Entscheidend für den Erfolg eines ressourcenschonenden und effizienten Anbaus von Pflanzen in geschlossenen Räumen ist eine Beleuchtung, die exakt auf die Bedürfnisse der Pflanzen zugeschnitten ist.

Entscheidend für den Erfolg eines ressourcenschonenden und effizienten Anbaus von Pflanzen in geschlossenen Räumen ist eine Beleuchtung, die exakt auf die Bedürfnisse der Pflanzen zugeschnitten ist. (Bild: Würth Elektronik)

Frei hängende Wurzeln in einem Nebel aus Nährlösung, ohne Mutterboden, ohne Tageslicht: In modernen Pflanzenfabriken könnte man sehr gut Aufnahmen für Science-Fiction-Filme machen. Was aber wie die Vorbereitung auf zukünftige Raumfahrtmissionen wirkt, ist angesichts der Wasser- und Platzknappheit in vielen Regionen der Welt Realität. Vertical Farming ist auch auf unserem Heimatplaneten eine zukunftsweisende, alternative oder ergänzende Anbauform. Vor allem in Asien und den USA wird sie bereits genutzt. In Danville existiert zum Beispiel eine der größten PFAL (Plant Factory with Artificial Lighting) mit zirka 6500 Quadratmetern Anbaufläche. Der Betreiber gibt an, bis heute mehr als 550 verschiedene Obst- und Gemüsesorten angebaut zu haben, dabei 95 Prozent weniger Wasser und 40 Prozent weniger Dünger als im landwirtschaftlichen Anbau zu benötigen und völlig ohne Pestizide auszukommen. Produziert werden vor allem essbare Sprossen und Jungpflanzen wie Grünkohl, Rucola, Baby Pak Choi oder Baby Brokkoli – zusammengefasst unter dem Begriff Microgreens.

Individuelles Licht für maximalen Ertrag

Pflanzenproduktionsmethoden wie Hydroponik, Aeroponik und Aquaponik verlangen eine aufwendige Steuerung der Umweltbedingungen. Die Beleuchtung ist ein wesentlicher Aspekt der „Controlled Environment Agriculture“ (CEA). Dabei muss man wissen: Licht verschiedener Wellenlängen wirkt unterschiedlich auf Pflanzen. Nur bestimmte Lichtfrequenzen können von den Pflanzen für die Photosynthese genutzt werden. Diese Frequenzen stehen im Zusammenhang mit den Absorptionseigenschaften verschiedener Photorezeptoren, die in den Chloroplasten genannten Zellorganellen eingebunden sind. Die meisten dieser Photorezeptoren absorbieren Licht in den Wellenlängen, die den Farben Blau und Rot entsprechen. Die wichtigsten Photorezeptoren sind Chlorophyll A, Chlorophyll B und die Carotinoide.

Als photosynthetische aktive Strahlung werden die Wellenlängen zwischen 400 und 700 nm bezeichnet (Photosynthetically Active Radiation, PAR). (Bild 1). Den einzelnen Photorezeptoren kommt in verschiedenen Phasen der Pflanzenentwicklung eine unterschiedliche Bedeutung zu. Darüber hinaus gibt es die Phytochrome, die Licht der Wellenlängen 660 und 730 nm absorbieren. Diese Photorezeptoren steuern in den Pflanzen Prozesse wie die Wachstumsrichtung oder die Blütenöffnung. Welche Wellenlänge, was bewirkt, hängt von der Pflanzengattung ab, ja sogar von Sorte zu Sorte gibt es Unterschiede.

Bild 1. Kraftfutter für Pflanzen: Jeder Photorezeptor hat sein spezifisches Absorptionsspektrum. LEDs können nahezu jeden Lichtmix erzeugen und damit jeder Pflanze genau die Wellenlängen liefern, die sie braucht.
Bild 1. Kraftfutter für Pflanzen: Jeder Photorezeptor hat sein spezifisches Absorptionsspektrum. LEDs können nahezu jeden Lichtmix erzeugen und damit jeder Pflanze genau die Wellenlängen liefern, die sie braucht. (Bild: Würth Elektronik)

