Zukunftstechnologien im Praxiseinsatz

Wie 4 Faktoren Quantencomputing vorantreiben

Quantencomputing entwickelt sich vom Forschungsthema zum wirtschaftlichen Faktor. Vor allem vier technologische Treiber wie neue Hardware und effizientere Algorithmen beschleunigen diese Entwicklung und verändern, wie Unternehmen künftig rechnen.

Futuristische Darstellung eines leuchtenden Quantenchips aus Glas mit schwebenden Qubits, blauen und goldenen Lichtlinien in einem Serverraum – Symbol für den technologischen Durchbruch im Quantencomputing.
Quantencomputing hat sich vom theoretischen Forschungsfeld zu einem relevanten Technologiethema für Unternehmen entwickelt. Treiber dafür sind zum Beispiel neue Hardware, Algorithmen und hybride Systeme, die wirtschaftliche Chancen eröffnen.

Auf einen Blick

  • Fehlerkorrigierte Qubits machen stabile Berechnungen möglich.

  • Effiziente Algorithmen verringern Rechenaufwand und Kosten.

  • Hybride Workflows bringen Praxisnutzen schon heute.

  • Quantenentwicklung wird durch neue Software vereinfacht.

  • Unternehmen profitieren von frühen Pilotprojekten.

Lange Zeit war Quantencomputing ein faszinierendes Forschungsfeld, hinsichtlich der Unternehmensstrategie hat es aber keinerlei Rolle gespielt – zu theoretisch, zu teuer, zu unpräzise. Dies ändert sich allerdings gerade. Die jüngsten technologischen Durchbrüche zeigen, dass Quantencomputing auch für die Praxis sehr viel schneller an Relevanz gewinnt, als viele erwarten. 

Vier zentrale Entwicklungen treiben diesen Wandel voran: Neben leistungsfähiger Hardware und effizienteren Algorithmen sind auch hybride Workflows und zugängliche Software essenziell. In Kombination bilden sie einen technologischen Hebel, der Quantencomputing von einer Zukunftsvision zu einer konkreten geschäftlichen Chance werden lässt.

 1. Fehlerkorrigierte Qubits treiben die Hardware-Revolution voran

 Die physische Basis des Quantencomputings, die sogenannten Qubits, wird immer stabiler, skalierbarer und verlässlicher. Ob supraleitende Schaltkreise, eingefangene Ionen oder neutrale Atome: Alle Architekturen verzeichnen deutliche Fortschritte. Besonders entscheidend ist dabei der Übergang von physischen zu logischen Qubits. Während physische Qubits extrem störanfällig sind, kombinieren logische Qubits mehrere physische Einheiten, um Fehler automatisch zu korrigieren. 

Erste Systeme zeigen, dass diese fehlerkorrigierten Qubits stabiler rechnen als ihre ungeschützten Vorgänger – ein Beweis, dass großskalige, wirtschaftlich nutzbare Quantencomputer keine ferne Utopie mehr darstellen. Beispielsweise demonstrierten im Sommer 2025 Forschende von QuEra, der Harvard University und dem MIT erstmals die sogenannte Magic-State-Distillation auf logischer Ebene auf einer Neutral-Atom-Plattform. Bei diesem Verfahren werden fehlerhafte, „magische“ Zustände – die für universelles Quantenrechnen nötig sind – aus vielen ungenauen Kopien zu wenigen hochreinen Zuständen aufbereitet. Es kompensiert die Grenzen fehlerkorrigierbarer Gatter, indem es diese speziellen Zustände als Ressource für nicht-Clifford-Operationen nutzt. Mit diesem Erfolg konnten sie zeigen, dass logisch kodierte Zustände hinsichtlich Stabilität und Genauigkeit (Fidelity) die physikalischen Qubits, aus denen sie bestehen, übertreffen können. Ebenso berichtete Google Quantum AI kürzlich über Fortschritte bei der Implementierung von Color-Code-Fehlerkorrektur auf supraleitenden Qubits. Durch die Gruppierung mehrerer physikalischer Qubits zu einem logischen Qubit konnte das Team zeigen, dass dieser logische Verbund Fehler deutlich wirksamer unterdrücken kann – ein wichtiger Schritt in Richtung fehlertoleranter Quantenoperationen.

