Die Incat Hull 096 verfügt über eine Batterieleistung von 40 MWh und demonstriert damit die Entwicklung der Elektromobilität in neue Dimensionen.(Bild: Incat Tasmania)
Die Incat Hull 096 zeigt, dass batterieelektrische Antriebe auch bei großen Fährschiffen umsetzbar sind. Mit 40 MWh Batteriespeicher, modularem Aufbau und Schnellladeinfrastruktur wurde ein technisch anspruchsvolles Konzept realisiert.
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Wenn Sie das Wort Elektromobilität hören, ploppt in Ihrem Kopf mit hoher Wahrscheinlichkeit das Bild eines E-Autos auf; vielleicht auch ein E-LKW oder eine Baumaschine. Ich würde wetten – so ist es zumindest bei mir – bei den wenigsten ist es das Bild eines Schiffs. Doch das könnte sich in Zukunft ändern.
Während vollelektrische Antriebe bei Autos bereits Alltag sind, befindet sich die maritime Elektromobilität noch in einer vergleichsweise frühen Entwicklungsphase, gewinnt jedoch immer mehr an Dynamik. Und gerade der Blick auf den Bereich der Fähren, Binnenschiffen und Arbeitsbooten zeigt, dass es einige Fortschritte gibt. Schon jetzt ist die batteriebasierte Elektromobilitätbei Pendelfähren besonders weit fortgeschritten. In Ländern wie Norwegen, Deutschland und Australien verkehren bereits zahlreiche vollelektrische oder hybride Fährschiffe im Linienbetrieb. Dabei stellen die begrenzte Energiedichte und das hohe Gewicht heutiger Batteriesysteme die Branche vor Herausforderungen – besonders wenn größere Reichweiten oder hohe Nutzlasten gefordert sind. Für einen zuverlässigen und wirtschaftlichen Betrieb müssen zudem leistungsfähige Ladesysteme an den Anlegestellen verfügbar sein, die den hohen Energiebedarf in möglichst kurzer Zeit decken. Auch das sichere Handling großer Batteriepakete an Bord, insbesondere im Hinblick auf Brand- und Überwachungstechnik, verlangt nach speziell angepassten Lösungen.
Die Elektromobilität wird in den nächsten Jahren einer der Haupttreiber in der Automobilindustrie sein. Dabei spielt die Batterie eine der wichtigsten Rollen bei der weltweiten Verbreitung von Elektrofahrzeugen, wobei die entscheidenden Faktoren die Reichweite der Batterie, die Lademöglichkeiten und die Finanzierung der Produktionskosten sind. Alle diese Themen vereint die nächste Ausgabe der „The Automotive Battery“ vom 1. Juli bis 2. Juli 2026 in München.
Die Rahmendaten sind bereits beeindruckend: 130 Meter Länge, Platz für 2.100 Passagiere und 225 Fahrzeuge. Der Entwurf als Aluminium-Katamaran hält das Gewicht im Zaum, was angesichts der über 250 Tonnen Batterien (rund 40 MWh Kapazität) auch dringend nötig ist. Damit ist das Energiespeichersystem etwa viermal größer als jede bisherige maritime Batterieinstallation – ein technologischer Quantensprung, der neue Herausforderungen und Lösungen verlangt.
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Wie das Energy Storage System (ESS) der China Zorrilla funktioniert
Herzstück des Antriebs ist das von Wärtsilä gelieferte Energy Storage System (ESS). Die schiere Größe dieses Systems ist ohne Beispiel: Über 5.000 einzelne Batteriemodule speisen acht elektrische Wasserjets, die das Schiff auf bis zu 29 Knoten beschleunigen können. Zum Vergleich: Die Batterie entspricht in ihrer Kapazität etwa der von 750–800 Mittelklasse-Elektroautos – oder in der Schiffswelt: Sie ist viermal so groß wie die bislang umfangreichste maritime Batterieanlage.
Die Batteriemodule wurden modular aufgebaut, was Wartung und Redundanz vereinfacht und die Sicherheit erhöht – ein entscheidender Punkt bei solchen Energiemengen an Bord. Die Integration der Module in das Leichtbau-Aluminium-Schiff sorgt zudem für optimale Raumausnutzung und trägt dazu bei, das Gesamtgewicht trotz der Batteriemasse im Rahmen zu halten.
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Wärtsilä, als langjähriger Technologiepartner von Incat, zeichnet nicht nur für die Batteriesysteme, sondern auch für das Zusammenspiel von Energiespeicher und elektrischen Antriebskomponenten verantwortlich. Die acht elektrischen Wasserjets sind speziell auf den Hochleistungsbetrieb und die Besonderheiten des flachen Río de la Plata ausgelegt.
