Messtechniker sitzt vor seinen Geräten

(Bild: Kzenon - stock.adobe.com)

Die Hochfrequenz (HF)-Technik erlangt derzeit immer mehr Bedeutung. Dazu tragen Anwendungen wie leitungsgebundene und drahtlose Hochgeschwindigkeits-Datenübertragungen, IoT und Mobilfunkgeräte bei. Diese erfordern eine immer größere Zahl an Mess- und Test-Geräten in verschiedenen Preis- und Leistungsklassen, also unterschiedlich ausgestattete Geräte, die schon bei der Produktentwicklung, im vorbereitenden Konformitätstest, in der EMV-Prüfung und auch im -Einsatz, der Reparatur und der Wartung von Produkten eingesetzt werden können. So werden Vektor-Netzwerk-Analysatoren (VNA) auch immer mehr für den klassischen Messtechniker interessant, für den HF eigentlich erst mal gar kein Thema ist. So müssen sich auch immer mehr Produktentwickler, die an sich nur am Rande mit HF zu tun haben, mit dem Konzept und der Funktionsweise vertraut machen.

Was ist ein Vektor-Netzwerk-Analysator (VNA)?

Ein Vektor-Netzwerk-Analysator (VNA) ist ein Messgerät, das das Übertragungsverhalten einer Baugruppe untersucht . Dabei wird ein Messsignal durch einen Prüfling geschickt. Deshalb muss er einen Generator für das Testsignal sowie die nötige Signalerfassung bereitstellen. Aufgrund seiner Welleneigenschaften durchläuft ein Teil des Signals den Prüfling, der andere wird zurückgeworfen. Um diese zu untersuchen, messen VNAs die Streuparameter. Aus diesen können die Übertragungseigenschaften des Prüflings beschrieben werden.

Was macht ein VNA und was beinhaltet er?

In der klassischen Messtechnik interessiert meistens ein Signal an sich: Ein Sensor liefert zum Beispiel ein Spannungssignal, das ausgewertet wird. Ein Oszilloskop analysiert ein Signal, um darin eine Anomalie zu entdecken, die möglicherweise auf einen Bug in einer Schaltung hinweist. Oder ein Spektrum-Analysator untersucht ein Frequenz-Spektrum, um darin ein Störsignal zu erkennen.

Das Prinzip des VNA unterscheidet sich dahingehend, dass das Signal hier Mittel zum Zweck ist. Denn untersucht wird nicht das Signal selbst, sondern das Übertragungsverhalten einer Baugruppe als Blackbox für dieses Signal. Oder einfach ausgedrückt: Was passiert mit einem Test-Signal, das in oder durch einen Prüfling geschickt wird? Der Prüfling kann ein Filter, ein Verstärker, eine Antenne oder auch eine komplette Übertragungsstrecke sein. Ein VNA muss daher gleichzeitig sowohl eine Signalquelle beziehungsweise einen Generator für das Test-Signal bereitstellen als auch die nötige Signalerfassung. Der Generator im VNA erzeugt üblicherweise ein sinusförmiges Testsignal mit einem Frequenzbereich über mehrere Dekaden. Verhält sich der Prüfling linear, so ist sein Ausgangssignal ebenfalls sinusförmig. Das Signal wird aber durch den Prüfling in Amplitude (Verstärkung, Dämpfung) und Phasenlage verändert. Moderne vektorielle Netzwerk-Analysatoren erkennt und berücksichtigen sowohl die Amplituden- als auch die Phasenverhältnisse, wohingegen klassische skalare Netzwerk-Analysatoren nur die Amplitudenverhältnisse erfassen konnten. In der Wechselstrom- und vor allem Hochfrequenztechnik müssen zudem Phänomene betrachtet werden, die sich aus den Welleneigenschaften der relevanten Signale ergeben: Ein Teil des Signals durchläuft den Prüfling (Transmission), ein anderer Teil wird aber auch zurückgeworfen (Reflexion). Um dies zu untersuchen, messen VNA die Streuparameter (S-Parameter) an den elektrischen Toren/Ports des Prüflings als Funktion der Frequenz.

Symbolische Darstellung der S-Parameter, die das Verhalten linearer Komponenten beschreiben.
Symbolische Darstellung der S-Parameter, die das Verhalten linearer Komponenten beschreiben. (Bild: Meilhaus Electronic)

Was sind die S-Parameter (Streuparameter)?

