Eines ist sicher beim Active-Matrix-LED-Licht: Mit dieser Technologie kommt das adaptive Fahrlicht in eine neue Dimension.
Noch ist es „nur“ ein abgeschlossenes Forschungsprojekt, aber die Redaktion hat sich vor Ort überzeugt: Die Grundlagen für einen intelligenten LED-Fahrzeugscheinwerfer mit hoher Auflösung sind entwickelt, und das Ergebnis lässt vermuten, dass der geplante SOP in Serienfahrzeugen zum Ende dieses Jahrzehnts realistisch zu schaffen ist, denn alle Entwicklungspartner haben offensichtlich von Anfang an auf ein für die Massenfertigung taugliches Produkt im Auto hingearbeitet.
Unter der Gesamtprojektleitung von Osram entwickelte das Team, dem auch die Projektpartner Daimler, Fraunhofer IZM, Hella und Infineon angehören, ein Demonstrationsmodell, das weit mehr ist als nur ein Labordemonstrator. Jeder der in einem Fahrzeug aus dem Hause Daimler eingebauten fertigen Demo-Scheinwerfer enthält drei neuartige LED-Lichtquellen mit jeweils 1024 einzeln ansteuerbaren Punkten, das Scheinwerfersystem somit 6 x 1024 Lichtpunkte, die über die gesamte Projektionsbreite ihr Lichtbild ausstrahlen. Dadurch lässt sich das Scheinwerferlicht sehr genau an die jeweilige Verkehrssituation anpassen, so dass immer möglichst optimale Lichtverhältnisse herrschen können, ohne andere Verkehrsteilnehmer zu blenden. Das Licht lässt sich an jeden denkbaren Kurvenverlauf so anpassen, dass es keine dunklen Randbereiche gibt.
Wie es bereits in den aktuell verfügbaren Matrix-Frontscheinwerfern auf Basis von relativ wenigen Einzel-LEDs können auch beim Active-Matrix-LED-Licht Algorithmen die von einem (Kamera-)Sensor erfassten Daten auswerten und so das Umfeld analysieren. Auf Basis dieser Daten sorgt ein Steuergerät dann dafür, dass der Scheinwerfer nur die gewünschten Abschnitte auf der Straße anstrahlt, um so ein Blenden anderer Verkehrsteilnehmer zu vermeiden.
Praxistauglich
Wie gut das funktioniert, hat eine Demonstration in einer Tiefgarage gezeigt: Die (von der Redaktion fotografierten) Bilder 2 und 3 entstanden bei jeweils gleichem, unverändertem Fahrzeuglicht und identischen Kameraeinstellungen, aber etwa 15 cm seitlich verschoben jeweils etwa 8 m vor dem Scheinwerfer, zirka 1 m über dem Boden. In Bild 2 gab es keine Blendwirkung, aber außerhalb der von der ECU quasi beliebig einstellbaren Dunkelstelle ist es so hell, dass entgegenkommende Fahrer, Fußgänger etc. stark geblendet werden (Bild 3).
Von daher ist es nur allzu verständlich, dass Dr. Stefan Kampmann, Mitglied des Vorstands und CTO der Osram Licht AG, den Unterschied zwischen den besten derzeit erhältlichen Matrixlichtern und dem neuen Active-Matrix-LED-Licht auf technischer Ebene mit dem „Übergang von VHS-Video zur DVD oder dem Übergang vom Nadel- zum Laserdrucker“ vergleicht: „Das neue System leuchtet auch den Vorraum vor dem Gegenverkehr und den Raum dahinter aus“, und es bestehe sogar die Möglichkeit „gezielt die Kopfbereiche des Gegenverkehrs“ dunkel zu tasten, während der Rest der Fahrbahn und der Fahrzeuge voll beleuchtet sind. Ein derart variables Fernlicht muss in technischer Hinsicht daher auf der Landstraße nie mehr abgeblendet zu werden.
Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) förderte das 14-Millionen-Euro-Projekt mit rund 7 Millionen Euro, wobei die Institute zu 100 % gefördert wurden, während die beteiligten Unternehmen maximal 50 % Förderung erhielten. Nach Angaben von Osram-Mitarbeiter Stefan Grötsch, der als Projektleiter des Forschungsprojekts agierte, war es „nicht von Anfang an klar, ob das Projekt auch wirklich realisierbar ist“, so dass die Förderung hier wirklich dafür sorgte, dass sich die Beteiligten an die Arbeit machten. Etwas Glück sei trotz der intensiven Arbeiten auf allen Seiten auch dabei nötig gewesen. Mit der Herstellung und dem Feldtest von Scheinwerfer-Demonstratoren ist das Projekt µ-AFS jetzt nach dreieinhalb Jahren erfolgreich abgeschlossen. Dr. Stefan Kampmann kommt daher zu folgendem Ergebnis: „Wir sind überzeugt, dass wir damit das Licht der Zukunft – Made in Germany – … und Sicherheit – Made in Germany – realisiert haben.“
Active-Matrix-LED-Licht: Die Technik
Für die Umsetzung entwickelte Osram Opto Semiconductors mit Infineon und dem Fraunhofer-Institut für Zuverlässigkeit und Mikrointegration (IZM) einen neuartigen LED-Chip, der 1024 einzeln ansteuerbare Lichtpunkte enthält. Bisher kamen bei adaptiven Scheinwerfern mehrere LED-Komponenten neben- und übereinander zum Einsatz, wobei zusätzliche Komponenten das Ein- und Ausschalten von Licht-Segmenten bewerkstelligten. Dabei limitierte der begrenzte Platz im Scheinwerfer die maximal nutzbare Anzahl der Segmente. Jede einzelne LED-Zelle hat eine Grundfläche von 115 µm x 115 µm, so dass bei einem 125-µm-Raster 64 Pixel pro Quadratmillimeter enthalten sind: 1024 Pixel auf 4 mm x 4 mm. Bei einem Ansteuerstrom von 11 mA pro Pixel gibt jedes einzelne Lichtpixel 3 Lumen ab. Dabei ist auch der gleichzeitge Betrieb aller Pixel möglich, wenn das System thermisch entsprechend ausgelegt ist. Allerdings ist in der Regel jeweils nur ein Teil der Pixel aktiviert, und wenn man bedenkt, dass man Fernlicht nur bei schneller Fahrt betreibt, dürfte auch die Kühlung bei Volllicht beherrschbar sein. Jedes der Pixel lässt sich in 1024 unterschiedlichen Helligkeitsstufen ansteuern. Dabei ergibt sich ein Gesamtkontrast von mehr als 150:1.
Mehr über den Aufbau des LED-Moduls erfahren Sie auf der nächsten Seite.
Das LED-Modul
In dem neuen Ansatz ist die Ansteuerung der LED bereits in den Chip integriert. Für das neuartige intelligente Autolicht entwickelte der Geschäftsbereich Osram Specialty Lighting in einem zweiten Schritt rund um den hochauflösenden LED-Chip ein LED-Modul, das mit seiner elektrischen und thermischen Schnittstelle die direkte Anbindung an die Fahrzeugelektronik ermöglicht.
Infineon Technologies entwickelte die intelligente Treiberschaltung für den neuartigen LED-Chip. Mit ihr lässt sich jeder einzelne der 1024 Lichtpunkte individuell ansteuern. Dem Halbleiterhersteller ist es gelungen, sie so zu designen, dass sie sich in dem LED-Modul direkt mit dem über ihr liegenden lichtemittierenden LED-Array verbinden lassen. Dabei arbeitete Infineon eng mit dem Fraunhofer IZT zusammen, das für die neuartige Verbindungstechnik zwischen Opto-Chip (Osram) und Treiber-Chip sorgte. „Wie bei allen anderen LED-Treibern auch bestand eine der Hauptanforderungen in der hochgenauen Steuerung des Stroms“, berichtet Thomas Liebetrau, der als, Lead Principal Engineer für automobile Beleuchtungssysteme in der Systemgruppe des Unternehmensbereichs Automotive bei Infineon verantwortlich ist. Infineon nutze zur Fertigung des Treiberchips bewusst einen Halbleiterprozess, mit dem der Hersteller bereits Produkte in hohen Stückzahlen fertigt, musste aber die Oberfläche anpassen, um die Kontaktierung zu ermöglichen. Die Ableitung der Wärme aus dem LED-Chip erfolgt durch den Infineon-Chip hindurch. Da ist es nicht verwunderlich, dass der Treiberchip neben der obligatorischen Diagnosefunktionalität auch einen Temperatursensor enthält. Der Treiberchip enthält 4 x 256 Stromquellen, eine Stromquelle je Pixel. Der typische Strom pro Pixel mit Kalibrierung beträgt 15 mA, und die Ansteuerung erfolgt über ein synchrones serielles Interface.
Von kritischer Bedeutung ist dabei die Verbindung von Opto- und Treiberchip sowie der Lichtchip selbst, über den Sie auf der folgenden Seite mehr erfahren.
