Beispiel für ein Design mit Chiplets

„Die zukünftige Integration erfolgt nicht mehr auf Leiterplattenebene sondern auf Substratebene“, sagte ein großer Automotive-Tier-1, der in diesem Beitrag ausgiebig zu Wort kommt. Mit Chiplets wird genau diese Verschiebung von der PCB- auf die Substratebene möglich. (Bild: Intel)

Die Zukunft gehört den Chiplets, denn wir brauchen ICs, die einerseits eine extrem hohe Verarbeitungsleistung aufweisen und andererseits möglichst preisgünstig sind. Für eine besonders hohe Performance der ICs, die ja oftmals SoCs (System on a Chip) sind, fiel die Wahl bisher meist auf monolithisch integrierte ICs mit hoher Packungsdichte, die teilweise bereits in 5-nm- oder gar 3-nm-Technologie gefertigt werden. Das ist die absolut neuste Technologie, die nur sehr wenige Halbleiterhersteller/Fabs beherrschen. Trotz ihrer Höchstintegration sind derartige SoCs oft immer noch sehr groß – und das bringt Probleme bei der Fertigungsausbeute (Yield) mit sich, denn wenn sich auf einem Wafer nur sehr wenige, dafür aber sehr große, ICs befinden, wirkt sich ein einziger Defekt viel stärker auf den Yield aus als bei sehr vielen kleineren ICs.

Was Chiplets sind und wie sie funktionieren

Chiplets können somit die Lösung für dieses Problem liefern. Im Prinzip sind Chiplets kleine einzelne Chips, die früher innerhalb eines sehr großen, monolithisch integrierten ICs enthalten waren. Das in diesem Bereich aktive Fraunhofer-Institut IZM hat das Grundprinzip der Chiplets sehr gut auf den Punkt gebracht: „Anstelle eines monolithischen Chips werden im modularen Ansatz des Chiplet-Designs mehrere, leichter zu produzierende Teile eines Halbleiterbausteins miteinander verbunden. Einzelne, hochintegrierte Einheiten sollen dabei in kleinere Basis-Einheiten zerlegt werden. Standardschnittstellen sollen durch das Baukastensystem die Wiederverwendung von … IPs ermöglichen und die Aktualisierungs- und Redesignzyklen verkürzen.“

Viele einzelne Chiplets sind dann per Mikrosystemtechnik innerhalb eines einzigen Chipgehäuses zu einem Systembaustein verbunden – ein Prinzip, das an More-than-Moore-Konzepte erinnert, die um die Jahrtausendwende intensiv diskutiert wurden. Synopsys spricht im Zusammenhang mit Chiplets auch von der „SysMoore Era“. Jetzt scheint mit den Chiplets der Durchbruch im Bereich der SiPs (Systems in a Package) zu kommen, wenngleich der Begriff SiP nur selten in diesem Zusammenhang fällt, obwohl er sehr gut erklärt, was Chiplets ermöglichen. Obwohl es rein sachlich nicht stimmt, ist übrigens auch bei der Nutzung von Chiplets oft von SoCs (Systems on a Chip) die Rede – dann eben auf Chiplet-Basis. Erst neuartige Verbindungs- und Multi-Die-Montagetechniken zwischen den Chiplets haben dieses Nachfolgekonzept der SoC-Technologie ermöglicht, so dass es nicht nur für die Automobilbranche höchst attraktiv geworden ist.

Hintergrundinfo: Das Yield-Problem bei Chips

Das folgende hypothetische, prinzipielle Beispiel verdeutlicht die grundsätzliche Problematik, die in der Poisson-Funktion exakt beschrieben ist: Wenn auf einem Wafer im Durchschnitt drei Prozessdefekte auftreten, dann bedeutet es bei 100 ICs, die sich auf einem Wafer befinden, eine wirklich gute Defektrate von 3 %. Wenn die ICs aber derart groß sind, dass nur 10 Chips auf einen Wafer passen, dann liegt die Defektrate bei 30 % – und das treibt die Kosten nach oben, während die höchst begehrten Kapazitäten nicht voll ausgelastet werden, weil so viele defekte Chips entstehen. Gleichzeitig steigen ab dem Technologieknoten 7 nm und darunter die Herstellungskosten in der Fab signifikant.