Mit steigender Stabilität wächst auch die Zahl der Qubits pro Prozessor. Hardware-Hersteller sprechen inzwischen nicht mehr von Dutzenden, sondern von Tausenden Qubits. Das eröffnet erstmals die Möglichkeit, komplexe Aufgaben aus Chemie, Materialforschung oder Kryptografie praktisch anzugehen. 

2. Algorithmische Sprünge: Mehr Effizienz, weniger Rechenbedarf für Quantencomputer

Auch auf algorithmischer Ebene gibt es Fortschritte. Die neuen Ansätze sind effizienter und nutzen die vorhandene Rechenleistung gezielter. In den vergangenen Jahren ist es Forschenden zudem gelungen, den Ressourcenbedarf vieler Quantenalgorithmen drastisch zu reduzieren. Dadurch sinkt die Hürde für reale Anwendungen. Ein aktuelles Beispiel liefert eine in Nature veröffentlichte Studie zur sogenannten algorithmischen Fehlertoleranz. Dabei werden Quantenalgorithmen so gestaltet, dass sie weniger empfindlich auf Rechenfehler reagieren und ohne aufwendige Hardwarekorrekturen auskommen. Die Arbeit wurde auf Basis der Neutral-Atom-Technologie demonstriert, die sich zunehmend als vielversprechender Ansatz für skalierbare und präzise kontrollierbare Quantenprozessoren etabliert. Das verringert den Bedarf an stabilen Qubits und erleichtert Berechnungen auf kleineren Systemen. Während frühe Versionen teils Milliarden Qubits erforderten, genügen heute deutlich kleinere Systeme, um relevante Ergebnisse zu erzielen. Das gilt beispielsweise bei Molekülsimulationen oder bei der Lösung von Optimierungsproblemen. 

Gleichzeitig wächst die Bedrohung für klassische Verschlüsselungsverfahren. Durch Konzepte wie „Harvest now, decrypt later“ wird dieses Problem besonders deutlich. Daten, die heute abgefangen werden, könnten morgen schon entschlüsselt werden. Für Unternehmen wird es somit auch aus Sicherheitsgründen wichtig, sich mit quantenresistenter Kryptografie zu befassen.

Was ist die Neutral-Atom-Technologie?

QuEras Quantencomputer Aquila auf Basis der Neutral-Atom-Technologie

Die Neutral-Atom-Technologie nutzt elektrisch neutrale Atome als Qubits für Quantencomputer. Diese Atome werden mithilfe von Laserstrahlen in optischen Gittern eingefangen und kontrolliert. Durch gezielte Laserimpulse lassen sich ihre Quantenzustände manipulieren. Im Vergleich zu anderen Qubit-Architekturen bieten sie ein hohes Maß an Skalierbarkeit und Präzision. Da die Atome keine elektrische Ladung tragen, stören sie sich weniger gegenseitig, was stabile Berechnungen ermöglicht. Die Technologie gilt als vielversprechender Ansatz für leistungsfähige und fehlerrobuste Quantenprozessoren.

3. Hybride Workflows: Das Beste aus der klassischen und der Quantenwelt

Während reine Quantencomputer auch weiterhin ein Nischendasein führen werden, erzielen hybride Systeme derzeit die größten Fortschritte. Dabei handelt es sich um Architekturen, in denen klassische Hochleistungsrechner eng mit Quantenprozessoren verknüpft sind. Besonders komplexe Teilprobleme werden hier auf dem Quantenchip ausgeführt, die übrigen Berechnungen übernehmen klassische Prozessoren. So lassen sich Optimierungsaufgaben oder chemische Simulationen schon heute schneller und präziser lösen als mit herkömmlichen Verfahren. Jüngst hat auch Google mit einem neuen Algorithmus – Spitzname Quantum Echoes – gezeigt, wie sich beide Rechenwelten enger koppeln lassen: Klassische Simulationen und Quantenberechnungen greifen dabei wechselseitig ineinander, um Ergebnisse zu stabilisieren und Rauschen zu reduzieren. Nationale Forschungsinitiativen in Japan, Singapur, den USA oder Europa fördern hybride Ansätze bereits gezielt. Und auch für die Industrie werden solche hybriden Infrastrukturen zunehmend attraktiv. 

