Abgefahren - Die Kolumne von Dr. Christof Horn

Software-Kolumne: Game Over?

Globale Machtverschiebungen, technologische Umbrüche und politische Spannungen stellen die Automotive-Branche vor historische Herausforderungen. Die kommenden Jahre entscheiden, wer sich anpasst – und wer den Anschluss verliert.

Immer neue Schockwellen laufen durch das automobile Universum: Zusätzlich zum erratischen Zollkrieg war es nun die Versorgung mit Chips und brachte mit Nexperia eine Firma in die Nachrichten, deren Namen vermutlich nur Insidern bekannt war. Und natürlich ging es wieder um die Seltenen Erden, die als Druckmittel von China eingesetzt wurden.

Der Tenor in der Presse: Endzeit-Stimmung und Massenentlassungen. Die Stimmungslage in der Branche: herbstliche Massendepression, passend zu den massiven Einbrüchen in der Profitabilität. Aber war es das wirklich für die alten Player der Auto-industrie?

Märkte sind nicht statisch

Auch wenn die letzten Jahrzehnte subjektiv stabil erscheinen mögen – die Automotive-Welt war und bleibt ständig in Bewegung. In den 1980er Jahren waren es die japanischen Hersteller, dann die südkoreanischen, dann kam Tesla, nun die chinesischen Marken. Jede dieser Verwerfungen hatte ganz unterschiedliche Vorzeichen und Auswirkungen – und am Ende stand eine veränderte Landschaft von OEMs und Zulieferern, mit durchaus Gewinnern und Verlierern.

Getting digital done: Die Kolumne von Dr. Christof Horn, Accenture

Dr. Christof Horn

Software-defined ist kein Wettlauf um Technologien, sondern um Vorgehensweisen, Geschwindigkeit und Mindset. Was dazu gehört beschreibt Dr. Christof Horn in seiner Kolumne, die auf all-electronics und in der AUTOMOBIL-ELEKTRONIK erscheint. Die Beiträge zum Nachlesen

Die größte Marktanpassung findet heute auf dem chinesischen Markt statt, und sie betrifft vor allem die mehr als 150 chinesischen OEMs, von denen wohl nur fünf bis zehn überleben werden. Interessanterweise spielt die Auto-Industrie im nächsten Fünfjahresplan der chinesischen Regierung keine besondere Rolle mehr – der Markt wird als reif genug angesehen und soll sich konsolidieren. Was auch dringend nötig ist, denn der „Return on Invest“ ist in der Breite mitnichten gegeben.

Strategie bedeutet Anpassung

Dies erzeugt beidseitigen Druck: Der chinesische Markt wird für die deutschen Marken sehr schwierig bleiben, und die Hersteller können sich nicht auf eine wundersame Kehrtwende in China verlassen. Und die chinesischen Marken müssen außerhalb China erfolgreich werden, wenn sie über-leben wollen. Doch das ist einfacher gesagt als getan.

Für die etablierten Marken bedeutet dies mehrfache strategische Anpassungen in der Positionierung (Luxus oder doch nicht?), im Markenkern (mit Ringen oder ohne?), in der Kerneigenleistung (SW Marke Eigenbau oder in Allianzen?) – und in der Beschleunigung von Organisation und Mindset.

Die wichtigste Anpassung jedoch liegt in einer banalen Erkenntnis mit großen Konsequenzen. Wer zukünftig Autos verkaufen möchte, muss nicht mehr Software ins Fahrzeug packen, sondern das Kundenerlebnis konsequent in Software, Daten und KI denken. Daten sind dann nicht mehr ein Abfallprodukt der alten Prozesswelt, sondern der Ausgangspunkt. Und der Software-Architekt ist im Lead – wenn er denn überhaupt an Bord ist.

Ganz gleich, welche Summen weiterhin investiert werden sollen: Sie werden nur dann wirksame Ergebnisse produzieren, wenn die politischen Scharmützel, die endlosen Prüfaufträge, die mutlosen Architekturentscheidungen innerhalb der Firmen ein Ende haben.

Save the date: 30. Automobil-Elektronik Kongress

Logo Automobil-Elektronik Kongress (AEK), mit Datum für 2026, eine Veranstaltung von Ultima Media Germany, mit dem dazugehörigen Magazin Automobil-Elektronik

Am 16. und 17. Juni 2026 findet zum 30. Mal der Internationale Automobil-Elektronik Kongress (AEK) statt. Dieser Netzwerkkongress ist bereits seit vielen Jahren der Treffpunkt für die Top-Entscheider der Elektro-/Elektronik-Branche und bringt nun zusätzlich die Automotive-Verantwortlichen und die relevanten High-Level-Manager der Tech-Industrie zusammen, um gemeinsam das ganzheitliche Kundenerlebnis zu ermöglichen, das für die Fahrzeuge der Zukunft benötigt wird. Trotz dieser stark zunehmenden Internationalisierung wird der Automobil-Elektronik Kongress von den Teilnehmern immer noch als eine Art "automobiles Familientreffen" bezeichnet.

Sichern Sie sich Ihr(e) Konferenzticket(s) für den 30. Automobil-Elektronik Kongress (AEK) im Jahr 2026! Folgen Sie außerdem dem LinkedIn-Kanal des AEK und #AEK_live.

Im Channel zum Automobil-Elektronik Kongress finden Sie Rück- und Vorberichterstattungen sowie relevanten Themen rund um die Veranstaltung.

Druck kann hilfreich sein

Was ist nun mit der großen Abhängigkeit von China? Der Fall Nexperia hat gezeigt, dass das Denken in eindimensionalen Lieferketten zu kurz greift. Die Verflechtungen von Technologien, Rohstoffen und Fähigkeiten sind in beide Richtungen hoch, und einseitige Aktionen führen meist zu Verlierern auf beiden Seiten. Auch Europa hat Asssets in der Hand, die weltweit benötigt werden.

Und Druck führt zu Anpassungen: Die „Seltenen Erden“ z. B. sind überhaupt nicht selten. Es war nur sehr bequem, die ökologisch dreckige Arbeit woanders erledigen zu lassen. Doch das lässt sich – wenn auch mittelfristig – ändern, wenn wir es denn wollen.