Wie Chiplets Prozesstechnologie-Probleme lösen

Das Chiplet-Verfahren ermöglicht es auch, verschiedene Chiplets, die in unterschiedlichen Prozesstechnologien gefertigt werden, in einem Gehäuse zu integrieren und intern zu verbinden. So besteht die Möglichkeit, neben spezialisierter Digitaltechnik auch Sensoren und Elemente der Leistungselektronik per Chiplets in ein Gehäuse zu packen. Dann könnte ein Baustein, der von außen wie ein monolithisch integriertes IC aussieht, neben einem hochintegrierten Mikrocontroller auch Prozessoren oder GPUs enthalten, die besonders auf die Abarbeitung von KI-Algorithmen ausgerichtet sind, während gleichzeitig auch ein Sensor-Chiplet und ein kleiner Leistungstreiber mitintegriert sind.

Bild 1: Neue Technologien wie EMIB (Embedded Multi-Die Interconnect Bridge) sind viel kostengünstiger als die herkömmliche Interposer-Technologie, bei der ein Stück Silizium in der Größe des Gehäuses erforderlich ist. EMIB nutzt lediglich winzige Siliziumbrücken zur Die-to-Die-Verbindung zwischen den Chiplets, wobei diese Die-to-Die-Connections in ein organisches Substrat eingebettet sind.
Bild 1: Neue Technologien wie EMIB (Embedded Multi-Die Interconnect Bridge) sind viel kostengünstiger als die herkömmliche Interposer-Technologie, bei der ein Stück Silizium in der Größe des Gehäuses erforderlich ist. EMIB nutzt lediglich winzige Siliziumbrücken zur Die-to-Die-Verbindung zwischen den Chiplets, wobei diese Die-to-Die-Connections in ein organisches Substrat eingebettet sind. (Bild: Synopsys @ Automotive Computing Conference 2022)

Praxisbeispiel: Halbleiter für ein Level 3+-System / Chiplets

Auf der Automotive Computing Conference berichtete Synopsys Ende 2022 von einem automatisierten Fahrsystem für Level 3+, das in einem SoC auf Basis von Building-Blocks und IP realisiert werden sollte, bei dem sich allerdings ein Problem ergab: Die Größe dieses Chips hätte trotz 5-nm-Technologie fast 800 mm2 betragen, was ziemlich nahe an der maximalen Retikelgröße liegt. Bei einem 800-mm2-Chip in 5-nm-Technologie würde der Yield im Bereich 20 % liegen (ergo: 80 % Ausschuss!), bei einem immer noch großen 180-mm2-Chip laut Synopsys immerhin schon bei 60 % („nur“ noch 40 % Ausschuss), so dass sich trotz zusätzlicher Montagekosten immer noch eine Halbierung der Endkosten für diese Funktionalität ergäbe, wenn Chiplets zum Einsatz kämen.

Das ist wirklich neu beim Chiplet-Ansatz

Im Prinzip konnten einzelne Unternehmen dies auch in der Vergangenheit schon anbieten, aber der Chiplet-Ansatz erfasst den Gesamtbaustein auf der Designseite genauso wie wie ein monolithisches Chipdesign – und das ist ein relativ neuer Ansatz. Weil durch eine kundenspezifische Anforderung eines OEMs nicht mehr ein komplett neues Chipdesign notwendig ist, sondern lediglich der Austausch einzelner Chiplets innerhalb eines Multi-Chiplet-Designs ansteht, erhöht sich die Flexibilität entscheidend, während gleichzeitig sichergestellt ist, dass die Halbleiter selbst in hohen Stückzahlen produzierbar sind.