Verbindung von Opto- und Treiberchip
Fraunhofer brachte in das Projekt seine Kompetenz zu Verbindungstechnik zwischen LED und ICs, Materialien sowie zur Erkennung und Isolation von Defekten ein. Die sehr hohe Auflösung gelang durch eine noch feinere Strukturierung mit einer außergewöhnlichen, miniaturisierten Anschlusstechnik. Hierzu montierten Mitarbeiter am Fraunhofer-Institut für Zuverlässigkeit und Mikrointegration IZM in Berlin LED-Arrays von Osram mit 1.024 Pixeln auf eine aktive Trei-berschaltung von Infineon, die jeden Pixel individuell ansteuert. „Bei einer extrem guten Entwärmung wurden die Chips so aufgebaut, dass sie den Ausgleich einiger Mikrometer Höhenunterschied ermöglichen“, erläutert Dr. Hermann Oppermann, Gruppenleiter Interconnect bei Fraunhofer IZM. Dabei untersuchten die Fraunhofer-Mitarbeiter zwei Technologievarianten parallel: das Thermokompressions-Bonden mit nanoporösem Goldschwamm und das Reflowlöten mit einer hoch zuverlässigen Gold-Zinn-Legierung. Beide Montagetechniken führten zum Erfolg „und bewiesen ein robustes Interface für nachfolgende LED-Prozesse“, führt Dr. Oppermann weiter aus. „Wir realisieren dabei Anschlüsse mit einer minimalen Breite von 30 µm mit Abständen bis hinunter zu 15 µm.“ Obwohl Gold ein teurer Kontaktierungs-Grundstoff ist, lässt sich der Prozess offensichtlich durch die Wafer-Level-Montage ziemlich preisgünstig durchführen, zumal die Kontaktierung galvanisch mit etwa 15 µm Dicke erfolgt.
Der Lichtchip
Zu den technologischen Herausforderungen des hochauflösenden LED-Scheinwerfers gehört der trotz Grundmaßen von nur 4 mm x 4 mm vergleichsweise große Chip mit 1.024 einzeln ansteuerbaren Pixeln, denn mit zunehmender Grundfläche des LED-Chips steigt bei der Herstellung das Risiko für ein Versagen oder eine niedrigere Leuchtkraft einzelner Lichtpunkte innerhalb der Pixel-Matrix. Um dieser Problematik zu begegnen, hat das Fraunhofer-Institut für Angewandte Festkörperphysik IAF in Freiburg eine neue Technologie zur Reparatur von Defekten während des laufenden Herstellungsverfahrens entwickelt. Sie baut auf ultravioletter Laser-Mikrobearbeitung auf und ermöglicht die Reparatur von Defekten in LED-Chips im laufenden Herstellungsprozess.
Das Verfahren identifiziert die mikroskopischen Defektbereiche, um sie anschließend mit einem UV-Laser durch behutsame Materialabtragung zu entfernen oder elektrisch zu isolieren, ohne dass der Laser versehentlich neue Defekte in Form von Leckstrom-Pfaden verursacht. Nach der Bearbeitung erstrahlen die reparierten Pixel wieder mit voller Leuchtkraft; das Lumineszenzbild ist wieder homogen. Der wirtschaftliche Nutzen der Laser-Mikrobearbeitung des Fraunhofer IAF liegt nicht nur in der Reduzierung der Defekte während der Produktion und in der Folge sinkendem Ausschuss und damit verbessertem Yield (Ausbeute), was niedrigere Herstellungskosten der großflächiger LED-Chips bedeutet: Das Verfahren kann die durchschnittliche Lebensdauer der LED erhöhen, was einen wichtigen Wettbewerbsvorteil darstellt und für mehr Kundenzufriedenheit sorgt.
Auf der nächsten Seite finden Sie Details zum Scheinwerfer selbst.
Der Active-Matrix-LED-Scheinwerfer
Hella spezifizierte ausgehend von den funktionalen Anforderungen aus dem Hause Daimler die wesentlichen technischen Anforderungen an die Lichtquelle. Das Unternehmen aus Lippstadt entwickelte das gesamte optische System der Lichtmodule sowie deren Entwärmungskonzept und baute die Prototypenscheinwerfer auf. Diese erzielen Hella zufolge „eine sehr hohe Systemeffizienz und erzeugen ein ausgesprochen homogenes Lichtbild bei gleichzeitig guter Abbildungsqualität der einzelnen Lichtpunkte“. Die unterschiedlichen Lichtbilder lassen sich damit rein elektronisch und somit ganz ohne mechanische Aktoren erzeugen. Dr. Roland Fiederling, Portfolio-Manager Matrixlicht bei Osram, erklärt, wo die Reise hingeht: „Es handelt sich hierbei um ein extremes Software-Thema. Die Software hält Einzug in den Scheinwerfer, und auf dem Modul befinden sich jetzt auch Mikrocontroller und FPGAs.“
Das Licht wird somit digital. „Mit der Entwicklung wird Hella dem eigenen Anspruch gerecht, innovative Lichtsysteme mit und für Kunden zu entwickeln und diese nicht nur in der geforderten Genauigkeit und Qualität in Serie zu bringen, sondern technologisch auch immer einen Schritt voraus zu denken“, konstatiert Steffen Pietzonka, Head of Global Marketing OE Lighting bei Hella.
