Von der Dampfmaschine bis zur Künstlichen Intelligenz: immer wieder haben technologische Fortschritte die Automatisierung vorangetrieben. Wir stellen die Köpfe vor, die hinter den Erfindungen standen.

Von der Dampfmaschine bis zur Künstlichen Intelligenz: immer wieder haben technologische Fortschritte die Automatisierung vorangetrieben. Wir stellen die Köpfe vor, die hinter den Erfindungen standen. (Bild: Adobe Stock / Mdisk)

Er wurde in Russland geboren, war in Frankreich als Diplomat tätig, emigrierte in die USA, verbrachte ein Sabbatjahr in Deutschland, genoß seinen Lebensabend in Südfrankreich und starb in Italien. Man getrost behaupten, dass Nicolas Minorsky in seinem Leben ganz schön herumgekommen ist. Er hat den in der Automation weit verbreiteten PID-Algorithmus (Proportional-Integral-Derivative), der schon zuvor von Ingenieuren wie Elmer Sperry eingesetzt wurde, als erster umfassend und mathematisch korrekt beschrieben.

Wie funktioniert ein PID-Regler?

Ein PID-Regler (Proportional-Integral-Derivative-Regler) ist eine Regelungstechnik, die häufig in der Automatisierungstechnik eingesetzt wird, um den Regelkreis von Prozessen wie Temperatur, Geschwindigkeit oder Position zu steuern.

Der PID-Regler verwendet drei Arten von Korrekturen, um die Regelabweichung zu minimieren und das System auf einen Sollwert zu regeln:

  • Proportional-Korrektur (P): Diese Korrektur ist proportional zur Regelabweichung zwischen dem aktuellen Wert und dem Sollwert. Je größer die Regelabweichung, desto größer ist die Korrektur. Diese Korrektur sorgt dafür, dass das System schneller auf Störungen reagiert und schneller zur Zielposition zurückkehrt.
  • Integral-Korrektur (I): Diese Korrektur ist proportional zur Summe der Regelabweichungen über die Zeit. Es wird verwendet, um den Einfluss von systematischen Fehlern zu eliminieren, die das System langsam und instabil machen können.
  • Derivative-Korrektur (D): Diese Korrektur ist proportional zur Änderungsrate der Regelabweichung. Es wird verwendet, um die Auswirkungen von plötzlichen Änderungen oder Störungen zu reduzieren.

Zusammen sorgen diese drei Korrekturen dafür, dass das System schnell und stabil auf Veränderungen reagiert und sich dem Sollwert annähert. Die Parameter des PID-Reglers, wie zum Beispiel die Verstärkungsfaktoren für jede Korrektur, werden oft experimentell oder durch Simulationen ermittelt, um eine optimale Leistung zu erzielen.

Nicolas Minorksy. Die Aufnahme stammt vermutlich aus dem Jahr 1955.
Nicolas Minorksy. Die Aufnahme aus dem Fundus seines Enkels Peter stammt vermutlich aus dem Jahr 1955. (Bild: Peter Minorsky (CC BY-SA 1.0))

Minorsky wird im September 1885 im russischen Kortschewa geboren, nordwestlich von Moskau an der Wolga gelegen. Über seine frühen Jahre ist wenig bekannt. Seine berufliche Reise beginnt, als er nach einem Studium an der Seefahrts-Akademie in St. Petersburg 1908 als Leutnant der russischen Marine beitritt. Zur Fortsetzung seiner Ausbildung studiert er an der Universität von Nancy im Nordosten Frankreichs - vermutlich sein erster größerer Auslandsaufenthalt. In der Zeit von 1911 bis 1914 forscht er in Sankt Petersburg an einem Gyrometer und schreibt seine Doktorarbeit. Danach verschlägt es ihn an die russische Botschaft in Paris, wo er als Marine-Attaché arbeitet.

Im Juni 1918 emigriert er in die USA, wo er in den ersten vier Jahren bei General Electric Assistent von Charles P. Steinmetz ist. Nach dem Elektroingenieur ist die Steinmetz-Schaltung für Elektromotoren benannt.

1922 wird Minorsky Professor an der Columbia University in New York und baut dort ein Forschungslabor für Regelungstechnik auf. Er veröffentlichte zahlreiche wissenschaftliche Arbeiten und Bücher, darunter das Buch "Nonlinear Problems in the Theory of Control", das bis heute als Standardwerk der Regelungstechnik gilt. Von 1923 bis 1934 arbeitet er als Professor für Elektronik und angewandte Physik an der University of Pennsylvania in Philadelphia und verbringt ein Sabbatjahr in Göttingen, der Alma Mater von großen Geistern wie dem Physik-Nobelpreisträger Max Born.

Auslöser und zentrale Anwendung für Minorskys Arbeit war die Entwicklung von Stabilisationsmechanismen für Schiffsbewegungen, etwa durch aktive Tanks. Als Demonstrationsobjekt für dieses System wurde sogar ein fünf Tonnen schweres Modell des Zerstörers USS Hamilton gebaut, der als Versuchsobjekt diente. Doch bevor das Stabilisierungssystem ausgereift war, traten die USA in den Zweiten Weltkrieg ein. Die Hamilton musste in den Kriegseinsatz, und das Modell wurde an der Forschungseinrichtung David Taylor Model Basin (DTMB) in Maryland eingemottet.

Der Zerstörer USS Hamilton, in den die von Minorsky erdachte Stabilisierungstechnik eingebaut wurde.
Der Zerstörer USS Hamilton, in den die von Minorsky erdachte Stabilisierungstechnik eingebaut wurde. (Bild: Public Domain)

Nach Ende des Krieges wechselte Minorsky auf die andere Seite des amerikanischen Kontinents, ließ sich im kalifornischen Stanford nieder und unterrichtete an der Fakultät für Maschinenbau der renommierten Stanford University zum Thema nichtlineare Schwingungen. Dabei kam schnell auch wieder das Thema Schiffsstabilisierung in den Fokus seines Interesses. Flugs wurde das tonnenschwere Schiffsmodell von Maryland nach Kalifornien gebracht - wo es in einem ziemlich desolatem Zustand ankam, nach vielen Jahren vergessen in einem Lager.

Minorsky, eher Schreibtischtäter denn selbst anpackender Ingenieur, überließ es seinen Studenten, das Modell aufwändig wieder in Stand zu setzen. Die waren erfolgreich darin - und tauften das Modell zu Ehren ihres Professors die "U.S.S. Minorsky".

Minorsky blieb in Stanford und war dort eine sehr bekannte Gestalt, wenn er mit seinem charakteristischen Grandseigneur-Charme und zerbeultem Filzhut über den Campus streifte. Er unterrichtete an der Universität, bis er 1950 mit 65 Jahren in den Ruhestand ging. Wohl seiner französischstämmigen Frau zuliebe, gab es einen - allerletzten - Umzug.

Das Paar siedelte sich in Südfrankreich an, wo seine Ehefrau ein Haus am Fuß der Pyrenäen geerbt hatte. Obwohl er die nächsten 20 Jahre weiter wissenschaftlich an seinem Lieblingsthema arbeitete, genoss er im Sommer das Leben in Südfrankreich und im Winter Reisen unter anderem nach Italien, wo er besonders Florenz liebte.

Nicolas Minorsky starb am 31. Juli 1970 in Italien.

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