Creating Together – auch in der Vertical-Farming-Szene

Würth Elektronik ist einer der wenigen, wenn nicht sogar der einzige Hersteller elektronischer Bauelemente mit einer interdisziplinären agrarwissenschaftlichen Forschungsabteilung. Als das Unternehmen in die Produktion von Horticulture-LEDs einstieg, wollte man deren Anwendung verstehen. [1] Das interdisziplinäre Team hat deshalb Zusammenhänge erforscht, um bestimmte Qualitätsparameter durch die gezielte Beleuchtung zu beeinflussen – Erkenntnisse, die Würth Elektronik gerne mit der Vertical-Farming-Szene teilt. Beispiel: Das dunkelrote Licht oder Far Red Light mit 730 nm, das sich im Infrarotspektrum befindet, beeinflusst die Keimung und kann die Blütezeit von Pflanzen verkürzen. Zugleich fördert es aber auch im Zusammenhang mit der Schattenflucht das Längenwachstum. Ein weiteres Forschungsergebnis: Das Team konnte feststellen, dass sich mit rotem Licht bei 660 nm zunächst die Vorstufen (Precurser) von Flavonolen erzeugen lassen. Anschließend kann man mit blauem Licht bei 450 nm daraus Flavonole generieren und innerhalb von acht Tagen verdoppeln, im Vergleich zu Sonnenlicht. (Bild 2) Flavonole haben für Menschen eine antioxidative Wirkung. Mit den richtigen Lichtrezepten ist es also möglich, die Bildung sekundärer Pflanzenstoffe zu verstärken.

Bild 2. Lichtmix steuert Pflanzeneigenschaften: In einem ersten Schritt werden in der Pflanze bei rotem Licht (660 nm) die Vorstufen (Precurser) von Flavonolen erzeugt. Danach wird die LED-Beleuchtung auf Blau (450 nm) umgestellt, und die Pflanze generiert die fertigen Flavonole. Dabei wird im Vergleich zu Sonnenlicht nach acht Tagen die doppelte Menge produziert. Die sekundären Pflanzenstoffe haben für den Menschen eine antioxidative Wirkung.
Bild 2. Lichtmix steuert Pflanzeneigenschaften: In einem ersten Schritt werden in der Pflanze bei rotem Licht (660 nm) die Vorstufen (Precurser) von Flavonolen erzeugt. Danach wird die LED-Beleuchtung auf Blau (450 nm) umgestellt, und die Pflanze generiert die fertigen Flavonole. Dabei wird im Vergleich zu Sonnenlicht nach acht Tagen die doppelte Menge produziert. Die sekundären Pflanzenstoffe haben für den Menschen eine antioxidative Wirkung. (Bild: Würth Elektronik)

„Horticulator“ findet die optimalen LEDs

Eine wachsende Zahl von Unternehmen setzt auf Beleuchtungslösungen mit den Horticulture-LEDs von Würth Elektronik. Die Firma Engel Lighting GmbH & Co. KG [3] hat zusammen mit Würth Elektronik Pflanzenleuchten für die Beleuchtung von Gewächshäusern und für die Beleuchtung in Vertical Farms entwickelt (Bild 3). Das Besondere hierbei ist, dass man Spektren für spezielle Qualitätsparameter auswählen kann. Die ausgewählten Spektren wurden mithilfe der Pflanzenforschung von Würth Elektronik entwickelt. Bei der Berechnung der Spektren und der Auswahl der LEDs wurde der „Horticulator“, ein Modul der Online-Design-Plattform REDEXPERT [2], verwendet. Ein erstes Projekt: Die Leuchte „Optimus“ hängt im neu gestalteten Gewächshaus des Holland-Parks in Berlin [4].

Ein Hightech-Minigewächshaus für die Küche mit der Bezeichnung „smartGarten“ ist die Horticulture-LED-Anwendung des Start-ups simplePlant GmbH. Es ermöglicht die schnelle wasser- und düngersparsame Zucht von Kräutern. Der nächste Schritt wird zwangsläufig die Nutzung einer dynamischen, an Wachstumsphasen angepassten Beleuchtung sein. Insbesondere für den gezielten Anbau wirkstoffreicher Heilpflanzen bietet die Lichtsteuerung großes Potenzial. Würth Elektronik hat dies nicht nur durch Forschung zu den Qualitätsparametern vorbereitet, sondern auch durch eine Lösung zur individuellen Ansteuerung und zum Dimmen einzelner LEDs. Die emittierte Wellenlänge darf sich dabei nicht verändern.

Bild 3. Grundlagenforschung, praktisch umgesetzt: Im Gewächshaus des Holland-Parks in Berlin sorgt das Beleuchtungssystem „Optimus“ von Engel mit LEDs von Würth Elektronik für optimale Wachstumsbedingungen.
Bild 3. Grundlagenforschung, praktisch umgesetzt: Im Gewächshaus des Holland-Parks in Berlin sorgt das Beleuchtungssystem „Optimus“ von Engel mit LEDs von Würth Elektronik für optimale Wachstumsbedingungen. (Bild: Engel Lighting)

Farbmischung mit dem Lighting Development Kit

Würth Elektronik stellt ein Development Kit [5] mit mehreren dimmbaren Kanälen für einen 86-W-LED-Treiber zur Verfügung (Bild 4). Es bietet eine einfache Lösung zum Mischen von RGBW-Farben für verschiedene Beleuchtungssituationen – zur Verstärkung des Pflanzenwachstums mit dem Horticulture-Panel. Hinzu kommt mit dem neuen „Sunshine Panel“ eine Lösung für die Innenraumbeleuchtung auf Basis von Human Centric Lighting (HCL). Das Design des Development Kits erfüllt die EMV-Normen (EN55015) und kann um zusätzliche Kanäle erweitert werden, die sich unabhängig voneinander oder mit anderen Kanälen über den PWM-Ausgang ansteuern lassen. Das System lässt sich an die Kundenanforderungen anpassen und vom Entwickler neu konfigurieren.

