Bei den Elektronik-Service-Profis von Eichler im bayerischen Pürgen ist man durchaus mit außergewöhnlichen Fällen vertraut. Doch die Nachwirkungen der Flutkatastrophe im Sommer 2021 verschlägt den Profis dann auch die Sprache. Nachdem in den betroffenen Gebieten zumindest so weit geholfen wurde, dass die Menschen nicht mehr um Leib und Leben fürchten müssen, stehen nun vermehrt in den dortigen Unternehmen Säuberungs- und Reparaturaufgaben an – auch bei den Maschinen und Komponenten. Denn vor Umrichtern, Schaltschränken und Steuerungen haben die Fluten nicht haltgemacht. Wenn die diversen Geräte aus den Flutgebieten ankommen, werden sie als erste Maßnahme noch in der Wareneingangsschleuse gereinigt und desinfiziert. „Das Wasser war mit Chemikalien, Ölen und Fäkalien kontaminiert“, erklärt Phillip Schmid-Kemmeter, in der Reparaturentwicklung in Pürgen aktuell zuständig für das Management und die Bearbeitung der Geräte aus den Hochwasserregionen. „Diese Rückstände müssen entfernt werden, bevor unsere Leute an den Geräten arbeiten können.“ Ist die teils harte äußere Kruste mithilfe von Hochdruck- oder Dampfreinigern entfernt, wird erkennbar, wie sehr das Wasser sogar den Gehäusen zugesetzt hat: Das Metall hat salzkristallartige Ausblühungen wie eine feucht gewordene Wand.
Wenn der Schmutz aus dem Umrichter bröselt
Als Beispiel nimmt Schmid-Kemmeter einen Wechselrichter Stück für Stück vorsichtig auseinander. Schon der erste Blick auf das Innenleben des Gerätes lässt nichts Gutes erahnen: Korrosion und getrockneter Schlamm allerorten. Glücklicherweise lassen sich noch alle Schrauben lösen. Doch bei jeder Platine, die der Elektronik-Experte heraushebt, bröselt Schmutz aus dem Umrichter. Überraschenderweise sehen die Platinen von einer Seite halbwegs manierlich aus, doch dann dreht der Spezialist sie um – und es zeigt sich eine durchgehend graubraun überzogene Fläche, aus der Widerstände, Kontakte, Transistoren und andere elektronische Bauteile ebenso schmutzverkrustet herausragen wie Spulen, EEPROMS oder Kondensatoren. An manchen Stellen ist der Belag so dick, dass er beim Trocknen Risse bildet wie eine Sandwüste in der Hitze nach einem lange vergangenen Regenschauer. Selbst im Lüfter des Wechselrichters sitzen die bröseligen Flutrückstände teils zentimeterdick.
Vorsichtig und sorgfältig entfernt Schmid-Kemmeter jedes Bauteil und dokumentiert es mithilfe von Fotos. „Das ist natürlich einerseits auf Kundenseite für die Versicherung wichtig“, erklärt er. „Aber auch für uns, denn so stellen wir sicher, dass im Anschluss auch wieder alle originalen Komponenten ins richtige Gerät kommen.“ Allerdings sind nicht immer alle Einzelteile zu retten. Darum werden in der Regel Bauteile wie Lüfter generell gegen neue ausgetauscht und bei den elektronischen Teilen später gründlich geprüft sowie bei Bedarf getauscht oder nachgelötet.
Ab in die Spülmaschine
Doch soweit ist der Wechselrichter auf Schmid-Kemmeters Arbeitstisch aktuell noch lange nicht. Bis dato sind die einzelnen Komponenten noch unter der Dreckschicht praktisch unsichtbar. Darum werden die Platinen nun sozusagen in die Waschstraße überstellt. Dort wird dem Schlamm mit Wasser, Reinigungsmittel und mechanischen Kräften zu Leibe gerückt – sprich, die Platinen werden vorsichtig und säuberlich von Hand mit Bürsten gereinigt. So wird sichergestellt, dass nicht irgendeine rüde Putzmethode allem den Gar ausmacht, was die Überschwemmung überlebt hat. Mit drei Kräften ist das Team im Einsatz, um den Schlamm aus jeder Ecke und unter jedem Transistor herauszuspülen. Erst, wenn händisch alles getan wurde, werden die Platinen in eine spezielle Spülmaschine gelegt, dort befestigt und nochmals einem schonenden Waschgang unterzogen. Dann geht es wieder per Hand weiter und die nun wieder blitzsauberen Bauteile werden mit Druckluft von der gröbsten Nässe befreit, bevor es in den Trockenschrank unter Vakuum geht, wo noch zurückgebliebene Feuchtigkeit entfernt wird.
Schließlich sehen die Bauteile wieder aus wie am Tag, als sie die Fertigungshalle verließen. Dabei überrascht es, wie wenig schlussendlich durch das Wasser wirklich zerstört wurde. „Das ist aber nicht immer so“, stellt Schmid-Kemmeter klar. „Hier war es Glück, dass die Geräte schon ohne angeschlossen zu sein auf einer Palette gelagert waren und ‚nur‘ vom Wasser überspült wurden, also keine mechanischen oder kurzschlussbedingten Schäden aufweisen.“ Bei anderen Bauteilen aus den Überschwemmungsgebieten muss weit mehr repariert werden. Aber egal, wie viel schlussendlich ausgetauscht oder repariert werden musste: Alle Geräte kommen vor der Auslieferung noch einmal auf den Prüfstand. „Wir geben schließlich vollwertige 24 Monate Garantie“, erklärt Schmid-Kemmeter. „Dann muss auch alles klappen.“ Die Wichtigkeit seiner Aufgabe ist dem Elektroniker bewusst: „Besonders bei kleinen Unternehmen, bei denen vielleicht alles über eine Maschine läuft, muss sichergestellt werden, dass so schnell wie möglich wieder gearbeitet werden kann – sonst können sie kein Geld verdienen.“
Der Autor
Stefan Weinzierl, verantwortlicher Redakteur Instandhaltung