Der Wettlauf zum Quantencomputer wird sich am Quantenbit (Qubit) entscheiden. Hier zeigen Qubits auf Siliziumbasis ein sehr hohes Potenzial.

Der Wettlauf zum Quantencomputer wird sich am Quantenbit (Qubit) entscheiden. Hier zeigen Qubits auf Siliziumbasis ein sehr hohes Potenzial. (Bild: Production Perig, Adobe Stock 242424749)

Wie geht die Entwicklung des Quantencomputers derzeit in Deutschland und Europa voran? Forschende der Universität Konstanz zeigen die entscheidenden Herausforderungen, das Potenzial von Silizium-Quantenbits und wie sich drei neue Forschungsverbünde formieren. Der Wettlauf zum Quantencomputer wird sich aller Voraussicht nach am Quantenbit (Qubit) entscheiden – der kleinsten Informationseinheit des Quantencomputers, schreibt Dr. Jürgen Graf im Beitrag in campus.kn, dem Online-Magazin der Universität Konstanz. Die Kopplung mehrerer Qubits zu einem Rechensystem zählt zu den aktuell größten Herausforderungen bei der Entwicklung des Quantencomputers. Eine Kernfrage ist, welches physikalische System und welches Material sich am besten für Qubits eignet. Am weitesten entwickelt sind Qubits auf Basis von Supraleitern – es zeichnet sich jedoch zunehmend ab, dass die Silizium-Halbleitertechnologie eine aussichtsreiche Alternative mit entscheidenden Vorteilen bei der Chip-Herstellung sein könnte.

Woraus Qubits bestehen

Das klassische Bit ist die kleinste Speichereinheit gegenwärtigen Computer. Es kann exakt zwei Werte annehmen: Eins und Null – oder anders angesagt: Strom fließt („Eins“) beziehungsweise Strom fließt nicht („Null“). Das Quantenbit ist hingegen nicht auf diese beiden Zustände limitiert: Es kann einen Zwischenzustand aus Eins und Null zugleich annehmen, die sogenannte „Superposition“. Erst im Moment der Messung wird dieser Zwischenzustand auf einen festen Wert gebracht. Mit anderen Worten: Während normale Bits zu jeder Zeit einen festgelegten Wert haben, nehmen Qubits immer erst im Moment der Messung einen definierten Wert ein. Auf dieser Eigenschaft beruht die massive Rechenleistung, welche Quantencomputer bei einigen Problemstellungen nutzen können.

Schematische Darstellung des Spin-Qubits bestehend aus vier Elektronen (rot) mit ihren Spins (blau) und der umgebenden Halbleiterstruktur (grau).
Schematische Darstellung des Spin-Qubits bestehend aus vier Elektronen (rot) mit ihren Spins (blau) und der umgebenden Halbleiterstruktur (grau). (Bild: AG Burkard)

Die Speicherung von Quanteninformation wird dadurch ungleich komplizierter – ein einfaches „Strom an/Strom aus“ reicht nicht. Stattdessen dienen die schnellsten und kleinsten Prozesse in Raum und Zeit als Grundlage: Quantenzustände von Elektronen oder Photonen lassen sich nutzen, um ein Qubit zu realisieren. Im Fall der Silizium-Quantenbits wird der Eigendrehimpuls eines einzelnen Elektrons – der sogenannte Elektronenspin – als Informationsspeicher herangezogen. Die Drehrichtung des Elektrons in Kombination mit seinem Quantenzustand kodiert dabei die Quanteninformation. Das ist höchst fragil, denn schon kleinste Störungen auf atomarer Ebene können den Drehimpuls eines Elektrons beeinflussen und die Quanteninformation zunichtemachen.