Die S-Parameter (Streuparameter) beschreiben das Verhalten linearer Komponenten wie Kabel, Verstärker und elektronische Netzwerke im Kleinsignalbereich. Wie bereits dargestellt kommt es bei der Signalübertragung zu Reflexion und Transmission und damit verbunden der Abweisung/Nichtaufnahme eines Teils der ankommenden Signalleistung. Ursachen dafür können unterschiedlich sein, zum Beispiel Anschlüsse, Adaptionen, Stoßstelle/Verbindung von Leitungen mit verschiedenen Wellenwiderständen und Fehlanpassungen. Voraussetzung ist, dass sich auf einer Übertragungsstrecke eine Welle ausgebildet hat. Daher bezeichnet man die S-Parameter auch als Wellengrößen. Die S-Parameter sind dimensionslose komplexe Zahlen und werden als Funktion der Frequenz gemessen. Je nach untersuchtem Prüfling variiert die Anzahl der Tore und damit die Anzahl der relevanten S-Parameter. Häufig anzutreffen sind 2-Tore (Filter, Verstärker, etc.), bei denen diese vier S-Parameter ermittelt werden:

  • Eingangsreflexionsfaktor (S-Parameter S11): Anpassung am Eingang des Prüflings.
  • Ausgangsreflexionsfaktor (S-Parameter S22): Anpassung am Ausgang des Prüflings.
  • Vorwärts-Transmissionsfaktor (S-Parameter S21): Verstärkung/Dämpfung des Prüflings.
  • Rückwärts-Transmissionsfaktor (S-Parameter S12): Isolation des Eingangs gegenüber dem Ausgang des Prüflings (d. h. welche Leistung erscheint am Eingang, wenn man am Ausgang ein Signal anlegt).

Aus den ermittelten S-Parametern für einen Prüfling können seine Eigenschaften beschrieben werden – zwischen den Extremsituationen einer Totalrefle-
xion und keiner Reflexion bzw. einer Verstärkung, Eins-Verstärkung oder Dämpfung bis hin zu überhaupt keiner Leistungsübertragung.

Im Video: Verwendung eines Vector Network Analyzers (VNA) zum Testen von Antennen (engl.)

Was ist der Unterschiede zwischen hohen und niedrigen Frequenzen?

Umgangssprachlich bezeichnet man alles, was mit Funk, Wireless und Antenne zu tun hat als HF. Objektiv betrachtet ist der Begriff Hochfrequenz nicht einheitlich definiert, abhängig zum Beispiel vom Anwendungsbereich. Eine gängige Definition legt für Hochfrequenz den Bereich von 9 kHz bis 300 GHz fest, für Niederfrequenz den Bereich von 1 Hz bis 9 kHz (Verordnung über elektromagnetische Felder). Niederfrequenz wird aber auch im Bereich 3 Hz bis 30 kHz (elektromagnetisches Spektrum) oder 1 Hz bis 100 kHz (EMV, elektromagnetische Umweltverträglichkeit) angesiedelt.

Eindeutiger ist der Tonfrequenzbereich, also der der hörbaren Schallwellen. Dieser reicht von 16 bis 20000 Hz, Schallwellen mit höheren Frequenzen werden als Ultraschall bezeichnet. In der Medizin gehören Frequenzen über 1 kHz zur HF.

Was ist bei der Auswahl eines VNA zu beachten ist

Moderne VNA sind inzwischen erschwinglich geworden – man muss jedoch hinzufügen, dass es sie in sehr unterschiedlichen Leistungs- und damit Preisklassen sowie in verschiedenen Bauformen gibt. So können aktuell Spektrum-Analysatoren mit Tracking-Generator bereits Basis-Netzwerk-Analysator-Messungen durchführen, jedoch mit eingeschränkten Funktionen. Sie bieten lediglich einen Empfänger und nur eine Quelle mit fester Leistung. Der Dynamikbereich liegt derzeit bei ca. 80 dB im Gegensatz zu ca. 100 dB bei vollwertigen VNAs. Für viele Anwendungen reicht dies jedoch aus und die Mehrkosten eines teuren, vollwertigen VNA wären nicht gerechtfertigt.

