Die Electronica 2020 ist als Präsenzveranstaltung abgesagt. Messe München setzt auf virtuelles Konzept.

Die Electronica 2020 ist als Präsenzveranstaltung abgesagt. Die Messe München setzt auf ein virtuelles Konzept. (Bild: Alfred Vollmer)

Lange zierte sich die Messe München, die folgenschwere Entscheidung zu treffen, aber jetzt ist es offiziell, dass es keine Präsenzveranstaltung electronica 2020 geben wird, wohl aber eine virtuelle electronica.

Die sich aktuell in Europa verschärfenden Reisebeschränkungen hätten ein Umdenken bei der Planung erfordert, teilte die Messe mit. Aufgrund dieser nunmehr bestehenden Beschränkungen für zahlreiche Besucher- und Ausstellerländer wäre der Weltleitmessecharakter der electronica im kommenden November nicht gegeben. „Wir passen uns dieser dynamischen Situation an und legen den Fokus nun ausschließlich auf das virtuelle Format“, sagte Falk Senger, Geschäftsführer der Messe München. Bei dieser electronica virtuell können Aussteller digitale Messestände buchen, und ein Großteil des Konferenz- und Rahmenprogramms soll digital zur Verfügung stehen.

70 % weniger Aussteller: Absage der electronica 2020 unvermeidlich

Während 2018 erstmals alle 17 Hallen der Messe München zur electronica gefüllt waren, …

Während 2018 erstmals alle 17 Hallen der Messe München zur electronica gefüllt waren, … Messe München

Von 1095 Ausstellern, die zum Beispiel am Abend des 6.8.2020 noch in der Ausstellerliste standen, wollten 149 Unternehmen ihre Exponate auf der Semicon Europe zeigen, so dass schon damals nur noch knapp 950 Unternehmen auf der klassischen electronica 2020 ausstellen wollten. Zum Vergleich: 2018 kamen 81.471 Besucher aus 101 Ländern auf die electronica, um die 3.124 Aussteller aus 53 Ländern zu besuchen, wobei damals 70 % der Aussteller (und 50 % der Besucher) aus dem Ausland anreisten.

Am 6.8. waren es nur noch 1095 Gesamt-Aussteller, und es ging weiter bergab. Am 24.8. waren es nur noch 1006 Aussteller und am 25.8. war die Anzahl mit 992 schon unter die Tausender-Marke gerutscht. So ging es weiter. Am 31.8. listete die Messe München nur noch 934 Aussteller, und am 1.9. gar nur noch 896 Aussteller – ein Wert, der auf der Website bis Freitagabend (4.9.) konstant blieb. Und bei dieser Zahl zog die Messe München nun schließlich die Reißleine und sagte die electronica 2020 als Präsenzveranstaltung ab.

In der Nacht von Donnerstag (3.9.) sickerten aus dem Ausland schon Infos von Ausstellern an die Redaktion durch, dass die Präsenzveranstaltung abgesagt wurde. Am 4.9. nachmittags erhielten deutsche Aussteller ihre Absagebriefe, und am frühen Morgen des 5.9. stand es auf der Website der Veranstaltung, dass diese in 2020 nur rein virtuell stattfinden wird.

Auswirkungen des Hygienekonzepts auf die electronica 2020

…waren es gemäß Planungsstatus Ende Juli nur noch 7 Hallen, wobei eine der Hallen die Semicon Europe beherbergen sollte.

…waren es gemäß Planungsstatus Ende Juli nur noch 7 Hallen, wobei eine der Hallen die Semicon Europe beherbergen sollte. Messe München

Bei gut 70 % weniger Ausstellern und nur 7 statt 18 geöffneten Messehallen verändert sich der Charakter einer Messe sehr, aber viel schwerer wiegt, dass diverse Aussteller im Juli in Gesprächen mit der Redaktion davon ausgingen, dass sie keine Besprechungsräume anmieten dürften, wenngleich die Messe München von Anfang an klarstellte, dass für die Aussteller sehr wohl die Möglichkeit bestanden hätte, Konferenzräume anzumieten. Gleichzeitig stand für alle von der Redaktion kontaktierten Aussteller fest, dass sie dafür sorgen müssen, dass die Besucher sich nicht vor einzelnen Exponaten stauen. Die Messe München selbst hat den Ausstellern allerdings (im Gegensatz zu Messeveranstaltern aus manchen anderen Bundesländern) keine verpflichtenden Auflagen zum Standbau gemacht.

Ende Juni trat das Schutz- und Hygienekonzepts in Kraft, das die Bayerische Staatsregierung für den Messe- und Kongressbetrieb verabschiedet hatte. Dieses sah kein „Einbahnstraßensystem“ vor, aber die von der Redaktion befragten Aussteller gingen alle davon aus, dass sie nur so die Lage in den Griff bekommen könnten. Die Verwirrung war offensichtlich – wohl auch wegen der Unterschiede im föderalen Deutschland – ziemlich groß, obwohl die Messe München stets die aktuelle Gesetzeslage kommunizierte, die sich in Bayern unter anderem am 2. September (im Vergleich zum vorherigen Stand vom 12. August) in Form von Lockerungen änderte. Die Messe München hatte sich in den FAQs für Aussteller zumindest sehr klar und deutlich ausgedrückt.