Hierzu müssen die IP-Anbieter die gewünschten Funktionen auch in ihren jeweils passenden Technologien als Chiplets bereitstellen. Das Unternehmen AMD macht sich beispielsweise für das Chiplet-Prinzip stark, betont aber auch, dass die Chiplets möglichst von einem einzigen Hersteller kommen sollten, obwohl das elegante an dieser neuen Technologie ja gerade die theoretisch freie Kombinierbarkeit von Chiplets unterschiedlicher Hersteller ist – wenn die Interfaces adäquat zusammenarbeiten. Intel gibt sich in diesem Zusammenhang erheblich offener. Auf der Konferenz „Intel Innovation 2022“ stellte Intel-CEO Pat Gelsinger nämlich nicht nur die offensichtlich kostengünstige Multi-Die-Packaging-Technologie EMIB (Bild 1) sowie den offenen Die-to-Die-Interface-Standard UCIe (Universal Chiplet Interconnect Express) in diesem Zusammenhang vor, sondern er bekannte sich auch zu einem offenen Ökosystem. Intel erklärt sich somit bereit, eigene Chiplets mit nicht von Intel stammenden Chiplets in einem Multi-Die-System zu integrieren. Wenn man vor zehn Jahren gesagt hätte, dass Intel seine eigenen Chip(let)s zusammen mit Halbleitern aus Fabriken von beispielsweise GlobalFoundries, TSMC, Samsung und Texas Instruments in einem Gehäuse integriert, fertigt und ausliefert, dann hätte man eine derartige Aussage wohl ausschließlich auf den 1. April datiert, aber schon bei der offiziellen Erstankündigung berichtete Pat Gelsinger von „über 80 Unternehmen, die bei der Schaffung dieser Open Chiplet Environment mitarbeiten“.

Die zwei wichtigsten Minuten in der Rede von Intel-CEO Pat Gelsinger über den Beginn der Chiplet-Ära

Chiplets für Automotive

Wie attraktiv Chiplets allein für den Computing-Bereich im Fahrzeug sind, das zeigte Michael Schaffert, SVP for E/E Architecture bei Bosch, auf der Automotive Computing Conference sehr eindrucksvoll: Wenn in den Jahren 2027 bis 2028 schließlich Fahrzeugcomputer und Zonen-ECUs in signifikanter Stückzahl vom Band rollen, dann würden „ab 2024 neue Archetypen notwendig“. In diesem Rahmen erforderten drei Aspekte andere SoC- bzw. Halbleiter-Architekturen. Zum einen mache jeder OEM einen anderen Architekturschnitt, so dass eine Einigung auf lediglich ein bis drei Halbleiter-Architekturplattformen nicht absehbar sei. Zudem „erreichen wir schon heute physikalische Limits mit unseren Vehicle-Computer-Designs“, weshalb es erforderlich sei, andere Wege als heute zu gehen – und der Chiplet-Ansatz adressiere viele technische Einschränkungen, die derzeit in der Automotive-Umgebung vorherrschen. In der IT- und Serverwelt kommt dieser Chiplet-Ansatz bereits heute zum Einsatz, und „dieser Ansatz könnte für die Automobilindustrie ebenfalls zielführend sein“, erklärte Michael Schaffert im Gespräch mit AUTOMOBIL-ELEKTRONIK.

Vorteile von Chiplet-Designs – nicht nur im Auto

So habe Bosch jetzt alle Vehicle-Computer-Architekturen analysiert und festgestellt, „dass wir in der Tat die SoCs in eine sinnvolle Menge von Blöcken zerlegen können“, beispielsweise in CPUs, GPUs und einen Crossbar-Anteil, unter dem Bosch generische Techniken aus anderen Branchen genauso zusammenfasst wie einige wenige automotive-spezifische Module. Aus diesem Grund glaubt Michael Schaffert, „dass Chiplets-basierte SoCs ins Auto kommen werden“. Die Gründe dafür sind offensichtlich:

