforderungen an die Leistungselektronik. Als Reaktion greift die Industrie auf moderne Halbleitertransistoren zurück. Überwiegend kommen hier MOSFETs (Metall-Oxid-Halbleiter-Feldeffekttransistoren) oder IGBTs (Bipolartransistoren mit isolierter Gate-Elektrode) zum Einsatz. Silizium ist nach wie vor der am weitesten verbreitete Halbleiter; für spezielle Anwendungen kommen mit Galliumnitrid (GaN) oder Siliziumkarbid (SiC) aber auch vermehrt Wide-Bandgap-Materialien zum Einsatz.
Neue Messtechnik
Sowohl die Hersteller von Halbleitern als auch deren Anwender entwickeln ihre Technologien intensiv weiter. Die Hersteller arbeiten an Materialien und Strukturen mit verbesserten Eigenschaften, aus denen die Anwender Schaltungen mit mehr Funktionen bei gleichzeitig sinkendem Strom- und Platzverbrauch zu immer geringeren Kosten ableiten. Um dies zu bewältigen, benötigen alle Beteiligten spezielle Messgeräte. Das traditionelle Handwerkszeug wie Oszilloskop, Netzteil, Multimeter oder auch der gute alte Curve-Tracer sind zu ungenau, zu umständlich in der Bedienung und zu unflexibel. Gewünscht ist ein Charakterisierungswerkzeug, mit dem sich auf einfache Weise alle Standard-Strom-Spannungscharakteristika vermessen lassen:
- Leckströme mit möglichst hoher Präzision
- Durchbruchsspannungen bis in den Bereich von 10 kV
- Threshold-Spannung
- Ausgangskennlinienfeld
- Direkte Messung der Transferkennlinie
Zu der eben genannten Pflicht kommt dann noch die Messung der Abhängigkeit der Bauteilkapazitäten über der Spannung als Kür (siehe Infokasten und Bild 2). Das Ganze bei möglichst hohen DC-Vorspannungen im Bereich von mehreren Kilovolt.
Beispielmessungen
Bild 2 zeigt die Messkurven der wichtigsten Kapazitätswerte von MOSFET-Leistungshalbleitern: Input-Capacitance Ciss, Output-Capacitance Coss und Reverse-Transfer-Capacitance Crss. Üblicherweise ist Ciss am größten und die Messkurve zeigt nur geringe bis keine Änderungen der Kapazität über der Spannung. Entwickler müssen diesen Kapazitätswert exakt kennen, um die Ansteuerschaltungen optimal zu dimensionieren. Die Schaltverluste werden durch Coss beeinflusst, während Crss die Schaltgeschwindigkeit mitbestimmt. Ein Vergleich der real gemessenen Werte mit dem Datenblatt des Originalherstellers kann helfen, im Wareneingang oder bei der Qualitätssicherung Fälschungen oder Abweichungen in der Produktqualität aufzudecken.
Die Gatecharge-Messung (Qg, Bild 3) ist das Produkt eines (konstant gehaltenen) Gatestromes und der Zeit. Der zeitliche Verlauf von Vgs wird ebenfalls gemessen. Im ersten Segment der dargestellten Kurve erkennt man, wie Vgs durch die Aufladung von Ciss_off im Off-Zustand des Transistors durch den Konstantstrom ansteigt. Im zweiten Segment erreicht Vgs die Threshold-Spannung und der Transistor schaltet von „Off“ nach „On“. Die Steigung ist flach, weil der Gatestrom die Reverse-Transfer-Kapazität Crss lädt. Im dritten Segment ist der Transistor vollständig durchgeschaltet und Ciss_on wird geladen. Die aus der Gatecharge-Kurve ablesbaren Parameter ermöglichen es Schaltungsentwicklern, optimal angepasste Treiberschaltungen zu entwerfen, insbesondere im Hinblick auf die sogenannten Driving-Losses.
Gatecharge-Kurve
Wertvolle Hinweise auf das Schaltverhalten erhalten Anwender durch die Analyse der Gatecharge-Kurve (siehe Infokasten und Bild 3). Hierzu messen sie den zeitlichen Verlauf des Gatestroms und der Gatespannung bei konstantem Drainstrom und setzen ihn in ein Diagramm um, das die Abhängigkeit der Gateladung über der Gatespannung zeigt. Zusammen mit den präzise gemessenen Kapazitäten und Werten aus dem Ausgangskennlinienfeld lassen sich hieraus Schaltzeiten sowie Verluste berechnen.
Für Entwickler von GaN-Bauelementen sind Methoden interessant, die Einblicke in das Current-Collapse-Phänomen bieten. Hierunter versteht man, dass bei Transistoren auf Basis von GaN der Drainstrom bei höheren Spannungen geringer ist als bei kleineren Spannungen. Auslöser dafür sind sogenannte Traps mit unterschiedlichen Zeitkonstanten, die unter anderem dafür sorgen, dass der Wert von Rds(on) unmittelbar nach dem Umschalten größer ist und sich erst mit zeitlicher Verzögerung verkleinert. Hieraus ergeben sich bauartbedingte Verluste.