Einfachere Geräte nach diesem Prinzip eignen sich zum Messen der S-Parameter S11 und S21 (Reflexion und Transmission), also zum Beispiel für Basismessung von Komponenten wie Filter, Verstärker, Kabel und Antennen. Die Geräte messen zudem Rückkopplungsdämpfung/VSWR, Einfügedämpfung, Phasenänderung, Gruppenlaufzeit und komplexe Impedanz. Die restlichen S-Parameter S22 und S12 können damit allerdings nur durch Drehen des Prüflings und der damit verbundenen aufwändigen Neukalibrierung gemessen werden. Eine Einstellung des Leistungspegels ist nicht möglich, genau so wenig wie ein Wobbeln der Leistung und Offset-Frequenz-Sweep. VNA als kompakte USB-Geräte für den PC hingegen sparen sich einen großen Touchscreen und das Gehäusedesign mit Bedienfeld und verlagern viele Funktionen in den PC, oder genauer gesagt auf die Software, auf deren Qualität es dann sehr genau ankommt. Der Hersteller Siglent bietet eine Auswahl an VNA für unterschiedliche Anwendungsbereiche. Das Portfolio beginnt mit Spektrum-Analysatoren mit Tracking-Generator und VNA-Option. Die SVA1000X-Serie erweitert die Palette mit speziell für VNA-Anwendungen zugeschnittenen Geräten bis 7,5 GHz für S11/S21-Messungen. Die A-Serie (SNA5000A) umfasst vollausgestattete Premium-VNAs mit 2 Ports (bis 26,5 GHz) oder 4 Ports (bis 8,5 GHz). Vollausgestattet bedeutet, dass diese Geräte für anspruchsvolle VNA-Anwendungen konzipiert sind. Sie können serienmäßig alle S-Parameter messen, hinzu kommen Differenzparameter- und Empfängermessung, Grenzwert-, Restwelligkeitstest und optional aufrüstbar Zeitbereichs-Parameteranalyse, Spektrum-Analyse und das Messen von Skalarmischern.

Vektor-Netzwerk-Analysator SNA5000A
Der Vektor-Netzwerk-Analysator SNA5000A eignet sich für Anwendungen in Industrie und Entwicklung. (Bild: Meilhaus Electronic)

Das ist bei der Kalibrierung von VNAs zu beachten

Die Kalibrierung stellt einen wesentlichen Bestandteil einer genauen VNA-Messung dar. Eine erneute Kalibrierung ist dabei schon bei kleinen Veränderungen am Messaufbau nötig. Selbst ein getauschtes Kabel oder ein einfacher Adapter sind hier relevant. Dies ist auch ein Grund, warum viele Geräte in diesem Bereich häufig in Varianten mit unterschiedlichen Anschluss-Typen angeboten werden. So soll die Notwendigkeit zusätzlicher Adapter – selbst wenn es nur um die Umsetzung Stecker-zu-Buchse geht – vermieden werden. Bei der VNA-Messung interessiert den Anwender nur, was der Prüfling aus dem Testsignal macht, nicht aber der Einfluss zusätzlicher Kabel und Adapter im Testaufbau. Durch Kalibrierung werden solche Einflüsse wie systematische, immer gleichermaßen vorhandene und somit reproduzierbare Fehler behandelt und in der Messung soweit möglich eliminiert.

SOLT-Kalibrierkit
Ein VNA sollte immer mit einem passenden SOLT-Kalibrierkit ausgestattet sein. (Bild: Meilhaus Electronic)

Ein VNA sollte daher immer mit einem passenden Kalibrier-Kit angeschafft werden. Üblich ist zum Beispiel das SOLT-Verfahren (Short Open Load Through). Dank SOLT-Kalibrier-Kits beziehen VNA ihre Messungen auf die bekannten Standardnetzwerke Kurzschluss, Leerlauf, bekannte Last und Durchgang. Messungen werden zwischen diesen Extremen kalibriert. Üblicherweise bestehen SOLT-Kalibrier-Kits aus je einem Adapter für die vier Fälle Kurzschluss, Leerlauf, Last und Durchgang. Aus den bereits genannten Gründen werden Kalibrier-Kits ebenfalls mit verschiedenen Anschlusstypen angeboten, um zusätzliche Adapter zu vermeiden, die wiederum einen Einfluss auf die Messung hätten. Eine Kalibrierung ist aufwendig, zumal sie vor jeder Messung durchgeführt werden muss, wenn eine auch nur geringfügig veränderte oder neue Messkonfiguration verwendet wird. Als etwas bequemere Alternative sind automatisierte Kalibrier-Kits erhältlich. Bei ihnen sind in einem einzigen Modul alle SOLT-Varianten programmgesteuert umschaltbar, zum Beispiel über USB. Damit kann der Kalibrier-Prozess auf nur eine Verbindung reduziert werden, statt vieler An- und Abkopplungsvorgänge verschiedener SOLT-Adapter. Der Prozess wird somit automatisierbar und besser wiederholbar. Allerdings können die internen Schalter solcher automatischen Kalibrier-Vorrichtungen selbst einen Einfluss auf die Messung nehmen. Daher ist die Qualität der SOLT-Kalibrier-Kits und ihrer Schalter – genau wie die Qualität bei herkömmlichen Kalibrierkits – entscheidend. (bs)

Ernst Bratz

Marketing Manager bei Meilhaus Electronic

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