  • Geringere Fertigungskosten durch höhere Ausbeute in der Fab und damit gleichzeitig eine höhere Verfügbarkeit der Chip(let)s, weil weniger Dies defekt sind.
  • Chiplets lassen sich wiederverwenden, und diese „Reusability“ wird nicht nur die F&E-Kosten senken sondern auch die Time-to-Market verkürzen.
  • Kombinationen aus verschiedenen Chiplets nach dem Mix-and-Match-Prinzip ermöglichen sowohl kundenspezifische Lösungen als auch Skalierbarkeit.
  • Durch die Nutzung der jeweils am besten geeigneten Halbleitertechnologie lassen sich Risiken möglichst klein halten.
  • Durch die Verwendung von bestens erprobten und spezialisierten Chiplets vereinfacht sich das Chip-Design.
  • Gleichzeitig steigt die Wiederverwendbarkeit von Software (SW Reuse), wenn nicht mehr komplette SoCs ausgetauscht werden sondern nur noch Module innerhalb eines Multi-Chiplet-Designs.
Bild 2: Beispiele für Multi-Die-Systeme auf Chiplet-Basis, die bereits in Massenproduktion sind: Die Ponte-Vechio-GPUs von Intel enthalten 47 aktive Chiplets mit in Summe über 100 Milliarden Transistoren innerhalb eines Multi-Die-Systems, Apples M1-CPU auf zwei Dies 114 Milliarden Transistoren. Das AI-Training-System von Tesla stellt mit Hilfe von Chiplets eine Rechenleistung von beachtlichen 9 Peta-FLOPS zur Verfügung.
Bild 2: Beispiele für Multi-Die-Systeme auf Chiplet-Basis, die bereits in Massenproduktion sind: Die Ponte-Vechio-GPUs von Intel enthalten 47 aktive Chiplets mit in Summe über 100 Milliarden Transistoren innerhalb eines Multi-Die-Systems, Apples M1-CPU auf zwei Dies 114 Milliarden Transistoren. Das AI-Training-System von Tesla stellt mit Hilfe von Chiplets eine Rechenleistung von beachtlichen 9 Peta-FLOPS zur Verfügung. (Bild: Synopsys @ Automotive Computing Conference 2022)

In Kürze: 5 Häufig gestellte Fragen und Antworten zu Chiplets in der Halbleiterindustrie

1. Was sind Chiplets und wie funktionieren sie?

Chiplets sind kleine individuelle Chips, die früher innerhalb eines großen, monolithisch integrierten ICs (Integrated Circuit) enthalten waren. Sie werden im modularen Chiplet-Design-Ansatz miteinander verbunden, um hochintegrierte Systeme zu schaffen.

2. Warum sind Chiplets eine Revolution für die Halbleiterindustrie?

Chiplets bieten die Möglichkeit, verschiedene Funktionseinheiten in unterschiedlichen Prozesstechnologien zu integrieren, was die Fertigungskosten senkt und die Flexibilität erhöht. Sie ermöglichen die Wiederverwendung von IP (Intellectual Property) und beschleunigen die Markteinführung.

3. Welche Vorteile bieten Chiplets im Automobilbereich?

Im Automobilbereich ermöglichen Chiplets eine flexiblere Anpassung an unterschiedliche Architekturen und Technologieanforderungen. Sie reduzieren die Fertigungskosten und erhöhen die Verfügbarkeit der Chips.

4. Was sind die Herausforderungen bei der Implementierung von Chiplets?

Eine der Hauptanforderungen ist die Standardisierung der Schnittstellen zwischen Chiplets, um die Interoperabilität sicherzustellen. Außerdem müssen Fertigungs-, Montage- und Testkapazitäten für Chiplet-basierte Designs aufgebaut werden.

5. Wie sieht die Zukunft von Chiplets aus?

Die Zukunft von Chiplets liegt in der Schaffung eines Ökosystems und Marktplatzes für Chiplets. Dies würde die Entwicklung maßgeschneiderter Halbleiterlösungen erleichtern und das Potenzial dieser Technologie voll ausschöpfen.