Momentan herrscht ein starker Wettbewerb mit intensiver Forschung, um diesen Effekt zu kontrollieren und so die sonstigen Vorteile des Materials voll nutzen zu können. Zur Charakterisierung dieses Effekts bietet sich entweder ein moderner Power-Device-Analysator an (Bild 1), der Quellen dynamisch vom Bauteilestress in Vd/Id-Abhängigkeitsmessung umschaltet. Eine andere Möglichkeit zur Analyse dieses Effektes ist ein spezialisiertes Pulsed-IV-System (Bild 4), das das Bauelement mit sehr kurzen Pulsen anregt.
Wünschenswert ist auch, die Bauelemente für die Messungen zu temperieren. In der Praxis bieten sich für gepackte Bauelemente Heizplatten (nur oberhalb der Raumtemperatur) an oder sogenannte Thermostreams für positive und negative Temperaturen.
Know-how nötig
Charakterisierungen auf Waferebene sind auch bei Leistungshalbleitern möglich, aber unter anderem durch den enormen Einfluss des Kontaktwiderstandes eine große Herausforderung. Helfen kann hier ein versierter Partner, der zum Beispiel durch Schulung oder Consulting den Einstieg in dieses Thema erleichtert. Die BSW Testsystems & Consulting verfügt über umfangreiche Erfahrung in diesem Bereich und liefert auch Komplettsysteme als Turn-Key-Solution.
Eckdaten
Wo früher Curve-Tracern zum Charakterisieren von Leistungshalbleitern ausreichte, sind heute komplexe Power-Device-Analyzer gefragt, um auch SiC- und GaN-Bauelemente erfassen zu können. Praxisnahe Entwicklungen wie ein UHV-Bias-Tee zur Charakterisierung bis 10 kV oder die Integration einer Arbeitsfläche für sehr voluminöse Prüflinge erweitern die Anwendungsmöglichkeiten.
Schaltungsentwickler haben sich bei der Konzeption und Simulation ihrer Schaltungen lange Zeit auf Datenblatt- oder Bibliothekswerte verlassen. Dies geht solange gut, wie man die Schaltungen mit großen Sicherheitsreserven gegen Bauteiletoleranzen dimensionieren kann. Mit dieser Strategie lassen sich Effizienzsteigerungen aber nur kostspielig und zeitaufwendig durch ein Trial-and-Error-Vorgehen im Prototypenbau erzielen. Als prägnantes Beispiel sei hier auf die Kapazitäts-Spannungs-Parameter und die Gatecharge-Kurve verwiesen. Der Einfluss dieser Kenngrößen auf Schaltverluste und andere Eigenschaften ist groß. Als Datenblattwert führen sie aber oft ein Schattendasein.
Die realen Werte kennen
Durch den zunehmenden Kostendruck wollen Einkäufer flexibel auf unterschiedliche Lieferquellen zugreifen. Die Erfahrung zeigt, dass es hier immer wichtiger wird, die Spreu schnell vom Weizen zu trennen. Ein nach den Vorgaben des Originaldatenblatts konkret nachgemessenes Bauteil zeigt sofort, ob eine suboptimale Qualität oder gar eine Fälschung vorliegt, und bewahrt vor kostspieligen Überraschungen in der Produktion. Plumpe Fälschungen verraten sich oft schon im Ausgangskennlinienfeld oder der Durchbruchscharakteristik. Eine Detailanalyse der Kapazitätscharakteristika sowie der Gatecharge-Kennlinie deckt auch subtilere Mängel auf. Die Charakterisierung der realen Bauteileparameter zusätzlich über der Temperatur mittels Heizplatte oder Thermostream erlaubt Einblicke in das zu erwartende Verhalten der Schaltung und gibt wertvolle Hinweise auf Einsparpotenziale zum Beispiel bei der Kühlung.
Ein flexibler Power-Device-Analyzer sollte sich am besten über die vom Hersteller zur Verfügung gestellte Grundausstattung noch erweitern lassen, um sich nicht bei zukünftigen Entwicklungen unvermittelt in einer Sackgasse wiederzufinden. Dazu zählen unter anderem Messaufbauerweiterungen durch ein UHV-Bias-Tee der BSW, das aktuell die CV-Charakterisierung bis 10 kV ermöglicht, oder die Integration mit einer erweiterten Arbeitsfläche, um auch sehr voluminöse Prüflinge sicher testen zu können (Bild 5).
Strom sparen
Die Entwicklung und der effektive Einsatz von Leistungshalbleitern sind ein spannendes und sehr dynamisches Umfeld. Moderne Messgeräte wie die Power-Device-Analysatoren helfen Entwicklern, dem Ziel einer umfassenden grünen Energie näher zu kommen.
(lei)