4. Software für alle: Die neue Zugänglichkeit der Quantenprogrammierung

Noch vor wenigen Jahren galt die Quantenprogrammierung als reine Spezialdisziplin für Physiker. Das ändert sich jedoch rasant, da neue Entwicklungsumgebungen und Abstraktionsschichten die komplexe Quantenlogik in vertraute Programmiersprachen übersetzen. Plattformen wie Classiq oder Horizon Quantum ermöglichen die direkte Erzeugung von Quantenprogrammen aus funktionalen Beschreibungen – ganz ohne tiefes Wissen über die zugrunde liegende Hardware. Andere Anbieter binden Quantenbibliotheken nahtlos in etablierte Entwicklungsumgebungen wie C++ oder Python ein. Dadurch wird die Einstiegshürde erheblich gesenkt und Softwareentwickler und Datenwissenschaftler können heute erste Quantenanwendungen testen, ohne vorher ein Physikstudium absolvieren zu müssen.

Quantencomputing als strategische Chance für Unternehmen

Die Zeiten, in denen Unternehmen Quantencomputing als ferne Vision betrachtet haben, sind vorbei. Immer mehr Branchen erkennen die wirtschaftliche Dimension dieser Technologie. Laut einer aktuellen McKinsey-Analyse entwickelt sich Quantencomputing aktuell „vom Konzept zur Realität“ – und könnte bis 2035 sogar ein Marktvolumen von über 70 Milliarden US-Dollar erreichen. 

Fakt ist: Quantencomputing bleibt weiterhin anspruchsvoll, aber ist längst keine Zukunftsmusik mehr. Die jüngsten Fortschritte wirken wie ein Katalysator: Bessere Hardware ermöglicht neue Algorithmen, hybride Architekturen schaffen erste Geschäftsmodelle und moderne Software macht die Technologie für eine breitere Zielgruppe zugänglich. Für Unternehmen lautet die Frage also nicht mehr, ob Quantencomputing für ihre Strategie relevant wird – stattdessen sollten sie sich überlegen, wann und wie. Wer schon heute in Know-how investiert und erste Pilotprojekte startet, verschafft sich einen entscheidenden Vorsprung. Denn diese Vorreiter können bereits von Partnerschaften

Häufige Fragen zum Quantencomputing

Was unterscheidet Quantencomputer von klassischen Rechnern?

Quantencomputer nutzen Qubits, die mehrere Zustände gleichzeitig darstellen können. Dadurch lassen sich bestimmte Probleme – etwa chemische Simulationen oder Optimierungen – exponentiell schneller lösen als mit klassischen Systemen.

Wann werden Quantencomputer wirtschaftlich nutzbar?

Erste hybride Anwendungen sind heute schon realisierbar. Voll skalierbare Quantenprozessoren mit fehlerkorrigierten Qubits werden voraussichtlich in den 2030er Jahren einsatzbereit sein. Unternehmen können jedoch bereits jetzt mit Pilotprojekten starten.

Welche Branchen profitieren zuerst vom Quantencomputing?

Besonders profitieren Chemie, Finanzwesen, Logistik und Materialwissenschaft. Dort ermöglichen Quantenalgorithmen neue Erkenntnisse in Simulation, Optimierung und Datenanalyse – mit klar messbarem Wirtschaftsnutzen.

Wie können Unternehmen jetzt starten?

Ein sinnvoller Einstieg erfolgt über Pilotprojekte in Zusammenarbeit mit Cloud- oder Hardwareanbietern. So lässt sich frühzeitig Know-how aufbauen und ein strategischer Vorsprung sichern.

Welche Risiken bestehen bei Quantencomputern?

Die größte Herausforderung liegt in der IT-Sicherheit. Quantencomputer könnten heutige Verschlüsselungsverfahren brechen. Deshalb ist der Umstieg auf quantenresistente Kryptografie essenziell.

Der Autor

Yuval Boger ist Chief Commercial Officer bei QuEra, einem führenden Hersteller von Quantencomputern. Im Laufe seiner Karriere war er CEO und CMO bei Pionieren in den Bereichen Quantencomputing, virtuelle Realität und drahtlose Stromversorgung. Als ausgebildeter Physiker versteht er die Zusammenhänge der Quantentechnologie und kann sie in einfacher Sprache erklären. Dabei hilft ihm auch sein Podcast „The Superposition Guy’s Podcast“, in dem er regelmäßig Gäste aus der Branche interviewt.