Daimler spezifizierte im Forschungsprojekt die funktionalen Anforderungen und die zukünftigen Fahrzeugeigenschaften für das Scheinwerfer-Gesamtsystem. Daraus ergaben sich die Komponenten und die Moduleigenschaften für das Scheinwerfer-Gesamtsystem, das unter Berücksichtigung künftiger Sensoren und Fahrzeug-Architekturen die möglichst optimale Lichtverteilung berechnet und an die Pixel-Scheinwerfer weitergibt. Im Hinblick auf zukünftige Elektrofahrzeuge stellte auch das Thema Wirkungsgrad eine wesentliche Anforderung an die neu entwickelte LED. Schon in der aktuellen Version kommen 50 % des generierten Lichts auf die Straße. Bedenkt man, dass nur die LEDs leuchten, die wirklich notwendig sind, dann sinkt der Energiebedarf des Scheinwerfers weiter. Ein Scheinwerfer auf Basis eines DLP-Beamers dürfte wohl mindestens zwei- bis dreimal so viel Energie benötigen.
Wie sich der Scheinwerfer im Praxiseinsatz verhält, das erfahren Sie auf der nächsten Seite.Für die Erprobungstests im Realverkehr war ein Fahrzeug von Daimler mit den intelligenten LED-Scheinwerfern im Einsatz. Seit April 2016 arbeiten in der aktuellen Mercedes-Benz E-Klasse Multibeam-LED-Scheinwerfer von Hella mit je 84 einzeln ansteuerbaren diskreten Osram-Hochleistungs-LEDs, aber der neue Pixel-Scheinwerfer dringt in eine neue Dimension vor. Dr. Jörg Moisel, Leiter Lichttechnologien bei Daimler, sieht den neuen Active-Matrix-LED-Scheinwerfer auch schon ganz konkret auf der Roadmap: „Wir haben jetzt eine Komponente, die wir so in die Serienfertigung abgeben können.“ Da ist es nicht verwunderlich, dass alle Projektteilnehmer davon ausgehen, dass im Jahr 2020 ein derartiger Scheinwerfer in einem Serienfahrzeug auf den Straßen unterwegs sein wird.
Active-Matrix-LED-Scheinwerfer im Praxiseinsatz
Beim Einsatz eines intelligenten und hochauflösenden Scheinwerfers, dessen Machbarkeit das Projekt erfolgreich demonstrierte, analysiert ein Steuergerät permanent die Fahr- und Wettersituationen: Wie ist der Straßenverlauf, wie hoch die Geschwindigkeit, kommt Gegenverkehr, und wie ist der Abstand zu anderen Verkehrsteilnehmern? Darauf basierend sorgt die variable und adaptive Lichtverteilung in jeder Situation für eine passgenaue Beleuchtung.
Bei höherer Geschwindigkeit vergrößert sich beispielsweise automatisch auch die Reichweite des Lichtkegels. Im Stadtverkehr bringt hingegen eine breitere Lichtverteilung mehr Sicherheit, die zusätzlich zur Straße auch den Bürgersteig und Randbereiche besser ausleuchtet. Diese Funktionen lassen sich mit dem neuen System vollelektronisch ohne mechanische Stellmotoren realisieren. Beim blendfreien Fernlicht bekommt der Fahrer stets die bestmögliche Sicht bei Nacht – ohne andere Verkehrsteilnehmer zu beeinträchtigen. Das bedeutet für den Autofahrer ein deutliches Plus an Wahrnehmung und ist ein wichtiger Beitrag zur Verringerung des Unfallrisikos bei Nachtfahrten. „Wir wollen diese neue Art hochauflösender LED-Lichtquellen nun zur Serienreife bringen und sehen großes Potenzial für die Anwendung im Fahrzeuglicht“, kommentiert Osrams Technikvorstand Dr. Stefan Kampmann.