Herausforderung der Gegenwart: Quantenbits koppeln

Noch schwieriger wird es, Quantenbits miteinander zu verschalten. Denn um eine Rechenoperation vorzunehmen, reicht ein einzelnes Quantenbit nicht aus. Genau wie bei klassischen Computern müssen auch beim Quantencomputer viele (Quanten-)Bits miteinander zu einem Rechensystem gekoppelt werden: Die einzelnen Qubits müssen folglich miteinander interagieren können. Wenn die zu koppelnden Qubits auf dem Chip weit auseinanderliegen, muss ein Qubit zunächst mit einer Art „Quantenbus“ in die Nähe des anderen gebracht werden, damit eine Rechenoperation ermöglicht wird.

Handwerklich bedeutet das im Fall des spinbasierten Qubits, dass der Drehimpuls eines Elektrons präzise und möglichst störungsfrei transportiert oder auf ein anderes Elektron übertragen werden muss – und das nicht nur einmal, sondern potenziell tausend- bis millionenfach. Eine Herausforderung für die Wissenschaft – die Verschaltung der Qubits stellt die aktuell wohl größte Hürde bei der Entwicklung des Quantencomputers dar. „Es ist nicht dasselbe, ob man ein einzelnes Quantenbit einrichtet, oder ob man zehn, hunderte oder tausende davon zusammenschaltet. Es können Wechselwirkungen zwischen den Qubits entstehen, die nur schwer in den Griff zu bekommen sind“, schildert Prof. Dr. Guido Burkard, Professor für Theoretische Festkörperphysik und Quanteninformation an der Universität Konstanz.

Die am weitesten fortgeschrittenen Prototypen des Quantencomputers erreichen gegenwärtig die Kopplung von rund 20 bis 50 Qubits.

Quantengatter aus zwei Silizium-Elektronen. Die Drehimpulse der beiden Elektronen werden durch zwei Nano-Elektroden (VL und VR) kontrolliert. Eine dritte Nano-Elektrode (VM) koordiniert die Interaktion beider Elektronen.
Quantengatter aus zwei Silizium-Elektronen. Die Drehimpulse der beiden Elektronen werden durch zwei Nano-Elektroden (VL und VR) kontrolliert. Eine dritte Nano-Elektrode (VM) koordiniert die Interaktion beider Elektronen. (Bild: Universität Konstanz)

Welt der Quantentechnologie: Sollte ich mir einen Quantencomputer kaufen? (1,5 h)

Für alle, die sich in 1,5 h noch sehr viel näher mit der Quantentechnologie befassen möchten: Online-Vortrag von Prof. Dr. Guido Burkard, Physiker an der Universität Konstanz.

Das Potenzial von Silizium

Die bislang am weitesten entwickelten Quantencomputer-Systeme basieren auf Supraleitern. Supraleiter-Systeme sind extrem leistungsfähig, haben jedoch mit Einschränkungen zu kämpfen: Sie operieren nicht bei Raumtemperatur, sondern bei Temperaturen knapp über dem absoluten Nullpunkt (bei rund -273 °C). Zudem sind supraleitende Qubits relativ energieaufwendig und aus Sicht der technischen Miniaturisierung vergleichsweise groß, so dass nur wenige Supraleiter-Qubits auf einen Chip passen.

Parallel zur Weiterentwicklung der Supraleiter-Qubits findet daher eine Forschung zu alternativen Systemen statt. Zu den aussichtsreichsten Materialien zählt Silizium: „Wir glauben, dass die auf Silizium basierten Halbleiter-Qubits sehr vielversprechend sind“, erklärt Guido Burkard. Siliziumbasierte Quantenbits haben den Vorteil, dass sie mit einer Größe von nur wenigen Nanometern entschieden kleiner sind als Supraleiter-Systeme. Folglich können sehr viel mehr davon in einen Computerchip gefasst werden – potenziell Millionen. „In der Industrie gibt es zudem eine jahrzehntelange Erfahrung im Bereich der Silizium-Halbleitertechnologie. Hiervon profitiert die Entwicklung und Herstellung von siliziumbasierten Qubits enorm – ein Vorteil, der nicht zu unterschätzen ist“, führt Guido Burkard aus.