Kriterium
Wert
Schiffsname / Projektname
Incat Hull 096 / China Zorrilla
Werft
Incat Tasmania
Betreiber
Buquebus
Einsatzgebiet
Buenos Aires (Argentinien) – Colonia (Uruguay)
Länge
130 m
Breite
32,36 m
Tiefgang
ca. 2,5 m
Passagierkapazität
2.100 Personen
Fahrzeugkapazität
225 Fahrzeuge
Batteriegewicht
über 250 Tonnen
Batteriekapazität
40 MWh
Antrieb
8 elektrische Wasserstrahlantriebe (Waterjets), jeweils von einem eigenen Elektromotor gespeist
Maximale Geschwindigkeit
ca. 29 Knoten (ca. 54 km/h)
Reichweite pro Ladung
ca. 100–115 km
Schnellladezeit (20–80%)
ca. 40 Minuten
Besonderheiten
2.300 m² Duty-Free-Retail-Fläche (weltweit größte auf einer Fähre)
Lieferant ESS & Antrieb
Wärtsilä
Baumaterial
Marine-Aluminium (Leichtbau-Katamaran)
Stapellauf
2. Mai 2025
Woher der Name „China Zorrilla“ kommt
Die Fähre trägt den Namen „China Zorrilla“ zu Ehren von Concepción „China“ Zorrilla (1922–2014), einer renommierten Schauspielerin, Theaterregisseurin und Kulturikone aus Uruguay. Sie war sowohl in Uruguay als auch in Argentinien sehr bekannt und geschätzt. Der Spitzname „China“ stammt aus ihrer Kindheit und hat keinen Bezug zum Land China. Die Namensgebung würdigt ihre Rolle als Brückenbauerin zwischen den beiden Ländern – passend zur Funktion der Fähre, die Buenos Aires (Argentinien) und Colonia (Uruguay) miteinander verbindet.
Laden extrem: 40 Minuten für 24 MWh
Die gewaltige Energiemenge will auch effizient geladen werden. An beiden Enden der Route – Buenos Aires und Colonia – entstehen Schnellladestationen, die mit mehreren Megawatt Ladeleistung arbeiten. Um Netzspitzen zu vermeiden, werden stationäre Pufferbatterien installiert: Sie laden sich während Schwachlastzeiten aus dem Netz und geben bei Fährankunft große Leistungen kurzfristig ab. So kann in etwa 40 Minuten von 20 auf 80 Prozent geladen werden – das entspricht rund 24 MWh.
Der Betrieb ist auf häufige Hin- und Rückfahrten ausgelegt; genaue Angaben zur Anzahl der täglichen Umläufe variieren, aber die Infrastruktur und das flexible Batteriesystem sind für hohe Frequenz konzipiert. Die Strecke zwischen Buenos Aires und Colonia beträgt rund 100 bis 130 Kilometer – für eine vollelektrische Hochgeschwindigkeitsfähre eine beachtliche Distanz.
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Wohin entwickelt sich die Batterietechnik?
Die China Zorrilla zeigt, wie weit die Entwicklung bei Batteriesystemen, modularer Integration und Lademanagement inzwischen fortgeschritten ist. Der Schritt hin zu 40 MWh an Bord wäre ohne Fortschritte bei Energiedichte, Sicherheitstechnik und Systemmanagement nicht denkbar gewesen. Die Zusammenarbeit von Incat und Wärtsilä steht für den engen Schulterschluss zwischen Werft, Zulieferern und Betreibern bei solchen Pilotprojekten.
Die technischen und logistischen Erkenntnisse aus dem Projekt dürften auf die gesamte Branche abstrahlen – nicht zuletzt, weil viele Herausforderungen rund um Zellfertigung, Thermomanagement und Batterieintegration auch im Automobilbereich aktuell sind. Für Fachleute, die den Austausch suchen, bietet die kommende Automotive Battery Conference (9.–10. Juli 2025, München) eine Plattform, auf der Batterietrends, Second Life-Konzepte und neue Materialien diskutiert werden. Die Entwicklung der Incat Hull 096 verdeutlicht: Elektromobilität ist längst nicht mehr nur eine Frage des Straßenverkehrs.
Aus dem Schoß einer Lehrerfamilie entsprungen (Vater, Großvater, Bruder und Onkel), war es Martin Large schon immer ein Anliegen, Wissen an andere aufzubereiten und zu vermitteln. Ob in der Schule oder im (Biologie)-Studium, er versuchte immer, seine Mitmenschen mitzunehmen und ihr Leben angenehmer zu gestalten. Diese Leidenschaft kann er nun als Redakteur ausleben. Zudem kümmert er sich um die Themen SEO und alles was dazu gehört bei all-electronics.de.