Radar-Interferenzen sind ein bekanntes Problem auch im Automotive-Bereich, denn alle Radarsysteme nutzen dasselbe zugewiesene Frequenzspektrum.

Radar-Interferenzen sind ein bekanntes Problem auch im Automotive-Bereich, denn alle Radarsysteme nutzen dasselbe zugewiesene Frequenzspektrum. (Bild: NXP)

Von Radar-, über Lidar- bis hin zu Kamerasystemen – die verschiedenen Sensortypen haben alle ihre Stärken und Schwächen und sind ein zentrales Element für die Realisierung des hochautonomen Fahrens (Highly Autonomous Driving, HAD). Trotz ihrer Robustheit und geringeren Kosten als andere Sensorsysteme haben Radarsysteme einige Nachteile. Dazu zählen eine geringere Winkel- bzw. Seitenwinkelauflösung und Radar-zu-Radar-Interferenzen.

Um die Winkelauflösung zu steigern, gibt es bereits fortschrittliche Lösungen, von speziellen Antennen-Arrays (Sparse Antenna Arrays) bis hin zu Algorithmen für eine stark verbesserte Auflösung. Darüber hinaus gibt es Techniken zur Verbesserung der Empfindlichkeit des Radars hinsichtlich der Unterscheidung kleiner Gegenstände in der Nähe von großen Objekten, wie z.B. eines Fußgängers neben einem großen Lkw oder einem Gebäude. Da immer mehr Fahrzeuge mit Radarsystemen ausgestattet werden, stellen Interferenzen zunehmend eine Herausforderung dar.

Das Problem: Radar-zu-Radar-Interferenz

Radar-Interferenzen sind ein bekanntes Problem. Alle Radarsysteme nutzen dasselbe zugewiesene Frequenzspektrum. Somit können mehrere Radargeräte gleichzeitig und auf der gleichen Frequenz senden. Wenn sich dabei auch noch ihre Sichtlinien überschneiden, stören sie sich gegenseitig und es entsteht eine Interferenz.

Der so genannte MOSRIM-Bericht (MOre Safety for All by Radar Interference Mitigation) ist eines der ersten Projekte, welches die Schwere des Problems mit Radarinterferenzen bewertet. Darauf baut eine Studie der National Highway Traffic Safety Administration (NHTSA) auf und ergänzt verschiedene Verkehrsszenarien, um festzustellen, wann und wie oft Störungen auftreten.

Bild 1: Ein häufiges Verkehrsszenario – Fahrzeuge mit einem nach vorne gerichteten Long-Range-Radar und einem relativ engen Sichtfeld (FoV, Field of View) nähern sich einander an. Interferenzen treten auf, wenn sich die FoVs der beiden Sensoren überlappen.
Bild 1: Ein häufiges Verkehrsszenario – Fahrzeuge mit einem nach vorne gerichteten Long-Range-Radar und einem relativ engen Sichtfeld (FoV, Field of View) nähern sich einander an. Interferenzen treten auf, wenn sich die FoVs der beiden Sensoren überlappen. (Bild: NXP)

Bild 1 zeigt ein häufiges Verkehrsszenario: Fahrzeuge mit einem nach vorne gerichteten Long-Range-Radar und einem relativ engen Sichtfeld (FoV, Field of View) nähern sich einander an. Interferenzen treten auf, wenn sich die FoVs der beiden Sensoren überlappen und die Radare gleichzeitig sowie im gleichen Frequenzspektrum aktiv sind (Bild 2).

Bild 2: Leistungsunterschied zwischen einem von einem Ziel empfangenen Radarsignal (blau) und einem Radarsignal, das von einem anderen Radar in der gleichen Entfernung (rot). Wenn sich das Ziel und das störende Radar in der gleichen Entfernung befinden, ist die Leistung, die vom störenden Radar viel höher.
Bild 2: Leistungsunterschied zwischen einem von einem Ziel empfangenen Radarsignal (blau) und einem Radarsignal, das von einem anderen Radar in der gleichen Entfernung (rot). Wenn sich das Ziel und das störende Radar in der gleichen Entfernung befinden, ist die Leistung vom störenden Radar viel höher. (Bild: NXP)

Wie sich Interferenzen reduzieren lassen

Um Radarinterferenzen abzuschwächen, ohne dabei die Gesamtleistung des Systems zu beeinträchtigen, kommen drei verschiedene Techniken in Frage.

Die erste Technik vermeidet die Sättigung des Front-Ends, die auftritt, wenn ein Radarsensor einem starken Störsignal ausgesetzt ist. Die zweite Technik liegt in der Erkennung der Interferenzen in der digitalen Domäne und deren anschließende Entfernung. Die dritte Technik zielt auf eine Vermeidung von Interferenzen durch eine Anpassung der Radarwellenform ab, um die Wahrscheinlichkeit einer Interferenz mit anderen Radarsystemen zu verringern (Bild 3).

