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Wie Komax die Kabelkonfektion digitalisiert

Die Komax-Gruppe arbeitet an einer durchgängig digitalen, herstellerunabhängigen und weitgehend automatisierten Kabelbaumproduktion. Ein Gespräch zeigt, wie tief der Wandel reicht – und warum Software inzwischen genauso wichtig ist wie Maschinen.

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Dr. Martin Weickgenannt, Vizepräsident CoC Smart Factory Solutions für die Komax Gruppe und Geschäftsführer bei DiIT, gibt auf der productronica im Gespräch mit der Redaktion Einblicke in das Portfolio und die zukünftigen Pläne.

Die Kabelkonfektion erlebt seit einigen Jahren eine deutlich stärkere Digitalisierung – getrieben durch steigende Variantenvielfalt, komplexere Produktionsabläufe und den Wunsch nach stabilen, nachvollziehbaren Prozessen. Ein Gespräch auf der productronica mit Dr. Martin Weickgenannt, Vice President CoC Smart Factory Solutions und Geschäftsführer bei DiIT zeigt, wie die Komax-Gruppe dieses Thema angeht.  

Digitalisierung mit gewachsenen Strukturen – und der Versuch, sie zu harmonisieren

In verschiedenen Gesellschaften der Komax-Gruppe – etwa bei Komax, Schleuniger, DiIT und weiteren Einheiten – sind über die Jahre unterschiedliche digitale Lösungen entstanden. Sie entstanden dort, wo sie gebraucht wurden, und orientierten sich jeweils an lokalen Kundenanforderungen und Maschinenportfolios. „Das ist völlig normal“, sagt Weickgenannt. „Jeder Standort hat das gebaut, was für seinen Bereich nötig war. Dabei entstehen zwangsläufig verschiedene Schnittstellen, Verbindungslogiken und Softwareansätze.“ Mit der Zusammenführung von Komax und Schleuniger entstand die Möglichkeit, diese Vielfalt zu sortieren. Seit rund einem Jahr bündelt das Center of Competence Smart Factory Solutions die digitalen Aktivitäten der Gruppe, schafft gemeinsame Standards und legt fest, welche Funktionen künftig zentral entwickelt werden. „Uns geht es nicht darum, frühere Lösungen abzulösen, sondern darum, sie zusammenzuführen und sauber aufeinander abzustimmen“, so Weickgenannt.

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MES 4Wire CAO als zentrales Werkzeug – und bewusst offen gehalten

Ein Kernbaustein der Digitalisierung bleibt das MES 4Wire CAO (Cutting Area Optimization), das tief in den Prozessen der Kabelbaumfertigung verankert ist. Es bildet Auftragsplanung, Rüstoptimierung, Prozessführung und Rückverfolgbarkeit ab. „CAO ist über viele Jahre gemeinsam mit den Kunden gewachsen“, erklärt Weickgenannt. „Wir kennen die Abläufe der Kabelbaumfertigung sehr genau, und das System ist entsprechend detailliert.“ Wesentlich ist dabei die Offenheit: CAO ist nicht an Komax- oder Schleuniger-Maschinen gebunden. „Wir verfolgen klar den Ansatz, herstellerunabhängig zu bleiben“, sagt er. „In der Praxis stehen in vielen Werken Maschinen verschiedener Anbieter. Also muss unsere Software alle anbinden können.“

Dass das System flexibel ist, zeigt ein Beispiel aus der Entwicklung: „Wir haben zu Demonstrationszwecken sogar mal eine Kaffeemaschine integriert“, sagt Weickgenannt und schmunzelt. „Einfach, um zu zeigen, dass es grundsätzlich um Konnektivität geht.“

Vom Produktportfolio zur modularen Softwareplattform

Ein entscheidender strategischer Schritt ist der Übergang weg von mehreren getrennten Softwareprodukten hin zu einer modularen Plattform. „Früher hatten wir einzelne Produkte mit klaren Grenzen“, sagt Weickgenannt. „Heute denken wir stärker in Funktionen, die der Kunde je nach Bedarf kombinieren kann.“ Ein praktisches Beispiel: Ein Kunde in den USA brauchte sowohl Datenauswertung als auch eine einfache Produktionsplanung. Früher hätte das zwei Produkte bedeutet. Künftig lassen sich diese Funktionen flexibel zusammensetzen. Diese Modularisierung erleichtert individuelle Konfigurationen und sorgt für eine klarere Entwicklungslogik.

Komax gewinnt 2025 den productronica Innovation Award in „Cables, Coils & Hybrids“

Komax ist einer der Gewinner des productronica Innovation Award 2025. Ausgezeichnet wurde in der Kategorie Cables, Coils & Hybrids das Adaptive Incision Control (AIC), ein intelligentes Regelsystem für automatische und halbautomatische Crimpmaschinen. AIC misst während des Abisolierens kontinuierlich kapazitive Werte und passt die Messerbewegungen so an, dass Litzenkontakt zuverlässig vermieden wird. Die Technologie kompensiert automatisch Kabeltoleranzen, reduziert Ausschuss und erleichtert die Bedienung deutlich.

Elemente der Smart Factory – direkt aus der Praxis gedacht

Parallel zu den strukturellen Veränderungen entsteht ein digitaler Werkzeugkasten, der die Schritte der Kabelbaumfertigung unterstützt. Dazu gehören:

  • On-Demand-Services, mit denen Kapazitäten flexibel hinzugebucht oder nutzungsabhängig abgerechnet werden können.
  • Digitale Self-Service-Angebote, über die Kunden Ersatzteile, Softwareupdates, Lizenzen oder Schulungen jederzeit online abrufen.
  • Automatisierte Prozessführung, die Bedienereingriffe reduziert und Abläufe stabiler macht.
  • Datenbasierte Optimierung, bei der Produktions- und Verhaltensdaten genutzt werden, um Rüstzeiten zu verkürzen, Abläufe zu stabilisieren oder Wartungen vorzuziehen.
  • Echtzeit-Qualitätssicherung, die Qualitätsdaten automatisch erfasst und vollständige Rückverfolgbarkeit ermöglicht.

Diese Elemente greifen ineinander und formen nach und nach die Smart Factory  – nicht als fertiges Produkt, sondern als wachsende Architektur.

Softwarebedarf bleibt stabil – auch wenn Investitionen schwanken

Die aktuellen Entwicklungen in der Automobilindustrie führen dazu, dass manche Kunden Investitionen in Maschinen vorsichtiger planen. Für Software gilt das weniger stark. „Sobald Maschinen in einem Werk stehen, braucht der Kunde die digitale Unterstützung, um effizient produzieren zu können“, sagt Weickgenannt. „Das gilt unabhängig davon, wie hoch die Auslastung gerade ist.“ 4Wire CAO profitiert von seiner Spezialisierung auf die Kabelbaumfertigung und bleibt häufig ein essenzieller Bestandteil der Produktionssteuerung.

Vision: Jede neue Maschine soll vernetzbar sein

Das CoC Smart Factory Solutions der Komax Gruppe setzt sich ein klares Ziel für die kommenden Jahre: „Bis Ende 2027 soll jede neu verkaufte Maschine vernetzbar sein“, so Weickgenannt. Damit würde die Softwarefähigkeit zum Standard werden – und nicht mehr zur optionalen Erweiterung. Gemeinsame Strukturen, konsolidierte Entwicklungsteams und die modulare Plattform sind wesentliche Schritte auf dem Weg dorthin. „Eine Vision darf groß sein und man darf etwas Respekt vor ihr haben“, sagt Weickgenannt. „Wichtig ist, dass sie konkret genug ist, dass man sie umsetzen kann.“