Bild 4. Lighting Development Kit von Würth Elektronik: einfache Lösung zum Mischen von RGBW-Farben für verschiedene Beleuchtungssituationen.
Bild 4. Lighting Development Kit: einfache Lösung zum Mischen von RGBW-Farben für verschiedene Beleuchtungssituationen. (Bild: Würth Elektronik)

LEDs sind die Schlüsseltechnologie

Der Trend führt weg von traditionellen, entladungsbasierten Gewächshausleuchten und hin zu LEDs. Harun Özgür, Division Manager Optoelectronics bei Würth Elektronik eiSos, ist sich dabei sicher, dass die von Würth Elektronik untersuchte Nutzung von Lichtrezepten zur Optimierung der Pflanzenzucht früher oder später auch in kommerziellen Lösungen Eingang finden wird. „Derzeit haben wir es noch mit Einzelprojekten zu tun. Das Thema wird Fahrt aufnehmen, sobald Komplettlösungen für das Vertical Farming auf den Markt kommen, die alle Aspekte der Umgebungskontrolle, Bewirtschaftung, Bewässerungs- und eben auch Lichtsteuerung umfassen, dabei aber einfach in der Anwendung sind. Zur Entwicklung solcher Systeme sind Sammlung und Austausch von Know-how nötig. Als Mitglied der Association for Vertical Farming sind wir daran beteiligt [6]“, so Özgür weiter.

Bild 5. Frische Kräuter für den Eigenbedarf in der Werkskantine: Der Vertical-Farming-Demonstrator ist bei Würth Elektronik in Waldenburg im täglichen Einsatz – wenn er nicht gerade auf einer Messe unterwegs
Bild 5. Frische Kräuter für den Eigenbedarf in der Werkskantine: Der Vertical-Farming-Demonstrator ist bei Würth Elektronik in Waldenburg im täglichen Einsatz – wenn er nicht gerade auf einer Messe unterwegs ist. (Bild: Würth Elektronik)

Wenn die Energie aus regenerativen Quellen stammt, dann ist Vertical Farming nicht nur wassersparend, sondern auch nachhaltig – eine vielversprechende Ergänzung der Landwirtschaft. Würth Elektronik liefert als Hersteller von Horticulture-LEDs wichtige Beiträge durch die Erforschung der Möglichkeit der lichtgesteuerten Pflanzenzucht einerseits und durch die Unterstützung der Entwickler von Beleuchtungssystemen andererseits. Die Arbeit mit „Lichtrezepten“ wird die Effizienz im Vertical Farming zukünftig weiter steigern. Dies voranzubringen, ist für Würth Elektronik Chefsache: Mit Vorträgen bei Veranstaltungen oder in Kooperationen mit Forschungsinstituten setzt sich das Unternehmen intensiv für die Förderung dieses Anbauverfahrens ein. Bei Würth Elektronik selbst ist Salat aus dem Schrank bereits etabliert, denn wenn der Vertical-Farming-Demonstrator nicht gerade auf einer Messe unterwegs ist, steht er in der Kantine des Unternehmenshauptsitzes in Waldenburg und ergänzt das Angebot – frischer und lokaler geht es nicht (Bild 5). (neu)

Autor

Autor Alexander Gerfer
(Bild: Würth Elektronik)

Alexander Gerfer, CTO, Würth Elektronik eiSos GmbH & Co. KG

Autor Johann Waldherr

Autor Johann Waldherr
(Bild: Würth Elektronik)

Johann Waldherr, Business Development Manager Electronic Power & Lighting Solutions, Würth Elektronik eiSos GmbH & Co. KG

Zusätzliche Informationen

[1] Horticulture-LEDs bei Würth Elektronik: www.we-online.de/leditgrow

[2] Online-Design-Plattform REDEXPERT: https://redexpert.we-online.com

(Navigation über „Hamburger“-Menü: Product – Optoelectronics – Horticulture LEDs)

[3] Homepage von Engel Lighting: https://engel-lighting.com

[4] Homepage des Freizeitparks Holland-Parks: https://www.hollandpark.de

[5] Lighting Development Kit

[6] Homepage der Association for Vertical Farming: https://vertical-farming.net

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