
Relais mit zwangsgeführten Kontakten nach IEC 61810-3 schützen Mensch und Maschine vor Schäden. (Bild: Panasonic)
Zugegeben, nicht jedes Leistungsrelais taugt als Basis für ein Relais mit zwangsgeführten Kontakten. Wie der Name schon verrät, müssen sich mindestens zwei Kontakte auf der Grundplatte tummeln, denn mit einem einzelnen Kontakt lässt sich schließlich keine Zwangsführung von zwei oder mehr Kontakten realisieren.
Doch der Reihe nach. In den 70er und 80er Jahren eroberten speicherprogrammierbare Steuerungen (SPS) den Automatisierungsmarkt. Mit zunehmendem Einsatz technischer Unterstützung in Produktions- und Prozessanlagen stieg auch das Bedürfnis nach mehr Sicherheit im Arbeitsalltag. So sollen in der chemischen Industrie Substanzen nicht unbeabsichtigt und nur in der richtigen Menge zusammenfinden, eine Industriepresse soll ausschließlich Werkstücke kalt verformen und nicht die Finger des Bedieners während des Werkstückwechsels. Gerade letzteres Beispiel eignet sich gut, um kurz die grundlegende Sicherheitsproblematik aufzuzeigen und die Idee hinter der Zwangsführung von Kontakten zu betrachten.
Warum zwangsgeführte Relaiskontakte?

Relais schalten Lasten. Dies geschieht, vereinfacht dargestellt, üblicherweise dadurch, dass
- eine Spule bestromt wird
- sich ein magnetisches Feld bildet
- dadurch ein magnetischer Fluss durch Joch und Anker entsteht
- dieser Fluss eine Kraft auf den entsprechend gelagerten Anker ausübt
- wodurch sich wiederum der Anker bewegt
- und so ein Kontakt geschlossen wird.
Die Bandbreite an Lasten, welche ein herkömmlicher Leistungsrelaiskontakt schaltet, reicht dabei von kleinen Signallasten von wenigen Milliwatt bis zu mehreren hundert oder gar einigen tausend Watt.
Während bei kleinen Lasten kaum Abbrand am Kontakt zu erwarten ist und mögliche Fehlerquellen eher im Versagen der Kontaktgabe durch etwaige Fremd- oder Oxidationsschichten zu erwarten sind, stellen höhere Lasten ein komplexeres und schwer berechenbareres Feld dar.
Ohm’sche Lasten bei Wechselspannung, zum Beispiel elektrische Heizschlangen, sorgen in der Regel für kontinuierlichen Kontaktabbrand. Am Lebensdauerende ist das Kontaktmaterial verbraucht und der Kontakt kann nicht mehr schließen, siehe Bild 1. Im schlimmsten Fall wird also irgendetwas nicht eingeschaltet, was meist keinen gefährlichen Fehler erzeugt.
Eck-Daten 'Relais mit zwangsgeführten Kontakten'
Herkömmliche Leistungsrelaiskontakte schalten Lasten vom Milliwattbereich bis hin zu einigen tausend Watt. Bei hohen kapazitiven oder induktiven Lasten beschädigen energieintensive Lichtbögen den Kontakt. Es kann zu Verhakungen und Verschweißungen kommen und letztlich bleibt dadurch die angeschlossene Last unter Strom, obwohl die ausgeschaltet sein sollte. Nutzt die Ansteuerschaltung aber den Rücklesekontakt eines Relais mit Zwangsführung, wird der Fehler sicher erkannt. Die Anforderungen sind hoch und daher müssen Relais mit zwangsgeführten Kontakten die IEC 61810-1 und die IEC 61810-3 erfüllen.