Mit diesen Methoden wird versucht, die nachteiligen Auswirkungen von Interferenzen vor bzw. nach deren Auftreten abzuschwächen. Da ihre Implementierung aber für jeden einzelnen Sensor im jeweiligen Radarsystem unabhängig voneinander erfolgt, ist dies keine robuste Strategie, um Störungen strukturiert zu vermeiden.

Bild 3: Ein Radarsensor mit Digitalteil (DSP) sowie Sender- und Empfänger-Frontend. .
Bild 3: Ein Radarsensor mit Digitalteil (DSP) sowie Sender- und Empfänger-Frontend. . (Bild: NXP)

So kann ein strukturierter Ansatz bei der Reduzierung von Interferenzen helfen

Ein solcher Ansatz kann zum Beispiel die statische Zuweisung von Ressourcen für Radaranwendungen sein. Bei diesem Ansatz verwenden vordere und hintere Radargeräte Bereiche des Spektrums, die sich nicht überlappen. Dadurch wird das Worst-Case-Szenario für Interferenzen vermieden, bei dem ein Signal des Front-Radars auf das Signal des rückwärtigen Radarsensors des vorausfahrenden Autos trifft. Auch die Verwendung verschiedener Polarisationen für unterschiedliche Anwendungen könnte dieses Worst-Case-Szenario abschwächen. Jedoch sollte in diesem Fall der Einfluss der Polarisation auf das FoV der Antenne und auf die Wellenausbreitung nicht außer Acht gelassen werden.

Für komplexere Lösungen könnten die Radarsensoren Kanalzugriffsschemata wie TDMA (Time Division Multiple Access), FDMA (Frequency Division Multiple Access), CDMA (Code Division Multiple Access) oder OFDMA (Orthogonal Frequency Division Multiple Access) zurückgreifen. Alternativ ließe sich ein stochastischer Ansatz verfolgen, wie z.B. ALOHA, CSMA (Carrier Sense Multiple Access) oder CSMA-CA (Carrier Sense Multiple Access - Collision Avoidance). Ein solcher wird normalerweise auf der MAC-Schicht (Medium Access Control) des Kommunikations-Stacks bereitgestellt.

Die Verfolgung des erstgenannten Ansatzes setzt eine zentrale Koordination voraus. Das bedeutet, dass jeder Radarsensor einer zentralen Einheit, z.B. der Kommunikationsinfrastruktur, das geplante Vorgehen kommuniziert. Der Sensor bekommt anschließend den – für die Erfassung der Umgebung sicher verwendbaren – Zeit- und Frequenzslot von der Infrastruktur zugewiesen. So lassen sich Interferenzen begrenzen.

Eck-Daten 'Radar-Interferenzen bei Radarsystemen'

Radar-Interferenzen sind ein bekanntes Problem, denn alle Radarsysteme nutzen dasselbe zugewiesene Frequenzspektrum. Es existieren aber bereits einige Techniken, um Interferenzen zu reduzieren. Aber anstelle diese Techniken in jedem einzelnen Sensor unabhängig voneinander zu implementieren, ist ein strukturierter Ansatz die bessere Lösung. Mittels der Zuweisung von Ressourcen, der Nutzung von Kanalzugriffsschemata oder durch kooperierende Radarsysteme lässt sich das Problem Radar-zu-Radar-Interferenz in den Griff bekommen und OEMs können sich trotz einer standardisierten Methode für den Zugriff auf den Kommunikationskanal bei der Sensorleistung differenzieren.

Was bringt das Slotted-ALOHA-Protokoll?

Der zweite Ansatz arbeitet dezentral, wobei jeder Radarsensor dem gleichen Übertragungsprotokoll folgt, was Fairness und Leistung gewährleistet. Die einfachste Möglichkeit ist das sogenannte ALOHA-Protokoll – Jede Einheit sendet Signale, wann sie will. Im Grunde gehen so aktuelle Radarsensoren vor.

Eine der ersten Verbesserungen des ALOHA-Protokolls in der Kommunikation ist das sogenannte Slotted-ALOHA. Tritt beispielsweise eine Kollision von zwei Sendesignalen auf, dann geschieht dies für den gesamten Übertragungsrahmen, und teilweise Überlappungen von Signalen werden so unmöglich. Mit diesem einfachen Trick lässt sich die Effizienz der Übertragung in der Kommunikation verdoppeln.