Interessant ist, dass diverse Aussteller jeweils von sich aus als Konsequenz eine Einbahnstraßenregelung als einzig mögliche Umsetzung gesehen haben, obwohl dies offiziell gar nicht erforderlich war. Kurz und gut: Für alle Beteiligten ware die Wochen von Ende Juni bis Anfang September alles andere als leicht.

Kaum Halbleiterhersteller auf der electronica 2020

2022 wird sich hoffentlich wieder ein derartiges Gedränge am ersten Messetag der electronica bilden wie auf diesem Bild aus dem Jahr 2018.

2022 wird sich hoffentlich wieder ein derartiges Gedränge am ersten Messetag der electronica bilden wie auf diesem Bild aus dem Jahr 2018. Alfred Vollmer

2018 waren Halbleiter die absoluten Besuchermagnete, denn die Messe München vermeldete damals, dass 41 % der electronica-Besucher sich 2018 nach Halbleitern erkundigten. Aber wenn man die Ausstellerliste der electronica 2020 durchgeht, dann stachen dem branchengeübten Auge in der Ausstellerliste vom 6.8.2020 nur 22 Halbleiterhersteller plus die Foundry TSMC ins Auge, nämlich Analog Devices, AMS, Bosch, Calterah, Cologne Chip, Dongke Semiconductor, Elmos Semiconductor, Everlight, Giga Device Semiconductor, Infineon Technologies, Nexperia, Nordic Semiconductor, NXP Semiconductors, ON Semiconductors, Samsung Semiconductor, Shenzhen Anbon Semiconductor, STMicroelectronics, Suzhou Ansas Semiconductor, Swissbit, Toshiba, Union Semiconductor und We En Semiconductors. Mitte beziehungsweise Ende August standen Elmos Semiconductor und Everlight dann auch nicht mehr auf der Liste.

2018 beanspruchten die Halbleiter – inklusive Distributoren – noch 3,5 Hallen für sich alleine, aber 2020 stand Ende Juli nur noch eine Halbleiterhalle auf dem Plan. Nachdem auch die Besuchermagnete derart wegbrachen, hatte die Messe München einfach keine andere Wahl, als die Präsenzveranstaltung komplett abzusagen. Als Ende Juli die Mitteilung kam, dass es parallel zur damals noch offiziell existenten Präsenzmesse eine virtuelle Messe geben wird, war vielen Insidern bereits ziemlich klar, wie die finale Entscheidung aussehen wird.

Kommentar: Warum die Messe MÜnchen die electronica 2020 absagen musste

So viele Branchenvertreter wären ausgesprochen gerne im November 2020 nach München gekommen, aber die Rahmenbedingungen passten einfach nicht. Das fing schon bei der Logistik an. Welcher Auslandsbesucher konnte sich denn im Sommer 2020 sicher wähnen, nach der Messe wieder in angemessener Zeit nach Hause fliegen zu können – und zwar ohne dann zuhause zunächst 10 bis 14 Tage in Quarantäne zu müssen? Vom persönlichen Gesundheitsrisiko und dem rechtlichen Risiko der Vorgesetzten, die ihre Mitarbeiter zum Standdienst während der Corona-Zeit abbeordern, wollen wir an dieser Stelle gar nicht weiter sprechen. Die Sachzwänge waren einfach zu groß, so dass die electronica dieses Jahr nur rein virtuell stattfinden kann. Schade, aber wir freuen uns jetzt schon auf eine richtig tolle electronica 2022, die live in München stattfindet, denn die Branche braucht die electronica, und die electronica braucht die Branche.

Alfred Vollmer

electronica 2020 nur virtuell

Auf der Website der jetzt abgesagten electronica findet sich nur noch der Hinweis auf die virtuelle Mess, und electronica cancelled.

Auf der Website der electronica findet sich nur noch der Hinweis auf die virtuelle Messe. Alfred Vollmer (Screenshot von electronica.de)

Die Messe findet nun unter dem Namen electronica virtuell als digitale Veranstaltung statt. Zum einen können die Aussteller virtuelle Messestände buchen und so ihre Produkte und Lösungen präsentieren. Zum anderen entwickelt die Messe ein digitales Konferenz- und Rahmenprogramm. Dabei sollen einzelne Vorträge und Diskussionsrunden zu Themen wie Automotive, Embedded, IIoT, 5G, Medical Electronics und Smart Energy zur Verfügung stehen. Im Rahmen des virtuellen Formats sollen alle Teilnehmer darüber hinaus weitergehende Möglichkeiten zum Austausch und Networking erhalten. Die Messe arbeitet am Ausbau dieses digitalen Angebots.

 

(av, na, gk)

Sie möchten gerne weiterlesen?

Unternehmen

Messe München GmbH

Messegelände
81823 München
Germany