
Knapp 60 Teilnehmer, zur Hälfte aus dem europäischen Ausland, zählte der Technolgietag bei Christian Koenen (Bild: Christian Koenen)
Nach einigen Jahren Pause fand am 14. November 2024 wieder ein Technologietag beim Druckschablonenhersteller Christian Koenen in Ottobrunn statt. Unter dem Motto „Technologie entdecken – Innovation erleben“ standen dabei innovative Technologien, getrieben von Digitalisierung und künstlicher Intelligenz, im Fokus. Die Referenten erklärten, wie praktische Beispiele bereits heute die Effizienz steigern, Technologien optimieren und Prozesse vereinfachen. Dabei wurden greifbare Praxisbeispiele präsentiert, anstelle abstrakter Zukunftsvisionen, und ein Einblick in die Welt der heutigen digitalen Industrie geboten.


Künstliche Intelligenz als Wegweiser der Industrie 4.0
Der Experte für KI und Big Data und Berater der Bundesregierung Prof. Dr. Alexander Lutz, sprach über die wachsende Bedeutung künstlicher Intelligenz (KI) in der Industrie. Seine Präsentation hob sowohl die praktischen Anwendungen als auch die Herausforderungen und Chancen hervor, die mit der Integration von KI einhergehen.
KI umfasst verschiedene Techniken, darunter Machine Learning (ML), Deep Learning (DL) und Transformer-Modelle wie GPT. Diese Technologien ermöglichen es, große Datenmengen zu analysieren, Muster zu erkennen und Prozesse autonom zu steuern. Prof. Lutz erklärte, dass der Ursprung der KI auf Alan Turing zurückgeht, dessen Arbeit an der Enigma-Entschlüsselung und der Turing-Maschine die Grundlage moderner Algorithmen bildete.
Praktische Anwendungen in der Industrie
Der Vortrag zeigte konkrete Anwendungsfälle aus verschiedenen Branchen:
- Milchindustrie:
Ein zentrales Problem bei der Schmelzkäseproduktion ist die Verstopfung der Pumpen zwischen Mixer und Schmelzofen. Durch Machine-Learning-gestützte „Predictive Maintenance“ können solche Ausfälle vorab erkannt und vermieden werden. Dies spart Kosten und erhöht die Effizienz. - Getränkeindustrie:
Hier wird Deep Learning eingesetzt, um Produktionsabläufe zu optimieren. KI hilft, Abfüllprozesse zu verbessern und die Qualität zu sichern. - Landwirtschaft:
Optische Sortiersysteme, unterstützt durch KI, analysieren landwirtschaftliche Produkte wie Linsen oder Getreide, um fehlerhafte oder minderwertige Erzeugnisse automatisch auszusortieren.
Ein weiteres Beispiel ist die Nutzung von Data Science zur Analyse von Unfall-Hotspots. In Köln wurden durch die Auswertung großer Verkehrsdaten potenzielle Gefahrenstellen identifiziert, um präventive Maßnahmen zu ergreifen.

Herausforderungen und Schattenseiten
Prof. Lutz wies auch auf die Risiken der KI hin. Besonders betroffen sind Berufe mit repetitiven oder stark datenbasierten Aufgaben, wie Buchhalter oder Mathematiker. Hingegen sind handwerkliche Tätigkeiten, z.B. Friseure oder Köche, weniger gefährdet. Ein weiteres Problem ist der Datenschutz: Die unachtsame Nutzung von KI-Tools wie ChatGPT könnte sensible Unternehmensdaten ungewollt preisgeben.
Die Chancen von KI für die Industrie 4.0
Die Vorteile von KI liegen in der Effizienzsteigerung und Kostenreduktion. Technologien wie IoT, Big Data und Blockchain schaffen eine Basis, auf der KI optimale Ergebnisse liefern kann. Prof. Lutz betonte jedoch, dass viele Unternehmen grundlegende Schritte wie die Digitalisierung überspringen, um direkt KI zu implementieren. Dies führt oft zu ineffizienten Projekten. Er empfahl DSGVO-konforme Tools wie „Atthene GPT“ und „u-know“, um Unternehmen bei der sicheren und effizienten Einführung von KI zu unterstützen. Sein Fazit: Künstliche Intelligenz bietet enorme Potenziale für die Industrie, von der Prozessoptimierung über die Qualitätssicherung bis hin zur Steigerung der Sicherheit. Dennoch ist eine strategische Planung entscheidend, um Herausforderungen wie Datenschutz und Arbeitsplatzverlust zu meistern. Digitalisierung und eine fundierte Datengrundlage sind unverzichtbar, um KI-Technologien erfolgreich zu integrieren.


