Die Grundlagen der Kernfusion und ihr enormes Potenzial als zukünftige Energiequelle wurden bereits beschrieben. Neben den klassischen Konzepten wie dem Tokamak und Stellarator gibt es jedoch auch alternative Ansätze, die die Fusion anders umsetzen wollen. Die Trägheitsfusion (oder auch Inertialfusion vom Englischen Inertial confinement fusion), die auf Hochenergielasern basiert, ist einer dieser vielversprechenden Wege.
In diesem Artikel erklären wir, wie die Trägheitsfusion funktioniert, welche Fortschritte es in diesem Bereich gibt und welche Herausforderungen noch bewältigt werden müssen, um diese Methode zur Energiequelle der Zukunft zu machen.
Was ist Trägheitsfusion und wie funktioniert sie?
Bei der Trägheitsfusion (Inertial Confinement Fusion, ICF) werden kleine Brennstoffpellets aus Deuterium und Tritium durch Hochenergielaser so stark komprimiert, dass die Fusionsreaktion gezündet wird. Diese Methode nutzt die physikalischen Grenzen der Dichte und Energiekompression, um die extrem hohen Dichten und Temperaturen zu erzeugen, die für die Fusion notwendig sind. Im Gegensatz zu traditionellen Methoden wie dem magnetischen Einschluss in Tokamaks verfolgt die Trägheitsfusion einen innovativen Ansatz, der auf der Explosion dieser Pellets basiert. Dieses Konzept wird unter anderem an der National Ignition Facility (NIF) in den USA getestet, einem der weltweit führenden Projekte in diesem Bereich, das trotz technischer Herausforderungen das Potenzial der Trägheitsfusion demonstriert.
Was bei der Trägheitsfusion zu beachten ist
Der Erfolg der Trägheitsfusion hängt stark von der präzisen Kontrolle des Zündprozesses ab. Die Hochenergielaser müssen so ausgerichtet sein, dass das Pellet symmetrisch komprimiert wird. Die größte Herausforderung dabei ist, sogenannte "Rayleigh-Taylor-Instabilitäten" zu vermeiden, die auftreten, wenn die Kompression ungleichmäßig erfolgt. Hier sind Fortschritte in der Lasersteuerung und Materialwissenschaft entscheidend, um die Zündung effizient zu gestalten. Ein alternativer Ansatz, der sogenannte "indirect drive", nutzt hohle Goldkammern, sogenannte Hohlräume, um die Laserenergie gleichmäßiger auf das Pellet zu verteilen.
Ein besonders spannender Bereich ist die Optimierung des Triple-Produkts (Dichte, Temperatur und Einschlusszeit). Bei der Trägheitsfusion wird eine extrem hohe Dichte des Brennstoffs benötigt, um die kürzere Einschlusszeit zu kompensieren. Dies steht im Kontrast zu magnetischen Einschlusssystemen, bei denen die Dichte niedrig ist, aber die Einschlusszeit verlängert wird.
Kernfusion 2024 • Trägheitsfusion • Laserfusion • Inertialfusion
Aktuelle Fortschritte und Herausforderungen bei der Trägheitsfusion
Trotz beeindruckender wissenschaftlicher Durchbrüche, wie etwa an der National Ignition Facility (NIF), sind die technologischen und ökonomischen Hürden noch erheblich. Im Jahr 2022 konnte an der NIF erstmals mehr Energie durch die Fusion freigesetzt werden, als zur Zündung aufgebracht wurde. Dieser Erfolg zeigt, dass die Technologie grundsätzlich machbar ist. Dennoch bleibt die Effizienz ein zentrales Problem. Die Laseranlagen benötigen derzeit immense Energiemengen, und die Effizienz der Energiegewinnung ist nach wie vor unzureichend. Für eine wirtschaftlich rentable Nutzung müssten Laser nicht nur effizienter werden, sondern auch in der Lage sein, mehrere Zündungen pro Sekunde auszuführen. Dies stellt eine gewaltige technische Herausforderung dar, die sowohl die Ingenieure als auch Materialwissenschaftler vor neue Aufgaben stellt.
Ein weiteres vielversprechendes Konzept ist die Kombination der Trägheitsfusion mit alternativen Brennstoffen wie Bor-11. Diese Reaktion könnte theoretisch ohne die problematischen Neutronen ablaufen, die bei der Deuterium-Tritium-Fusion freigesetzt werden und die Wände des Reaktors radioaktiv kontaminieren. Jedoch erfordert diese Reaktion noch höhere Temperaturen, was sie derzeit nur schwer umsetzbar macht.
Trägheitsfusion im internationalen Kontext
Internationale Bemühungen in der Trägheitsfusion haben ebenfalls begonnen, die Aufmerksamkeit von Investoren und Regierungen zu gewinnen. Start-ups und Forschungsgruppen weltweit experimentieren mit neuen Ansätzen, wie mechanischen Schockwellen oder Hybridmethoden, die magnetische und trägheitsbasierte Systeme kombinieren. Beispielsweise experimentieren Unternehmen wie First Light Fusion mit mechanischer Energie statt Laser, um die Pellet-Kompression zu erzielen. Diese Innovationen könnten die Effizienz der Energiegewinnung weiter verbessern und die Trägheitsfusion langfristig konkurrenzfähig machen.
Der Autor: Dr. Martin Large
Aus dem Schoß einer Lehrerfamilie entsprungen (Vater, Großvater, Bruder und Onkel), war es Martin Large schon immer ein Anliegen, Wissen an andere aufzubereiten und zu vermitteln. Ob in der Schule oder im (Biologie)-Studium, er versuchte immer, seine Mitmenschen mitzunehmen und ihr Leben angenehmer zu gestalten. Diese Leidenschaft kann er nun als Redakteur ausleben. Zudem kümmert er sich um die Themen SEO und alles was dazu gehört bei all-electronics.de.