Herausforderungen bei Chiplets

Die Grundherausforderung für das Funktionieren des Chiplet-Ansatzes sind vollständig spezifizierte Schnittstellen-Standards, die volle Interoperabilität ermöglichen. Gleichzeitig müssten auf breiter Basis Fertigungs-, Montage-, Gehäuse- und Test-Kapazitäten für Chiplet-basierte Designs aufgebaut werden. Der aktuell wesentlichste Punkt dürfte jedoch eine Veränderung der Design-Philosophie weg vom Halbleiter-zentrischen Denken hin zu einem Planen auf Systemebene sein, das gleichzeitig ein Co-Design von IC und Gehäuse mit einschließt. Damit Chiplet-basierte Designs ihren Weg ins Auto finden müssen wir Bosch zufolge die Chiplet-Interfaces soweit standardisieren, dass sich auch Chiplets von unterschiedlichen Halbleiterherstellern auf einem einzigen Substrat integrieren lassen: „Die zukünftige Integration erfolgt nicht mehr auf Leiterplattenebene sondern auf Substratebene.“

Ökosystem und Marktplatz für Chiplets

Als logische Konsequenz daraus müsste dann eine Art IP-Marktplatz für Chiplets, eine Chiplet-Wertschöpfungskette und ein entsprechendes Ökosystem entstehen, auf dem sich die Zulieferer dann unter Einhaltung der Lizenzbedingungen die erforderlichen Elemente besorgen können. Der Baustein selbst lässt sich dann auf einem Substrat oder auch per 3D-Aufbau realisieren. So hat beispielsweise das Fraunhofer IIS/EAS bereits erste Voraussetzungen hierfür geschaffen, indem es Chiplet-Interface-IP in der 5-nm-Prozesstechnologie von Samsung implementierte.

Welche Möglichkeiten Chiplets eröffnen

Wer an dieser Stelle der eigenen Phantasie freien Lauf lässt, kommt auf viele interessante Möglichkeiten für einen Chiplet-Marketplace. Man denke nur an fertig verfügbare Multi-Die-Systeme, die sich sofort einsetzen lassen – inklusive umfangreicher Dokumentation und der Möglichkeit, die Hardware im individuellen Software-Kontext zu simulieren. Mit vorgefertigten Chiplets ließen sich mit geringem Aufwand eigene Derivate kreieren, wobei diese Multi-Die-Systeme die gleiche (oder höhere) Funktionalität wie ein SoC aufweisen können, allerdings mit viel weniger restriktiven Randbedingungen. Mit Chiplet-IP-Plattformen und der entsprechenden IP könnte sich jedes Unternehmen ein eigenes, kundenspezifisches Chiplet entwickeln und simulieren, während eine Bibliothek mit lizenzierbarer oder Open-Source-Software die Elemente direkt unterstützt. Tool-Anbieter wie Synopsys sind in diesen Bereichen bereits sehr aktiv und positionieren sich entsprechend.

Michael Schaffert (Bosch): „Die zukünftige Integration erfolgt nicht mehr auf Leiterplattenebene sondern auf Substratebene.“
Michael Schaffert (Bosch) auf der Automotive Computing Conference 2022: „Die zukünftige Integration erfolgt nicht mehr auf Leiterplattenebene sondern auf Substratebene.“ (Bild: Alfred Vollmer)

Design von Lösungen auf Chiplet-Basis

Für Christian Malter, Senior Director Business Development in der Automotive Group von Synopsys, stellen Chiplets “eine Revolution für die Halbleiterindustrie“ dar, wobei sein Unternehmen im Automotive-Kontext von einem „Multi-Die-System“ spricht. Im Gegensatz zu Multi-Chip-Modulen, die nach der Bottom-Up-Methode bereits existierende ungehäuste Chips (Known Good Dies) über die regulären Standard-I/Os und Schnittstellen auf einem Substrat kombinieren, läuft der Design-Ansatz bei Multi-Die-Systemen, die aus mehreren Chiplets bestehen, anders ab: Chiplet-Designs erfolgen im Top-Down-Verfahren, ohne dass die Entwickler dafür besondere Anforderungen einer SoC-Architektur beachten müssen.