Im Gegensatz zu Anwendungen in Kommunikationsnetzen müssen Radarsensoren nicht miteinander kommunizieren, um die Umgebung zu erfassen. So ließe sich nur die Art und Weise standardisieren, wie die Sensoren auf den Kanal zugreifen und so vollkommen frei eine beliebige Wellenform für das Radarsignal einsetzen. Wird zum Beispiel auf ALOHA und Slotted-ALOHA zurückgegriffen, so ist es vorstellbar, die Senderessourcen in Zeit- und Frequenzblöcken zu organisieren, z.B. 20 ms mit 250 MHz. Diese Methode würde es jedem Radarsensor ermöglichen, eine ganzzahlige Anzahl von Zeit- und Frequenzslots zu verwenden. Die Zeitsynchronisation könnte vom GPS-Signal ausgehen, welches bereits im Auto verfügbar ist.

Würde ein allgemeiner Konsens erreicht, dann könnten mithilfe dieser einfachen Maßnahme mehr Sensoren in derselben Umgebung arbeiten. Damit hätte die Industrie die volle Freiheit, sich bei den Wellenformen der Radarsignale zu differenzieren.

Komplexere Multiple-Access-Schemata

Komplexere und effizientere Multiple-Access-Schemata sind ebenfalls eine Möglichkeit. Für den Zugriff auf den Kanal könnte zum Beispiel eine Form der Abtastung der verfügbaren Zeit- und Frequenzressourcen und ein Zufalls-Mechanismus implementiert werden, ähnlich dem in Wi-Fi-Netzwerken verwendeten CSMA-CA-Protokoll. Weitere Untersuchungen sind erforderlich, um das richtige Protokoll für die Ressourcenzuweisung bei Radaranwendungen zu ermitteln. Dieses sollte auf den MAC-Protokollen basieren – jedoch mit erheblichen Anpassungen, um die verschiedenen Arten von Datenverkehr, Prioritätseinstellungen und QoS-Zielen (Quality of Service) zu berücksichtigen.

Was auch immer die Lösung sein wird: Allgemein vereinbarte Regeln für den Zugriff auf gemeinsam genutzte Ressourcen werden ganz sicher die maximale Anzahl von gleichzeitig in derselben Umgebung agierenden Radarsensoren erhöhen.

Kooperierende Radarsysteme reduzieren Interferenzen 

Es gibt noch eine weitere Möglichkeit, wie sich Interferenzen reduzieren oder gar vermeiden lassen.  Anstatt die Radarsensoren als einzelne Einheiten zu betrachten, könnte die Radarsensoren als mehrere Bestandteile desselben Erfassungssystems gelten. Bei diesem Konzept arbeiten die Radarsensoren zusammen, um dasselbe gemeinsame Ziel zu erreichen. Die Sensoren müssen mit einer Kommunikationsverbindung zu allen anderen Radar-Sensoren ausgestattet sein, um den Zugriff auf den gemeinsam genutzten Kanal zu koordinieren und Informationen auszutauschen. Auf diese Weise arbeiten sie als größeres Ökosystem zusammen.

Dies wäre in einem Szenario von Vorteil, in dem eine Anwendung ein besonders gutes Abbild der Umgebung liefern muss. Die Anwendung könnte das Radarerfassungssystem abfragen, um ein solches Abbild zu erstellen. Jedoch lassen sich auch Informationen von Radarsensoren einbinden, die an anderen Autos oder im Rahmen der Straßeninfrastruktur angebracht sind. Eine solche kooperative Erfassung würde Interferenzen a priori vermeiden, da keine Einheit als Störquelle angesehen wird, da bereits alle zusammenarbeiten.

Die richtige Strategie zur Minderung von Radarinterferenzen muss nicht die effizienteste sein. Das richtige Gleichgewicht zwischen Komplexität und der Fähigkeit, mit Störquellen umzugehen, hängt stark von den vorgesehenen Einsatzszenarien ab. Kombinationen aus Zufallsprinzip, Interferenzerkennung und -vermeidung könnten bereits leistungsstark genug für eine signifikante Marktdurchdringung von Radarsystemen sein.

Zusammenfassung

Um das Problem der Radar-zu-Radar-Interferenz zu beheben, kommen zukünftig immer ausgefeiltere Techniken zum Einsatz. Letztendlich wird es eine Form von Vereinbarung innerhalb der Radarsensorgemeinschaft geben, um die Ressourcen, die zur Erfassung bereitstehen, effektiv zu teilen. Es ist davon auszugehen, dass es eine standardisierte Methode für den Zugriff auf den Kommunikationskanal geben wird – gleichzeitig aber weiterhin die Möglichkeit bestehen wird, sich bei der Sensorleistung zu differenzieren.

Autoren

Alessio Filippi ist Technical Director bei NXP, Francesco Laghezza ist Principal Radar Engineer bei NXP, Feike Jansen ist Principal Scientist bei NXP, Jeroen Overdevest ist Radar Signal Processing Engineer bei NXP, Dilge Terbas ist Projektanalystin bei NXP

Sie möchten gerne weiterlesen?