Bereits 2017 gelang es der Arbeitsgruppe von Guido Burkard in Zusammenarbeit mit der Princeton University und der University of Maryland, ein stabiles „Quantengatter“ für Silizium-Qubits zu erstellen – also ein Schaltsystem für zunächst Zwei-Qubit-Systeme, das alle Grundoperationen des Quantenrechners durchführen konnte. Ein Meilenstein, auf dem die Physiker nun aufbauen: „Unsere Aufgabe ist es nun, hochzuskalieren und eine möglichst große Zahl an Silizium-Qubits möglichst störungsfrei zusammenzuschalten“, sagt Burkard. Um dieses Ziel zu erreichen, hat er sich nun im Rahmen von drei großen Forschungsverbünden auf Ebene von Europa, von Deutschland und von Baden-Württemberg mit führenden Forschungsgruppen im Bereich der Qubit-Entwicklung zusammengetan.

Forschung auf Europa-Ebene: Forschungsverband QLSI

Der Forschungsverbund QLSI („Quantum Large-Scale Integration with Silicon“) ist ein Projekt im Bereich der siliziumbasierten Quantencomputertechnologie, welches im Rahmen des „Flagschiffs“ der Europäischen Union (EU) zu den Quantentechnologien durchgeführt wird. Das Projekt bringt die Expertise von 19 Forschungseinrichtungen in Europa zusammen, die Koordination liegt beim Forschungsinstitut CEA-Leti in Grenoble (Frankreich). Aufgabe von QLSI ist der Schritt vom einzelnen Silizium-Qubit zu komplexen Schaltungssystemen. Der Forschungsverband nahm im Dezember 2020 seinen Auftakt und wird für eine Laufzeit von vier Jahren mit 15 Millionen Euro gefördert.

Bundesweite Ebene: Forschungsverband Quasar

Der Forschungsverbund Quasar setzt sich zum Ziel, einen Halbleiter-Quantenprozessor „Made in Germany“ zu entwickeln, der auf dem sogenannten Shutteln von Elektronen basiert. Die Grundlage bildet ein sogenannter Quantenbus, der es ermöglicht, einzelne Elektronen mitsamt ihrer Quanteninformation über Distanzen von bis zu 10 µm hinweg zu transportieren. Die Technik beruht auf hintereinandergeschalteten Elektroden, die die Quantenpunkte durch pulsierende Spannungen „wie auf einem Förderband“ von einem Ende zum anderen bewegen.

Der Verbund Quasar wird seitens des Forschungszentrums Jülich koordiniert und führt Forschungseinrichtungen und Industriepartner aus ganz Deutschland zusammen. Quasar hat zum Ziel, auf nationaler Ebene das Forschungswissen im Bereich der Grundlagenforschung mit den Erfahrungen der Industriepartner im Bereich der Halbleitertechnologie zusammenzuführen. Der Verbund startete im Februar 2021 und wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) bis 2025 mit 7,5 Millionen Euro gefördert.

Förderung durch das Bundesland Baden-Württemberg: Kompetenzzentrum Quantencomputing

Das von der Fraunhofer-Gesellschaft koordinierte und vom Land Baden-Württemberg geförderte „Kompetenzzentrum Quantencomputing Baden-Württemberg“ stellt der Forschung und Industrie einen existierenden Quantencomputer für Entwicklungs- und Testzwecke zur Verfügung. „Im Rahmen des Kompetenzzentrums ist die Universität Konstanz an den beiden Projekten QORA und QC4BW beteiligt“, schildert Guido Burkard. Bei QORA handelt es sich um ein Quantensoftware-Projekt mit der Aufgabe der Optimierung von Algorithmen des Quantenrechnens. QC4BW verfolgt hingegen als Hardware-Projekt das Ziel, Quanteneffekte in Diamanten als mögliche Grundlage von Qubits zu erforschen. (na)

Der Beitrag beruht auf Unterlagen der Universität Konstanz

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