Das Schöne daran ist die theoretisch unbegrenzte Größe des virtuellen Dies, der dann in sinnvolle Chiplets (teilweise auch Tiles genannt) unterteilt wird, wobei die Verbindung zwischen den einzelnen Dies über spezielle Die-to-Die-Interfaces erfolgt. Diese Schnittstellen arbeiten besonders breitbandig, funktionieren aber nur über sehr kurze Distanzen, so dass sie nur eine besonders geringe Verlustleistung nach sich ziehen. Gängige Die-to-Die-Interfaces arbeiten mit Spannungen von 0,7 V, was beim Datenaustausch von Hunderten GByte/s gegenüber herkömmlichen Schnittstellen wie dem mit 3,3 V arbeitenden PCI Express zu beachtlich geringeren Leistungsverlusten führt.

Christian Malter (Synopsys) auf der Automotive Computing Conference 2022: „Die Herausforderung liegt in der Zusammenarbeit der Industrie, um so ein offenes Ökosystem zu ermöglichen.“
Christian Malter (Synopsys) auf der Automotive Computing Conference 2022: „Die Herausforderung liegt in der Zusammenarbeit der Industrie, um so ein offenes Ökosystem zu ermöglichen.“ (Bild: Alfred Vollmer)

Schon jetzt über 100 Designs mit Chiplets

Nach Angaben von Synopsys haben die Entwickler weltweit bereits mit über 100 Designs begonnen, die Chiplets nutzen, von denen 17 % einen Automotive-Bezug haben. Synopsys zitiert in diesem Kontext, dass Gartner für 2024 bereits 10 % der weltweiten Halbleiter-Umsätze – das ist ein Volumen von etwa 600 Milliarden US-$ – auf Chiplets basieren wird. Im Endeffekt ähnelt ein Multi-Die-System doch irgendwie einer ECU: Mehrere Chiplets werden an Stelle von Chips auf einem Substrat anstelle einer Leiterplatte kombiniert, mit Software versehen, produziert und dann von einem System-Integrator geliefert, der ein Tier-1 sein könnte.

In 75 Sekunden erklärt: So entsteht ein IC auf Chiplet-Basis

Das Potenzial von Chiplets

Christian Malter von Synopsys ist sich sicher, dass es rund um Chiplets „riesige Möglichkeiten“ gibt, denn „die ökonomischen Vorteile sind offensichtlich“. Er sieht aber auch noch diverse Hausaufgaben: „Die Herausforderung liegt in der Zusammenarbeit der Industrie, um so ein offenes Ökosystem zu ermöglichen, aber die wahre Herausforderung besteht darin, ein Gerüst für die rechtlichen Rahmenbedingungen zu erstellen, denn immerhin geht es um Aspekte wie Verantwortlichkeit, Haftung, Garantie etc.“ Das sind zwar Herausforderungen, aber Jinman Han, Head of Memory Global Sales, Maketing & Business Development bei Samsung Electronics, bringt die Situation ganz klar auf den Punkt: „Den Chiplets gehört die Zukunft.“

Der Autor: Alfred Vollmer

Alfred Vollmer
(Bild: Hüthig)

Alfred Vollmer interessiert sich nicht nur für Technik per se in vielen Facetten und Einzelheiten sondern auch dafür, wie sich diese Technik im wirtschaftlich-gesellschaftlichen Rahmen sinnvoll anwenden, umsetzen und nutzen lässt. Der Dipl.-Ing. hat bereits während des Studiums der Elektrotechnik sein Faible fürs Schreiben entdeckt und ist mit über 30 Jahren Branchenerfahrung ein bestens vernetztes Urgestein der europäischen (Automobil-)Elektronik-Fachpresse. Er fragt gerne detailliert nach und lässt dabei auch die ökologischen Aspekte nicht aus. Mit vielen seiner (Elektrotechnik-)Prognosen lag er richtig, aber manchmal sorgten auch sehr spezifische Marktmechanismen dafür, dass es ganz anders kam…

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