Anders verhält es sich bei kapazitiven oder induktiven Lasten, womöglich noch im Gleichspannungsbereich. Hohe Einschaltströme bzw. Spannungsspitzen beim Abschalten erzeugen energieintensive Lichtbögen, welche über die Lebensdauer den Kontakt schädigen und zu Verhakungen oder Verschweißungen führen können. Bild 2 zeigt die dabei entstehende typische Berg- und Talansicht der Kontaktstücke.
Dieser Fehler ist gefährlich, denn bei einem verschweißten Kontakt bleibt die angeschlossene Last unter Strom, obwohl sie ausgeschaltet sein sollte.
Beispiel Pressensteuerung
Nach diesem kurzen Exkurs schließt sich der Kreis zum vorher genannten Beispiel der Pressensteuerung. Teile der Leistungshydraulik könnten über einen einfachen, verschweißten Kontakt angeschaltet bleiben, ohne dass es der Bediener bemerkt. Ein unerwartetes Einschalten ist nicht auszuschließen.
Nutzt die Ansteuerschaltung oder eine Logik aber den Rücklesekontakt (Schließer) eines Relais mit Zwangsführung, wird der Fehler „Kontaktverschweißen“ sicher erkannt. Durch dieses vorhersagbare, also deterministische Verhalten lässt sich die entsprechende Steuerung so ausgelegen, dass über Redundanz der Schaltkontakte (zwei Relais in Reihe) die Last sicher getrennt und ein Wiedereinschalten zuverlässig verhindert wird – und der Finger oder die Hand des Bedieners somit keinen Schaden erleidet.
Dieser vereinfachten Darstellung stehen in der harten Realität eine Vielzahl von Normen und Vorschriften gegenüber. Die Anforderungen sind hoch, daher müssen Relais mit zwangsgeführten Kontakten nicht nur die IEC 61810-1 für elektromechanische Elementarrelais erfüllen, sondern zusätzlich die Anforderungen der IEC 61810-3 (ehemals EN 50205) für Relais mit mechanisch zwangsgeführten Kontakten.
Mechanische Zwangsführung im digitalen Zeitalter – Wie passt das zusammen?
Die Digitalisierung durchdringt die Automatisierungstechnik bis ins letzte „Edge“ und bringt unbestritten große Vorteile mit sich. Doch die digitale Welt, aufgebaut aus Bits und Bytes, ist nur die halbe Wahrheit. Am anderen Ende der grafisch aufgepeppten Entwicklungsumgebung gilt es nach wie vor, reale Lasten wie Motoren und Ventile zu schalten. Denn nur so setzen sich Pressen, Roboter oder Förderbänder in Bewegung.
Dabei lauern an allen Ecken und Enden Gefahren für Mensch, Maschine und Umwelt, etwa durch unbeabsichtigtes Einschalten von Aktoren. Relais mit zwangsgeführten Kontakten nach IEC 61810-3 können durch ihre spezielle Konstruktion zur Fehlererkennung zum Einsatz kommen und dadurch Unfälle verhindern – mechanisch und damit unabhängig von virtuellen Gegebenheiten.
Anforderungen und Folgen aus der IEC 61810-3
Wie bereits festgestellt, muss ein Relais mit zwangsgeführten Kontakten aus mindestens einem Schließer und einem Öffner bestehen. Diese müssen laut Norm so miteinander verbunden sein, dass die Kontakte niemals gleichzeitig geschlossen sein können:
- Bei ausgeschaltetem Relais ist der Schließer geöffnet und der Öffner geschlossen. Im Fehlerfall eines verschweißten Schließerkontaktes ist dieser geschlossen, der Öffner darf dann nicht schließen und muss eine Kontaktöffnung von mindestens 0,5 mm aufweisen.
- Bei eingeschaltetem Relais ist der Schließer geschlossen und der Öffner geöffnet. Im Fehlerfall eines verschweißten Öffnerkontaktes bleibt dieser geschlossen, der Schließer darf dann nicht schließen und muss ebenfalls eine Kontaktöffnung von mindestens 0,5 mm aufweisen.
- Im Fehlerfall, zum Beispiel einer gebrochenen Kontaktfeder, darf kein Kurzschluss entstehen, welcher die Zwangsführung außer Funktion setzt.
Diese Kernvorgaben der IEC 61810-3 gelten über die gesamte Lebensdauer des Relais, wobei die mechanische Lebensdauer mindestens zehn Millionen Schaltspiele betragen muss.

Den stückzahlmäßigen Löwenanteil im Markt stellen heute Typ A Kontaktkonfigurationen mit zwei Kontakten (1NO 1NC) und vier oder sechs Kontakten in verschiedenen Varianten. Typ A bedeutet, dass alle Kontakte eines Relais mechanisch miteinander verbunden sind. Verschweißt zum Beispiel bei einer sechspoligen Type mit vier Schließern und zwei Öffner einer der Schließer, dürfen beide Öffner nicht mehr schließen, wenn das Relais abfällt. Der Zustand der anderen Schließer ist dabei unbestimmt, denn es könnten zum Beispiel auch zwei Schließer verschweißt sein. Die Bilder 3 und 4 zeigen die reale Umsetzung der mechanischen Zwangsführung via Betätiger.
Fazit
Relais nach IEC 61810-3 sind ein wichtiger Baustein für jegliche Sicherheitstechnik. Durch die mechanische Zwangsführung alleine ist im Anwendungsfall aber keine Sicherheit gegeben. Erst die richtige Verschaltung von Arbeits- und zugehörigem Rücklesekontakt ermöglicht das Erkennen von Fehlern und eine entsprechende Systemreaktion, welche Gefahren erkennt und verhindert oder unterbindet. Relais mit zwangsgeführten Kontakten bilden hierfür eine ausgezeichnete Basis, welche auch die Maschinenrichtlinie EN ISO 13849-1 explizit erwähnt ist.
Autor

Markus Bichler ist Marketing Manager Components & Devices bei Panasonic Industry Europe
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