3D Schablonendruck ist Raketenwissenschaft, oder?
Frank Breer, Head of Key Account Mobility & EMS der Christian Koenen Group berichtete sehr anschaulich über die Herausforderungen beim 3D Schablonendruck.
50 % aller Lötfehler in der SMD-Bestückungsfertigung hängen direkt mit dem Druck der Lotpaste zusammen. Eine hohe Fertigungsqualität erfordert daher präzise Schablonendrucker, optimal eingestellte Druckparameter und hochwertige Präzisions-Stufenschablonen. Diese ermöglichen eine effektive und wirtschaftliche Lösung zur präzisen Auftragung von Lötpaste, insbesondere bei Bauteilen mit unterschiedlichen Höhen oder komplexen Anforderungen.
Stufenschablonen kommen zum Einsatz, wenn herkömmliche Schablonen bei unzureichender Pastenmenge, fehlerhafter Koplanarität der Bauteile oder Herausforderungen durch Mischbestückungen versagen. Sie bieten Lösungen für Probleme wie Brücken-Kurzschlussbildung, versenkte Bauteile und Unebenheiten in Leiterplatten. Hochpräzise gefräste und lasergeschnittene Schablonen können durch Kavitäten empfindliche Bereiche schützen und die Druckqualität verbessern.
Die Einführung der Plasma 3.0-Beschichtung revolutioniert den Druckprozess weiter. Diese Beschichtung optimiert das Transferverhalten der Lötpaste und reduziert Verschmierungen sowie Reinigungszyklen. Dadurch werden Produktionskosten gesenkt und die Ausbeute erhöht. Die Beschichtung ist chemisch und mechanisch widerstandsfähig und besonders effektiv bei kleinsten Aperturen.
Die steigende Miniaturisierung und der zunehmende Komponentenmix in der Elektronikfertigung erfordern kundenspezifische Lösungen. Stufenschablonen ermöglichen den Ausgleich von Höhenunterschieden, verhindern künstliche Absprünge und tragen zu einem vollautomatisierten Druckprozess bei, der Smart Factory- und Industrie-4.0-Ziele unterstützt.
Langjährige Erfahrung und kontinuierliche Innovationen der Christian Koenen Group haben die Fehlerquote im Schablonendruck deutlich reduziert. Hochpräzise Schablonen mit Plasma 3.0-Beschichtung bieten zuverlässige Lösungen für die komplexen Anforderungen der SMD- und Halbleiterfertigung und sichern die Wettbewerbsfähigkeit der Branche.

Materialdepositionslösungen für die Zukunft
Die rasante Entwicklung der Technologiebranche verlangt nach innovativen Lösungen, die Präzision, Effizienz und Nachhaltigkeit vereinen. Torsten Vegelahn, Product Manager & Head of Application Serio bei der Asys Group, präsentierte auf dem TechDay 2024 wegweisende Ansätze für Materialdepositionen, die die Produktionsqualität und Prozesse in Elektronik-, LED- und Chipmontage revolutionieren.
Besonders beeindruckend war die Vorstellung neuer Technologien, darunter das Wafer/Substrate Bumping, die Kupferpfeiler-Chipmontage und die Mini-LED-Montage. Diese Verfahren ermöglichen hochpräzise, effiziente Produktionsprozesse mit Qualitätsausbeuten von über 99,5 %.
Ein Highlight war die Einführung der parallelen Dosiertechnologie. Diese kontaktlose Materialdeposition bietet höchste Präzision mit Düsenabständen bis zu 50 µm und Linienbreiten unter 20 µm. Mit einer Verarbeitungsgeschwindigkeit von bis zu 1000 mm/s und geringem Materialabfall überzeugt die Technologie nicht nur durch Effizienz, sondern auch durch Nachhaltigkeit. Dank modularer Nozzle-Kits ist sie kompatibel mit bestehenden Systemen und vielseitig einsetzbar, z.B. bei der Herstellung von Leiterplatten und LED-Modulen.

Dokumentation digital einfach umgesetzt
Wie man mit einfachen Mitteln nicht nur das Handwerk digitalisieren kann, sondern auch jede andere Branche, das zeigte Gründer Julian Moosmann mit seiner Flindo.App. Mit seinem Hintergrund als Schreinermeister und einem Studium in Betriebswirtschaft und Management erkannte er 2016 zusammen mit seinem Kollegen Steffen Stauber eine entscheidende Lücke im Handwerk: Auf Baustellen mangelt es nicht an Werkzeug, es fehlt jedoch ein effizientes Werkzeug zur Dokumentation. Die Flindo.App wurde zur Lösung dieses Problems und hat sich schnell über das Handwerk hinaus entwickelt. Heute wird es branchenübergreifend als universelle Lösung für effiziente Dokumentation genutzt.
Exklusive Einblicke in die Fertigung
Zum Abschluss konnten die 60 Teilnehmer in zwei Gruppen tiefe Einblicke in die Fertigung der Christian Koenen Group gewinnen. Im Application Center verfügt das Unternehmen über das notwendige Equipment, um den Schablonen- und Siebdruck umzusetzen und zu analysieren. Für Anwendungen, bei denen einzelne Bauteile bestückt und verlötet werden sollen, ist eine Nacharbeitsstation verfügbar. Eine vollautomatische Schablonen- und Substratwaschanlage und eine manuelle Reinigungsstation decken den Bereich der Druckwerkzeugreinigung ab. Das technische Labor dient der Entwicklung neuer Herstellungsprozesse und der Optimierung bestehender Produkte. Zusätzlich bietet ein Reinraum die optimalen Bedingungen, um Siebe für den technischen Druck herzustellen, die den individuellen Anforderungen unserer Kunden gerecht werden.

Die Autorin: Dipl. Ing. Dipl. Wirt. Ing (FH) Petra Gottwald

Die Doppel-Ingenieurin (Textiltechnik und Wirtschaft) hat nur ein Ziel: Sie möchte Menschen für technische Themen begeistern - ob sie wollen oder nicht. So kommt es schon 'mal vor, dass sie ihren Freunden die komplexe Herstellung einer Leiterplatte in einer packenden Story erzählt oder wie man Elektronik in Textilien einbaut. Privat düst sie auf leisen Sohlen durch die Gegend, denn sie hat seit 2016 ein Faible für Elektromobilität und will mit ihrem Wissen Interessierten die Reichweitenangst beim voll-elektrischen Fahren nehmen.